LVwG-650716/2/KOF/LR

Linz, 31.10.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Josef Kofler über die Beschwerde des Herrn L A F,
geb. 1985, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. J K, M- T-Straße, W gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 22.08.2016, GZ: BHGMVerk-2016-244038/9, wegen Entziehung der Lenkberechtigung und Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

 

I.

Gemäß § 28 Abs.1 VwGVG wird der Beschwerde insofern stattgegeben, als die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auf 20 Monate – gerechnet ab Zustellung dieses Erkenntnisses – herab- bzw. festgesetzt wird.

Im Übrigen wird der behördliche Bescheid bestätigt.

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem/den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf) wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit gemäß näher bezeichneter Rechtsgrundlagen nach dem FSG

·         die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von drei Jahren – gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides – entzogen  und

·         verpflichtet, den Führerschein unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft der Behörde abzuliefern.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Bf innerhalb offener Frist

eine begründete Beschwerde erhoben.

 

Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter (Art. 135 Abs.1 1.Satz B-VG) erwogen:

 

Gemäß § 24 Abs.1 und Abs.2 VwGVG ist die Durchführung

einer öffentlichen mündlichen Verhandlung (mVh) nicht erforderlich, da

·         der durch einen Rechtsanwalt vertretene Bf diese in der Beschwerde nicht beantragt hat; VwGH vom 28.04.2004, 2003/03/0017  und

·         betreffend die Frage der verwirklichten Verbrechen Bindungswirkung an das diesbezügliche rechtskräftige Gerichtsurteil besteht und das Verwaltungsgericht die gegenständliche Tatfrage nicht zu beurteilen hat; VwGH vom 11.05.2016, Ra 2016/11/0062.

 

Der nunmehrige Beschwerdeführer (Bf) wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 29.02.2016, 7 Hv 173/15y wegen

-      der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs.1 StGB

-      der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen

nach § 207 Abs.1 und Abs.2 StGB

-      der Verbrechen des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses

nach § 212 Abs.1 Z1 und § 212 Abs.1 Z2 StGB   und

-      den Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach

§ 207a Abs.1 Z1 und Z2 5.Fall und Abs.3, Satz 2, 1. und 2.Fall StGB

zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 1/2 Jahren verurteilt.

 

Grund für diese Verurteilung war, dass der Bf

-      jeweils mit einer unmündigen Person in wiederholten Angriffen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen hat und zwar im Zeitraum Februar 2005 bis Frühjahr/Sommer 2007 mit seinem im Jahr 2000 geborenen unmündigen Neffen und

im September 2015 mit seinem im Jahr 2011 geborenen Sohn.

-      eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen hat und zwar – wie vorstehend angeführt – in denselben Zeiträumen und mit denselben Personen

 

 

 

-      eine geschlechtliche Handlung mit einer minderjährigen Person vorgenommen oder von einer solchen Person an sich vornehmen lassen oder um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen, dazu verleitet eine geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen und zwar in denselben Zeiträumen an denselben Personen.

 

-      im Zeitraum August 2006 bis April 2008 und Anfang 2012 bis Oktober 2016 in einer Vielzahl von Einzelangriffen zumindest 12.666 Bilder und 1.565 Videoclips pornografischer Darstellungen minderjähriger Personen enthaltenen Bilder und Videos unmündiger Minderjährige hergestellt, anderen sonst zugänglich gemacht bzw. sich selbst verschafft und besessen hat.

 

Der LVwG OÖ. ist an dieses rechtskräftige Gerichtsurteil gebunden; 

VwGH vom 06.04.2006, 2005/11/0214; vom 06.07.2004, 2002/11/0163;

vom 20.02.2001, 98/11/0317; vom 14.11.1995, 95/11/0215; vom 27.06.1995, 95/11/0004; vom 24.01.2008, 2007/03/0247; vom 27.01.2010, 2009/03/0082; vom 28.11.2013, 2013/03/0070; vom 10.08.2015, Ra 2015/03/0047  sowie

OGH vom 17.10.1995, 1 Ob 612/95 – VS

 

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen,

für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird.

Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrs-zuverlässigkeit (§ 7 leg.cit.) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z8 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 leg.cit zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs. 3 leg.cit. beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

 

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind,  kein wie immer geartetes Beweisthema;

Erkenntnisse v. 30.5.2001, 2001/11/0081; vom 23.4.2002, 2000/11/0182;

vom 11.4.2002, 99/11/0328; vom 28.9.1993, 93/11/0142 mit Vorjudikatur;

vom 25.2.2003, 2003/11/0017; vom 4.10.2000, 2000/11/0176.

 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern;

VfGH v. 14.3.2003, G203/02; v. 11.10.2003, B 1031/02; v. 26.2.1999, B 544/97

VwGH vom 18.03.2003, 2002/11/0062; vom 22.11.2002, 2001/11/0108; vom 23.04.2002, 2000/11/0184; vom 22.02.2000, 99/11/0341 mit Vorjudikatur; vom 19.07.2002, 2000/11/0171; vom 06.04.2006, 2005/11/0214; vom 27.04.2015, Ra 2015/11/0011 unter Verweis auf VfGH vom 11.10.2003, B 1031/02.

 

Die jahrzehntelange Rechtssprechung des VwGH, wonach Haftzeiten

in die Entziehungsdauer nicht einzurechnen sind, ist mittlerweile überholt.

In den letzten Jahren hat der VwGH wiederholt im Ergebnis ausgesprochen,

dass Haftzeiten in die Entziehungsdauer miteinzubeziehen sind;

Erkenntnisse vom 29.04.2003, 2002/11/0161; vom 21.02.2006, 2003/11/0025;

vom 21.02.2006, 2004/11/0129; vom 21.11.2006, 2005/11/0168;

vom 21.03.2006, 2005/11/0196;  vom 18.12.2006, 2006/11/0076.

 

Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab Tathandlung

bzw. ab Beendigung des strafbaren Verhaltens zu bemessen;

VwGH vom 17.10.2006, 2006/11/0120;  vom 21.03.2006, 2005/11/0196; vom 22.02.2007, 2005/11/0190; vom 21.11.2006, 2005/11/0168; vom 21.03.2006, 2005/11/0153; vom 27.03.2007, 2005/11/0115; vom 18.12.2007, 2007/11/0194.

 

Im gegenständlichen Fall war die Beendigung des strafbaren Verhaltens

im Oktober 2015.

 

Betreffend die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit und somit die Festsetzung der Entziehungsdauer wird auf die – denselben Beschwerdeführer betreffenden – Erkenntnisse des VwGH vom 23.04.2002, 2001/11/0195 und vom 24.09.2003, 2002/11/0155 verwiesen.

 

Der dortige Beschwerdeführer wurde wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen, des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen
und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren verurteilt.

Der VwGH hat

·         mit Erkenntnis vom 23.04.2002 die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von nahezu sechs Jahren als zu lange erachtet, jedoch

·         mit Erkenntnis vom 24.09.2003 eine Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von 32 Monaten als rechtmäßig bestätigt bzw.

die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

Der vorliegende Fall ist noch schwerwiegender zu werten, da über den Bf
eine unbedingte Freiheitsstrafe von 4 1/2 Jahren – somit um zwei Jahre länger als über den Bf in den oa. VwGH-Erkenntnissen – verhängt wurde.

 

Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit wird daher mit 33 Monaten und –
da seit der Beendigung des strafbaren Verhaltens (Oktober 2015) ein Zeitraum von
ca. 13 Monaten vergangen ist – die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung mit 20 Monaten – gerechnet ab Zustellung dieses Erkenntnisses – festgesetzt.

 

 

Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines

ist in der zitierten Rechtsgrundlage (§ 29 Abs.3 FSG) begründet.

 

 

II.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des VwGH.

Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag
der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim VfGH und/oder einer außerordentlichen Revision beim VwGH.

Eine Beschwerde an den VfGH ist unmittelbar bei diesem einzubringen,

eine Revision an den VwGH beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.

Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision
müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

 

Mag. Josef Kofler