LVwG-601399/6/KLI/CG

Linz, 21.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr. Lidauer über die Beschwerde vom 12. Mai 2016 des F L, geb. x, K, E, vertreten durch Mag. M W, Rechtsanwalt, L, E gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6. April 2016, GZ: VerkR96-1863-2016, wegen Übertretung des Führerscheingesetzes (FSG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollumfänglich bestätigt.

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in Höhe von 146,00 Euro zu bezahlen.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 6. April 2016,
GZ: VerkR96-1863-2016 wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe am 19.10.2015, 08:01 Uhr in der Gemeinde Traun, Gemeindestraße Ortsgebiet, Johann Roithnerstraße 6 auf Höhe Raika Traun, in Fahrtrichtung Zentrum das KFZ mit dem Kennzeichen x gelenkt, obwohl er nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der betreffenden Klasse, in die das gelenkte Fahrzeug falle, gewesen sei, da ihm diese mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13.01.2015, GZ: VerkR21-24-2015/LL entzogen worden sei. Er habe dadurch § 37 Abs.1 FSG iVm § 1 Abs.3 FSG verletzt. Über ihn werde deshalb eine Geldstrafe von 730,00 Euro, falls diese uneinbringlich sei, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 338 Stunden gemäß § 37 Abs.1 FSG iVm § 37 Abs.4 Z.1 FSG verhängt. Ferner habe er einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 73,00 Euro zu zahlen.

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass am 23.10.2015 die Polizeiinspektion Traun Anzeige erstattet habe, dass der Lenker des KFZ mit dem Kennzeichen x am 19.10.2015 um 08:01 Uhr in Traun, Gemeindestraße Ortsgebiet, Johann Roithnerstraße 6 auf Höhe Raika Traun in Fahrtrichtung Zentrum, einem Fußgänger, der erkennbar einen Schutzweg benutzen wollte, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht habe.

 

Aufgrund dieser Anzeige sei die x Betriebs GmbH in K,
D, als Zulassungsbesitzerin des KFZ mit dem Kennzeichen x mit Schreiben vom 06.11.2015 aufgefordert worden, binnen zwei Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekannt zu geben, wer das angeführte Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt habe bzw. die Person zu benennen, welche die Auskunft erteilen könne.

 

Seitens der x Betriebs GmbH sei am 11.11.2015 mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer das in Rede stehende Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt habe und wurde dem Beschwerdeführer in der Folge mit Strafverfügung vom 12.11.2015, GZ: VerkR96-38498-2015, die angezeigte Übertretung nach § 9 Abs.2 StVO angelastet worden. Der Beschwerdeführer habe gegen diese Strafverfügung keinen Einspruch erhoben, weshalb die Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen sei.

Da der Beschwerdeführer zum angeführten Zeitpunkt nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der betreffenden Klasse, in die das gelenkte Kraftfahrzeug falle, gewesen sei, zumal ihm diese mit Bescheid vom 13.01.2015 entzogen worden sei, sei er mit Schreiben vom 15.01.2016 aufgefordert worden, sich für diese Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs.3 FSG zu rechtfertigen.

 

In der am 25.01.2016 eingebrachten Stellungnahme werde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer das in Rede stehende Fahrzeug zum Tatzeitpunkt nicht gelenkt habe. Das KFZ sei zum angeführten Zeitpunkt von H L gelenkt worden. Es sei unerfindlich, warum ihm im genannten Zeitraum eine Verwaltungsübertretung vorgeworfen werde. Es werde der Antrag auf Übermittlung einer Kopie des gesamten Verwaltungsstrafaktes sowie der Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gestellt. Mit Erledigung vom 26.01.2016 sei eine Kopie des Verwaltungsstrafaktes übermittelt und eine Frist von drei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt worden.

