LVwG-000004/2/AL/EG

Linz, 21.03.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Dr. Astrid Lukas über die Beschwerde der Frau X, vertreten durch die X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau des Bezirks Steyr-Land vom 24. Juni 2013, GZ: Pol96-30/8-2013,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Aus Anlass der Beschwerde wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs 1 Z 1, Z 3 und Z 6 VStG eingestellt.

 

II.       Gemäß § 52 Abs 9 VwGVG und § 66 Abs 1 VStG hat die Beschwerdeführerin weder einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht noch einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde zu leisten.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 24. Juni 2013, Pol96-30/8-2013, wurde über die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden, gemäß § 15 iVm § 3 Abs 2 Z 1 und 3 OÖ. Hundehaltegesetz, LGBl.Nr. 147/2002 idF LGBl.Nr. 11/2013, verhängt, weil laut privater Anzeige bekannt geworden sei, dass die Bf am 19.2.2013 um 09:45 Uhr in X, am sogenannten X, ca 100 m oberhalb des Friedhofes X in Richtung X, ihren Hund, Collie Langhaar, weiblich, Wurfjahr 2001, Farbe: braun-weiß, Rufname: X, Hundemarke Nr. X der Marktgemeinde Weyer, derart mangelhaft beaufsichtigt bzw. verwahrt habe, dass dieser an öffentlichen Orten unbeaufsichtigt herumlaufen habe können, indem er einem Pferd direkt vor die Vorderläufe gelaufen sei und dieses erschreckt habe.

 

Ferner habe die Bf einen Kostenbeitrag für das erstbehördliche Verfahren in Höhe von 10 % zu leisten, weshalb der zu zahlende Gesamtbetrag 110 Euro betrage.

 

I.2. Begründend führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtslage im Wesentlichen aus, dass der Anzeiger am 19.2.2013 um 9.45 Uhr in X auf dem sog. "X" geritten sei. Beim sog. "X" sei ihm plötzlich der freilaufende Hund der Bf entgegengekommen und seinem Pferd direkt vor die Vorderläufe gelaufen. Sein Pferd sei erschrocken und habe sich blitzartig umgedreht. Dass der Anzeiger bei diesem Vorfall nicht vom Pferd gefallen sei, wäre reine Glückssache gewesen. Erst einige Minuten später sei die Bf nachgekommen und der Anzeiger habe sie bezüglich des Vorfalles angesprochen. Sie hätte die Angelegenheit heruntergespielt. Aus Sicht des Anzeigers sei die Bf nicht in der Lage gewesen, ihren Hund im Zaum zu halten.

 

Die Bf habe polizeilich und in ihrer Rechtfertigung ausgeführt, dass sie am 19.2.2013 gegen 9.45 Uhr mit ihrem Hund "X" am X in Richtung X gegangen sei. Ihr Hund – eine 12 Jahre alte Collie-Hündin mit einer Schulterhöhe von ca. 55 cm –  laufe immer etwa 10 bis 20 m vor ihr her und sei nicht angeleint, da dies aus ihrer Sicht nicht verboten sei. Am sog. "X" habe sie ihren Hund kurz aus den Augen verloren, da dort der Weg eine Kurve mache, allerdings sei er stets in Rufnähe gewesen. Nachdem die Bf diese Passage passiert hätte, sei sie auf den ihr bekannten Anzeiger getroffen, der auf seinem Pferd ritt. Dieser habe sofort zu schreien angefangen und der Bf vorgeworfen, dass ihr Hund nicht angeleint sei. Der Hunde hätte das Pferd erschrocken, sodass er fast vom Pferd gefallen sei. Die Bf führte weiters aus, dass der Hund sicher nicht gebellt oder sonst etwas gemacht habe, was das Pferd erschrecken hätte können. Außerdem sei es völlig unerklärlich, wie sich ein riesengroßes, altes und stoisches Haflingerpferd vor einem so kleinen Hund erschrecken soll. Die Bf vermute weiter, dass es sich bei der Anzeige des Anzeigers um einen Racheakt handle, da die Bf bei mehreren Verhandlungen des Anzeigers am Gericht Weyer als zuständige Richterin tätig gewesen sei.

