LVwG-601502/8/WP

Linz, 22.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Peterseil über die Beschwerde des B S, vertreten durch KR. L D, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich (PK Wels) vom 13. Juli 2016, GZ: VStV/916300726629/2016, wegen Zurückweisung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Bisheriges Verwaltungsgeschehen:

 

1. Mit Strafverfügung vom 20. Juni 2016 wurde der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) von der Landespolizeidirektion Oberösterreich (PK Wels, in der Folge kurz: belangte Behörde) wegen mehreren Verstößen gegen das Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) bestraft. Dieser Bescheid wurde dem Bf zuhanden seines Vertreters im Wege der Hinterlegung beim Postamt T zugestellt, wobei am Rückschein der Beginn der Abholfrist mit dem 23. Juni 2016 bestimmt wurde.

 

2. Das hinterlegte behördliche Schriftstück konnte am 23. Juni 2016 nicht beim Postamt T behoben werden. Eine Behebung war erstmals am 24. Juni 2016 möglich. An diesem Tag wurde die Strafverfügung vom Vertreter des Bf beim Postamt T behoben.

 

3. Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2016, per E-Mail vom 8. Juli 2016 um 22:37 Uhr bei der belangten Behörde eingebracht, erhob der Bf durch seinen Vertreter Einspruch gegen die Strafverfügung.

 

4. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen „Zurückweisungsbescheid“ der belangten Behörde vom 13. Juli 2016 wird der Einspruch des Bf als verspätet zurückgewiesen. Begründend führt die belangte Behörde diesbezüglich aus, der Einspruch sei „erst am 08.07.2016 beim hiesigen Amt eingebracht [worden], sodass der Einspruch als verspätet eingebracht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden musste“.

 

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende – mit Schreiben der belangten Behörde vom 10. August 2016 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegte – Beschwerde. Begründend führt der Bf darin aus, sein Vertreter sei am 23. Juni 2016 um ca 17:50 beim Postamt gewesen und sei diesem mitgeteilt worden, „daß der Briefträger noch nicht hier war und der Brief erst ab morgen, 24.06.2016 abzuholen ist. Ich möchte in diesem Falle angeben, daß es oftmals der Fall ist, daß die Abholfrist zwar am Zustelltag angegeben wird, jedoch erst am nächsten Tag abzuholen ist.

 

6. Das Postamt T hat laut Homepage von Montag bis Freitag von 8:00 bis 18:00 Uhr geöffnet.

 

7. Nach Aufforderung durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erstattete das Postamt T mit undatiertem Schreiben, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 7. September 2016 eingelangt, eine Stellungnahme: Es könne nicht mehr festgestellt werden, ob die verfahrensgegenständliche Sendung am 23. oder erst am 24. Juni 2016 abholbereit gewesen sei. Im Allgemeinen würden „alle Sendungen zum in der Hinterlegung angegebenen Zeitpunkt in der Postfiliale T abholbereit [sein]. Es kann in seltenen Fällen jedoch auch vorkommen ( Zusteller muß einen anderen Rayon mitbesorgen, Urlaubsersatzkraft,) daß benachrichtigte und hinterlegte Sendungen erst am Morgen des Folgetages in der Filiale eintreffen“.

 

8. Nach Aufforderung durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erstattete die belangte Behörde mit Schreiben vom 16. September 2016 eine Stellungnahme. Auf das Wesentliche zusammengefasst bringt die belangte Behörde vor, es sei nach der Rsp „des Verwaltungsgerichtshofes […] nicht erforderlich, dass dem Empfänger in Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die ‚volle Frist‘ für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung stehen muss. […] Bezugnehmend auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer, sollte er das Schriftstück auch erst am 24. Juni 2016 beim Postamt abgeholt haben, eine ausreichend lange Frist von 13 Tagen geblieben ist um fristgerecht Einspruch erheben zu können“.