 

Am 17.02.2016 habe der Beschwerdeführer eine Stellungnahme übermittelt, in der er vorbringe, dass die von einer Mitarbeiterin der x Betriebs GmbH erteilte Lenkerauskunft, wonach der Beschwerdeführer das angeführte KFZ zum Tatzeitpunkt gelenkt habe, unrichtig sei. Richtig sei, dass H L, der bei der X Betriebs GmbH beschäftigt gewesen sei, im Zeitraum von Jänner bis November 2015 ausschließlich den BMW 320 mit dem behördlichen Kennzeichen x gelenkt habe. Zum Beweis dafür werde eine eidesstattliche Erklärung von H L vom 17.02.2016 vorgelegt. Die in der Vergangenheit vorgelegte Lenkerauskunft sei unrichtig. Bedauerlicherweise sei daraus nicht ersichtlich, wer diese Lenkerauskunft ausgefüllt habe; sie stamme jedenfalls nicht vom Beschwerdeführer, mutmaßlich von einer Mitarbeiterin. Ergänzend werde noch mitgeteilt, dass H L aufgrund seines Wohnortes in Traun regelmäßig im Bereich des Tatortes vorbeifahre. Auch vor diesem Hintergrund sei die jetzige eidesstattliche Erklärung nachvollziehbar und richtig. Es werde wiederholt der Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gestellt.

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe fest, dass von Beamten der Polizeiinspektion Traun festgestellt worden sei, dass der Lenker des KFZ mit dem Kennzeichen x am 19.10.2015 um 08:01 Uhr in Traun, Gemeindestraße Ortsgebiet, Johann Roithnerstraße 6 auf Höhe Raika Traun in Fahrtrichtung Zentrum, einem Fußgänger, der erkennbar einen Schutzweg benutzen habe wollen, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht habe. Seitens der X Betriebs GmbH, die Zulassungsbesitzerin des gegenständlichen Fahrzeuges sei, sei im Rahmen einer Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs.2 KFG mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt das KFZ gelenkt habe.

 

Gegen die aufgrund dieser Übertretung in der Folge ergangene Strafverfügung vom 12.11.2015, VerkR96-38498-2015, habe der Beschwerdeführer keinen Einspruch erhoben und sei diese Strafverfügung daher rechtskräftig. Zum angeführten Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer jedoch nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der betreffenden Klasse, in die das gegenständliche Kraftfahrzeug falle, gewesen, zumal ihm diese mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13.01.2015 entzogen worden sei.

 

Der festgestellte Sachverhalt ergebe sich aus der Anzeige der Polizeiinspektion Traun sowie aufgrund der seitens der Zulassungsbesitzerin des gegenständlichen KFZ erteilten Lenkerauskunft, wonach der Beschwerdeführer das angeführte KFZ gelenkt habe.

 

Gegen die aufgrund der von der PI Traun angezeigten Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs.2 StVO ergangenen Strafverfügung habe der Beschwerdeführer keinen Einspruch erhoben. Der Strafbetrag sei zur Einzahlung gebracht und bei der Behörde am 18.02.2016 verbucht worden. Somit stehe für die Behörde fest, dass der Beschwerdeführer das in Rede stehende KFZ zum Tatzeitpunkt gelenkt habe. Da er zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung gewesen sei, zumal ihm diese  entzogen worden sei, sei der Sachverhalt wie oben festzustellen gewesen.

 

In der Stellungnahme vom 17.02.2016 werde vorgebracht, dass die erteilte Lenkerauskunft unrichtig sei und das gegenständliche Fahrzeug zum Tatzeitpunkt nicht vom Beschwerdeführer sondern von H L gelenkt worden sei. Dieser habe es im Zeitraum von Jänner bis November 2015 ausschließlich gelenkt. Diesbezüglich werde seitens der Behörde angemerkt, dass es nicht naheliegend erscheine, dass bei offensichtlich dauernder Überlassung eines KFZ an einen bestimmten Mitarbeiter eine falsche Lenkerauskunft erteilt werde. Davon abgesehen sei die Behörde an rechtskräftige Bestrafungen gebunden.

 

Hinsichtlich der Angaben des Beschwerdeführers, wonach die erteilte Lenkerauskunft unrichtig sei und das gegenständliche Fahrzeug zum Tatzeitpunkt nicht vom Beschwerdeführer sondern von H L gelenkt worden sei, werde auf das VwGH-Erkenntnis vom 24.09.2015, Ra 2015/02/0132, verwiesen.

 

In diesem Erkenntnis werde ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Behörde an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden sei, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgt sei, feststehe. Von dieser Bindungswirkung seien auch Strafverfügungen erfasst. Liege, wie im hier vorliegenden Fall, daher eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung vor, sei die Behörde - im Beschwerdeverfahren das Verwaltungsgericht - jedenfalls in Ansehung des Umstands, dass der Betreffende die in der Strafverfügung genannte Tat begangen habe, gebunden.

