LVwG-300991/14/GS/FE

Linz, 12.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Gabriele Saxinger über die Beschwerde der O. C. C. GmbH, x, W, vertreten durch W. T. Rechtsanwälte GmbH & Co KG, x, W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 8.2.2016, GZ: SanRB96‑1000/1-2016, mit dem eine Sicherheitsleistung nach dem Arbeits­vertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) aufgetragen wurde,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 8.2.2016, SanRB96-1000/1-2016, wurde der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) der Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung gemäß § 7m Abs. 3 Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz - AVRAG aufgetragen. Begründend wurde zusammengefasst, dass auf Grund des Verdachtes der Verwaltungsübertretungen nach den §§ 7b Abs. 8 Z 1 sowie 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG gemäß § 7m Abs. 1 AVRAG von der Abgabenbehörde, Finanzpolizei Team 43, für das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr, ein Zahlungsstopp hinsichtlich der offenen Forderungen der Firma S. S. sp z o o, x, L, P, gegenüber der Firma O. C. C. GmbH, x, W, D, verfügt wurde und bei der belangten Behörde als zuständige Behörde nach dem AVRAG die Erlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 42.000 Euro durch die Bf beantragt wurde. Da es sich bei der Firma S. S. sp z o o, P, um einen ausländischen Arbeitgeber ohne Sitz im Bundesgebiet handle und insgesamt für diese Übertretung eine Höchststrafe in Höhe von 210.000 Euro drohe, sei anzunehmen, dass die Strafverfolgung bzw. der Strafvollzug allein auf der Höhe der zu erwartenden Geldstrafe als gefährdet erscheine. Darüber hinaus hätte vor Ort eine vorläufige Sicherheitsleistung nicht eingehoben werden können.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in der zusammengefasst vorgebracht wird, dass die Bf kein Leistungs­verweigerungsrecht gegenüber der S. S. sp z o o habe und daher im Ergebnis über die Sicherheitsleistung möglicherweise fremde Strafen zahlen müsste. § 7m Abs. 5 AVRAG sage, dass die Überweisung nach § 7m Abs. 3 für die Auftraggeberin gegenüber der Auftragnehmerin im Ausmaß der Überweisung schuldbefreiend wirke. Nur deshalb könne es überhaupt gerechtfertigt sein, einem Dritten die Sicherheitsleistung für eine Strafe aufzutragen, denn ansonsten müsste dieser Dritte unter Umständen doppelt zahlen (Sicherheits­leistung und Werklohn). Ein Auftrag, den eine d. Gesellschaft (die Bf) einer p. Gesellschaft erteile, unterliege jedoch grundsätzlich nicht - und hier jedenfalls nicht - österreichischem Recht. Mangels schuldbefreiender Wirkung der Sicherheitsleistung drohe der Bf die Verurteilung zum Werklohn samt Zinsen und Kosten, allenfalls Schadenersatz. Nicht absehbar wären sonstige Verzugsfolgen nach ausländischem Recht sowie indirekte Folgen wie etwa ein schlechteres Bonitätsrating. Die Bf habe damit keine rechtliche Grund­lage, die Zahlung an die S. S. sp z o o (eine GmbH nach p. Recht) einzubehalten. Ein Zahlungsstopp und eine Sicherheitsleistung könne aber nur zulässig sein, wenn die Bf auch die Möglichkeit hätte, den Werklohn einzubehalten, ohne zivilrechtlich in Zahlungsverzug zu