 

 

II.            Beweiswürdigung und maßgeblicher Sachverhalt:

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde samt dem Schriftsatz des Bf sowie durch Einholung von Stellungnahmen des Postamtes T und der belangten Behörde. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergab sich aufgrund folgender Erwägungen:

 

2. Vom Bf (respektive seinem Vertreter) wird schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass er – wie jeden Tag – am 23. Juni 2016 um ca 17:50 Uhr beim Postamt t war und die Behebung der behördlichen Sendung nicht möglich war. Diesem Vorbringen wird von der belangten Behörde nicht entgegengetreten. Auch in der Stellungnahme des Postamtes T wird dem nicht entgegengetreten, da dieser Umstand nicht mehr feststellbar sei. Allerdings wird seitens des Postamtes darauf hingewiesen, dass es – entgegen dem Regelfall – in Ausnahmefällen, gerade zur Urlaubszeit, vorkomme, dass Sendungen erst am Morgen des Folgetages in der Filiale eintreffen. Es erscheint dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in Anbetracht des maßgeblichen Zeitpunktes (23. Juni, Urlaubszeit) als sehr wahrscheinlich, dass der vom Postamt erwähnte Ausnahmefall gegenständlich tatsächlich vorlag. Da keine Umstände hervorgekommen sind, die an der Richtigkeit der glaubwürdigen Angaben des Vertreters des Bf zweifeln lassen, war von der erstmaligen Möglichkeit zur Behebung der behördlichen Sendung am 24. Juni 2016 auszugehen.

 

3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht daher von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

3.1. Mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 20. Juni 2016 wurde der Bf wegen Verstößen gegen das KFG 1967 bestraft. Dieser Bescheid wurde dem Bf zuhanden seines Vertreters im Wege der Hinterlegung beim Postamt T zugestellt, wobei am Rückschein der Beginn der Abholfrist mit dem 23. Juni 2016 bestimmt wurde.

 

3.2. Das hinterlegte behördliche Schriftstück wurde am 23. Juni 2016 beim Postamt T nicht zur Abholung bereitgehalten. Die Abholung war erstmals am 24. Juni 2016 möglich. An diesem Tag wurde die Strafverfügung vom Vertreter des Bf beim Postamt T behoben.

 

3.3. Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2016, per E-Mail vom 8. Juli 2016 um 22:37 Uhr bei der belangten Behörde eingebracht, erhob der Bf durch seinen Vertreter Einspruch gegen die Strafverfügung.

 

3.4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Juli 2016 wurde der Einspruch des Bf als verspätet zurückgewiesen.

 

4. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

 

III.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG) hat gem Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter im Rahmen des § 27 VwGVG über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

 

1. Gem § 13 Abs 1 Zustellgesetz ist dem Empfänger das Dokument an der Abgabestelle zuzustellen. Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument gem § 17 Abs 1 Zustellgesetz zu hinterlegen. Gem Abs 3 par cit ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt.

 

2. Nach der stRsp des Verwaltungsgerichtshofes ist vor der Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung zunächst ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und dem Rechtsmittelwerber die Möglichkeit zu geben, sich zur (potentiellen) Verspätung zu äußern (sog Verspätungsvorhalt; vgl Hengstschläger/Leeb, AVG2, Rz 43 zu § 66 [Stand 1.1.2014, rdb.at] und die dort zitierte höchstgerichtliche Rsp). Da die belangte Behörde diesbezügliche Ermittlungsschritte (gänzlich) unterlassen hat, wurde vom Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich vor dem Hintergrund des plausiblen Vorbringens des Bf in seiner Beschwerde ein ergänzendes Ermittlungs­verfahren eingeleitet. Dieses ergab, dass das hinterlegte Dokument – entgegen der Angabe am Rückschein – erstmals am 24. Juni 2016 zur Abholung beim zuständigen Postamt bereitgehalten wurde. Damit begann die zweiwöchige Hinterlegungsfrist gem § 17 Abs 3 Zustellgesetz nicht am 23., sondern am 24. Juni zu laufen (vgl Frauenberger-Pfeiler/N. Raschauer/
Sander/Wessely
, Österreichisches Zustellrecht² [2011] Rz 7 zu § 17 Zustellgesetz und die dort wiedergegebene höchstgerichtliche Rsp [„also dem Empfänger tatsächlich die Möglichkeit eingeräumt wird, das Dokument zu beheben“]). Da hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt gelten, galt die Strafverfügung am 24. Juni 2016 als zugestellt und endete die (zweiwöchige) Rechtsmittelfrist somit am 8. Juli 2016. Das Rechtsmittel des Bf erweist sich damit als rechtzeitig. Der angefochtene (verfahrensrechtliche) Bescheid war somit ersatzlos zu beheben.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – in der Entscheidung zitierten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Wolfgang Peterseil