 

Wie bereits ausgeführt, stehe daher aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Übertretung nach § 9 Abs.2 StVO als Lenker zum angeführten Zeitpunkt bekannt gegeben worden sei und er die diesbezüglich gegen ihn erlassene Strafverfügung nicht beeinsprucht habe, als erwiesen fest, dass er das angeführte Kraftfahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt habe. Dass er zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung gewesen sei, zumal ihm diese entzogen worden sei, stehe ebenfalls unbestritten fest. Somit sei der Tatbestand der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht als erfüllt anzusehen. Auch die subjektive Tatseite sei erfüllt.

 

Bezüglich der Strafbemessung sei festzustellen, dass das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Berechtigung zu den gröbsten Verstößen gegen das Kraftfahrrecht gehöre und der Gesetzgeber für das Lenken eines KFZ, obwohl die Lenkberechtigung entzogen worden sei, eine Mindeststrafe von 726 Euro vorsehe. Bei Verhängung der gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafe seien die konkreten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten ohne Relevanz.

Unter Beachtung der oben dargestellten Grundsätze sei eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro jedenfalls tat- und schuldangemessen.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Beschwerde vom 12. Mai 2016, mit welcher das angefochtene Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit, insbesondere wegen Vorliegens von Verfahrensmängeln, unrichtiger Feststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilungen in vollem Umfang bekämpft wird.

 

Begründend führt der Beschwerdeführer aus, die belangte Behörde führe im angefochtenen Straferkenntnis aus, es bestehe eine Bindungswirkung hinsichtlich der Strafverfügung, sodass erwiesen sei, dass der Beschwerdeführer selbst das KFZ zum Tatzeitpunkt gelenkt habe. Das sei allerdings unrichtig. Richtig sei, dass der VwGH in ständiger Rechtsprechung die Bindungswirkung einer rechtskräftigen Strafverfügung in einem nachfolgenden Verfahren nach dem FSG, bejahe. Eine derartige Bindungswirkung würde allerdings das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein rechtliches Gehör gemäß
Art. 6 MRK verletzen.

 

Aus diesem Grund sei vom VfGH § 268 ZPO (alt) aufgehoben worden, wonach in ständiger Rechtspre­chung eine Bindung an rechtskräftige Strafverfügungen für Zivilgerichte verbunden gewesen sei (VfSlg. 12.504/1990). Zwar erwachse eine Strafverfügung in Rechtskraft. Der Gesetzgeber habe das Mandatsverfahren je­doch auf Fälle beschränkt, in denen dem Beschuldigten nur ein relativ geringer vermögensrechtlicher Nachteil zugefügt werde. Der Beschuldigte werde eine Strafverfügung häufig deshalb unbekämpft lassen, weil er die Geldstrafe wirtschaftlich leicht tragen könne und weil er die mit der Durchführung einer Ver­handlung verbundenen finanziellen persönlichen Belastungen vermeiden wolle; ebenso aufgrund der reformatio in peius (2 Ob 72/97w).

 

Auch im gegenständlichen Fall sei die Strafverfügung der belangten Behörde zu VerkR96-38498-2015 vom 12.11.2015 lediglich aus dem Grund nicht bekämpft worden, da eine geringe Strafe von lediglich € 80,00 verhängt worden sei, welche überdies vom tatsächlichen Lenker des Fahrzeuges bezahlt worden sei. Durch die Bejahung der Bindungswirkung wäre somit das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 6 MRK, verletzt.

 

Auch die Entscheidung des VfGH zu B 1103/12 vom 14.03.2013 sei mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar. Darin sei vom VfGH ausgesprochen worden, dass die Entziehung der Lenkberechtigung keine Strafe im Sinne des Art. 6 EMRK, sondern lediglich eine administrative Sicherungsmaßnahme sei. Aus diesem Grund werde eine Bindungswirkung für die mit Strafverfügung festgestellte Übertretung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in einem nachfolgenden Verfahren über die Entziehung der Lenkberechtigung bejaht und darauf hingewiesen, dass dies nicht mit dem Erkenntnis betreffend § 268 ZPO vergleichbar sei.

