LVwG-301202/7/KLi/PP
Linz, 15.09.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Lidauer über die Beschwerde vom 28. Juli 2016 der S. GmbH, X, B., vertreten durch den Geschäftsführer Ing. P.G., gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 26. Juli 2016, GZ: Ge-1043/16, wegen Sicherheitsleistung nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die zu erlegende Sicherheitsleistung mit 4.000 Euro neu bemessen wird; darüber hinaus wird die Beschwerde abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. Juli 2016, GZ: Ge-1043/16, wurde aufgrund des Antrages der Abgabenbehörde (Finanzpolizei Team 43 für das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr) vom 14. Juli 2016 auf die Erlegung einer Sicherheit gemäß § 7m Abs. 2 AVRAG iHv 4.000 Euro durch die S. GmbH, X, B. (wegen des begründeten Verdachts einer Verwaltungsübertretung nach § 7b Abs. 3 iVm § 7b Abs. 8 Z 1 1. Fall AVRAG, § 7b Abs. 5 1. Fall iVm § 7b Abs. 8 Z 3 AVRAG und § 7d Abs. 1 1. + 2. Satz iVm § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG wurde durch die Finanzpolizei Team 43 am 13. Juli 2016 ein Zahlungsstopp gemäß § 7m Abs. 1 AVRAG verfügt hinsichtlich der offenen Forderungen der Firma f. S. GBR, X, R., D., gegenüber der S. GmbH, X, B.) eingelangt bei der belangten Behörde am 14. Juli 2016, von dieser als zuständiger Bezirksverwaltungsbehörde dem oben näher bezeichneten Antrag der Finanzpolizei Team 43 für das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr vom 14. Juli 2016 auf die Erlegung einer Sicherheit (aus den noch zu leistenden Werklohn) stattgegeben. Die zu erlegende Sicherheit wurde mit 20.000 Euro festgesetzt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der begründete Verdacht wegen Übertretungen von §§ 7b Abs. 3, 7b Abs. 5, 7b Abs. 8 Z 1 und Z 3, 7d Abs. 1 und 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG bestehen würde. Von der f. S. GmbH seien Arbeitnehmer zur Erbringung einer Arbeitsleistung für die Beschwerdeführerin entsendet worden. In einem Fall sei die Meldung gemäß § 7b Abs. 3 AVRAG nicht erstattet worden, die Sozialversicherungsdokumente gemäß § 7b Abs. 5 AVRAG seien nicht bereitgehalten bzw. zugänglich gemacht worden und die Lohnunterlagen gemäß § 7d Abs. 1 AVRAG seien nachweislich nicht bereitgestellt worden.
Gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG kann, wenn der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vorliegt und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, die Bezirksverwaltungsbehörde dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Mit Erlassung dieses Bescheides fällt der Zahlungsstopp weg. Die Sicherheitsleistung darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe (§ 7m Abs. 6 AVRAG).
[...] eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5.000 Euro [...] zu bestrafen.
§ 7i Abs. 4 AVRAG bestimmt, dass, wer als
1. Arbeitgeber im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält
[...]
eine Verwaltungsübertretung begeht und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro [...]
zu bestrafen ist.
V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hierzu erwogen:
V.1. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht zunächst fest, dass hinsichtlich der f. S. GmbH mit Sitz in D. der begründete Verdacht von Verwaltungsübertretungen nach den Bestimmungen des § 7b Abs. 3 iVm § 7b Abs. 8 Z 1 1. Fall AVRAG, nach § 7b Abs. 5 1. Fall iVm § 7b Abs. 8 Z 3 AVRAG und nach § 7d Abs. 1 1. + 2. Satz AVRAG besteht. Ebenso steht fest, dass die Höchststrafe 20.000 Euro beträgt.
Dem gegenüber steht aber auch fest, dass der Zahlungsstopp mit 4.000 Euro und nicht mit 20.000 Euro verfügt worden ist, welcher Betrag die doppelte Mindeststrafe beträgt.
Nicht festgestellt werden konnte, mit welcher konkreten Höhe die Bestrafung des d. Unternehmens erfolgen würde bzw. könnte.
V.2. Gemäß § 7m Abs. 1 AVRAG wurde von der Abgabenbehörde daher richtiger Weise ein Zahlungsstopp ausgesprochen. Dieser Zahlungsstopp beinhaltete den Betrag von 4.000 Euro.