gelangen. Da österreichische Auftraggeber vor österreichischen Gerichten aus § 7m Abs. 5 iVm mit Abs. 3 AVRAG ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Auftrag­nehmer ableiten könnten, treffe das bei ausländischen Auftraggebern nicht zu, weil diese Gesetzesbestimmung kein Leistungsverweigerungsrecht nach (z.B.) d. Zivilrecht begründen könnte. Daher sei § 7m Abs. 3 AVRAG verfassungs- und europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass nur inländische Auftraggeber erfasst wären, weil nur diese die rechtliche Möglichkeit hätten, gestützt auf § 7m Abs. 3 AVRAG, auch zivilrechtlich die Zahlung der Schuld zu verweigern, insbesondere wenn sie vor einem österreichischen Gericht geklagt werden würden. Wenn der gesamte Werklohn bereits entrichtet sei, dürfe keine Sicherheitsleistung mehr vorgeschrieben werden, da eine solche nur den noch zu leistenden Werklohn umfassen dürfe. Nicht anders könne der vorliegende Fall zu lösen sein, in dem ein ausländischer Auftraggeber (wie hier die Bf) gar keine Möglichkeit habe, seinem Vertragspartner die Zahlung zu verweigern. Die Bf müsste daher im Streitfall den Werklohn leisten, zusätzlich zur Sicherheitsleistung, und damit doppelt zahlen. Da die Bf somit keinerlei Leistungsverweigerungsrecht gegenüber der S. S. sp z o o habe, könne ihr auch keine Sicherheitsleistung auferlegt werden, jedenfalls nicht in verfassungs- und europarechtskonformer Weise. Weiters würden kein begründeter Verdacht und keine Anhaltspunkte für die Gefahr des Strafvollzuges vorliegen. Der Bescheid enthalte keine nachvollziehbaren Angaben, aus welchen sich der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8 Z i oder 7k Abs. 4 AVRAG ergeben würde. Es werde nur auf einen Antrag der Abgabenbehörde vom 3.2.2016 verwiesen. Die Bf kenne dies nicht und es wäre ihr auch nicht die Möglichkeit gegeben worden, sich dazu zu äußern. Die Behörde übersehe, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen sein müsse, dass Strafverfolgung oder ‑vollzug aus Gründen in der Person des Arbeitgebers zumindest wesentlich erschwert sein müsste. Arbeitgeber sei hier eine juristische Person, die S. S. sp z o o, die gar nicht bestraft werden könne, weil sie eben eine Gesellschaft sei und keine natürliche Person. Nur dieser Gesellschaft schulde die Bf aber den Werklohn und nicht etwaigen Geschäfts­führern der S. S. sp z o o, die ebenfalls bestraft werden könnten. Damit könnten Gründe allenfalls in der Person der konkreten Verantwortlichen, nicht aber in der Person der S. S. sp z o o als Arbeitgeber vorliegen. Es bestehe keinerlei rechtlicher Zusammenhang zwischen den Parteien des Werkvertrages einerseits und den Adressaten möglicher Strafen und es sei daher ganz undenkbar, dass sich die Bf gegenüber der S. S. Sp z o o auf die Sicherheitsleistung berufe. Völlig unverständlich seien die Ausführungen auf Bescheidseite 4, 2. Absatz, dass der Verdacht von Verwaltungsübertretungen nach § 7b Abs. 8 Z 1 AVRAG, erster Fall, sowie § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG deswegen begründet sein sollten, weil die Bf als Beschäftiger die Lohnunterlagen in deutscher Sprache für die p. Dienstnehmer entgegen § 7d Abs. 1 AVRAG nicht bereit