 

Vom EuGH werde in ständiger Rechtsprechung auch ein Verwaltungsstrafverfahren unter den Strafrechtsbegriff des Art. 6 EMRK, subsumiert. Die Entscheidung B 1103/12 des VfGH sei somit auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar, da die Bindungswirkung ausschließlich damit begründet worden sei, dass eine Entziehung der Lenkberechti­gung keinen Strafcharakter im Sinne des Art. 6 EMRK, darstelle. Die gegenständlich verhängte Verwaltungsstrafe habe hingegen jedenfalls Strafcharakter, sodass eine Bindungswirkung des Straferkenntnisses jedenfalls zu verneinen ist.

 

Richtigerweise hätte die belangte Behörde sohin im Sinne der Entscheidung des LVwG Vorarlberg zu LVwG-1-287/R11/2014, entscheiden müssen, dass die Frage, ob der Beschwerdeführer trotz entzogener Lenkberechtigung einen PKW gelenkt habe, nicht davon abhänge, ob er auch die angelastete Tat begangen habe. Die rechtskräftige Strafverfügung wegen einer am selben Ort und zur selben Zeit begangenen Geschwindigkeitsübertretung sei keine rechtskräftige Entscheidung über eine Vorfrage, sodass keine Bindung an diese Strafverfügung bestehe und im Strafverfahren daher selbstständig zu beurteilen sei, ob der Beschwerdeführer den PKW gelenkt habe oder nicht. Die belangte Behörde hätte somit von Amtswegen den Sachverhalt aufgrund des Gebots der amtwegigen Wahrheitserforschung hinreichend ermitteln müssen.

 

Sollte die belangte Behörde Zweifel an der eidesstattlichen Erklärung des Zeugen H L haben, so wäre jedenfalls die persönliche Einvernahme angezeigt gewesen; ebenso die Einvernahme des Be­schwerdeführers. Durch Verletzung des Grundsatzes der amtswegigen Wahrheitserforschung liege somit auch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor.

 

Aus den genannten Gründen werde daher beantragt, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde zu VerkR96-1863-2016 vom 6. April 2016 aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

I.3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat daraufhin für den
12. September 2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt, zu welcher der Beschwerdeführer, dessen rechtsfreundlicher Vertreter, die belangte Behörde und der Zeuge H L geladen wurden. In dieser Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage erörtert, der Beschwerdeführer und der Zeuge vernommen; die belangte Behörde war entschuldigt.

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Mit Strafverfügung vom 12. November 2015, GZ: VerkR96-38498-2015 wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe am 19.10.2015 um 08:01 Uhr in der Gemeinde Traun, Johann Roithnerstraße 6, 4050 Traun auf Höhe der Raika Traun den PKW mit dem Kennzeichen x gelenkt und einem Fußgänger, der erkennbar einen Schutzweg benutzen wollte, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht. Er habe dadurch
§ 9 Abs.2 StVO verletzt. Über ihn werde gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO eine Geldstrafe von 80,00 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt.

 

Diese Strafverfügung enthielt nachfolgende Rechtsmittelbelehrung:

 

Sie haben das Recht, gegen diese Strafverfügung Einspruch zu erheben. Der Einspruch ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Strafverfügung schriftlich oder mündlich bei uns einzubringen. Wenn für die schriftliche Einbringung auch technische Übertragungsmöglichkeiten (z.B. Telefax, E-Mail) zur Verfügung stehen, ist das als Ergänzung zu unserer Anschrift angegeben. Bitte beachten Sie, dass der Absender die mit jeder Übermittlungsart verbundenen Risiken (z.B. Übertragungsfehler, Verlust des Schriftstückes) trägt.

Sie können sich im Einspruch rechtfertigen und die Ihrer Verteidigung dienenden Beweismittel vorbringen.

Sie haben dabei folgende Möglichkeiten:

1.     Wenn Sie der Ansicht sind, dass Sie die Tat etwa überhaupt nicht oder anders begangen haben und deshalb Einspruch erheben, tritt die Strafverfügung außer Kraft. Wir leiten dann das ordentliche Verfahren ein, das heißt, wir ermitteln weiter und prüfen alle Umstände des Falles. Dabei gilt der Einspruch als Rechtfertigung im Sinn des § 40 des Verwaltungsstrafgesetzes. Gegen die im ordentlichen Verfahren ergehende Entscheidung kann dann eine Beschwerde erhoben werden.

