LVwG-550978/2/FP
Linz, 06.10.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde von P G, X, X, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 1. September 2016,
GZ: N-2016-265204/7-Has, wegen Aufforstung einer Fläche im Europaschutzgebiet X
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit an die Bezirkshauptmannschaft Freistadt gerichtetem Ansuchen vom
17. Mai 2016 beantragte der Beschwerdeführer (Bf) die naturschutzbehördliche Bewilligung einer Neuaufforstung auf dem Grundstück Nr. X, GB X,
KG X.
I.2. Mit Schreiben vom 10. Juni 2016 übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Freistadt den Antrag dem Amt der Oö. Landesregierung zur Prüfung möglicher Beeinträchtigungen von Schutzgütern des Europaschutzgebietes „X“.
I.3. Aus einem vom Amt der Oö. Landesregierung, Dipl.-Ing. G S-W, erstatteten und in den Feststellungen teilweise wiedergegebenem Gutachten ergibt sich, dass die gegenständliche Fläche dem Lebensraumtyp 6510 Magere Flachland-Mähwiese zuzuordnen ist. Die Artenzusammensetzung würde als „sehr gut“, der Erhaltungszustand der Fläche als „gut“ klassifiziert. Durch die geplante Aufforstung würden 0,56 ha verloren gehen und entspreche dies 3 % der in einem Standard-Datenbogen genannten Fläche. Der gegenständliche Lebensraumtyp komme im gesamten Europaschutzgebiet nur verstreut und in der Regel kleinflächig vor. Einzelflächen ähnlicher Qualität seien meist nur wenige hundert Quadratmeter bis maximal etwa 2 ha groß. Die gegenständliche Fläche sei daher nicht nur aufgrund der vorhandenen Artengarnitur, sondern auch aufgrund der Flächengröße für das Gesamtvorkommen des Lebensraumtyps von Bedeutung. Der vollständige Verlust durch eine Aufforstung sei als erhebliche Beeinträchtigung des Schutzzwecks des Gebietes zu bewerten.
Es handle sich um eine für dieses Gebiet relativ große Einzelfläche mit einer hochwertigen Artengarnitur, die am Rand eines Talraums liege, in dem großes Potenzial zur Weiterentwicklung dieses Lebensraumtyps bestehe. Der Erhalt sei daher zur Erreichung des Schutzzwecks des Gebiets von großer Bedeutung. Aus diesen Gründen würde die Aufforstung des Grundstücks als erhebliche Beeinträchtigung des Lebensraumtyps Magere Flachland-Mähwiese innerhalb des Europaschutzgebietes beurteilt.
I.4. Die belangte Behörde brachte dem Bf das Gutachten mit Schreiben vom
28. Juli 2016 zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein, die er nicht wahrnahm. Die Umweltanwaltschaft, die das Gutachten ebenso erhielt, schloss sich den Ausführungen der Amtssachverständigen an.
I.5. Mit Bescheid vom 1. November 2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Bf ab und begründete wie folgt:
„Mit Eingabe vom 18. Mai 2016 beantragte Herr P G, X, X, eine Neuaufforstung mit den Baumarten Erle, Weide, Ahorn und Fichte auf dem im Europaschutzgebiet ‚X und X‘ und innerhalb des 50 m Uferschutzbereichs rechtsufrig des X Grabens bzw. eines Zubringers dazu gelegenen Grundstücks Nr. X, KG X.
Auf Grund der Feststellung, der Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz, dass diese Maßnahme zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes des Europaschutzgebietes ‚X und X‘, LGBl. Nr. 45/2014, führen kann, ist eine Bewilligung gemäß § 24 Abs. 3 Oö. NSchG 2001 erforderlich und die Zuständigkeit der Oö. Landesregierung gegeben.
Dazu stellte die Amtssachverständige für Natur- und Landschaftsschutz in ihrem Gutachten vom 27. Juli 2016 fest:
‚Herr P G, X, X, sucht um naturschutzrechtliche Bewilligung einer Aufforstung im Ausmaß von 5.617 m2 auf Gst. X, KG X an.