gehalten hätte sowie entgegen § 7b Abs. 3 AVRAG die Meldung an die zentrale Koordinationsstelle nicht erstattet hätte. Abgesehen davon, dass die genannten Verpflichtungen nach §§ 7b Abs. 8 Z 1 AVRAG, erster Fall, sowie 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG bei Arbeitskräfteüberlassung nicht anwendbar seien und es daher keine entsprechenden Beschäftigerpflichten geben könne, gehe die belangte Behörde in ihren Feststellungen auf Bescheidseite 2 von einem Werk­vertragsverhältnis aus und nur das entspreche auch der Realität. Der Bescheid sei daher in sich widersprüchlich. Selbst wenn man aber bestimmte Tatsachen im Bereich der S. S. sp z o o für ausreichend halte, dann könne das nicht ausschließlich die Eigenschaft als ausländische Gesellschaft sein, denn das sei bei grenzüberschreitenden Entsendungen immer der Fall und der Gesetzgeber müsste dann im § 7m Abs. 3 AVRAG nicht auch noch zusätzlich bestimmte Tatsachen fordern. Es würden aber keine Tatsachen, geschweige denn bestimmte Tatsachen genannt, außer die Selbstverständlichkeit, dass es sich bei Auftragnehmer/Arbeitgeber um eine ausländische Gesellschaft handle. Daher fehle jegliche nachvollziehbare Begründung für Umstände bei der S. S. sp z o o, welche die Annahme stützen würde, dass der Strafvollzug unmöglich oder wesentlich erschwert sei. Die pauschale Begründung, es handle sich bei der S. S. sp z o o um eine p. Firma ohne Sitz im Bundesgebiet und dass eine Höchststrafe von 210.000 Euro drohe, könne, wie ausgeführt, alleine nicht ausreichen, ebensowenig die Strafdrohung - § 7m Abs. 3 AVRAG verlange von der Behörde zusätzlich die Ermittlung bestimmter Tatsachen und nicht pauschale Aussagen. Es würden Feststellungen dazu folgen, warum die Strafverfolgung in P zumindest wesentlich erschwert sein solle. Warum die S. S. sp z o o nicht in der Lage sein solle, eine potentielle Strafe zu bezahlen, wäre aber ebenfalls nicht überprüfbar - Anhaltspunkte dafür wie etwa mangelnde Liquidität, zu geringes Vermögen, Insolvenzgefahr, etc. wären nicht festgestellt worden. Die Bf habe ihren Sitz im Übrigen ebenfalls nicht im Bundesland und dennoch werde ihr die Sicherheitsleistung aufgetragen. Der Bescheid leide daher an erheblichen Begründungsmängeln und sei daher rechtswidrig. Hier wäre ohne jedes Ermittlungsverfahren und ohne rechtliches Gehör in rechtsstaatlich unvertretbarer Weise ein vollstreckbarer Bescheid geschaffen worden. Der Bescheid enthalte außerdem keine Feststellungen dazu, ob und wenn ja in welcher Höhe der Werklohn noch offen sei. Die Behörde wäre gemäß § 7m Abs. 6 2. Satz AVRAG verpflichtet gewesen, bei der Bf den allenfalls noch offenen Werklohn abzufragen. Die Anordnung in Spruchpunkt I., die Bf habe eine Sicherheitsleistung in Höhe von 42.000 Euro zu erlegen, habe somit keine Grundlage in der Begründung des Bescheides. Der Bescheid sei außerdem nicht vollstreckungstauglich, weil keine genau definierte vollstreckbare Anordnung vorliege. Das wäre aber erforderlich, zumal eine Handlungspflicht beinhalte, die wohl am Ende mit Beugemitteln des Zwangsvollstreckungsrechtes durchgesetzt werden müsste. Der Bescheid sei daher inhaltlich nicht nachvollziehbar und daher gesetzwidrig.