2.     Wenn Sie aber der Meinung sind, dass bloß die Strafe zu hoch bemessen oder die Entscheidung über die Kosten unrichtig ist und deshalb Einspruch erheben, so tritt die Strafverfügung nur hinsichtlich des angefochtenen Teiles außer Kraft und wir entscheiden über die Höhe der Strafe oder der Kosten neuerlich. Gegen diese Entscheidung kann dann eine Beschwerde erhoben werden.

In dem aufgrund des Einspruchs ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der nach Pkt. 1 oder 2 ganz oder teilweise außer Kraft getretenen Strafverfügung - ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von      10 % (zumindest aber 10,00 EUR) ist aber gesetzlich vorzuschreiben. In jedem Fall ist aber Voraussetzung, dass der Einspruch rechtzeitig erhoben wird!

 

II.2. Der Beschwerdeführer hat gegen die Strafverfügung keinen Einspruch erhoben. Die Strafverfügung ist rechtskräftig. Die Geldstrafe von 80,00 Euro wurde bezahlt.

 

II.3. Feststellungen dahingehend, wer das KFZ im Zeitpunkt des 19.10.2015, 08:01 Uhr in 4050 Traun, Johann Roithnerstraße 6, Höhe Raika Traun tatsächlich gelenkt hat, erübrigen sich. Ebenso erübrigen sich Sachverhaltsfeststellungen dahingehend, wer die Strafverfügung einbezahlt hat.

 

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass vor Erlassung der Strafverfügung vom 12. November 2015 eine Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs.2 KFG bei der X Betriebs GmbH – der Halterin des PKW mit dem Kennzeichen x – eingeholt wurde. Entsprechend der Lenkerauskunft hat der Beschwerdeführer das KFZ gelenkt, weshalb auch die oben dargestellte Strafverfügung gegenüber dem Beschwerdeführer – rechtskräftig – erlassen wurde.

 

II.4. Der Beschwerdeführer verfügt über keine gültige Lenkberechtigung der betreffenden Klasse für den PKW mit dem Kennzeichen x, zumal ihm diese mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13.01.2015, GZ: VerkR21-24-2015/LL entzogen worden war. Dementsprechend wurde mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine Geldstrafe von 730,00 Euro, falls diese uneinbringlich ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von 338 Stunden verhängt.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

III.1. Die Feststellungen zur eingeholten Lenkerauskunft vom 6. November 2015 gemäß § 103 Abs.2 KFG ergeben sich aus dem vorliegenden Akt der belangten Behörde.

 

III.2. Die Feststellungen zur rechtskräftigen Strafverfügung vom 12. November 2015, GZ: VerkR96-38498-2015 gehen ebenfalls aus dem Akt der belangten Behörde hervor. Darüber hinaus bestreitet der Beschwerdeführer selbst nicht, dass gegen ihn eine rechtskräftige Strafverfügung vom 12.11.2015,
GZ: VerkR96-38498-2015 vorliegt. Auch gesteht er zu, die in der Strafverfügung verhängte Geldstrafe einbezahlt zu haben.

 

Wie unten noch weiter auszuführen sein wird, entfaltet eine derartige Strafverfügung Bindungswirkung. Weitere Feststellungen zum Sachverhalt, wer das KFZ anstelle des Beschwerdeführers gelenkt haben soll bzw. wer die Geldstrafe tatsächlich letzten Endes finanziell getragen hat, erübrigen sich daher.

 

III.3. Die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers wurden in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erörtert. Darüber hinaus wurden diese von der belangten Behörde auch nicht unverhältnismäßig eingeschätzt.

 

 

IV. Rechtslage:

 

IV.1. § 37 Abs.1 FSG bestimmt, dass, wer diesem Bundesgesetz, den aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung begeht, und sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von 36,00 Euro bis zu 2.180,00 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen ist. […]

 

IV.2. Gemäß § 37 Abs.4 FSG ist eine Mindeststrafe von 726 Euro zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl

1. die Lenkberechtigung entzogen wurde […].

 

 

V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1. Gegenständlich liegt unbestrittener Weise eine rechtskräftige Strafverfügung vom 12. November 2015, GZ: VerkR96-38498-2015 vor, wonach der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt das gegenständliche KFZ am Tatort gelenkt hat.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist an diese rechtskräftige Entscheidung gebunden (VwGH vom 06.07.2004, 2004/11/0046; vom 21.08.2014, Ra 2014/11/0027; vom 29.01.2015, Ra 2015/03/0001; vom 29.04.2015, Ra 2015/03/0015; vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0043; vom 28.01.2016, Ra 2015/11/0101; vom 11.05.2016, Ra 2016/11/0062; vom 24.05.2016, Ra 2016/03/0050).

