LVwG-750386/2/MB/SA

Linz, 17.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des A D,
geb. x, A, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 1. August 2016, GZ: BHLLSich-2016-295379 LL/0434/2016,

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid der belangten Behörde ersatzlos behoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land
(in der Folge: belangte Behörde) vom 1. August 2016, GZ: BHLLSich-2016-295379 LL/0434/2016, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) ein Waffenverbot verhängt und ausgesprochen, dass dem Bf der Besitz von Waffen und Munition verboten sei.

 

Als Rechtsgrundlage führt die belangte Behörde § 12 Abs. 1 WaffG 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 idgF und § 58 AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idgF an.

 

Begründend führte die belangte Behörde zudem wie folgt aus:

Gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Lt. Abschluss-Bericht der Polizeiinspektion Enns vom 09. Juli 2016, GZ. B6/8178/2016, werden Sie von Ihrer Gattin G D beschuldigt, sie im Zuge von zwei Familienstreitereien verletzt zu haben.

 

1) Am 30.04.2016 stießen Sie Frau D Ihr Knie gegen ihren Oberschenkel, sodass diese 10 Tage lang Schmerzen im Oberschenkel verspürte.

 

2) Am 24.09.2015, vormittags, zogen Sie Ihre Frau an den Haaren, würgten sie und traten mehrmals mit Ihrem Fuß gegen die Füße des Opfers. Die Fotos der Verletzungsfolgen, welche Ihre Frau mit ihrem Handy machte, hätten Sie irgendwann im Zeitraum zwischen Februar 2016 bis Juni 2016 gelöscht.

 

Aufgrund der Sachlage wurde gegen Sie mit Schreiben vom 12.07.2016 ein Waffenverbotsverfahren eingeleitet. In diesem Schreiben wurde Ihnen die Möglichkeit eingeräumt, zum vorliegenden Sachverhalt binnen einer Frist von 2 Wochen ab Erhalt schriftlich Stellung zu nehmen.

Trotz der Ihnen zugegangenen Verständigung konnten Sie zu einer Stellungnahme nicht angehalten werden.

 

Auf Grund des oben angeführten Sachverhaltes muss angenommen werden, dass Sie die angeführten Rechtsgüter durch die missbräuchliche Verwendung von Waffen gefährden könnten. Es ist Ihnen daher der Besitz von Waffen und Munition zu verbieten.

 

 

2. Mit Schreiben vom 23. August 2016 erhob der Bf das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin nachfolgend im Wort aus:

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit Ihrem Bescheid vom 1.8.2016, der 9.8.2016 zugestellt ist, habe ich erfahren, dass der Besitz von Waffen und Munition wird mir mit sofortiger Wirkung verboten ist,

 

Mit der Begründung, gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

Lt. Abschluss-Bericht der Polizeiinspektion Enns von 9. Juli 2016, GZ. B6/8178/2016, werde ich von meiner Gattin G D beschuldigt, sie im Zuge von zwei Familienstreitereien verletzt zu habe.

1 - Am 30.04.2016 solle ich Frau D mein Knie ihren Oberschenkel gestoßen haben,

sodass diese 10 Tage lang Schmerzen im Oberschenkel verspürte.

2- Am 24.9.2015 vormittags, solle ich meine Frau an den Haaren gezogen, sie gewürgt und mehrmals mit meinem Fuß gegen die Füße des Opfers getreten haben. Die Fotos der Verletzungsfolgen, welche meine Frau mit ihrem Handy machte, hätte ich irgendwann im Zeitraum zwischen Februar 2016 bis Juni 2016 gelöscht.

 

Aufgrund der Sachlage wurde gegen mich mit Schreiben vom 12.7.2016 ein Waffenverbotsverfahren eingeleitet. In diesem Schreiben wurde mir die Möglichkeit eingeräumt, zum vorliegenden Sachverhalt binnen einer Frist von 2 Wochen ab Erhalt schriftlich Stellung zu nehmen.

Trotz der mir zugegangenen Verständigung konnte ich zu einer Stellungnahme nicht angehalten werden.