 

I.3. Am 18. März 2016 wurde dem Oö. Landesverwaltungsgericht (Oö. LVwG) die verfahrensgegenständliche Beschwerde von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelt.

 

I.4. Das Oö. LVwG hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Durch­führung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21. Juli 2016. Außerdem wurde die Finanzpolizei, Team 43, in Vorbereitung auf die öffentliche mündliche Verhandlung ersucht, eine Stellungnahme zur Höhe des noch zu leistenden Werklohnes und zur Frage aufgrund welcher bestimmten Tatsachen geschlossen wurde, dass die Strafverfolgung unmöglich oder wesentlich erschwert sein würde, abzugeben.

 

In der Stellungnahme vom 3. Mai 2016 legte die Finanzpolizei im Wesentlichen dar, dass auf der Rechnung vom Dezember 2015 ersichtlich sei, dass diese Rechnung bereits durch die Firma O. verbucht und somit bezahlt worden wäre. Auf der Rechnung vom Jänner 2016 (Summe 23.000) fehle diese Verbuchung noch. Herr K. von der Firma O. hätte zugesagt, dass er die Buchhaltung sofort telefonisch anweisen würde, die Zahlung für diese Rechnung zu stoppen. Nach Wissen der Finanzpolizei wäre dieses Telefonat auch geführt und die Buchhaltung angewiesen worden, die Zahlung nicht zu leisten. Für die Zeiträume 11. bis 16.1.2016, 18. bis 23.1.2016, 25. bis 30.1.2016 und 1. bis 2.2.2016 hätten mittels der vorgelegten Belege erbrachte Leistungen der Firma S. für die Firma O. nachgewiesen werden können, für welche jedoch zum Zeitpunkt der Kontrolle noch keine Rechnungen gestellt worden wären. Eine Abdeckung der im Zahlungsstopp verfügten Summe in Höhe von 42.000 Euro wäre jedenfalls unter Einbeziehung der noch ausstehenden Rechnungen der Firma S. ausreichend gedeckt. Hinsichtlich der bestimmten Tatsachen wurde vorgebracht, dass vor Ort keine vorläufige Sicherheitsleistung eingehoben werden hätte können, wodurch der Zahlungsstopp aus folgenden Gründen notwendig gewesen wäre: Androhung einer sehr hohen Strafe (in diesem Fall 42.000 Euro) und keine Daten über die Firma S. aus der IWD-Abfrage. Informativ wurde angemerkt, dass ein erstinstanzliches Straferkenntnis bereits ergangen sei und ein Straf­verfahren wegen des Verstoßes gegen die Bestimmung des § 7b Abs. 3 AVRAG noch offen sei. Die Höhe des Zahlungsstopps wäre somit gerechtfertigt.

 

 

II. Das Oö. LVwG geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Firma S. S. sp z o o, x, L, P, wurde am 11.11.2015 von der O. C. C. GmbH, x, W, D, für die Regalmontage betreffend die Neueinrichtung der O.-Filiale Steyr, x, D, beauftragt. Die Gesamtauftragssumme ist mit 165.600 Euro im Auftrag beziffert.

 

Bei einer Kontrolle am 2.2.2016 um 8:00 Uhr durch die Finanzpolizei Team 43 im O.-Markt in D, x, wurden Dienstnehmer der Firma S. S. sp z o o, x, L, P, bei Aufbauarbeiten der Verkaufsregale angetroffen.

 

ZKO-Meldungen gemäß § 7b Abs. 4 AVRAG sowie Lohnunterlagen gemäß § 7d AVRAG konnten den Kontrollorganen nicht vorgelegt werden.

 

Mit Schreiben vom 3.2.2016 wurde von der Finanzpolizei Team 43 ein Zahlungs­stopp gemäß § 7m Abs. 1 AVRAG in der Höhe von 42.000 Euro hinsichtlich der der Auftragnehmerin zustehenden Forderungen aus dem Werklohn verfügt. Gleichzeitig wurde bei der belangten Behörde ein Antrag auf Erlag einer Sicherheitsleistung in der Höhe von 42.000 Euro durch die Auftraggeber eingebracht. Eine vorläufige Sicherheitsleistung gemäß § 7i AVRAG konnte nicht eingehoben werden. Das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe hinsichtlich der zwei Delikte betreffend der angeführten Arbeitnehmer beträgt insgesamt 210.000 Euro.

 

Laut einer eingeholten KSV-Auskunft wurde die Firma S. S. sp z o o gesamt mit einem Rating von 400 bewertet. (Erklärung Ratingklasse: 300 bis 399 geringes Risiko, 400 bis 499 erhöhtes Risiko).

 

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von der Rechtsvertreterin der Bf der Nachweis über die Bezahlung der mit Straferkenntnis der Bezirks­hauptmannschaft Steyr-Land SanRB96‑1018/10-2016 in der Höhe von 1.100 Euro verhängten Strafe durch die Firma S. vorgelegt.

 

 

III. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und den Ausführungen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung und ist in dieser Form unbestritten.

 

 

IV. Rechtliche Erwägungen:

 

Gemäß § 7d Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung des Arbeits- und Sozial­rechts-Änderungsgesetzes 2014 haben Arbeitgeber/innen im Sinn der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 während des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 7b Abs. 4 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel (§ 7b Abs. 1 Z 4), Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohn­aufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohn­einstufung zur Überprüfung des/dem/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebühren­den Entgelts in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten, auch wenn die Beschäftigung des/der einzelnen Arbeitnehmers/in in Österreich früher geendet hat. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Auf­forderung nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung folgenden Werktages abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

 