 

Diese Bindungswirkung besteht auch an rechtskräftige Strafverfügungen (VwGH vom 11.07.2000, 2000/11/0126; vom 27.05.1999, 99/11/0072; vom 12.04.1999, 98/11/0255; vom 21.05.1996, 96/11/0102; vom 22.02.1996, 96/11/0003; vom 17.12.2007, 2007/03/0201; vom 21.08.2014, Ra 2014/11/0027; vom 29.04.2015, Ra 2015/03/0015; vom 27.07.2015, Ra 2015/11/0054; VfGH vom 14.03.2013, B 1103/12).

 

V.2. Richtig ist zwar das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass der vormalige § 268 ZPO – Bindung des Zivilgerichtes an ein Strafurteil im Zivilprozess – mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.10.1990, GZ: G 73/89 = VfSlg. 12.504 aufgehoben wurde.

 

Daran anschließend hat allerdings der Oberste Gerichtshof mittels Entscheidung eines verstärkten Senates vom 17.10.1995, GZ: 1 Ob 612/95 ausgesprochen:

 

„Wirkt die materielle Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung derart, dass der Verurteilte das Urteil gegen sich gelten lassen muss, und wirkt dieses für jeden Rechtskreis des Verurteilten, für diesen aber gegen jedermann, so kann sich niemand im nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber darauf berufen, dass er eine Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe, gleichviel, ob der andere am Strafverfahren beteiligt war oder in welcher verfahrensrechtlichen Stellung er dort aufgetreten ist“.

 

Somit hat der OGH in dieser Entscheidung eines verstärkten Senates daher die Bindungswirkung – wenn auch nicht in gesetzlicher Weise, sondern mittels Rechtssatz – an strafgerichtliche Verurteilungen „wieder hergestellt“.

 

Der Beschwerdeführer bringt zwar diesbezüglich vor, dass gemäß einer weiteren Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 20.03.1997, 2 Ob 72/97w der Oberste Gerichtshof klar gestellt habe,

dass in diesem Rechtssatz nur von den Folgen eines Urteiles, nicht auch einer Strafverfügung die Rede ist und dass eine Bindung an eine solche bestehen würde, auch den weiteren Ausführungen des verstärkten Senates nicht entnommen werden könne, so lässt sich diese Entscheidung doch nicht auf den gegenständlichen Fall anwenden. Die zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes hatte die [vormalige] Strafverfügung des § 460 StPO im Sinne. Der Oberste Gerichtshof führte dazu nämlich auch aus, dass die Strafverfügung ebenso wie ein Strafurteil in Rechtskraft erwächst. Der Gesetzgeber hat das Mandatsverfahren des § 460  StPO aber auf Fälle beschränkt, in denen dem Beschuldigten nur ein relativ geringer vermögensrechtlicher Nachteil zugefügt wird. Der Beschuldigte wird die Strafverfügung häufig deshalb unbekämpft lassen, weil er die Geldstrafe wirtschaftlich leicht tragen kann, weil er die mit der Durchführung einer Hauptverhandlung verbundenen finanziellen und persönlichen Belastungen vermeiden will und weil die Gefahr der reformatio in peius besteht.

 

Im gegenständlichen Fall liegt allerdings eine verwaltungsstrafrechtliche Strafverfügung vor. Finanzielle oder persönliche Belastungen einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung sind mit einer solchen nicht verbunden. Darüber hinaus läuft der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr der reformatio in peius; in der oben zitierten (siehe Pkt. II.1.) Rechtsmittelbelehrung wird der Beschwerdeführer nämlich darüber belehrt, dass eine höhere Geldstrafe als die in der Strafverfügung verhängte Geldstrafe auch mittels Straferkenntnis nicht verhängt werden kann (Verbot der reformatio in peius). Die mit einem Verwaltungsstrafverfahren verbundenen Kosten stellen eben einen Verfahrenskostenbeitrag und keine Bestrafung dar, sodass diese nicht unter die reformatio in peius fallen. Der Beschwerdeführer hätte insofern die Möglichkeit gehabt, durch einen Einspruch im Hinblick auf die obige Verwaltungsstrafverfügung ein Rechtsmittel zu ergreifen und seine Lenkereigenschaft zu bestreiten.