Das Grundstück liegt innerhalb des ESG X und X im 50 m Uferschutzbereich rechtsufrig des X Grabens bzw. eines Zubringers dazu.
In der aktuell gültigen Schutzgutkarte zur Verordnung des Europaschutzgebietes ist auf diesem Grundstück kein Lebensraumtyp (LRT) des Anhang I FFH-Richtlinie ausgewiesen.
Die Fläche liegt am Rand einer etwa 1,5 km langen Talaufweitung der X, die als Grünland in unterschiedlicher Intensität genutzt wird. Neben der gegenständlichen Fläche finden sich hier weitere Bereiche, die aktuell als Magere Flachlandmähwiesen anzusprechen sind oder gutes Entwicklungspotenzial zu diesem LRT haben.
Im Rahmen der 2015 im Auftrag der Abteilung Naturschutz durchgeführten Grünlandkartierung wurde im gegenständlichen Bereich sowie kleinflächig auch linksufrig des X-graben-Zubringers der Lebensraumtyp 6510 Magere Flachlandmähwiese kartiert. Aufgrund der kleinflächig wechselnden Standortbedingungen liegt ein Mosaik unterschiedlicher Vegetationseinheiten vor. Der obere waldnahe Bereich ist als Übergang zu Grusrasen anzusprechen. Teilweise sind die östlichsten Flächen im oberen Bachabschnitt stärker vernässt. Im zentralen Teil dominieren die typischen Arten des Lebensraumtyps innerhalb einer bunten artenreichen Krautschicht. In den ebeneren bachnahen Bereichen im südwestlichen Teil des Grundstückes dürfte Klee eingesät worden sein.
Die Artenzusammensetzung wird als ‚sehr gut‘ klassifiziert, es wurde eine große Anzahl der für den LRT charakteristischen Arten erhoben (z.B. Rotschwingel, Ruchgras, Glatthafer, Wiesen-Fuchsschwanz, Wiesen-Witwenblume, Wiesen-Leuenzahn, Große Bibernelle, Großer Wiesenknopf, Feld- und Gamanderehrenpreis, Margerite, Schafgarbe) sowie weitere naturschutzfachlich bedeutsame Arten (z.B. Kronlattich, Heide-Günsel, Silberdistel, Heide-Nelke, Kleines Habichtskraut, Wiesen-Kreuzblume, Arznei-Thymian). Aufgrund der eher geringen Flächengröße und dem Vorhandensein einiger Störungszeiger (nicht-typische Arten wie Weiß- und Rotklee, gewöhnlicher Löwenzahn) wird der Erhaltungszustand der Fläche insgesamt mit ‚gut‘ eingestuft.
Die Fläche dieses Lebensraumtyps ist im Standard-Datenbogen mit 19,67 ha angegeben, die Gesamteinstufung des Erhaltungszustandes erfolgte mit ‚B‘ (gut). Die Flächenberechnung basiert auf den derzeit in der Verordnungskarte dargestellten Flächen, die gegenständliche Fläche ist somit nicht erfasst. Durch die geplante Aufforstung gehen 0,56 ha verloren, das entspricht etwa 3% der im Standard-Datenbogen genannten Fläche.
Der LRT ‚Magere Flachland-Mähwiesen‘ kommt im gesamten Europaschutzgebiet nur verstreut und in der Regel kleinflächig vor. Einzelflächen ähnlicher Qualität sind meist nur wenige Hundert Quadratmeter bis maximal etwa 2 ha groß. Die gegenständliche Fläche ist daher nicht nur aufgrund der vorhandenen Artengarnitur sondern auch aufgrund der Flächengröße für das Gesamtvorkommen des LRT von Bedeutung. Der vollständige Verlust durch eine Aufforstung ist daher als erhebliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes des Gebietes zu bewerten.