Gemäß § 7b Abs. 3 AVRAG haben Arbeitgeber/innen im Sinn des Abs. 1 die Be­schäftigung von Arbeitnehmer/innen, die zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, spätestens eine Woche vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeits­vertrags­rechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen zu melden und dem/der im Abs. 1 Z 4 bezeichneten Beauftragten, sofern nur ein/e Arbeitnehmer/in entsandt wird, diesem/dieser die Meldung in Abschrift auszu­händigen oder in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Die Meldung hat ausschließlich automationsunterstützt über die elektronischen Formulare des Bundesministeriums für Finanzen zu erfolgen. In Katastrophenfällen, bei unauf­schiebbaren Arbeiten und bei kurzfristig zu erledigenden Aufträgen ist die Meldung unverzüglich vor Arbeitsaufnahme zu erstatten. Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Aus­länderbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen hat die Meldung an den zuständigen Krankenversicherungsträger (§§ 26 und 30 ASVG), und sofern es sich um Bau­tätigkeiten handelt, der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse elektronisch zu übermitteln.

 

Gemäß § 7b Abs. 8 AVRAG begeht, wer als Arbeitgeber/in im Sinne des Abs. 1

1. die Meldung oder die Meldung über nachträgliche Änderungen bei den Angaben (Änderungsmeldung) entgegen Abs. 3  nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet oder

2. in der Meldung oder Änderungsmeldung nach Abs. 3 wissentlich unrichtige    Angaben erstattet oder

3. die erforderlichen Unterlagen entgegen Abs. 5 nicht bereithält oder den Organen der Abgabenbehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vor Ort nicht unmittelbar zugänglich macht oder

4. die erforderlichen Unterlagen entgegen Abs. 5 oder § 7h Abs. 2 nicht übermittelt,

eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5000 Euro, im Wiederholungsfall von 1000 Euro bis 10000 Euro zu bestrafen. Bei grenzüberschreitender Entsendung gilt die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Arbeits(Einsatz)
ort der nach Österreich entsandten Arbeitnehmer/innen liegt, bei wechselnden Arbeits(Einsatzorten) am Ort der Kontrolle.

 

Gemäß § 7i Abs. 4 AVRAG begeht wer als

1.  Arbeitgeber/In im Sinne der §§ 7, 7a, Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder

2.  Überlasser/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht nachweislich bereitstellt, oder

3.  Beschäftiger/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen nicht bereithält

eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit einer Geldstrafe von 1.000 bis 10.000 Euro, im Wieder­holungsfall von 2.000 bis 20.000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/ innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in von 2.000 bis 20.000 Euro, im Wiederholungsfall von 4.000 bis 50.000 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG kann die Bezirksverwaltungsbehörde dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in, wenn der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vorliegt und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich er­schwert sein werden, durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werk­lohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Die §§ 37 und 37a VStG sind in diesen Fällen, sofern in dieser Bestimmung nichts anderes vorgesehen ist, nicht anzuwenden. Mit Erlassung eines Bescheides fällt der Zahlungsstopp weg.

 

„Die Materialien (RV 319 BlgNR 25. GP, 15.) führen in diesem Zusammenhang wie folgt aus:

„Mit diesem kann bei Vorliegen der gleichen Voraussetzungen wie für die Sicherheitsleistung ... dem/der Auftraggeber/in oder dem/der Beschäftiger/in schriftlich aufgetragen werden, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder Teile davon nicht zu zahlen. Durch die sinngemäße  Anwendung des § 50 Abs 6 erster Satz VStG wird klargestellt, dass gegen den Zahlungsstopp ein Rechtsmittel nicht zulässig ist. Die Organe der Abgabenbehörde sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dürfen einen Zahlungsstopp nur  dann auftragen, wenn eine vorläufige Sicherheit nach § 71 nicht festgesetzt oder nicht eingehoben  werden konnte. Der Zahlungsstopp soll verhindern, dass nach einer Kontrolle Zahlungen erfolgen, die dem Auftrag einer Sicherheitsleistung entgegenstehen. Im Zahlungsstopp ist ein bestimmter Betrag zu nennen. Dieser darf aufgrund des Sicherungsinteresses nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Vor dem Auftrag des Zahlungsstopps ist eine Eruierung der Höhe des noch zu leistenden Werklohns oder des noch zu leistenden Überlassungsentgeltes durch die Kontroll­behörden nicht erforderlich. Der Zahlungsstopp ist in jenem Ausmaß nicht wirksam, in dem der von ihm genannte Betrag höher ist als der noch zu leistende Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt. Um die Wirksamkeit des Zahlungsstopps zu sichern, wird normiert, dass eine entgegen dem Zahlungsstopp geleistete Zahlung im Verfahren betreffend eine Sicherheitsleistung als nicht geleistet gilt. Schließlich wird für die Fälle, dass der/die Auftragnehmer/in oder Überlasser/in die vorläufige Sicherheit nachträglich oder eine Sicherheit, ohne dass eine solche festgesetzt wurde, aus eigenem leistet, vorgesehen, dass  der Zahlungsstopp von der Bezirksverwaltungsbehörde durch Bescheid aufzuheben und ein allfälliges Verfahren betreffend eine Sicherheitsleistung einzustellen ist."

 

Mit der Sicherheitsleistung wird der noch offene Werklohn gepfändet und soll als Sicherheit dienen, damit sich der Beschuldigte dem Verwaltungsverfahren nicht faktisch entzieht. Tut er dies dennoch, kann die Sicherheitsleistung als verfallen erklärt werden (§ 7m Abs 9 AVRAG), was den Beschuldigten uU - weil sie sich ja an der höchstmöglichen Geldstrafe orientiert - teurer zu stehen kommt. Bei der Sicherheitsleistung wird dem (i.a.R. inländischen) Auftraggeber (Werkbesteller) aufgetragen, das Entgelt für empfangene Leistungen nicht an den Auftragnehmer zu entrichten, sondern an die Bezirksverwaltungsbehörde (§7 Abs 3 AVRAG), wobei die Leistung an die Bezirks­verwaltungsbehörde gegenüber dem Auftragnehmer schuldbefreiend wirkt (§ 7m Abs 3 AVRAG). Leistet der Auftraggeber trotz aufgetragener Sicherheitsleistung an den Auftragnehmer, kann sich die Bezirksverwaltungsbehörde an ihm schadlos halten (vgl Wiesinger in „Arbeits- und SozialrechtsKartei", Die neue Mindestentgeltskontrolle, Stand März 2015, S 65).“

 

„Wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Auftrags zur Erlegung einer Sicherheitsleistung ist gemäß § 7m Abs 3 AVRAG, dass einerseits der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs 8, 7i oder 7k Abs 4 vorliegt „und" andererseits auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder des Überlassers liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde. Diese beiden Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.“

 

Der angefochtene Bescheid wurde mit dem begründeten Verdacht von Verwaltungsübertretungen nach § 7b Abs. 8 Z 1 AVRAG, erster Fall, sowie § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG erlassen, weil die Strafverfolgung bzw. der Strafvollzug allein auf Grund der Höhe der zu erwartenden Geldstrafe als gefährdet erscheint, da es sich bei der Firma S. S. sp z o o um einen ausländischen Arbeitgeber ohne Sitz im Bundesgebiet handelt und insgesamt für diese Übertretungen eine Höchststrafe in Höhe von 210.000 Euro angedroht ist. Darüber hinaus konnte vor Ort eine vorläufige Sicherheitsleistung nicht eingehoben werden.

 

In der vom Oö. LVwG eingeholten Stellungnahme der Finanzpolizei vom 3. Mai 2016 brachte die Finanzpolizei zur Frage, auf Grund welcher bestimmter Tatsachen darauf geschlossen wurde, dass die Strafverfolgung unmöglich oder wesentlich erschwert sein würde, vor: Androhung einer sehr hohen Strafe (in diesem Fall 42.000 Euro) und keine Daten über die Firma S. aus der IWD-Abfrage.