 

In einer Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Reiter des Pferdes ergänzend an, dass der bellende und unbeaufsichtigte Hund zu einem Mädchen ("X aus X") gelaufen sei, welche kaum Deutsch gesprochen habe. Als der Reiter das Mädchen gefragt habe, ob der Hund ihr gehöre, hätte sie gesagt: "No dog". Der Reiter sei daraufhin in Richtung X geritten. Bis er die Bf gesehen habe, sei der Hund wiederholt vor- und zurückgelaufen. Einige Minuten nach dem Vorfall sei die Bf gekommen; der Hund sei bis zu 200 m von der Bf entfernt gelaufen, ohne dass minutenlang Blickkontakt zwischen den beiden geherrscht habe.

 

Dazu habe die Bf festgehalten, dass der Reiter den Hund der Bf jedenfalls gekannt habe, da es in den letzten Jahren zu vielfachen Begegnungen gekommen sei. Dem Reiter sei daher auch die absolute Gutmütigkeit der Hündin bekannt.

 

Die belangte Behörde führt weiters aus, dass der Hund am "X" in einer unübersichtlichen Kurve kurze Zeit nicht beaufsichtigt gewesen sei; diese Zeit reiche aus, um ein Pferd zu erschrecken und den Reiter in Gefahr zu bringen. Da es sich um eine unübersichtliche Kurve handle, hätte der Hund beaufsichtigt werden müssen.

 

Der Umstand, dass der Anzeiger den Hund kenne und dieser absolut gutmütig sei und nicht gebellt habe, schließe in keinster Weise die Gefährdung von Mensch und Tier aus, da der Hund in einer unübersichtlichen Kurve unerwartet und unbeaufsichtigt auf Pferd und Reiter zugelaufen sei.

 

Da der Hund der Bf derart mangelhaft verwahrt bzw. beaufsichtigt worden sei, dass dieser zu Tatzeit am genannten Ort frei herumlaufen habe können, obwohl Hunde an öffentlichen Orten und auf fremden Grundstücken nicht ohne Aufsicht herumlaufen dürfen, sowie Menschen und Tiere nicht gefährdet werden dürfen, sei die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung als erwiesen anzusehen gewesen.

 

I.3. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Bf mit Schreiben ihrer Rechtsvertretung vom 5.7.2013 Berufung erhoben.

 

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Zeugin X, zum Vorfallszeitpunkt in unmittelbarer Nähe befunden habe und den Vorfall genau beobachtet haben müsse, weshalb zum Beweis dafür, dass die Angaben des Anzeigers unrichtig seien, die Einvernahme der Zeugin beantragt werde.

 

Weiters werden Spruchmängel aufgezeigt, da die konkreten Handlungen des Hundes, die das Pferd erschreckt haben sollen, nicht näher dargelegt wären. Auch seien die unterschiedlichen Ausführungen des Reiters zur Entfernung des Hundes von der Bf nicht widerspruchsfrei, weshalb ein Ortsaugenschein notwendig wäre.

 

Schließlich werden noch nähere rechtliche Ausführungen zur Leinenpflicht dargelegt.

 

I.4. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 9. Juli 2013 die Berufung samt dem Bezug habenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor.

 

Gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG ist die Zuständigkeit zur Weiterführung des gegenständlichen Verfahrens auf das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich übergegangen.

 

Gemäß § 3 Abs 1 letzter Satz VwGbk-ÜG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2013/122, gilt die Berufung als rechtzeitig erhobene Beschwerde gem Art 130 Abs 1 Z 1 B‑VG und kann das Verfahren gemäß § 3 Abs 7 Z 1 VwGbk-ÜG von der zuständigen Richterin des Oö. Landesverwaltungsgerichts weitergeführt werden.

 

I.5. In weiterer Folge wurde in einem Telefonat der erkennenden Richterin mit der zuständigen Sachberarbeiterin bei der belangten Behörde geklärt, dass der vom Reiter benannten neuseeländischen Zeugin "X" nicht näher nachgegangen wurde.

 

Daraufhin ersuchte die erkennende Richterin die rechtsfreundliche Vertretung der Bf um nähere Angaben bzgl. dieser Zeugin mit dem tatsächlichen richtig lautenden Namen "X".