V.3. Nach den Erläuternden Bemerkungen (319 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage – Erläuterungen) zu § 7m AVRAG wird ausgeführt:
„Im Zahlungsstopp ist ein bestimmter Betrag zu nennen. Dieser darf aufgrund des Sicherungsinteresses nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe [...] mit dem im Abs. 2 normierten Verfahrensablauf und insbesondere mit dem vorgesehenen Außerkrafttreten des Zahlungsstopps, für den Fall, dass nach Verhängung des Zahlungsstopps nicht binnen 3 Arbeitstagen bei der Bezirksverwaltungsbehörde die Erlegung einer Sicherheit nach Abs. 3 beantragt wird, ist sichergestellt, dass entweder über den mit dem Zahlungsstopp verbundenen Eingriff rasch eine behördliche Entscheidung getroffen wird oder eben der Zahlungsstopp hinfällig wird.“
V.4. Nachdem bereits die Abgabenbehörde im Zahlungsstopp einen bestimmten Betrag zu beziffern hat, bildet dieser Betrag auch die Grenze für die Sicherheitsleistung. Die Sicherheitsleistung ist insofern mit dem im Zahlungsstopp genannten Betrag begrenzt. Andernfalls hätte es auch keinen Sinn, dass die Abgabenbehörde zunächst nach der Intention des Gesetzgebers einen bestimmten Betrag des Zahlungsstopps zu nennen hat, wenn dieser daraufhin von der Bezirksverwaltungsbehörde erweitert werden könnte. Insbesondere wäre es ja durchaus denkbar, dass über den Zahlungsstopp hinausgehende Werklöhne von dem die Sicherheit zu leistenden Unternehmen an die Auftragnehmerin bezahlt werden und nur der den Zahlungsstopp betreffenden Betrag nicht bezahlt wird.
Insofern ist daher die Sicherheitsleistung mit dem Zahlungsstopp begrenzt. Die Summe von 4.000 Euro entspricht außerdem dem Antrag der Abgabenbehörde auf Erlag einer Sicherheit.
V.5. Dieses Argument führte auch die Beschwerdeführerin stichhaltig ins Treffen und legte dazu den Zahlungsstopp vor. In der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht wurde mit der Beschwerdeführerin außerdem erörtert, dass es dieser keinesfalls möglich wäre, eine Sicherheitsleistung von 20.000 Euro zu erbringen, sondern lediglich in Höhe von 4.000 Euro.
Es wäre wohl auch unbillig, der Beschwerdeführerin durch den Erlag einer Sicherheitsleistung gleichsam die „Haftung für die Einbringlichmachung“ einer allfälligen gegenüber dem d. Unternehmen verhängten Strafe aufzubürden. Durch eine derart hohe Sicherheitsleistung würde das Risiko für die Einbringlichmachung einer Geldstrafe auf die Beschwerdeführerin überwälzt werden.
Insgesamt ergibt sich also zunächst, dass die von der Beschwerdeführerin zu fordernde Sicherheitsleistung mit 4.000 Euro – entsprechend dem Zahlungsstopp und dem Antrag der Abgabenbehörde – begrenzt ist.
V.6. Im Grunde der Verlautbarung des Bundeskanzleramtes auf der Internetseite „BKA-Wiki – Internationale Rechtshilfe“, welche umfassende Informationen zur internationalen Rechtshilfe in Verwaltungs-(Straf-)-sachen zur Verfügung stellt, ist eine Strafverfolgung oder Strafvollstreckung hinsichtlich D. uneingeschränkt möglich. D. ist dem Rahmenbeschluss 2005/20014/JI beigetreten und hat ihn umgesetzt. Grundsätzlich würde es daher an der kumulativ erforderlichen Voraussetzung einer unmöglichen bzw. wesentlich erschwerten Strafverfolgung und/oder eines unmöglichen bzw. wesentlich erschwerten Strafvollzuges fehlen.
Nunmehr hat sich aber – in Ergänzung zum Bescheid der belangten Behörde – ergeben, dass im vorliegenden Fall eine Sonderkonstellation gegeben ist. Nach den Abfragen der Abgabenbehörde in den Datenbanken des KSV 1870 hat sich nämlich ergeben, dass Umstände im konkreten Unternehmen gelegen sind, die eine Strafverfolgung bzw. einen Strafvollzug erschweren, zumal das d. Unternehmen nur schleppend zahlt, ständig gemahnt wird, es zu gerichtlichen Betreibungen kommt und sich das Unternehmen in Insolvenzgefahr befindet.
Aufgrund dieser Umstände war – obwohl es sich um ein d. Unternehmen handelt – dennoch mittels Zahlungsstopp bzw. Sicherheitsleistung vorzugehen.
V.7. Zusammengefasst war die Sicherheitsleistung allerdings mit 4.000 Euro zu begrenzen und der Beschwerde in diesem Ausmaß Folge zu geben sowie spruchgemäß zu entscheiden.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
VI.1. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
VI.2. Die Bemessung der Höhe der Sicherheitsleistung entspricht darüber hinaus dem verfahrensgegenständlich zu beurteilenden Einzelfall und ist einer Verallgemeinerung nicht zugänglich. Auch aus diesem Grund ist die ordentliche Revision unzulässig. Die Sicherheitsleistung entspricht außerdem dem nachvollziehbaren Antrag der Abgabenbehörde.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Lidauer