 

Der Umstand, dass der Sitz des Unternehmens im Ausland ist, ist nicht als bestimmte Tatsache im Sinn dieser Bestimmung anzusehen. Laut Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst, GZ. BKA‑601.468/0014-V/1/2010, scheint P nicht in der Liste jener Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf, in denen die Durchführung des Strafverfahrens oder des Strafvollzuges unmöglich oder wesentlich erschwert ist. Im Grunde der Verlautbarung des Bundeskanzleramtes auf der Internetseite "bka - wiki - internationale rechtshilfe", welche umfassend Informationen zur internationalen Rechtshilfe in Verwaltungs(straf)sachen zur Verfügung stellt, ist eine Strafverfolgung und Strafvollstreckung hinsichtlich P ab einem Strafbetrag von 70 Euro uneingeschränkt möglich. Der ausländische Betriebssitz der Firma S. begründet daher nicht die Unmöglichkeit bzw. die wesentliche Erschwernis der Strafverfolgung bzw. des Strafvollzuges.

 

Zur nachgereichten Begründung der Finanzpolizei, dass über die Firma S. aus der IWD-Abfrage keine Daten eruiert werden hätten können und somit bestimmte Tatsachen vorliegen würden, die die Strafverfolgung unmöglich oder wesentlich erschweren würden, ist Folgendes auszuführen:

 

In der in der Verhandlung vorgelegten KSV-Auskunft über die Firma S. S. sp z o o wurde diese in der Gesamtbewertung mit dem Rating 400 angeführt. 400 bedeutet laut der angeführten Legende zwar ein erhöhtes Risiko, jedoch wurde die Schwelle vom geringen Risiko zum erhöhten Risiko nur ganz knapp überschritten. Bei einem Rating von 399 Punkten würde noch geringes Risiko vorliegen, während bei 400 bis 499 erhöhtes Risiko vorliegt. Mit dieser marginalen Überschreitung der Grenze geringes Risiko - erhöhtes Risiko kann von der erkennenden Richterin keine bestimmte Tatsache gesehen werden, auf Grund derer die Strafverfolgung bzw. der Strafvollzug unmöglich oder wesentlich erschwert ist. Dies steht auch im Einklang mit der Aussage der Rechtsvertreterin der Bf in der öffentlichen mündlichen Verhandlung, dass laut telefonischer Nachfrage beim KSV die verfahrensgegenständliche Abfrage mit sehr hoher Sicherheit bewertet wurde. Dies aus dem Grund, da aus dem Jahr 2015 noch keine Daten vorliegen.

 

Zweck der Sicherheitsleistung ist, dass sich der Beschuldigte dem Verwaltungsverfahren faktisch nicht entzieht.

 

Die Rechtsvertreterin der Bf hat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung einen Nachweis über eine von der Firma S. bezahlte Verwaltungsstrafe vorgelegt. Dies belegt, dass sie sich  dem Verwaltungsstrafverfahren nicht faktisch entzogen hat und der Strafvollzug nicht unmöglich bzw. erschwert war.

 

Aus den angeführten Gründen liegen somit keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die Probleme im Zusammenhang der Strafverfolgung oder dem Strafvollzug erwarten lassen. Die geforderten bestimmten Tatsachen müssen vielmehr auf konkrete Umstände zurückgeführt werden können, die erfahrungsgemäß annehmen lassen, dass die beschuldigte Person sich der Strafverfolgung tatsächlich zu entziehen versuchen werde (vgl. LVwG Vorarlberg, Zl. 1‑354/2016-R8, 1‑355/2016-R8, vom 20.6.2016).

 

Bei der Androhung einer sehr hohen Strafe handelt es sich um keine bestimmte Tatsache, die in der Person des Arbeitgebers oder Überlassers liegt und die Strafverfolgung oder den Strafvollzug unmöglich macht oder wesentlich erschwert.

 

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, dass sich im vorliegenden Fall die Durchführung eines Strafverfahrens als unmöglich oder wesentlich erschwert erweisen werde, als verfehlt.

 

Da die Vorschreibung der Sicherheitsleistung nach § 7m Abs. 3 AVRAG bereits am Vorliegen der Annahme einer bestimmten Tatsache, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, scheitert, musste der begründete Verdacht, ob eine Verwaltungsübertretung nach § 7i AVRAG vorliegt, nicht mehr überprüft werden. Aus eben diesem Grund war auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde nicht weiter einzugehen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Gabriele Saxinger