 

Mit Schreiben vom 24.7.2013 teilte die rechtsfreundliche Vertretung der Bf daraufhin mit, dass die X Zeugin sich lediglich auf Besuch in Österreich befunden habe und nicht bekannt sei, wann sie wieder nach Österreich komme. Weiters wurden der erkennenden Richterin seitens der Bf selbst per E-Mail vom 30.7.2013 bezüglich der Zeugin "X" nähere Daten hinsichtlich des in Österreich lebenden Bruders dieser Zeugin übermittelt: "X" mit Wohnanschrift und Telefonnummer.

 

In einem Telefonat mit Herrn X am 5.8.2013 wurde der erkennenden Richterin von diesem mitgeteilt, dass er der Bruder der "X" sei, die ca. im Mai 2013 nach X zurückgekehrt sei. Auf Nachfrage führt er weiters aus, dass seine Schwester nicht plane, in nächster Zeit nach Österreich zu kommen.

 

II.1. Gemäß § 2 VwGVG hat das Oö. Landesverwaltungsgericht in der verfahrensgegenständlichen Sache durch eine Einzelrichterin zu entscheiden.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen.

 

II.2. Das Landesverwaltungsgericht OÖ. hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie durch Rücksprache mit der belangten Behörde, der Bf und Rory Overwater.

 

II.2. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht sohin von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Bf war am 19.2.2013 um ca. 9:45 Uhr in X, am sogenannten „X“, mit ihrem Hund, Collie Langhaar, weiblich, Wurfjahr 2001, Farbe: braun-weiß, Hundemarke Nummer X der Marktgemeinde Weyer, ca. 100 m oberhalb des Friedhofes X unterwegs. Zur gleichen Zeit ist auf dem gleichen Weg ein Reiter auf einem Pferd geritten; auch die X war zu diesem Zeitpunkt auf dem genannten Weg unterwegs. Beim sogenannten „X" kam dem Reiter der freilaufende Hund der Bf entgegen. Kurze Zeit später trafen auch die Bf und der Reiter aufeinander.

 

III. Die hier maßgebliche Rechtslage des Oö. Hundehaltegesetzes, LGBl 147/2002 idF LGBl 11/2013, lautet wie folgt:

 

"§ 3
Allgemeine Anforderungen

(2) Ein Hund ist in einer Weise zu beaufsichtigen, zu verwahren oder zu führen, dass

1.

Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden, oder

2.

Menschen und Tiere nicht über ein zumutbares Maß hinaus belästigt werden, oder

3.

er an öffentlichen Orten oder auf fremden Grundstücken nicht unbeaufsichtigt herumlaufen kann.

…"

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

IV.1. Nach § 3 Abs 2 Oö. Hundehaltegesetz ist ein Hund in einer Weise zu beaufsichtigen, zu verwahren oder zu führen, dass ua Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden oder er an öffentlichen Orten oder auf fremden Grundstücken nicht unbeaufsichtigt herumlaufen kann.

 

In ganz ähnlicher Weise wie nach § 3 Abs 2 Z 1 Oö. Hundehaltegesetz begeht nach dem § 5 Abs 1 Satz 1 Oö. Polizeistrafgesetz - Oö. PolStG eine Verwaltungsübertretung, wer als Halter eines Tieres dieses in einer Weise beaufsichtigt oder verwahrt, dass durch das Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden.

 

Auch wenn der Landesgesetzgeber keine ausdrückliche Subsidiarität des Oö. PolStG im Verhältnis zum Oö. Hundehaltegesetz angeordnet hat, ist nach Ansicht des Oö. Landesverwaltungsgerichtes zur Vermeidung von verfassungsrechtlich unzulässigen Doppelbestrafungen nach Art 4 des 7. ZP zur EMRK von bloßer Scheinkonkurrenz (in Form der Spezialität) bei Zurücktreten des § 5 Abs 1 iVm § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG auszugehen, weil § 15 Abs 1 Z 2 iVm § 3 Abs 2
Oö. Hundehaltegesetz die spezielleren Strafbestimmungen für Hundehalter darstellen, die überdies noch einer wesentlich strengeren Strafdrohung unterliegen.