Auf Grund des oben angeführten Sachverhaltes muss angenommen werden, dass ich die angeführten Rechtsgüter durch missbräuchliche Verwendung von Waffen gefährden könnten. Es ist mir daher der Besitz von Waffen und Munition zu verbieten.

 

Ich möchte gegen diesen Bescheid Rechtsmittel Beschwerde erheben und begründe es wie folgt:

Wie ich in der Polizeiinspektion Enns ausgesagt habe, bei der Familienstreiterei am 30.4.2016 habe ich Frau D mit meinem Knie gegen ihren Oberschenkel gestoßen. Es war aber keine Absicht zu verletzen oder zu attackieren.

Ich war beim Geschirrspülen, dabei haben wir laut gestritten. Auf einmal ist sie mit dem Teller zu mir genähert. Die Höhe des Tellers war in meinem Gesichtshöhe, Reflexartig habe ich den Teller gehaut und ihren Oberschenkel gestoßen.

Es war reine Reflexaktion. Ich habe keine Absicht gehabt sie zu verletzen.

Wenn sie 10 Tage lang Schmerzen verspürt hätte, hätte sie einen Arztbefund besorgen können.

 

Von Polizeiinspektion Enns habe ich auch erfahren, dass ich von meiner Frau angeschuldigt werde, dass ich sie am 25.9.2016 vormittags attackiert und verletzt habe. Die Fotos, die diese Verletzungen beweisen, soll ich irgendwann von ihrem Handy gelöscht haben.

Am 25.9.2016 habe ich vormittags gearbeitet und mit Dienstgeberbestätigung habe ich dass bewiesen.

 

Jetzt sagt sie dass ich sie am 24.9.2015 vormittags verletzt habe.

 

Die Beschuldigung entspricht die Wahrheit nicht. Ich habe sie nicht attackiert und verletzt. Nach meiner Erinnerung arbeitete sie am 24.9.2016 vormittags. An diesem Tag habe ich wie jeden Donnerstags die Kinder in die Schule gebracht, für Kinder gekocht und nach 12 Uhr habe ich unser Auto zu meiner Frau nach Linz gebracht.

Wenn ich sie an diesem Tag verletzt hätte, wie sie mich anschuldigt, hätte sie leicht vom Arzt

oder vom Krankenhaus bestätigen lassen und mich anzeigen können.

Es gab keinen Zwischenfall in diesem Datum. Alles wurde nachhinein erfunden.

 

Ich habe ab 9.7,2016 bis 13.8.2016 Urlaub gehabt und hatte vorgehabt dass ich in der Türkei bei meinem Vater bleibe. Wegen Unruhen in der Türkei wollten Kinder und meine Frau heuer nicht in die Türkei fliegen.

Als ich auf Urlaub war, hat meine Frau das Schreiben von BH-LL über Waffenverbot empfangen. Deswegen konnte ich gegen dieses Vorhaben leider nicht rechtzeitig stellungnehmen.

Wegen der Überschwemmung im Keller musste ich am 30.7.2016 mein Urlaub unterbrechen und zurückkehren. Ich musste die Möbeln und Laminat, die sich im Keller befinden, entsorgen.

Bis Polizei Enns mir den Bescheid gegen Unterschrift abgegeben hat, habe ich dieses Vorhaben von BH-LL nicht geahnt, weil meine Frau die Post mir nicht ausgehändigt hat. Sie war mit unserer Tochter ab 6.8.2016 bis 14.08.2016 auf Urlaub in der Türkei.

 

Ich muss auch gleichzeitig betonen, dass ich keine Waffe oder Munition besitze und kein Interesse für so was habe. Aber als ein Hobbyfischer brauche ich ab und zu ein Messer bei mir tragen.

Unter diesen Umständen bitte ich Sie die unrecht erlassene Waffenverbot zu heben.

 

3. Mit Schreiben vom 5. September 2016 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die verfahrensgegenständliche Beschwerde samt dem in Rede stehenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

 

 

II.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erhob Beweis durch die Einsichtnahme in die Akten der belangten Behörde. Gem. § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der Bescheid der belangten Behörde zu beheben war. Zudem ist auch darauf hinzuweisen, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich keine Erkundungsbeweise aufnehmen muss (Brandstetter/Larcher/Zeinhofer, Die belangte Behörde Rz 210 mwN). Es finden sich im Bescheid der belangten Behörde keine über die zugsammengefasste Vorhaltung des Abschlussberichtes vom 9. Juli 2016 hinausgehenden Feststellungen. Ebenso entbehrt der Bescheid der belangten Behörde jedweder Beweiswürdigung und Gefährdungsprognose. Vielmehr wird das Ergebnis einer durchzuführenden Gefährdungsprognose festgehalten.

 

4. Gem. § 2 VwGVG iVm WaffG 1996, BGBl I 12/1997 idF BGBl I 161/2013
(in der Folge: WaffG 1996), hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch Einzelrichter zu entscheiden.

 

 

III.

 

1. Gem. § 49 Abs. 2 WaffG 1996 iVm Art. 131 B-VG iVm § 3 VwGVG ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich sachlich und örtlich zuständig zur Entscheidung in der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit.

 

2. Gem. § 27 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (vgl. § 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG = die Gründe auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und § 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG = das Begehren) zu prüfen.

 

3. § 12 Abs. 1 WaffG 1996 lautet:

 

§ 12. (1) Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dieser Mensch durch mißbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

[...]

 

3.1. Insofern ist ersichtlich, dass die Entscheidung, ob ein Waffenverbot zu verhängen ist, keine Ermessensentscheidung ist (arg. „...hat...“, s auch VwGH vom 12. September 2002, Zl. 2000/20/0425).

 

3.2. Um zu einer derartigen Entscheidung zu kommen, ist eine Prognoseentscheidung durchzuführen. Diese Prognose hat auf Tatsachen zu basieren. Die angenommenen Tatsachen müssen wiederum die zukünftige Missbrauchsmöglichkeit (im Hinblick auf die geschützten Rechtsgüter: Leben, Gesundheit, Freiheit und fremdes Eigentum) begründen. Eine Missbrauchswahrscheinlichkeit wird nicht gefordert. Ebenso ist nicht gefordert, dass bereits einmal ein Missbrauch stattgefunden hat (vgl. VwGH vom
18. März 2011, Zl. 2008/03/0011).

 

Auch eine strafgerichtliche Verurteilung ist nicht erforderlich (vgl. VwGH vom  30. November 2000, Zl. 98/20/0226). Liegt aber eine strafgerichtliche Verurteilung vor, so besteht eine Bindung einerseits im Hinblick auf den Umstand der Existenz der Verurteilung, als auch im Hinblick auf die Frage, ob die Tat unter die jeweiligen Voraussetzungen der Strafnorm zu subsumieren ist (vgl. 22. Februar 2010, Zl. 2009/03/0145, sowie Keplinger/Löff, Waffengesetz4 1996, § 12 Anm. 3.4.2. mwN).

 

3.3. Zunächst ist zu erkennen, dass keine strafrechtliche Verurteilung für den Bf aufscheint. Darüber hinaus ist ersichtlich, dass lt. Abschlussbericht der PI Enns ein Strafverfahren wegen des Verdachtes auf Körperverletzung im Raum steht. Eine dazugehörige Verurteilung ist nicht auffindbar. Eine Tatbegehung unter Zuhilfenahme von Waffen oder ähnlichen Gegenständen wird dem Bf nicht zur Last gelegt – der Bf führt zudem selbst aus, dass er kein Interesse an Waffen hat und auch solche nicht besitzt. Auch aus dem beigelegten Bericht zu § 38a SPG zum Vorfall vom 30.4.2014 ist derartiges nicht erkennbar. Ob und wie die belangte Behörde zu einer dennoch positiven Gefährdungsprognose gelangt – v.a. auf Basis welcher verdachtsbegründender Tatsachen – ist für das Landesverwaltungsgericht nicht nachzuvollziehen und ergeben sich dafür auch keine Anhaltspunkte die darüber hinausgehende Ermittlungen rechtfertigen würden.

 

3.4. Daher kann die von der belangten Behörde im Ergebnis angenommene Gefährdungsprognose nicht geteilt werden.

 

4. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

 

Dr. Markus Brandstetter