Für die Beurteilung einer möglichen Beeinträchtigung ist neben dem Vorkommen innerhalb des jeweiligen Europaschutzgebietes auch die Situation in Österreich zu berücksichtigen. Flachland-Mähwiesen unterliegen wie die meisten extensiv genutzten Grünlandgesellschaften generell einem hohen Druck, einerseits durch Intensivierung der Nutzung, andererseits durch Flächenaufgabe (Aufforstung, Sukzession mit damit einhergehender Verbuschung/Verwaldung). Im letzten Bericht gemäß Art. 17 FFH-Richtlinie wird der LRT 6510 in der kontinentalen Region Österreichs sowohl insgesamt als auch hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung mit U2 (unzureichend-schlecht) eingestuft. Es besteht somit für Österreich die Verpflichtung, Verbesserungsmaßnahmen zu ergreifen um den Vorgaben des Art.2 (2) FFH-RL zu entsprechen (‚Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen zielen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen‘). Dieser Schutzzweck ist auch in §3 der ESG-Verordnung verankert.
Aufgrund der in der gesamten kontinentalen Region Österreichs schlechten Situation dieses Lebensraumtyps muss jeder weitere Verlust sehr kritisch beurteilt werden.
Im gegenständlichen Fall handelt es sich um eine für dieses Gebiet relativ große Einzelfläche mit einer hochwertigen Artengarnitur, die am Rand eines Talraumes liegt, in dem großes Potenzial zur Weiterentwicklung dieses Lebensraumtyps besteht. Der Erhalt ist daher zur Erreichung des Schutzzweckes des Gebietes von Bedeutung.
Aus diesen Gründen wird die Aufforstung des Gst. X, KG X, als erhebliche Beeinträchtigung des LRT 6510 Magere Flachland-Mähwiese innerhalb des ESG beurteilt und daher abgelehnt.‘
Dieses Gutachten wurde sowohl Herrn G als auch der Oö. Umweltanwaltschaft im Sinne des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht mit der Möglichkeit einer Stellungnahme binnen 4 Wochen.
Vom Antragsteller erfolgte keine Äußerung, die Umweltanwaltschaft schloss sich dem Gutachten voll inhaltlich an.
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass geringfügig von der Antragstellung und dem Gutachten abweichend, das Grundstück eine Fläche von 0,5360 ha aufweist, was allerdings für die Beurteilung keinen Unterschied macht.
Darüber hat die Behörde erwogen:
Gemäß § 24 Abs. 3 Oö. NSchG 2001 bedürfen Maßnahmen, die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzwecks eines Europaschutzgebietes führen können, vor ihrer Ausführung der Bewilligung der Landesregierung. Gemäß Abs. 4 der zitierten Bestimmung ist eine Bewilligung gemäß Abs. 3 zu erteilen, wenn das öffentliche Interesse an der beantragten Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz und eine alternative Lösung nicht vorhanden ist.
Es steht fest, dass sich das Grundstück im Bereich des Europaschutzgebietes ‚X und X‘ befindet.
Die Aufforstung soll auf einer ‚Mageren Flachland-Mähwiese‘ erfolgen. Diese wurde im Rahmen einer 2015 im Auftrag der Abteilung Naturschutz des Amtes der Oö. Landesregierung durchgeführten Grünlandkartierung auf dem gegenständlichen Grundstück festgestellt. Dieser Lebensraumtyp, der hier in einem insgesamt guten Erhaltungszustand besteht, ist ein natürlicher Lebensraum, dessen Erhaltung oder gegebenenfalls Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands Schutzzweck der Verordnung ist (§ 3, Tabelle 1).
Durch die Aufforstung würden zirka 0,54 ha dieses Schutzgutes verloren gehen, das entspricht zirka 3 % der im Standartdatenbogen für dieses Gebiet angegebenen Fläche von 19,67 ha. Diese Fläche ist bezüglich des Schutzgutes von guter Qualität. Sonstige Flächen dieses Lebensraumtyps sind im Europaschutzgebiet nur verstreut und kleinflächig vorhanden.