 

 

IV.2. Zum Deliktscharakter des § 5 Abs 1 Satz 1 Oö. PolStG wurde schon in der Vergangenheit die Ansicht vertreten (vgl ua. die Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates zZ VwSen-3007922/WEI vom 26.8.2008), dass es sich bei dieser Verwaltungsübertretung nach der gewählten grammatikalischen Konstruktion mit Hauptsatz und Folgesatz um ein Erfolgsdelikt handelt, bei dem die mangelhafte Haltung des Tieres zu einer in der Außenwelt erkennbaren (konkreten) Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung Dritter führen muss. Aus den Gesetzesmaterialien (vgl AB zur Oö. Polizeistrafgesetznovelle 1985, Blg 448/1985 zum kurzschriftlichen Bericht Oö. LT, 22. GP, 3) geht auch hervor, dass nicht jede mangelhafte Tierhaltung, sondern nur eine solche, die Gefährdungen oder Belästigungen dritter Personen zur Folge hat, strafbar sein sollte.

 

§ 3 Abs 2 Z 1 Oö. Hundehaltegesetz sieht eine Beaufsichtigung, Verwahrung oder Führung des Hundes in bestimmter Weise, nämlich dass Menschen oder Tiere nicht gefährdet werden, vor. Positiv formuliert liegt – wie schon der Oö. Verwaltungssenat in seiner Entscheidung vom 26.8.2008, VwSen-3007322/WEI konstatierte – das Tatbild dann vor, wenn die sorglose Beaufsichtigung (Verwahrung) oder Führung des Hundes zur unerwünschten Folge der tatsächlichen Gefährdung von Menschen oder Tieren führt. Diese grammatikalische Konstruktion entspricht im Wesentlichen der vergleichbaren Regelung des § 5 Abs 1 Satz 1 Oö. PolStG. Deshalb gelten die Ausführungen zum Deliktscharakter auch für das Oö. Hundehaltegesetz, das einen konkreten Gefährdungserfolg (im Sinne eines besonderen Naheverhältnisses zur drohenden Rechtsgutsverletzung) voraussetzt.

 

Entgegen der rechtsirrigen Ansicht der belangten Behörde handelt es sich demnach nicht um ein bloßes Ungehorsamsdelikt, auf das die Beweisregel des § 5 Abs 1 Satz 2 VStG anwendbar gewesen wäre. Es war daher auch nicht Sache der Bf, sich zu entlasten, vielmehr hatte die Strafbehörde den objektiven und subjektiven Tatbestand zu erheben und durch ausreichende Feststellungen zu untermauern.

 

IV.3.1. Dass aber durch den Hund der Bf Menschen oder Tiere iSd § 3 Abs 2 Z 1 Oö. Hundehaltegesetz konkret gefährdet worden wären, kann auf Grund der vorliegenden Ermittlungen entgegen den Ausführungen der belangten Behörde jedenfalls nicht festgestellt werden. Ob der Hund der Bf tatsächlich bellend auf das Pferd samt Reiter zugelaufen ist und das Pferd tatsächlich erschrockene Reaktionshandlungen gesetzt hat, kann nicht abschließend beurteilt werden, da hier Aussage gegen Aussage steht. Wie bereits festgehalten, war es aber nicht Sache der Bf, sich freizubeweisen, sondern hätte die Strafbehörde entsprechend weiterführende Ermittlungen führen müssen. Hinsichtlich der einzigen Person, die bezüglich des tatsächlichen Vorfalles nähere Angaben machen hätte können – konkret die Zeugin Renée Monds – wurden von der belangten Behörde aber in keiner Weise nähere Ermittlungsschritte gesetzt. Da diese Zeugin allerdings – wie von der erkennenden Richterin ermittelt – zum Zeitpunkt der Erhebung des anhängigen Rechtsmittels bereits wieder nach Neuseeland zurückgekehrt war und nicht mit einer Reise nach Österreich in nächster Zeit gerechnet werden kann, konnten die diesbezüglichen Ermittlungen auch von der erkennenden Richterin nicht nachgeholt werden. Eine Zeugenladung und Einvernahme der neuseeländischen Frau ist – nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt, dass diese gegebenenfalls auch keine weiterführenden Wahrnehmungen bzgl. des in Rede stehenden Vorfalles gemacht haben könnte – mit erheblichem Aufwand verbunden.

