LVwG-650677/25/MS
Linz, 17.10.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Dr. Monika Süß über die Beschwerde der E B, vertreten durch Rechtsanwälte H-N, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 2. Juni 2016, GZ: BHGMVerk-2016-223715/5-LAI, mit dem die Lenkberechtigung entzogen wurde, nach Abhaltung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 27. September 2016
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid dahingehend abgeändert, als die Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin wie folgt eingeschränkt wird:
1. Die Lenkberechtigung wird mit 6. Oktober 2017 befristet.
2. Die Beschwerdeführerin hat sich bis spätestens 6. Oktober 2017 einer amtsärztlichen Nachuntersuchung zu unterziehen.
3. Die Beschwerdeführerin hat im Befristungszeitraum Harn-befunde über die Harnkontrollen (Screening) in genau monatlichen Abständen im Rahmen der SG-Rezept-Vidierung beim Magistrat Wels beizubringen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Mit dem angefochtenen mündlich verkündeten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 2. Juni 2016, BHGMVerk-2016-223715/5-Lai, wurde der Beschwerdeführerin die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B ab 2. Juni 2016 entzogen und ausgesprochen, dass bis zur behördlichen Feststellung der Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung – also für die Dauer der Nichteignung – eine Lenkberechtigung nicht erteilt werden darf. Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Angeschlossen war dem Bescheid das Gutachten nach § 8 Führerscheingesetz (FSG) mit dem Datum vom 17. Mai 2016 des Amtsarztes der belangten Behörde, ein Laborbefund, erstellt von Dr. med. univ. S L, Fachärztin für Labordiagnostik – Labor zertifiziert nach ISO 2001:2008 (QM) und 14001:2004 (UM) mit dem Druckdatum vom 12.04.2016, ein Laborbefund der Landesnervenklinik Linz Wagner Jauregg, Institut für Med. und Chem. Labordiagnostik mit dem Druckdatum vom 01.12.2015 sowie eine fachärztliche Stellungnahme, erstellt von Dr. med. H F. W, FA für Psychiatrie und Neurologie, Arzt für Psychotherapeutische Medizin, vom 03.03.2016.
Gegen diesen am 2. Juni 2016 mündlich verkündeten Bescheid hat die Beschwerdeführerin durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit Eingabe vom 20. Juni 2016 rechtzeitig Beschwerde erhoben.
Begründend wurde Folgendes ausgeführt:
„Es ist nicht richtig, dass die Bf nicht zum Lenken eines Kraftfahrzeuges geeignet ist.
Voraussetzung sowohl für die Vorschreibung von Nachuntersuchungen als auch für die Befristung (hier: Befugnis zum Lenken der in § 32 FSG genannte Fahrzeuge) ist, dass beim Betreffenden eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Für die Annahme einer eingeschränkten gesundheitlichen Eignung im oben genannten Sinn reicht es nicht, wenn eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht ausgeschlossen werden kann (Hinweis E vom 2. April 2014, 2012/11/0096, mit Verweis auf die Vorjudikatur, sowie im gegebenen Zusammenhang insbesondere auf § 3 Abs. 5 FSG-GV 1997).
Der fachärztlichen Stellungnahme des Dr. med. H F. W vom 03.03.2016 ist zu entnehmen, dass die Bf seit 2011 mit einer sehr niedrigen Dosierung im Substitutionsprogramm ist, sodass von keiner Beeinträchtigung auszugehen ist. Nach seiner fachlichen Stellungnahme ist die Bf uneingeschränkt geeignet, ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 zu lenken.
Einzig aufgrund einer einmaligen positiven Testung auf Cannabis und ohne ein persönliches Gespräch mit der Bf zu führen bzw. die Bf zu untersuchen, vertritt der Amtsarzt die Ansicht, dass die Bf nicht geeignet ist, ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 zu lenken.
Das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen ist unschlüssig.
