LVwG-601455/5/Zo
Linz, 12.09.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des A M, geb. 1961, vertreten durch N Rechtsanwalt GmbH, vom 30.6.2016, gegen das Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 30.5.2016, GZ. VStV/916300435918/2016, wegen mehrerer Übertretungen des KFG, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.8.2016,
zu Recht e r k a n n t :
I. Der Beschwerde gegen die Strafhöhe in den Punkten 1, 3, und 5 wird teilweise stattgegeben;
Bezüglich der Punkte 1 und 5 wird von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt;
Bezüglich Punkt 3 wird die Geldstrafe auf 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 30 Stunden herabgesetzt;
II. Die behördlichen Verfahrenskosten bezüglich der Punkte 1, 3 und 5 reduzieren sich auf 15 Euro, für das Beschwerdeverfahren sind keine Kosten zu bezahlen.
III. Sowie bezüglich der Punkte 2, und 4 des gegenständlichen Straferkenntnisses folgenden Beschluss gefasst:
Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt.
IV. Gegen diese Entscheidungen sind keine ordentlichen Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
zu I.:
1. Die LPD Oberösterreich hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis dem Beschwerdeführer Folgendes vorgeworfen:
unzureichende aufgeteilte tägliche Ruhezeit von 3 Stunden + 9 Stunden
betrug somit nur 3 Stunden + 08 Stunden und 31 Minuten.
schreitung der ununterbrochenen Lenkzeit betrug somit 01 Stunden und 37 Mi-
nuten.
2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vorliegen würde, weil er wegen dieses Vorfalles bereits mit Strafverfügung vom 28.10.2015 bestraft worden sei.
Die Zusammenzählung der Lenkzeiten sei gegen die klaren europarechtlichen Vorgaben erfolgt und seine Ruhezeiten seien nicht ausreichend als solche gewürdigt worden. Es sei in diesem Zusammenhang die Durchführungsverordnung der Europäischen Kommission vom 7.6.2011 anzuwenden. Entsprechend dieser Regelung sei eine Addition der Lenkzeiten nur dann vorzunehmen, wenn er deutlich kürzere Ruhezeiten eingehalten hätte. Die vorgeworfenen Lenkzeitüberschreitungen seien daher nicht strafbar.
Teilweise würden fortgesetzte Delikte vorliegen, die von der Behörde vorgenommene Aufsplitterung auf mehrere Delikte führe zu einer höheren Strafe und sei nicht gerechtfertigt.
3. Der Landespolizeidirektor von Oberösterreich hat den Verwaltungsakt mit Schreiben vom 1.7.2016 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ohne Beschwerdevorentscheidung vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich, welches durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter entscheidet.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.8.2016. An dieser hat ein Vertreter des Beschwerdeführers teilgenommen, die Verwaltungsbehörde war entschuldigt. Der Beschwerdeführer selbst ist ohne Angabe von Gründen nicht erschienen. Im Rahmen der Verhandlung hat der Vertreter des Beschwerdeführers die Beschwerde hinsichtlich der Punkte 2 und 4 zurückgezogen. Bezüglich der Punkte 1, 3 und 5 hat er die Beschwerde auf die Strafhöhe eingeschränkt.
4.1. Der für die Strafbemessung in den Punkten 1, 3 und 5 relevante Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:
Der Beschwerdeführer hat in der Zeit vom 1.3.2016, 04.48 Uhr bis 3.3.2016, 18.53 Uhr eine Lenkzeit von 14 Stunden und 59 Minuten eingehalten. In diesem Zeitraum hat er zwei Ruhezeiten von ca. 8 Stunden und 30 Minuten bzw. ca. 8 Stunden und 20 Minuten eingelegt.
In der Zeit vom 21.3.2016, 20.25 Uhr bis 22.3.2016, 05.07 Uhr hat er bei einer Lenkzeit von 6 Stunden und 7 Minuten keine ausreichende Lenkpause eingelegt. In diesem Zeitraum hat er lediglich eine Lenkpause von etwas mehr als 15 Minuten und eine weitere von ca. 25 Minuten eingehalten.
In der Zeit vom 29.2.2016 bis 13.3.2016 betrug die wöchentliche Ruhezeit 44 Stunden und 35 Minuten anstelle der gesetzlich vorgeschriebenen 45 Stunden.
Der Beschwerdeführer ist aktenkundig unbescholten, er verfügt laut unwidersprochener behördlicher Einschätzung über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.200 Euro, bei keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten.
5. Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:
5.1. Vorerst ist darauf hinzuweisen, dass der Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 1.9.2016 die Beschwerde gegen die Punkte 2 und 4 des Straferkenntnisses zurückgezogen hat. Die in diesen Punkten verhängte Strafe in Höhe von insgesamt 560 Euro (Verfahrenskosten 56 Euro) sind daher rechtskräftig; bezüglich dieser Punkte war das verwaltungsgerichtliche Verfahren mit Beschluss einzustellen.
Hinsichtlich der Punkte 1, 3 und 5 hat der Beschwerdeführer seine Beschwerde auf die Strafhöhe eingeschränkt, weshalb der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist und lediglich die Strafbemessung zu prüfen bleibt.
5.2. Gemäß § 19 Abs.1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer diesem Bundesgesetz zuwiderhandelt, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Art. 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABL Nr. L370 vom 31.12.1985, Seite 1, sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr, ABL Nr. L370 vom 31.12.1985, Seite 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3572/90, ABL Nr. L353 vom 17.12.1990, Seite 12, zuwiderhandelt.
Gemäß § 134 Abs.1b KFG werden die Verstöße gegen die Verordnungen (EG) Nr. 561/2006 und (EG) Nr. 3821/85 anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der Richtlinie 2009/5/EG, ABL Nr. L29 vom 30. Jänner 2009, Seite 45, nach ihrer Schwere in drei Kategorien (sehr schwere Verstöße – schwere Verstöße – geringfügige Verstöße) aufgeteilt. Die Höhe der Geldstrafe ist nach der Schwere des Verstoßes zu bemessen und hat im Falle eines schweren Verstoßes nicht weniger als 200 Euro und im Falle eines sehr schweren Verstoßes nicht weniger als 300 Euro zu betragen.
Die gesetzliche Mindeststrafe ist daher bei den vom Beschwerdeführer übergangenen Übertretungen davon abhängig, in welche Kategorie laut Anhang III der angeführten Richtlinie diese fallen. Das Überschreiten der Tageslenkzeit um mehr als 2 Stunden sowie eine Lenkzeit von mehr als 6 Stunden ohne ausreichende Lenkpause stellen jeweils einen sehr schwerwiegenden Verstoß dar (Punkte 1 und 3 des Straferkenntnisses), das Unterschreiten der wöchentlichen Ruhezeit um weniger als 3 Stunden (Punkt 5 des Straferkenntnisses) bildet einen geringfügigen Verstoß. Die gesetzliche Mindeststrafe für die Punkte 1 und 3 beträgt daher je 300 Euro, für Punkt 5 ist keine Mindeststrafe vorgesehen.
5.3. Gemäß § 45 Abs. 1 Z4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Als Tageslenkzeit ist gemäß Art. 4 lit. k der VO (EG) 561/2006 die Gesamtlenkzeit zwischen dem Ende einer täglichen Ruhezeit und dem Beginn der darauffolgenden täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit zu verstehen. Daraus leitet die Rechtsprechung (sh. z.B. EuGH 9.6.1994, C-394/92) ab, dass nur eine vollständige tägliche Ruhezeit (d.h.: eine mindestens 9-stündige Ruhezeit) die Tageslenkzeit unterbricht. Kürzere Ruhezeiten unterbrechen die Tageslenkzeit nicht, was dazu führt, dass alle Lenkzeiten bis zur nächsten zumindest 9-stündigen Ruhezeit zusammengerechnet werden. Das war auch beim Beschwerdeführer der Fall: Er hat vom 1.3.2016, 04.48 Uhr bis 3.3.2016, 18.53 Uhr keine Ruhezeit von mindestens 9 Stunden eingehalten, weshalb alle Lenkzeiten in diesem Zeitraum zu einer Tageslenkzeit zusammengerechnet werden. Daraus ergibt sich die ihm vorgeworfene Tageslenkzeit von ca. 15 Stunden, weshalb er diese Übertretung nach der Rechtsprechung begangen hat.