 

In Bezug auf den Tatvorwurf des § 3 Abs 2 Z 1 Oö. Hundehaltegesetz kommt aus diesem Grund jedenfalls die Verfahrenseinstellung nach § 45 Abs 1 Z 6 VStG zum Tragen: Nach dieser Bestimmung – die gemäß § 38 VwGVG auch auf das Verwaltungsstrafverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht anzuwenden ist – ist die Einstellung eines Strafverfahrens zu verfügen, wenn die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

 

Dabei heben die diesbezüglich einschlägigen Parlamentarischen Materialien (RV BlgNR 2009 XXIV. GP 19) sogar ausdrücklich hervor, "dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat in diesem Fall nicht notwendigerweise gering sein müssen; eine Einstellung kann unter Umständen auch dann erfolgen, wenn es sich beim strafrechtlich geschützten Rechtsgut um ein bedeutendes Rechtsgut handelt oder wenn es erheblich beeinträchtigt wird, vorausgesetzt, dass der durch die Strafverfolgung verursachte Aufwand entsprechend hoch wäre."

 

Vor diesem Hintergrund ist die für die Strafverfolgung notwendige Zeugenladung der neuseeländischen Zeugin jedenfalls als unverhältnismäßiger Aufwand zu qualifizieren, weshalb das Strafverfahren in diesem Zusammenhang bereits aus diesem Grund gemäß § 45 Abs 1 Z 6 VStG iVm § 38 VwGVG einzustellen war.

 

IV.3.2. Hinsichtlich des Tatvorwurfes nach § 3 Abs 2 Z 3 Oö. Hundehaltegesetz ist festzuhalten, dass die Bf ihren Hund in der unübersichtlichen Kurve des Weges, dem sogenannten "Dürrwegeck", nur vernachlässigbar kurz aus der Sicht verloren hat. Diese nur ganz kurze Unterbrechung des Sichtkontaktes zwischen der Bf und ihrem Hund reicht aber nicht hin, um unter den Tatbestand des "unbeaufsichtigt" Herumlaufens nach § 3 Abs 2 Z 3 leg cit subsumiert werden zu können. Unbeaufsichtigt ist für die erkennende Richterin vielmehr gleichzusetzten mit "ohne jede Aufsicht". Für die Begrifflichkeit "Aufsicht" ist aber nicht zwingend ein durchgehender Sichtkontakt erforderlich; kurzzeitige Unterbrechungen desselben schaden – entgegen der Auffassung der belangten Behörde – dem Bestehen einer grundsätzlich vorliegenden "Aufsicht" daher keineswegs. Das diesbezügliche Strafverfahren war daher aus dem Grund des § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG ebenfalls einzustellen.

 

IV.4. Darüber hinaus liegen auch erhebliche Spruchmängel vor:

 

IV.4.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – die auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nach wie vor Anwendung findet – hat die Rechtsmittelinstanz nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Rechtsmittelinstanz ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG bzw § 50 VwGVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Rechtsmittelverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

IV.4.2. Dem angefochtenen Straferkenntnis ist ein hinreichend konkretisierter Tatvorwurf aber nicht zu entnehmen. Der Spruch im angefochtenen Straferkenntnis ist derart mangelhaft formuliert, dass er einer zulässigen Korrektur durch das Oö. Landesverwaltungsgericht nicht zugänglich ist. Dieses ist nämlich nicht befugt, den Tatvorwurf auszutauschen. Darüber hinaus ist auch längst Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Der Tatvorwurf der belangten Behörde enthält nur verba legalia, die nicht anhand der Umstände des Einzelfalles konkretisiert wurden. Der Spruch beschränkt sich auf die lapidare Behauptung, die Bf habe ihren Hund "... mangelhaft beaufsichtigt bzw. verwahrt ...", ohne auszuführen, mit welcher konkreten Handlung oder Unterlassung die Bf eine Sorgfaltswidrigkeit begangen haben soll. Die belangte Behörde hat keine Aussage darüber getroffen, durch welches bestimmte Verhalten die Bf ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sei und somit gegen § 3 Abs 2 Z 1 und Z 3 Oö. Hundehaltegesetz 2002 verstoßen habe. Der unzureichend konkretisierte Tatvorwurf der belangten Behörde geht daher gemessen am gesetzlichen Wortlaut ins Leere. Es reicht nicht aus, den Gesetzeswortlaut unter Anführung von Tatort und Tatzeit wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG). Die belangte Behörde hat es demnach verabsäumt, die als erwiesen angenommen Tat mit der gemäß § 44a Z 1 VStG gebotenen Deutlichkeit im Spruch zum Ausdruck zu bringen.