 

V.3. Insofern lässt sich die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom
14. März 2013, GZ: B 1103/12 sehr wohl auch für den gegenständlichen Fall heranziehen. Der Verfassungsgerichtshof führte dazu Nachfolgendes aus:

 

Sofern die Verwaltungsstrafbehörde darüber rechtskräftig entschieden hat, entfaltet diese Entscheidung über die Vorfrage Bindungswirkung gegenüber der Führerscheinbehörde. Die Bindungswirkung ist allerdings mit jener, welche sich aus dem mit Erkenntnis VfSlg. 12.504/1990 aufgehobenen § 268 ZPO ergab, nicht vergleichbar. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich im vorliegenden Fall die Entziehung auf eine rechtskräftige Strafverfügung stützt. Es wäre dem Beschwerdeführer nämlich freigestanden, diese zu bekämpfen und im Verwaltungsstrafverfahren alles ihm dienlich scheinende vorzubringen. Ebenso wenig lässt sich die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte damit begründen, dass der Beschwerdeführer nicht auf die Entziehung der Lenkberechtigung in der Strafverfügung hingewiesen wurde. Durch den fehlenden Hinweis wurde der Beschwerdeführer weder faktisch noch rechtlich gehindert, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu ergreifen, um die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems zu bekämpfen.

 

Zusammengefasst ergibt sich daher auch für den vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt hätte, die nunmehr Bindungswirkung entfaltende Strafverfügung zu bekämpfen, seine Lenkereigenschaft zu bestreiten, die Unrichtigkeit der erteilten Lenkerauskunft zu behaupten, die Lenkereigenschaft des Zeugen H L und dessen Bezahlung der Geldstrafe geltend zu machen. Im nunmehrigen Verfahren gehen diese Einwendungen in Folge Bindungswirkung ins Leere.

 

V.4. In der Vergangenheit hatte sich der Verwaltungsgerichtshof außerdem bereits mehrfach mit Einwendungen bezüglich der Lenkereigenschaft auseinanderzusetzen:

 

In der Entscheidung vom 19.04.1994, 94/11/0079 war zunächst eine Strafverfügung, mit welcher der dortigen Beschwerdeführerin eine Übertretung nach § 38 Abs.5 StVO vorgeworfen worden war, in Rechtskraft erwachsen. Sodann wurde eine Nachschulung angeordnet. Die Beschwerdeführerin behauptete daraufhin, in diesem Verfahren, die in Rede stehende Verwaltungsübertretung nicht begangen zu haben. Laut der der Strafverfügung zu Grunde liegenden Anzeige habe es sich um einen männlichen Lenker gehandelt; sie käme daher keinesfalls als Lenkerin in Betracht Der Verwaltungsgerichtshof führte in dieser Entscheidung aus, dass dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin von vorn herein nicht zum Erfolg zu verhelfen vermochte. Die Beschwerdeführerin hätte diesen Einwand bereits im Rahmen der Bekämpfung der Strafverfügung vorbringen müssen.

 

In seiner Entscheidung vom 21.10.1994, 94/11/0253 führte der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls aus, dass die Begehung der Verwaltungsübertretung in Folge rechtskräftiger Bestrafung bindend festgestellt worden ist und daher diesbezügliches Beschwerdevorbringen ins Leere geht. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bindungswirkung der gegenständlichen rechtskräftigen Bescheide bestehen nicht, weil die Beschwerdeführerin in dem in Rede stehenden Verfahren Parteistellung hatte und so ihre Recht hätte geltend machen können bzw. geltend machen konnte.

 

Zusammengefasst bestehen daher keine Bedenken dagegen, dass Bindungswirkung an rechtskräftige Strafverfügungen besteht.

 

V.5. Auch der Einwand, die belangte Behörde hätte eine Entscheidung wie zuvor das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg zu LVwG-1-287/R11/2014 treffen müssen, geht ins Leere.

 

Diese Entscheidung war Gegenstand eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.09.2015, Ra 2015/02/0132.