Daher würde der vollständige Verlust dieser Fläche durch die Aufforstung konkret eine erhebliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes des Gebietes bewirken.
Weiters ist die Entwicklung von Flachlandmähwiesen österreichweit tendenziell negativ verlaufend, sodass Österreich entsprechend der FFH-Richtlinie zum Schutz dieses Lebensraumtyps aufgefordert ist.
Eine alternative Lösung kann für die Maßnahme der Aufforstung nicht gesehen werden. Die Aufforstung läge allein im privaten Interesse des Antragstellers, ein öffentliches Interesse, das unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz, ist nicht gegeben.
Gemäß § 10 Abs. 2 Oö. NSchG 2001 ist in den geschützten Bereichen gemäß Abs. 1 jeder Eingriff in das Landschaftsbild und im Grünland (§ 3 Ziff 6) in den Naturhaushalt verboten, solange die Behörde nicht bescheidmäßig festgestellt hat, dass solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden.
Diese Regelung wird im Hinblick auf die Tatsache, dass eine Aufforstung auf Grundlage des § 24 Abs. 3 Oö. NSchG 2001 nicht bewilligungsfähig ist, nicht schlagend. Die Fichte ist dabei als standortfremdes Gehölz anzusehen, eine Aufforstung damit auf dem besonders sensiblen Uferbereich mit einer seltenen ‚Mageren Flachlandmähwiese‘ abzulehnen. Auch unter dem Aspekt des § 10 wäre ein Eingriff in den Naturhaushalt massiv und solche Interessen an der Erhaltung des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, würden verletzt werden.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.“
I.6. Mit Schreiben vom 19. September 2016 erhob der Bf rechtzeitig Beschwerde und führte wie folgt aus:
„Grundstück Nr. X stellt gemeinsam mit Grundstück Nr. X eine sehr schmale Enklave mit nur 10 Metern Breite an der engsten Stelle in umgebender Waldfläche dar. Die umgebende Waldfläche ist eine Fichten-Monokultur. Für eine erfolgreiche landwirtschaftliche Bewirtschaftung ist das aufforstungsgegenständliche Grundstück Nr. X nicht geeignet. Der umgebende Waldbestand, ca. 50jährige Fichte, bringt hochgradige Beschattungswirkung mit sich, was für eine erfolgreiche Grünlandbewirtschaftung einen enormen Nachteil darstellt. Das am Grundstück vorhandene Gerinne führt bisweilen dazu, dass mitgeführter Sand auf die Grünlandfläche verbracht wird, was in der Bewirtschaftung ein enormes Hindernis darstellt. Ungefähr der Hälfte-Anteil vom Grundstück X stellt außerdem eine enorme Hanglage, mindestens 50 %, dar, was eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung zusätzlich enorm erschwert. Aufgrund der geringen Ertragskraft und der äußerst aufwändigen Bewirtschaftungsverhältnisse von Grundstück
Nr. X und auch vom Nachbargrundstück X besteht in Zukunft die Gefahr, dass infolge Nichtbewirtschaftung eine Verwilderung eintritt, die natürlich auch nicht im öffentlichen Interesse und im Interesse der ordnungsgemäßen Pflege der Kulturlandschaft gelegen ist. Soweit ich informiert bin, bestehen auch auf dem Nachbargrundstück X Aufforstungstendenzen, aus denselben Gründen, die auch meine Aufforstungsabsichten betreffen.
Sowohl zur Pflege und Erhaltung der Kulturlandschaft und aus Sicht der Wirtschaftlichkeit stellt eine Aufforstung der genannten Grundstücke die einzige Alternative dar.