Allerdings hat der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum zwei Ruhezeiten von je ca. 8,5 Stunden eingehalten. Für diese Fälle empfiehlt der Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission vom 7.6.2011, K(2011) 3759, dass die Berechnung der Tageslenkzeit mit dem Beginn einer ununterbrochenen Ruhezeit von 7 Stunden enden soll. Würde man diesen Durchführungsbeschluss auf den konkreten Fall anwenden, so würde sich keine Überschreitung der erlaubten Tageslenkzeit ergeben.
Dieser Durchführungsbeschluss stellt allerdings keine bindende europarechtliche Norm dar. Er bindet weder die Mitgliedsstaaten noch kann jemand unmittelbar von ihm ein Recht ableiten. Bereits aus seinem Wortlaut ergibt sich, dass es sich lediglich um eine unverbindliche Empfehlung an die Mitgliedsstaaten handelt. Er wurde in Österreich in keiner gesetzlichen Bestimmung übernommen und ändert daher nichts an der Beurteilung, dass der Beschwerdeführer die Tageslenkzeit überschritten hat. Er kann sich auch nicht unmittelbar auf den Durchführungsbeschluss stützen. Dieser kann lediglich im Rahmen der Strafbemessung berücksichtigt werden, wobei nach hs. Ansicht jeweils eine Einzelfallbeurteilung erforderlich ist.
Im konkreten Fall waren die eingehaltenen Ruhezeiten nur um je ca. ½ Stunde zu kurz und die dazwischen absolvierten Lenkzeiten ebenfalls relativ kurz. Unter diesen Umständen kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nicht übermüdet war und das geschützte Rechtsgut kaum beeinträchtigt hat. Es erscheint daher ausreichend, den Beschwerdeführer zu ermahnen. Eine Ermahnung ist jedoch notwendig, um ihn darauf hinzuweisen, dass er auf die Anwendung des Durchführungsbeschlusses keinerlei durchsetzbaren Anspruch hat.
Bezüglich der wöchentlichen Ruhezeit ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer diese um lediglich 25 Minuten unterschritten hat. Dies entspricht einer Unterschreitung um ca. 2 %. Bei einer derartig geringen Unterschreitung ist mangels Hinweise auf irgendwelche nachteiligen Folgen der Tat ebenfalls eine Ermahnung i.S.d. § 45 Abs. 1 Z. 4 VStG angemessen.
5.4. Gemäß § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist.
Wie oben dargestellt, beträgt die gesetzliche Mindeststrafe für die zu spät eingelegte Lenkpause (Punkt 3) im konkreten Fall 300 Euro. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bereits vorher eine Lenkpause eingelegt hatte, diese aber um wenige Minuten zu kurz war (ca. 25 Minuten anstelle von 30 Minuten). Diese nur knapp zu kurze Lenkpause kann als erheblicher Strafmilderungsgrund berücksichtigt werden, Erschwerungsgründe liegen nicht vor. Es ist daher § 20 VStG anzuwenden, weshalb die gesetzliche Mindeststrafe 150 Euro beträgt. Diese erscheint ausreichend, um den Beschwerdeführer von weiteren ähnlichen Übertretungen abzuhalten.
Auch die ungünstigen finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers rechtfertigen die Herabsetzung der Strafen. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass die nunmehr herabgesetzte Strafe die gesetzliche Höchststrafe nur zu 3 % ausschöpft, weshalb eine noch weitere Herabsetzung nicht in Frage kommt.
zu II.:
Bezüglich der Punkte 1, 3 und 5 reduzieren sich gemäß § 64 VStG die behördlichen Verfahrenskosten auf 15 €, für das Beschwerdeverfahren sind gemäß § 52 VwGVG keine Kosten vorzuschreiben.
zu IV.:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Strafbemesssung bei derartigen Delikten ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidungen besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s e
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Gottfried Zöbl