 

Im Spruch wird dabei nicht nur ein unzulässiger alternativer Vorwurf "bzw" (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch6, E 12c zu § 44a VStG), formuliert, sondern wird überhaupt das Vorliegen des Tatbestandes des § 3 Abs 2 Z 3 Oö. Hundehaltegesetz ("er an öffentlichen Orten … nicht unbeaufsichtigt herumlaufen kann") damit begründet, dass der Hund "einem Pferd direkt vor die Vorderläufe lief und dieses erschreckte". Damit werden aber nicht nur die alternativ nebeneinander bestehenden Tatbestände der Z 1 und der Z 3 leg cit unzulässiger Weise miteinander vermengt, sondern wird darüber hinaus auch in keiner Form konkretisiert dargelegt, welches konkrete Pferd der Hund in welcher Form gefährdete oder ob nicht vielmehr der auf dem Pferd reitende Reiter – von dem im gesamten Spruch keine Rede ist – durch ein allfälliges Erschrecken des Pferdes (das im Übrigen ebenfalls nicht näher konkretisiert wurde) gefährdet wurde.

 

IV.5. Im Übrigen hat das Rechtsmittel auch mit Recht gerügt, dass die objektive Tatseite nicht ausreichend ermittelt worden ist. Die belangte Behörde hat sich nämlich mit der bloßen privaten Anzeige und den Behauptungen des privaten Anzeigers sowie der Bf begnügt; nähere Details hinsichtlich der Zeugin "Renée Monds" wurden aber nicht versucht, einzuholen, geschweige denn überhaupt eine Einvernahme dieser Zeugin auch nur in Erwägung gezogen. Die substanzlose Spruchfassung im angefochtenen Straferkenntnis ist wohl auch auf Aufklärungs- und Feststellungsmängel zurückzuführen.

 

Selbst durch den von der belangten Behörde ohnehin nur in der Begründung gebrachten Hinweis, dass der Hund der Bf am "oa. Ort frei herumlaufen konnte", durfte die belangte Behörde die objektive Tatseite noch nicht als erwiesen betrachten. Ein "freies Herumlaufen" ist jedenfalls nicht gleichzusetzten mit einem "unbeaufsichtigten" Herumlaufen iSd § 3 Abs 2 Z 3 Oö. Hundehaltegesetz. Auch die nur ganz kurze Unterbrechung des Sichtkontaktes – konkret in der geschilderten unübersichtlichen Kurve des "X" – zwischen der Bf und ihrem Hund kann nach Auffassung der erkennenden Richterin jedenfalls noch nicht – wie bereits weiter oben dargelegt (Punkt IV.3.2.) - als "Unbeaufsichtigt"-Sein qualifiziert werden.

 

Die näheren Umstände des konkreten Falles hat die belangte Behörde nicht aufgeklärt; so hat sie nicht einmal ansatzweise versucht, hinsichtlich der benannten einzigen Zeugin des Vorfalles, X, die zu diesem eventuell weiterführende Hinweise liefern hätte können, nähere Anhaltspunkte zu ermitteln. Die belangte Behörde konnte daher auch nicht in rechtlich schlüssiger Weise der Bf einen Sorgfaltsverstoß vorwerfen. Der bloße Hinweis auf eine Gefährdung und auf ein "freies Herumlaufen" des Hundes vermag einen tauglichen Verhaltensvorwurf nicht zu ersetzen.

 

 

V. Im Ergebnis war aus all diesen Gründen das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 (mangels einer schlüssig angelasteten Verwaltungsübertretung), Z 3 (wegen Verfolgungsverjährung) und Z 6 (wegen unverhältnismäßigen Verfolgungsaufwandes) VStG iVm § 38 VwGVG einzustellen.

 

VI. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bf gem § 52 Abs 9 VwGVG kein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht vorzuschreiben.

 

VII. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Astrid Lukas