Ich ersuche, in diesem Sinne meinem Antrag auf Aufforstung von Grundstück Nr. X statt zu geben.“
I.7. Mit Schreiben vom 21. September 2016 legte die belangte Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich entscheidet durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt. Zumal der Sachverhalt nach der Aktenlage vollends geklärt ist und das Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung deshalb nicht als erforderlich erachtet, weiters der Bf trotz Belehrung über die Möglichkeit, eine Verhandlung beantragen zu können (Rechtsmittelbelehrung des bekämpften Bescheides), eine solche nicht beantragt hat, sieht das Verwaltungsgericht von der Anberaumung einer solchen ab (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher S A C H V E R H A L T steht fest:
Der Bf hat um naturschutzrechtliche Bewilligung einer Aufforstung im Ausmaß von 5.617 m2 auf Grundstück Nr. X, KG X, angesucht.
Das genannte Grundstück liegt innerhalb des Europaschutzgebietes X und X im 50 m-Uferschutzbereich rechtsufrig des X-Grabens bzw. eines Zubringers dazu.
In der aktuell gültigen Schutzgutkarte zur Verordnung des Europaschutzgebietes ist auf diesem Grundstück kein Lebensraumtyp (LRT) des Anhanges I FFH-Richtlinie ausgewiesen.
Die Fläche liegt am Rand einer etwa 1,5 km langen Talaufweitung der X, die als Grünland in unterschiedlicher Intensität genutzt wird. Neben der gegenständlichen Fläche finden sich weitere Bereiche, die als Magere Flachland-Mähwiesen anzusprechen sind, oder gutes Entwicklungspotenzial zu diesem Lebensraumtyp haben.
Im Rahmen der 2015 im Auftrag der Abteilung Naturschutz durchgeführten Grünlandkartierung wurde im gegenständlichen Bereich sowie kleinflächig auch linksufrig des X-Graben-Zubringers der Lebensraumtyp 6510 Magere Flachland-Mähwiese kartiert. Aufgrund der kleinflächig wechselnden Standortbedingungen liegt ein Mosaik unterschiedlicher Vegetationseinheiten vor. Der obere waldnahe Bereich ist als Übergang zu Grusrasen anzusprechen. Teilweise sind die östlichsten Flächen im oberen Bachabschnitt stärker vernässt. Im zentralen Teil dominieren die typischen Arten des Lebensraumtyps innerhalb einer bunten artenreichen Krautschicht. In den ebeneren bachnahen Bereichen im südwestlichen Teil des Grundstückes dürfte Klee eingesät worden sein.
Die Artenzusammensetzung wird als „sehr gut" klassifiziert, es wurden eine große Anzahl der für den Lebensraumtyp charakteristischen Arten erhoben (z.B. Rotschwingel, Ruchgras, Glatthafer, Wiesen-Fuchsschwanz, Wiesen-Witwenblume, Wiesen-Leuenzahn, Große Bibernelle, Großer Wiesenknopf, Feld- und Gamanderehrenpreis, Margerite, Schafgarbe) sowie weitere naturschutzfachlich bedeutsame Arten (z.B. Kronlattich, Heide-Günsel, Silberdistel, Heide-Nelke, Kleines Habichtskraut, Wiesen-Kreuzblume, Arznei-Thymian). Aufgrund der eher geringen Flächengröße und dem Vorhandensein einiger Störungszeiger (nicht-typische Arten wie Weiß- und Rotklee, gewöhnlicher Löwenzahn), wird der Erhaltungszustand der Fläche insgesamt mit „gut" eingestuft.
Die Fläche dieses Lebensraumtyps ist im Standard-Datenbogen mit 19,67 ha angegeben, die Gesamteinstufung des Erhaltungszustandes erfolgte mit „B" (gut).
Durch die geplante Aufforstung gehen 0,56 ha an „Magerer Flachland-Mähwiese“ verloren, das entspricht etwa 3 % der im Standard-Datenbogen genannten Fläche.