 

In diesem Verfahren wurde mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft vom 4. April 2014 dem Mitbeteiligten vorgeworfen, er habe am 10. Jänner 2014 um 11:31 Uhr an einem näher bezeichneten Ort ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, obwohl er nicht im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung gewesen sei. Er habe dadurch § 37 Abs.1 iVm § 1 Abs.3 FSG verletzt. Wegen dieser Übertretung wurde über den Mitbeteiligten gemäß § 37 Abs.1 iVm § 37 Abs.4 Z.1 FSG eine Geldstrafe in Höhe von 730,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 337 Stunden) verhängt. Begründend führte die Bezirkshauptmannschaft in diesem Straferkenntnis aus, dass über den Mitbeteiligten mit Strafverfügung vom 10. März 2014 wegen einer Übertretung nach § 20 Abs.2 StVO eine Geldstrafe in Höhe von 110,00 Euro verhängt worden sei. Diese Strafverfügung sei rechtskräftig. Auch rechtskräftige Strafverfügungen würden Bindungswirkung entfalten.

 

Der Mitbeteiligte erhob dagegen Beschwerde, in der er ausschließlich geltend machte, dass er das Kraftfahrzeug nicht gelenkt habe, sondern die Fahrt von seinem Sohn durchgeführt worden sei. Das Verwaltungsgericht führte eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Mitbeteiligte angehört sowie sein Sohn als Zeuge vernommen wurde. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. Juni 2014 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, hob das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Bezirkshauptmannschaft.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat hiezu erwogen:

 

„Im Verfahren ist unstrittig, dass der Mitbeteiligte mit rechtskräftiger Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 10. März 2014 wegen einer Übertretung des § 20 Abs.2 StVO rechtskräftig bestraft wurde, weil er als Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges am
10. März 2014 um 11.31 Uhr in M. die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 19 km/h überschritten hat. Ebenso ist unstrittig, dass der Mitbeteiligte zum Tatzeitpunkt dieser Geschwindigkeitsübertretung über keine gültige Lenkberechtigung verfügte, die ihn zum Lenken des Kraftfahrzeuges berechtigt hätte, weil sie ihm behördlich entzogen worden war. […]

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgte, feststeht. Von dieser Bindungswirkung sind auch Strafverfügungen erfasst (vgl. u.v.a. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2007,
Zl. 2007/03/0201).

Liegt wie im hier vorliegenden Fall daher eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung vor, ist die Behörde – im Beschwerdeverfahren das Verwaltungsgericht – jedenfalls in Ansehung des Umstands, dass der Betreffende die in der Strafverfügung genannte Tat begangen hat, gebunden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. August 2014, Zl. Ra 2014/11/0027, mwN). Vor diesem Hintergrund war der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes daher zu Grunde zu legen, dass der Mitbeteiligte zur Tatzeit am Tatort ein Kraftfahrzeug gelenkt – und dabei die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten – hat. Das Beschwerdevorbringen des Mitbeteiligten, indem er das Fehlen der Lenkberechtigung nicht bestritten, sondern lediglich vorgebracht hat, dass nicht er, sondern sein Sohn das Kraftfahrzeug gelenkt hätte, war daher von vornherein nicht geeignet, die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung zu widerlegen […]

Das angefochtene Erkenntnis war daher dahingehend abzuändern, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 4. April 2014, Zl. X-9-2014/12580, als unbegründet abgewiesen wird und der Mitbeteiligte gemäß § 52 Abs.1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20% der verhängten Strafe, somit 146,00 Euro, zu leisten hat.“

 

V.6. Zusammengefasst ergibt sich somit, dass die Bindungswirkung von Strafverfügungen nicht nur im Verhältnis eines Strafverfahrens zu einem Administrativverfahren besteht, sondern auch im Verhältnis eines Strafverfahrens zu einem weiteren Strafverfahren.

 

V.7. Im Ergebnis war der Beschwerde daher keine Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis vollumfänglich zu bestätigen. Gemäß § 52 Abs.1 und 2 VwGVG ergibt sich daraus ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren in Höhe von 146,00 Euro.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

VI.1. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

VI.2. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem  Erkenntnis vom 24.09.2015, Ra 2015/02/0132 ausgesprochen, dass die Bindungswirkung an rechtskräftige Strafverfügungen auch in einem weiteren Strafverfahren besteht. Der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde liegende Sachverhalt deckt sich – abgesehen vom „Grunddelikt“ (§ 20 StVO / § 9 Abs.2 StVO). Die vorliegende Entscheidung steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung, sodass die ordentliche Revision für unzulässig zu erklären war.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer