LVwG-350247/11/GS/FE
Linz, 19.09.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Gabriele Saxinger über die Beschwerde des Herrn M. J., geb. x, wohnhaft x, Z, vertreten durch Frau E. K., x, O, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 30. Mai 2016, GZ: BHVBSO‑2016-136300/5‑RH, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs gemäß Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG),
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) vom 30. Mai 2016, GZ: BHVBSO-2016-136300/5-RH, wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) auf bedarfsorientierte Mindestsicherung abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass dem Bf mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.7.2015 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden wäre. In der Zeit vom 1.9.2015 bis zum 31.3.2016 wäre der Bf bei der x F. W. GmbH, x, M, beschäftigt gewesen und habe ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.000 Euro (14-mal jährlich) bezogen. Nach dem vorliegenden sehr positiven Zeugnis der x F, M, habe Herr J. den Betrieb auf eigenen Wunsch verlassen. Nach der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die bundesweite bedarfsorientierte Mindestsicherung sei die Leistung der bedarfsorientierten Mindestsicherung subsidiär. Eine Leistung sei daher von der Bereitschaft vom Einsatz der eigenen Arbeitskraft abhängig und dieser Einsatz der Arbeitskraft stelle daher eine wesentliche Voraussetzung für den Bezug einer Leistung dar. Bei den Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung handle es sich um kein arbeitsloses Grundeinkommen. Vielmehr wären die Leistungen vom Einsatz der Arbeitskraft abhängig. Bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses auf eigenen Wunsch fehle daher das Bemühen um Abwendung der sozialen Notlage und daher eine Voraussetzung für die Gewährung einer Leistung der bedarfsorientierten Sicherung, sodass spruchgemäß zu entscheiden gewesen wäre.
I. 2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 19. Juni 2016, in der vorgebracht wurde, dass der Bf vom 1.9.2015 bis 31.3.2016 als Abwäscher bei der x F gearbeitet habe. Die Arbeitszeiten wären unterschiedlich gewesen: 12 bis 20 Uhr oder 9 bis 17 Uhr. Es wäre ihm neben der Arbeit nicht möglich gewesen, einen Deutschkurs zu besuchen. Aus diesem Grund habe er gekündigt. Leider habe er irrtümlich angenommen, dass er sofort einen Deutschkurs besuchen könne. Er habe sich sofort bei seiner Betreuerin S. S. beim AMS V gemeldet. Sie habe ihn zum BFI V geschickt. Dort habe er eine Einstufungsprüfung gemacht und wäre zu A1.2 zugeteilt worden. Das BFI habe mitgeteilt, dass der Bf auf den nächsten Termin warten müsse. Ca. zwei Monate danach hätte er die Mitteilung bekommen, dass er den Deutschkurs vom 13.6. bis 15.7.2016, täglich von 12:30 Uhr bis 16:30 Uhr, machen könne. Im Juni 2015 habe er seinen positiven Asylbescheid bekommen. Danach wäre er noch ca. drei Monate in der Grundversorgung gewesen. Er habe keine Mindestsicherung bezogen. Am 1.9.2015 habe er die angeführte Arbeit gefunden und er wäre froh gewesen, wieder arbeiten zu dürfen. Aber für die weitere Zukunft in Österreich sei es wichtig, dass er besser Deutsch lerne. Aus diesem Grund ersuche er, seinen Antrag auf Mindestsicherung positiv zu erledigen.
I. 3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde gemeinsam mit dem Verfahrensakt mit Schreiben vom 21. Juni 2016 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidungsfindung vorgelegt. Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch einen Einzelrichter zu entscheiden.
I. 4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. September 2016.
II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevantem Sachverhalt aus:
Am 13.4.2016 stellte der Bf einen Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs nach dem Oö. BMSG.
In der Zeit vom 1.9.2015 bis zum 31.3.2016 war der Bf bei der x F. W. GmbH, x, M, beschäftigt. Er bezog ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.000 Euro (14-mal jährlich). Vom 1.9.2015 bis 22.11.2015 war der Bf 40 Stunden in der genannten x beschäftigt, ab 23.11.2015 wurde das Beschäftigungsausmaß auf 30 Wochenstunden geändert.
Mit 31.3.2016 wurde das Dienstverhältnis auf eigenen Wunsch des Bf gekündigt. Als Grund für die Selbstkündigung des Dienstverhältnisses wurde angegeben, dass der Bf einen Deutschkurs absolvieren wollte.
Der Bf hat sich jedoch erst nach Kündigung des Dienstverhältnisses Anfang April 2016 beim AMS V über die Möglichkeit der Absolvierung eines Deutschkurses erkundigt. Dort wurde ihm mitgeteilt, dass die Absolvierung eines Deutschkurses erst von 13.6. bis 15.7.2016 jeweils von Montag bis Freitag von 12:30 Uhr bis 16:30 Uhr möglich ist.
Bei seiner Wohnsitzgemeinde Z hat sich der Bf nicht über die Möglichkeit der Absolvierung eines Deutschkurses erkundigt.
Seit April 2016 hat sich der Bf bei mehreren Firmen im Bezirk V beworben, u.a. auch bei welchen in der Gemeinde M.
III. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig. Fest steht, dass das Motiv für die Selbstkündigung des Dienstverhältnisses in der x F. W. in M die Absolvierung eines Deutschkurses war. Vom Bf außer Streit gestellt wurde auch, dass er sich erst nach Kündigung des Dienstverhältnisses beim AMS über einen möglichen Termin zur Absolvierung eines Deutschkurses erkundigt hat. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung legte der Vertreter der belangten Behörde dar, dass auch in der Gemeinde Z die Möglichkeit bestanden hätte, Deutschstunden zu absolvieren. Der Bf legte in der Verhandlung jedoch dar, dass er sich bei seiner Wohnsitzgemeinde nicht erkundigt hat.
IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat rechtlich erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 5 Oö. BMSG sind die Leistungen bedarfsorientierter Mindestsicherung subsidiär. (Subsidiaritätsprinzip)
Nach § 5 Oö. BMSG ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person iSd § 4
1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist und
2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).
Nach § 6 Abs. 1 leg.cit. liegt eine soziale Notlage bei Personen vor,
1. die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder
2. den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltsberechtigten Angehörigen, die mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft leben,
nicht decken oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können.
Nach § 7 Abs. 1 Oö. BMSG setzt die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraus, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage beizutragen. Eine Bemühung ist jedenfalls dann nicht angemessen, wenn sie offenbar aussichtslos wäre.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung gelten als Beitrag der hilfebedürftigen Person iSd Abs. 1 insbesondere:
1. der Einsatz der eigenen Mittel nach Maßgabe der §§ 8 bis 10;
2. der Einsatz der Arbeitskraft nach Maßgabe des § 11;
3. die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre sowie
4. ...
Nach § 11 Abs. 1 Oö. BMSG haben Hilfebedürftige ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise einzusetzen und sich um entsprechende Erwerbsmöglichkeiten zu bemühen.
Der oben zitierte Abs. 2 des § 7 Oö. BMSG macht deutlich, dass der Einsatz der Arbeitskraft sowie die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte jedenfalls von der hilfebedürftigen Person verlangt werden können, um eine soziale Notlage abzuwenden. Das bedeutet, dass das Oö. BMSG als Anspruchsvoraussetzung eine zum großen Teil unverschuldete soziale Notlage festlegt.
Aus § 11 Abs. 3 leg.cit, der festlegt, wann der Einsatz der Arbeitskraft nicht verlangt werden kann, geht hervor, dass an die Zumutbarkeit des Einsatzes der Arbeitskraft ein hoher Maßstab angelegt wird.
Eine freiwillige Lösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 11 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz (ALVG) liegt an sich vor, wenn die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer selbst gekündigt, einen vorzeitigen Austritt erklärt oder eine einvernehmliche Auflösung initiiert hat. Dies führt zum Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes für eine bestimmte Dauer. § 11 Abs. 2 leg.cit. sieht allerdings berücksichtigungswürdige Gründe vor, die zu einer Nachsicht von der Sperre des Arbeitslosengeldes gemäß Abs. 1 führen. Als Nachsichtgründe sind zunächst die Austrittsgründe im Sinn des Arbeitsvertragsrechtes zu verstehen (§ 82a Gewerbeordnung, § 26 Angestelltengesetz - AngG), darüber hinaus aber auch "triftige" Gründe, also Gründe von zureichendem Gewicht (vgl. in diesem Sinn: Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz Dirschmied/Pfeil zu §§ 9 bis 11, Kapitel 6). Nach der hg. Judikatur sind für das Vorliegen einer freiwilligen Lösung des Arbeitsverhältnisses im Sinn dieser Bestimmung vor allem auch Zumutbarkeitsgesichtspunkte maßgebend, wie sie etwa § 9 Abs. 2 und 3 ALVG auch für den arbeitslos gewordenen Versicherten im Hinblick auf dessen Verpflichtung, eine vom Arbeitsmarktservice vermittelte oder sich bietende Arbeitsgelegenheit zu ergreifen, vorsieht. Soweit das Arbeitsverhältnis betreffende Umstände für die Auflösung eines Dienstverhältnisses in Betracht kommen, wird es sich zwar nicht nur um Vorfälle handeln müssen, die einen Austrittsgrund im Sinn des Arbeitsvertragsrechtes (etwa im Sinn des § 26 AngG und verwandter Rechtsvorschriften) darstellen, zumindest aber um solche, die einem solchen wichtigen Grund zumindest nahe kommen (VwGH vom 22.4.2015, Zl. 2012/10/0218).
Der Bf hat vorgebracht, dass er das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt hat, da er einen Deutschkurs absolvieren wollte. Er hat dazu sein Dienstverhältnis gekündigt und sich erst im Anschluss daran beim AMS erkundigt, wo und wann Deutschkurse stattfinden. Es wäre dem Bf jedoch zumutbar gewesen, die Kündigung des Dienstverhältnisses erst dann vorzunehmen, wenn er sich umfassend (beim AMS oder Gemeinde) über das Angebot von Deutschkursen bzw. Deutschstunden erkundigt hätte. In der mündlichen Verhandlung ist zutage gekommen, es hätte auch die Möglichkeit in der Wohnsitzgemeinde bestanden, sich entsprechende Deutschkenntnisse anzueignen. Diese Möglichkeit wurde vom Bf gar nicht in Betracht gezogen. Hätte sich der Bf vor Kündigung des Dienstverhältnisses beim AMS V erkundigt, hätte er sein Dienstverhältnis jedenfalls nicht mit 31.3.2016 kündigen müssen, sondern allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt. Auch das Argument, dass durch seine Wohnsitzverlegung mit 31.3.2016 von M nach Z es für ihn schwer möglich gewesen wäre, seine Arbeitsstelle in M zu erreichen, geht ins Leere. Der Bf hat sich nämlich nachweislich seit April 2014 wieder bei mehreren Dienstgebern in der Gemeinde M beworben.
Die Motivation für die Selbstkündigung, nämlich die Absolvierung eines Deutschkurses, stellt somit keinen Austrittsgrund im Sinn des Arbeitsvertragsrechtes bzw. einen diesem nahe kommenden Grund dar. Es wäre dem Bf zumutbar gewesen, sich vor Kündigung des Dienstverhältnisses beim AMS bzw. in der Gemeinde darüber zu erkundigen, wann bzw. wo die Absolvierung von Deutschkursen für Asylberechtigte möglich ist. Der Bf hat jedoch im Vorhinein keine Erkundigungen eingeholt, sondern hat vorweg die Kündigung vorgenommen.
Da sohin von der belangten Behörde zu Recht der Antrag auf Gewährung einer Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs mangels Bemühens um Abwendung der sozialen Notlage abgewiesen wurde, war der Beschwerde keine Folge zu geben.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Gabriele Saxinger