Der Lebensraumtyp „Magere Flachland-Mähwiesen" kommt im gesamten Europaschutzgebiet nur verstreut und in der Regel kleinflächig vor. Einzelflächen ähnlicher Qualität sind meist nur wenige hundert Quadratmeter bis maximal etwa 2 ha groß. Die gegenständliche Fläche ist daher nicht nur aufgrund der vorhandenen Artengarnitur, sondern auch aufgrund der Flächengröße für das Gesamtvorkommen des Lebensraumtyps von Bedeutung. Der vollständige Verlust durch eine Aufforstung ist daher als erhebliche Beeinträchtigung des Schutzzwecks des Gebietes zu bewerten.
Flachland-Mähwiesen unterliegen, wie die meisten extensiv genutzten Grünlandgesellschaften, generell einem hohen Druck, einerseits durch Intensivierung der Nutzung, andererseits durch Flächenaufgabe (Aufforstung, Sukzession mit damit einhergehender Verbuschung/Verwaldung). Im letzten Bericht gemäß Art. 17 FFH-Richtlinie wird der Lebensraumtyp 6510 in der kontinentalen Region Österreichs sowohl insgesamt als auch hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung mit U2 (unzureichend-schlecht) eingestuft.
Im gegenständlichen Fall handelt es sich um eine für dieses Gebiet relativ große Einzelfläche mit einer hochwertigen Artengarnitur, die am Rand eines Talraums liegt, in dem großes Potenzial zur Weiterentwicklung dieses Lebensraumtyps besteht. Der Erhalt ist zur Erreichung des Schutzzwecks des Gebietes von Bedeutung.
Die Aufforstung des Grundstückes Nr. X, KG X, stellt innerhalb des Europaschutzgebietes eine erhebliche Beeinträchtigung des Lebensraumtyps 6510 Magere Flachland-Mähwiese dar.
(Gutachten Dipl.-Ing. G S-W)
Der Bf hat in seiner Beschwerde wie unter Punkt I.6. vorgebracht.
(Beschwerde)
Hinweise auf eine Alternativlösung im Sinne des § 24 Abs. 4 Oö. NSchG 2001 gibt es nicht.
(Vorbringen Bf, Gutachten)
II.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, insbesondere den in Klammern angegebenen Beweismitteln. Aus dem vollständigen und schlüssigen Gutachten Dipl.-Ing. S-W ergibt sich, dass die vorliegende Fläche dem Lebensraumtyp 6510 „Magere Flachland-Mähwiese“ zuzuordnen ist und der Erhalt der Fläche zur Erreichung des Schutzzwecks des Europaschutzgebietes von Bedeutung ist und der Verlust der Fläche durch Aufforstung eine erhebliche Beeinträchtigung des Schutzzwecks zur Folge hätte, weil Flächen dieser Art von großer Seltenheit sind und für die Erhaltung des Biotoptyps von großer Bedeutung sind. Der Bf wendet sich nicht gegen die Qualität der Fläche an sich, sondern bringt lediglich Bewirtschaftungshindernisse vor bzw. führt aus, dass die Gefahr einer Verwilderung infolge Nichtbewirtschaftung bestehe. Er meint, dass die Aufforstung zur Pflege und Erhaltung der Kulturlandschaft und aus Sicht der Wirtschaftlichkeit die einzige Alternative sei. Hinweise auf eine Alternativlösung haben sich nicht ergeben. Vielmehr führt die ASV aus, dass durch die Aufforstung ein Totalverlust eintreten wird und hat der Bf keine Alternativlösungen vorgebracht (z.B. Ersatzfläche).
III. Rechtliche Beurteilung
III.1. Anzuwendende gesetzliche Bestimmungen:
(Oö. NSchG 2001, LGBl.Nr. 129/2001 zuletzt geändert durch
LGBl.Nr. 138/2007) lauten:
Landschaftspflegepläne; Bojenpläne
[…]
Europaschutzgebiete
(LGBl.Nr. 45/2014) lauten:
Bezeichnung
Schutzzweck
| |
| |
| |
[…]
Erlaubte Maßnahmen
Oö. NSchG 2001.
Oö. NSchG 2001:
Ziel des Landschaftspflegeplans
Landschaftspflegeplan
| |
| |
| |
III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
Nach den Feststellungen handelt es sich bei jener Fläche, die der Bf aufforsten will, um einen von der Verordnung über das Europaschutzgebiet „X und X“ geschützten Lebensraumtyp der Mageren Flachland-Mähwiese. Zudem hat sich aufgrund des Gutachtens Dipl.-Ing. S-W, dem der Bf in keiner Weise entgegen getreten ist, erwiesen, dass die gegenständliche Fläche im Falle der Aufforstung als Magere Flachland-Mähwiese vollständig verloren geht und dies zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzwecks des Europaschutzgebietes führen würde. Die gegenständliche Verordnung hat unter anderem zum Zweck, Magere Flachland-Mähwiesen zu schützen, also deren Erhalt zu fördern und das Verlorengehen derartiger Flächen hintan zu halten. Wie sich aus dem Gutachten ergibt, ist die gegenständliche Fläche für den Erhalt des im vorliegenden Bereich und generell bereits extrem seltenen Lebensraumtyps (Einstufung U2, unzureichend-schlecht) von großer Bedeutung und wäre der Verlust als erhebliche (= wesentliche) Beeinträchtigung des Schutzgebietszwecks zu bewerten. Die überragende Bedeutung des Lebensraumtyps ergibt sich im Übrigen schon aus der Nennung in Anhang I der FFH-Richtlinie (RL 92/43/EWG).
Nach § 24 Abs. 3 Oö. NSchG 2001 bedürfen Maßnahmen, die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzwecks eines Europaschutzgebietes führen können, vor ihrer Ausführung der Bewilligung der Landesregierung.
Nach § 24 Abs. 4 Oö. NSchG 2001 ist eine Maßnahme zu bewilligen, wenn das öffentliche Interesse an der beantragten Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz und eine Alternativlösung nicht vorhanden ist.
Die Aufforstung ist zweifellos eine Maßnahme im Sinne des § 24
Oö. NSchG 2001.
§ 4 der genannten Verordnung nennt dabei erlaubte Maßnahmen. Es sind dies solche, die keiner Bewilligung nach § 24 Abs. 3 leg. cit. bedürfen, weil schon die Verordnung selbst davon ausgeht, dass sie zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzwecks des Europaschutzgebietes führen. Diesfalls wäre die Oö. Landesregierung nicht zur Entscheidung über den Antrag des Bf zuständig (sondern allenfalls die Bezirksverwaltungsbehörde im Wege des § 10 leg. cit.).
Im vorliegenden Fall kommt § 4 der Verordnung dem Bf aber nicht zugute. Zwar kennt § 4 Abs. 2 Z 2.1. der Verordnung Neuaufforstungen dem Grunde nach als erlaubte Maßnahmen, dies aber nicht auf Flächen des Lebensraumtyps 6510.
Eine Zuständigkeit der Oö. Landesregierung zur Entscheidung war demnach gegeben und wäre die Maßnahme (Neuaufforstung) nur zu bewilligen gewesen, wenn das öffentliche Interesse an der beantragten Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz und eine Alternativlösung nicht vorhanden ist.
Die Formulierung der Interessen und das Vorbringen der dafür erforderlichen Behauptungen ist, so die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, grundsätzlich Sache des Konsenswerbers (vgl. VwGH 27. März 2000, 97/10/0149).
Der Bf macht mit dem Vorbringen von Bewirtschaftungshindernissen im Wesentlichen private Interessen an der Umsetzung des Vorhabens geltend, die aber aufgrund der Formulierung des § 24 Abs. 4 leg. cit. nicht von Relevanz sind, weil nach diesem eine Bewilligung nur dann erteilt werden kann, wenn ein anderes, unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles, höherwertiges Interesse als jenes am Natur- und Landschaftsschutz vorliegt. Private Interessen haben insofern außer Betracht zu bleiben.
Der Bf scheint darüber hinaus mit seiner Darstellung, es bestünde in Zukunft die Gefahr, dass infolge Nichtbewirtschaftung eine Verwilderung eintritt, ein öffentliches Interesse an der Aufforstung vorbringen zu wollen. Hier ist zunächst auf die Gesetzesmaterialien (Beilage 1170/2001 zum kurzschriftlichen Bericht des Oö. Landtags, XXV. Gesetzgebungsperiode) hinzuweisen, die wie folgt erläutern: „Die im § 24 Abs. 4 und 5 festgelegte Verträglichkeitsprüfung als Voraussetzung für eine derartige ‚Eingriffserlaubnis‘ trägt den Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-Richtlinie Rechnung. Bei der Bewertung des öffentlichen Interesses an der beantragten Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Allgemeinwohls (§ 24
Abs. 4) sind insbesondere auch die im Art. 6 Abs. 4 der FFH-Richtlinie ausdrücklich angesprochenen Interessen sozialer oder wirtschaftlicher Art zu berücksichtigen (vgl. auch den generellen Interpretationsgrundsatz des § 1 Abs. 3) […].
Tatsächlich macht der Bf jedoch kein gegenüber dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz abzuwägendes anderes öffentliches Interesse geltend, zumal eine vom Gesetz ausdrücklich nicht gewünschte Maßnahme (Aufforstung, vgl. § 6 Tabelle 3, Zeile 5 der Verordnung Europaschutzgebiet und Landschaftspflegeplan „X und X“), die zur völligen Zerstörung des Lebensraumtyps an der gegenständlichen Stelle führt, nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass das Schutzgut potenziell gefährdet ist, weil künftig landschaftspflegerische Maßnahmen unterlassen werden sollen. Nur weil der Bf gleichsam mit der Unterlassung der Pflege droht, besteht an der Aufforstung kein öffentliches Interesse. Diese zerstört ja jedenfalls das Biotop.
Der Gesetzgeber hat derlei Umstände im Übrigen vorausgesehen und § 15 Abs. 2 Oö. NSchG 2001 geschaffen, der den Gesetzgeber zum Vorsehen von Landschaftspflegeplänen, den Bf zum Dulden landschaftspflegerischer Maßnahmen auf seinem Grundstück zwingt.
Insofern steht der potenziellen Gefahr des Verlusts des hier relevanten Biotops durch natürliche Sukzession § 15 Abs. 2 Oö. NSchG 2001 in Verbindung mit § 6 Tabelle 3, Zeile 5 der Verordnung Europaschutzgebiet und Landschaftspflegeplan „X und X“ entgegen, der für den gegenständlichen Lebensraumtyp die extensive Grünlandbewirtschaftung mit ein- bis zweimaliger Mahd nach dem 15. Juni, geringe Fettmistgabe oder Düngeverzicht und das Freihalten von Gehölzaufwuchs vorsieht, sodass aus der Argumentation des Bf auch insofern nichts gewonnen ist.
Ganz generell kann ein öffentliches Interesse an der vorliegenden Aufforstung nicht erblickt werden. Es liegt allein im privaten Interesse des Bf, um Bewirtschaftungshindernissen zu begegnen. Auch wenn diese privaten Interessen nachvollziehbar sein mögen, ist für den Bf nichts gewonnen, als das Gesetz eine Abwägung gegen solche schlicht nicht vorsieht.
Mangels Vorbringens das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz überwiegender öffentlicher Interessen (solche sind auch sonst nicht ersichtlich) war dem Antrag des Bf auf Neuaufforstung der hier gegenständlichen Mageren Flachland-Mähwiese kein Erfolg beschieden.
Die Entscheidung der belangten Behörde ist deshalb nicht zu beanstanden und war der Beschwerde des Bf keine Folge zu geben und diese als unbegründet abzuweisen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es existiert ausreichend Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere zur Notwendigkeit des Vorbringens von Interessen und zur Abwägung. Zudem ist der folgende Fall nicht verallgemeinerungsfähig und ist die gesetzliche Regelung inhaltlich klar. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
P o h l