Er begründet nicht, weshalb er die Bf entgegen der fachärztlichen Stellungnahme nicht für geeignet hält, ein Kraftfahrzeug zu lenken, sondern verweist lediglich pauschal auf die Leitlinien für die gesundheitliche Eignung von Kraftfahrzeugen gmvit, nach welchem neben der nachgewiesenen Drogenfreiheit (fehlender Beikonsum zur Substitution) eine VPU als Mindestbefund zu fordern sei.
Im Hinblick auf die positive fachärztliche Stellungahme vom 03.03.2016 wäre der Amtsarzt jedoch angehalten gewesen, die fachärztliche Stellungnahme ergänzen zu lassen und nachzufragen, ob sich aufgrund des positiven Testergebnisses auf Cannabis eine andere fachärztliche Einschätzung ergibt bzw. ob der Fachharzt trotz des positiven Testergebnisses bei seiner fachärztlichen Einschätzung, dass die Bf geeignet ist, ein Kraftfahrzeug der Klasse B zu lenken, bleibt.
Wenn der Amtsarzt die Ansicht vertritt, dass eine VPU notwendig ist, so hätte er die Bf zudem auffordern müssen, eine solche durchzuführen, anstatt der Bf die Lenkberechtigung ohne weitere Befundung zu entziehen.
Die vorliegende positive Testung auf Cannabis kann im Hinblick auf die vom Sachverständigen ins Treffen geführte jahrelange niedrig dosierte Substitutionsbehandlung, der gefestigten sozialen Struktur der Bf (sie geht einer regelmäßigen Arbeitstätigkeit nach und verfügt über ein stabiles soziales Umfeld) und ihrer bisherigen Verkehrsunauffälligkeit nicht zur gänzlichen Entziehung, sondern (wenn überhaupt) allenfalls dazu führen, dass die Lenkberechtigung unter Auflagen regelmäßiger Kontrollen auf Beikonsum eingeschränkt und befristet wird.“
Abschließend wurde beantragt eine mündliche Verhandlung festzusetzen und den angefochtenen Bescheid gänzlich aufzuheben.
Mit undatiertem Schreiben, eingelangt beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 27. Juli 2016 legte die belangte Behörde die ggst. Beschwerde unter Anschluss des Verfahrensaktes dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor. Von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung wurde kein Gebrauch gemacht.
Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsver-teilung zuständige Einzelrichterin.
II. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt sowie durch die Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 27. September 2016.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführerin leidet an einem Opiatsabhängigkeitssyndrom, wobei seit 2007 ein wiederkehrender Heroinmissbrauch bekannt ist. Die Beschwerdeführerin war von November 2011 bis September 2014 in Substitutionsbehandlung. Im Dezember 2015 wurde in einem Labor der Harn positiv auf Opiate getestet.
Die Beschwerdeführerin befindet sich seit Dezember 2015 wieder in Substitutionsbehandlung.
Die vorliegende fachärztliche Stellungnahme vom 3. März 2016 bescheinigt der Beschwerdeführerin die Eignung ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 zu lenken.
Im April 2016 wurde der Harn der Beschwerdeführerin positiv auf Cannabis getestet.
Mit dem mit Beschwerde bekämpften Bescheid wurde der Beschwerdeführerin die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B mangels des Vorliegens der gesundheitlichen Eignung bis zu deren Wiedererlangung entzogen und einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Die beschriebene Diagnose sowie die Tatsache der Substitutionsbehandlung, deren Dauer und der Drogenkonsum 2015 ergeben sich aus der vorliegenden fachärztlichen Stellungnahme vom 3. März 2016, dem amtsärztlichen Gutachten vom 17. Mai 2016 sowie dem Laborbefund vom 1. Dezember 2015, erstellt von Labor-Ambulanz der O.Ö. Landes-Nervenklinik.
Der Beikonsum von Cannabis zur Substitutionsbehandlung mit Methadon ergibt sich aus dem im Verfahrensakt einliegenden Laborbefund vom 12. April 2016, erstellt von Labor - Dr. med. univ. S L, Fachärztin für Labordiagnostik.
Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2016 gab der Amtsarzt der belangten Behörde eine ergänzende Stellungnahme ab, in dem ausgeführt wurde, die fachärztliche Stellungnahme sei in Unkenntnis des Beikonsums erstellt worden und könne daher nicht verwertet werden. Ein Beikonsum zu einer laufenden Substitution sei mit einer aktiven Teilnahme am Straßenverkehr nicht vereinbar. Bei der Einnahme unterschiedlicher Drogen könne es zu gegenseitigen Wechselwirkungen kommen, welche die Fahrtauglichkeit massiv beeinträchtigen können.
Der Konsum von Cannabis führe zu einer signifikanten Leistungsbeeinträchtigung auch schon bei relativ geringen THC Konzentrationen, insbesondere zu stark veränderten Sinnesempfindungen, Störungen von Aufmerksamkeit und Konzentration und einer verminderten Gedächtnisleistung.
Diese wurde der Beschwerdeführerin zu Handen ihres rechtsfreundlichen Vertreters mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit gegeben, dazu eine Stellungnahme abzugeben.
In der schriftlichen Äußerung vom 17. August 2016 führt die Beschwerdeführerin aus, es könne im Gegenstand nicht davon ausgegangen werden, dass aufgrund einer einmaligen Harnuntersuchung, welche positiv auf THC reagierte, keine Lenkeignung mehr gegeben ist.
Vielmehr hätte eine Zuweisung zum Facharzt erfolgen müssen, um abzuklären, ob die Lenkeignung tatsächlich gänzlich fehle oder die Lenkberechtigung mit der Auflage von regelmäßigen Kontrollen auf THC einzuschränken und zu befristen sei, zumal bei der Beschwerdeführerin keine Abhängigkeit bestehe.
Die Beschwerdeführerin konsumiere auch kein Cannabis mehr, was durch den beiliegenden Laborbefund vom 29. Juli 2016 belegt sei. Die Drogenuntersuchung habe am 29. Juli 2016 um 17.15 Uhr stattgefunden. Aufgrund der sommerlichen Temperaturen habe die Beschwerdeführerin an diesem Tag etwas mehr getrunken als gewöhnlich. THC sei jedoch fettlöslich und nicht wasserlöslich. Hätte die Beschwerdeführerin THC konsumiert, wäre dies auf dem Testergebnis vom 29. Juli 2016 ersichtlich gewesen.
Abschließend wurde nochmals eine mündliche Beschwerdeverhandlung, insbesondere zur Einvernahme der Beschwerdeführerin beantragt.
Der Äußerung angeschlossen war ein Laborbefund mit dem Druckdatum 29. Juli 2016 mit dem Vermerk: “Durch Konsumation größerer Flüssigkeitsmengen, Kaffee, Tee oder von harntreibenden Medikamenten wird der Kreatininwert erniedrigt, negative Ergebnisse sind dann nur beschränkt verwertbar.“
In der mündlichen Verhandlung am 27. September 2016 waren die Beschwerdeführerin samt ihrem Rechtsvertreter und ein Vertreter der belangten Behörde anwesend.
Die Beschwerdeführerin legt dabei ein aktuelles Facharztgutachten mit dem Datum vom 23. September 2016 samt aktuellem Laborbefund vor. Aus dem Facharztgutachten war zu ersehen, dass die Beschwerdeführerin aus fachlicher Sicht nunmehr bedingt geeignet ist, ein Fahrzeug der Gruppe 1 zu lenken.
Die oben zitierte Äußerung sowie das vorgelegte Facharztgutachten samt Laborbefund wurden dem Vertreter der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht. Diese führte zu ersterem aus, das ursprünglich vorgelegte Facharztgutachten könne nicht herangezogen werden, da der Facharzt bei der Beurteilung nicht vom Beikonsum von Drogen zum Substitutionsmittel ausgegangen sei. Zu letzterem wurde ausgeführt, dass das aktuelle Facharztgutachten nachvollziehbar sei.
Die Beschwerdeführerin beantragte aufgrund der nunmehr vorliegenden Beweismittel in Abänderung des Beschwerdeantrages, das Landesver-waltungsgericht Oberösterreich möge den bekämpften Bescheid derart abändern, dass die Lenkberechtigung durch eine einjährige Befristung und die Auflage von regelmäßigen Harnkontrollen eingeschränkt wird. Gleichzeitig wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.
Aufgrund der Vorlage des aktuellen Facharztgutachtens durch die Beschwerdeführerin wurde vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ein ergänzendes medizinisches Gutachten eingeholt.
Der Amtsarzt der belangten Behörde gab am 6. Oktober 2016 folgende ergänzende Stellungnahme ab:
„Zum hiesigen Vorgutachten vom 17. Mai 2016 und einer ergänzenden Stellungname vom 19. Juli 2016:
Bekannter SG Missbrauch seit 2007, von 2011 bis 2014 Betreuung im Drogenersatzprogramm, 11/2015 neuerliche Aufnahme in das Drogenersatzprogramm mit Methadonverschreibung, eine erste Harnkontrolle im Dezember 2015 zeigte einen starken positiven Befund auf Opiate und Cannabis.
Eine Kontrolluntersuchung im April 2016 zeigte wiederum einen stark positiven Befund auf Cannabis. Auf Grund dieses Beikonsums erfolgte eine negative Beurteilung hinsichtlich der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Dies wurde in der genannten Stellungnahme auch eingehend begründet.
Fragestellung:
Nach einer Berufungsverhandlung beim LVwG am 27. September 2016 soll nun neuerlich eine Stellungnahme bezüglich Fahreignung von Frau B-Z E abgegeben werden, wobei nun von folgender Aktenlage auszugehen ist.
1/ Harnbefund (Labor Dr. L vom 29. September 2016), welcher aber auf Grund einer zu geringen Kreatininkonzentration (Befund gilt als verwässert) zur Drogenuntersuchung nur beschränkt verwertbar war.
2/ Harnbefund (Labor Dr. L vom 5. September 2016) mit negativem Ergebnis auf THC.
Zu den vorgelegten Harnbefunden ist zu bemerken, dass diese ohne behördliche Anordnung von der Probandin selbst veranlasst wurden. Im Zeitraum April 2016 (positiver Befund) bis September 2016 wurde lediglich ein verwertbarer negativer Harnbefund vorgelegt.
Eine Aussage über eine fortlaufende Abstinenz kann daraus nicht abgeleitet werden, da es sich bei einem Befund nur um eine Momentaufnahme handelt, mit einem von der Probandin gewählten Zeitpunkt. Erforderlich wäre aber eine Verlaufskontrolle, mit Harntests in kurzen zeitlichen Abständen über einen längeren Zeitraum.
3/ Es liegt ein weiteres Gutachten von Dr. H W vom 23. September 2016 vor, welches nun von einer bedingten Eignung ausgeht und engmaschige Kontrollen empfiehlt.
Das vorgelegte Facharztgutachten deckt sich inhaltlich mit dem Vorgutachten vom 3. März 2016, es wird nun auch auf einen zwischenzeitlichen positiven Harnbefund eingegangen und in der Beurteilung im Gegensatz zum Vorgutachten, in welchem keine weiteren Harnkontrollen für erforderlich gehalten wurden, nun doch diese vorgeschlagen und auch eine zeitliche Befristung der Lenkberechtigung empfohlen.
Die Aussage, dass man mit einer geringen Dosis THC besser und sicherer Kraftfahrzeuge lenken kann, als ohne Konsum vom Cannabis, deckt sich nicht mit der mir zur Verfügung stehenden Literatur, ganz im Gegenteil werden unter Cannabiskonsum gravierende Leistungseinbußen im Bereich der höheren kognitiven Leistungsfähigkeit beschrieben. Auch die Tatsache, dass die Probandin einer beruflichen Tätigkeit nachgeht, lässt nicht den Schluss zu, dass bei der Probandin keine verkehrsrelevante Beeinträchtigung besteht.
Faktum ist, dass jeglicher Beikonsum einer psychoaktiven Substanz bei substituierter Opiatabhängigkeit mit einer aktiven Teilnahme am Straßenverkehr nicht vereinbar ist.
Eine bedingt positive Beurteilung zur Kraftfahreignung kann nur unter folgenden Auflagen erfolgen:
1/ befristete Lenkberechtigung mit Nachuntersuchung in einem Jahr
2/ Harnkontrollen (Screening) in genau monatlichen Abständen im Rahmen der SG-Rezept-Vidierung beim Magistrat Wels. Sollten Termine nicht eingehalten werden, so wird vor Ablauf der Befristung eine Haaranalyse durchzuführen sein.
Sollte es wiederum zu einem positiven Harntest kommen, so ist die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen abzusprechen und eine Leistungsbeurteilung im Rahmen einer verkehrspsychologischen Untersuchung durchzuführen.“
Diese ergänzende gutachtliche Stellungnahme wurde sowohl der Beschwerdeführerin zu Handen deren rechtsfreundlichen Vertreters als auch der belangten Behörde zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und Gelegenheit gegeben, hierzu eine Stellungnahme abzugeben.
Die Beschwerdeführerin gab durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit E-Mail vom 13. Oktober 2016 folgende Stellungnahme ab:
„[….]
Aus der Sicht der Beschwerdeführerin ist diese Stellungnahme als amtsärztliches Gutachten im Sinn des § 8 Abs. 2 FSG zu werten mit der Beurteilung, dass die Beschwerdeführerin im Sinne des § 8 Abs. 3 Z 2 bedingt geeignet ist, nämlich unter Auflage der vom Amtsarzt näher umschriebenen Kontrolluntersuchung und der Befristung mit einem Jahr (06.10.2017).
Der Beschwerde wird daher stattzugeben sein, nämlich in dem Sinne, dass der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert wird, dass die von der BPD Wels am 20.04.2010 ausgestellte Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin durch die Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen und durch Befristung mit 06.10.2017 eingeschränkt wird.“
Die belangte Behörde schloss sich in ihrer Stellungnahme vom 14. Oktober 2016 dem Gutachten des Amtsarztes an.
III. Gemäß § 24 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A1, A2, A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich
1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder
2. um eine Entziehung der Klasse A mangels gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.
Bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann von der Entziehung der Klasse AM hinsichtlich der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgesehen werden. Dies ist auch dann möglich, wenn der Betreffende die Lenkberechtigung für die Klasse AM nur im Wege des § 2 Abs. 3 Z 7 besitzt.
Gemäß § 3 Abs. 1 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die:
1. das für die angestrebte Klasse erforderliche Mindestalter erreicht haben (§ 6),
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
4. fachlich zum Lenken eines Kraftfahrzeuges befähigt sind (§§ 10 und 11) und
5. den Nachweis erbracht haben, in lebensrettenden Sofortmaßnahmen bei einem Verkehrsunfall oder, für die Lenkberechtigung für die Klasse D, in Erster Hilfe unterwiesen worden zu sein.
Gemäß § 8 Abs. 3a FSG ist die Dauer der Befristung vom Zeitpunkt der Ausfertigung des amtsärztlichen Gutachtens zu berechnen.
Gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV ist Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.
Gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 4 letzter Satz FSG-GV dürfen, sofern in den Fällen der §§ 5 bis 16 ärztliche Kontrolluntersuchungen als Auflage vorgeschrieben werden, diese niemals alleine, sondern immer nur in Verbindung mit einer Befristung der Lenkberechtigung und einer amtsärztlichen Nachuntersuchung bei Ablauf dieser Befristung verfügt werden.
IV. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hatte im Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid der belangten Behörde, mit dem die Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung entzogen wurde, zu prüfen, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Voraussetzungen für den Entzug der Lenkberechtigung wegen des Nichtvorliegens der gesundheitlichen Eignung der Beschwerdeführerin gegeben waren (vgl. VwGH vom 20.10.2015, Ra2015/09/0035).
Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage auszurichten (VwGH vom 16.12.2015, Ro 2014/03/0083; 22.6.2016,Ra2016/03/0039, u.a.).
Zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde lag eine fachärztliche Stellungnahme vor, in der der Beschwerdeführerin die Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges bescheinigt wurde. Das amtsärztliche Gutachten ging jedoch, im Gegensatz zur fachärztlichen Stellungnahme von der Nichteignung der Beschwerdeführerin aus, da die fachärztliche Stellungnahme nicht auf den Beikonsum von Cannabis durch die sich im Methadonprogramm befindliche Beschwerdeführerin abstellte.
Während des Beschwerdeverfahrens legte die Beschwerdeführerin einen Laborbefund mit dem Druckdatum vom 29. Juli 2016 sowie in der mündlichen Verhandlung eine aktuelle fachärztliche Stellungnahme, in der der erstellende Facharzt, unter Berücksichtigung des oben angeführten Beikonsums, der Beschwerdeführerin eine bedingte, befristete Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 attestierte, und einen weiteren Laborbefund vor.
Das daraufhin vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eingeholte amtsärztliche Gutachten ging zusammenfassend davon aus, dass die Beschwerdeführerin unter Vorschreibung von Auflagen befristet geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu lenken.
Dadurch unterscheidet sich die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich von jener im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde und ist nach der oben zitierten Judikatur die geänderte Sachlage heranzuziehen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23.09.2014, Ro 2014/11/0074, ausgesprochen hat, war Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides die Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung. Die Berufungsbehörde war daher nur berechtigt, über die Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers abzusprechen. Indem die Berufungsbehörde im angefochtenen Bescheid über die Erteilung einer Lenkberechtigung, wenn auch unter Vorschreibung einer Auflage und einer Befristung, abgesprochen hat, hat sie die Sache des Berufungsverfahrens überschritten und den angefochtenen Bescheid dadurch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Dieser Grundsatz ist auch im Beschwerdeverfahren der Entscheidung zugrunde zu legen.
Im ggst. Verfahren ist Gegenstand der Beschwerde der bekämpfte Bescheid der belangten Behörde, in dem der Beschwerdeführerin die Lenkberechtigung mangels des Vorliegens der gesundheitlichen Eignung bis zur Wiedererlangung derselben entzogen wurde.
Aufgrund der geänderten Sachlage hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung die Abänderung des bekämpften Bescheides dahingehend beantragt, als ausgesprochen werden solle, dass die Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin unter Vorschreibung von Befristung und Auflage entsprechend der fachärztlichen Stellungnahme eingeschränkt werden solle. Mit einer Einschränkung anstelle einer bescheidmäßigen Entziehung der Lenkberechtigung wird die Sache des Beschwerdeverfahrens nicht überschritten, zumal die Entziehung als auch die Einschränkung der Lenkberechtigung im selben Abschnitt des Führerscheingesetzes (FSG) geregelt sind und der Ausspruch sowohl der Entziehung als auch der Einschränkung der Lenkberechtigung von derselben Voraussetzung, nämlich davon, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Ziffer 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind. In diesem Fall ist in Abhängigkeit von den Erfordernissen der Verkehrssicherheit entweder die Lenkberechtigung zu entziehen oder die Gültigkeit der Lenkberechtigung einzuschränken. Somit stellt die Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung die für den Beschwerdeführer/die Beschwerdeführerin gelindere Maßnahme dar.
Aufgrund der vorliegenden fachärztlichen Stellungnahme, der vorliegenden Laborbefunde und des nachvollziehbaren, schlüssigen amtsärztlichen Gutachtens ist die Beschwerdeführerin bedingt geeignet ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 zu lenken und ist die Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin entsprechend dem vorliegenden amtsärztlichen Gutachten durch die dort vorgeschlagene Befristung und Auflage einzuschränken.
Die Befristung bis zum 6. Oktober 2017 ergibt sich aus dem Datum der Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens am 6. Oktober 2016.
Aufgrund der vorliegenden Sachentscheidung war eine abgesonderte Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr erforderlich.
V. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Dr. Monika Süß