LVwG-601507/2/MZ

Linz, 02.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des A W, geb x, H, S, Bundesrepublik Deutschland, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 12.5.2016, VerkR96-2707-2016, wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Der Beschwerde wird stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

II.      Der Beschwerdeführer hat keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.a) Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 12.5.2016, VerkR96-2707-2016, wurde über den Beschwerdeführer (in Folge: Bf) wie folgt abgesprochen:

„Sie wurden als Mieter des angeführten Kraftfahrzeuges mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 7.1.2016 aufgefordert, binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekannt zu geben, wer das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen P-x am 29.7.2015 um 03.26 Uhr in Aistersheim auf der A8, Innkreisautobahn, bei Strkm. 33,130 in Fahrtrichtung Wels, gelenkt hat. Sie haben diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt. Sie haben auch keine andere Person benannt, die die Auskunft erteilen hätte können.

 

Tatort: Gemeinde Grieskirchen, Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, A8 bei km 33.130 in Fahrtrichtung Wels.

Tatzeit: 22.01.2016

Fahrzeug: PKW, P-x“

 

Der Bf habe daher § 103 Abs 2 KFG 1967 übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 80,- Euro, ersatzweise eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 Stunden, verhängt wurde.

 

II. Gegen das in Rede stehende Straferkenntnis erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. Diese weist folgenden Inhalt auf:

„Wie schon mehrfach formel[l] an die Bezirkshauptmannschaft geschrieben, bin ich in Person diesen Wagen zum Zeitpunkt nicht gefahren und unschuldig. Wie in ganz Europa gültig kann ein Unschuldiger nicht aufgehängt werden[,] nur um den Vorgang abzuschließen. Bitte dieses Verfahren um Einstellung. Ich war nicht Tatbeteiligter!!“

 

III.a) Die belangte Behörde legte die rechtzeitig erhobene Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsstrafaktes dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen; damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Mit auf die M.H. A GesmbH, S, M, zugelassenem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen P-x wurde am 29.7.2015 um 03:26 Uhr auf der A 8 bei km 33,130 ein Geschwindigkeitsdelikt begangen. Dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ist allerdings nicht zu entnehmen, dass der Bf vom Zulassungsbesitzer als auskunftspflichtige Person (bzw als Mieter des genannten Fahrzeuges) benannt wurde.

 

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 7.1.2016, VerkR96-26441-2015, nicht nachweislich abgesandt am selben Tage, wurde folgende Anfrage an den Bf gerichtet:

„Sie werden als vom Zulassungsbesitzer, M.H. A GesmbH in S, M, namhaft gemachter Mieter gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen mitzuteilen, wer das Fahrzeug PKW, P-x, am 29.7.2015, 03.26 Uhr, im Gemeindegebiet Aistersheim (Oberösterreich), Innkreisautobahn A 8, bei km 33,130, in Fahrtrichtung Wels gelenkt hat.

Folgende Verwaltungsübertretung wird dem Lenker zur Last gelegt:

Geschwindigkeitsüberschreitung

Es wird darauf hingewiesen, dass eine eindeutige, ungenaue oder unvollständige Auskunft bzw. die Verweigerung der Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar ist.“

 

Ob das Schreiben dem Bf zugestellt wurde vermag nicht nachvollzogen zu werden. Der Bf ließ die genannte Anfrage jedenfalls unbeantwortet, weshalb am 15.2.2016 zum Zeichen VerkR96-2707-2016 eine Strafverfügung erging, welche im Tatvorwurf dem og Straferkenntnis gleicht.

 

Der Bf erhob in Folge Einspruch. In diesem führte er lediglich aus, zur Tatzeit am 22.1.2016 im S S in Deutschland gewesen und daher unschuldig zu sein.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

1.a) Die maßgeblichen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967 – KFG 1967, BGBl 1967/267 in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung lauten wie folgt:

 

" § 103. Pflichten des Zulassungsbesitzers eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers

 

(1)          [...]

(2) Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende

Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

 

§ 134. Strafbestimmungen.

 

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe Arrest bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Arreststrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Arreststrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.“

 

1.b) Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge schützt die Bestimmung des § 103 Abs 2 KFG 1967 das Interesse an einer jederzeit und ohne unnötige Verzögerung möglichen Ermittlung von Personen, die im Verdacht stehen, eine straßenpolizeiliche oder kraftfahrrechtliche Übertretung begangen zu haben, mithin das Interesse an einer raschen und lückenlosen Strafverfolgung (vgl VwGH 22.3.2000, 99/03/0434 mwN). Sinn und Zweck der Bestimmung ist es, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl VwGH 23.4.2010, 2010/02/0090 mwN). Die gesetzliche Auskunftspflicht ist dabei nicht davon abhängig, dass rechtmäßiger Weise eine Bestrafung des Lenkers wegen einer Verwaltungsübertretung erfolgen darf (vgl VwGH 11.5.1990, 89/18/0177 mwN; siehe auch VfSlg 7056/1973); die Lenkeranfrage darf seitens der Behörde bloß nicht grundlos und somit willkürlich erfolgen (vgl VwGH 15.1.1992, 91/03/0349; 12.7.1994, 92/03/0200; 19.12.2014, Ra 2014/02/0081).

 

Geht man von der Vollständigkeit des vorgelegten Verwaltungsaktes aus, kann ein Konnex zwischen dem Zulassungsbesitzer des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges und dem Bf nicht hergestellt werden. Diesfalls wäre die behördliche Anfrage willkürlich im Sinne der genannten Judikatur erfolgt und eine Auskunftspflicht nicht entstanden. Selbst wenn die belangte Behörde nachzuweisen vermag, dass der Bf vom Zulassungsbesitzer als Mieter des in Rede stehenden Fahrzeuges im Tatzeitpunkt namhaft gemacht wurde, ist das angefochtene Straferkenntnis dennoch aufzuheben:

 

Grundvoraussetzung für eine Übertretung des § 103 Abs 2 KFG 1967 ist, dass die Behörde überhaupt ein Verlangen nach einer Auskunft an den Zulassungsbesitzer gerichtet hat (vgl VwGH 25.4.1977, 1247/76; 10.4.1978, 2050/77). Oder anders gewendet: Eine Auskunftspflicht für den Zulassungsbesitzer entsteht erst im Zeitpunkt einer expliziten – allenfalls auch telefonischen – behördlichen Anfrage. Die Zustellung des, unzweifelhaft eine ordnungsgemäße Anfrage darstellende, Schreibens der belangten Behörde vom 7.1.2016 wurde nicht nachweislich verfügt. Es kann daher, da der Bf in seinen Eingaben auch in keinster Art und Weise Bezug auf dieses Schreiben nimmt, nicht zu Lasten des Bf von einer erfolgten Zustellung ausgegangen werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Bf in dem gegen die ergangene Strafverfügung gerichteten Einspruch nicht erkennen hat lassen, dass eine Anfrage nicht erfolgt sei und daraus schließt, dass eine Zustellung wohl erfolgt sein muss, lässt sich das Datum der Zustellung und damit der Ablauf der Frist für die Auskunftserteilung, somit also die für eine Übertretung des § 103 Abs 2 KFG 1967 notwendige Tatzeit, nicht festlegen.

 

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

2) Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Bf nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die ggst Entscheidung vollinhaltlich der zitierten, soweit ersichtlich einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer