LVwG-000142/4/ER
Linz, 15.09.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde des Dr. A S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 28. Jänner 2016, GZ. VetR96-50-2015, wegen einer Übertretung nach dem Tierarzneimittelkontrollgesetz
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG iVm § 45 Abs 1 Z 1 VStG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs 8 und 9 VwGVG hat der Beschwerdeführer weder einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens noch zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Straferkenntnis vom 28. Jänner 2016, VetR96-50-2015, verhängte die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis (im Folgenden: belangte Behörde) über den nunmehrigen Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) eine Verwaltungsstrafe nach dem Tierarzneimittelkontrollgesetz – TAKG in Höhe von 500,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Stunden), da er einer Mitteilungsverpflichtung gemäß § 8 Abs 4 TAKG nicht nachgekommen sei. Er habe es unterlassen, Unterlagen, die die Abteilung Ernährungssicherheit und Veterinärwesen des Amts der Oö. Landesregierung für den Landeshauptmann von Oberösterreich mit Schreiben vom 9. Juni 2015 (im Folgenden: pflichtauslösendes Schreiben) bis zum 17. Juni 2015 gefordert habe, zu übermitteln. Der Bf habe dadurch § 8 Abs 4 iVm Abs 1 und § 13 Abs 1 Z 1 TAKG verletzt.
I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Bf, in der er beantragt, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben, in eventu die Strafe zu reduzieren. Begründend bringt der Bf im Wesentlichen vor, das pflichtauslösende Schreiben vom 9. Juni 2015 gar nicht erhalten zu haben. Ferner sei er in der fraglichen Zeit wegen einer Augenerkrankung im Krankenstand gewesen. Darüber hinaus sei die Fristsetzung unzumutbar gewesen und das Mitteilungsverlangen dem Inhalt nach nicht rechtskonform.
I.3. Mit Schreiben vom 18. März 2016 legte die belangte Behörde dem Oö. Landesverwaltungsgericht die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor und führte ergänzend aus, dass sie aufgrund einer telefonischen Äußerung des Bf davon ausgehe, dass dieser das pflichtauslösende Schreiben vom 9. Juni 2015 erhalten habe.
Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt. Zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, entfällt die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung (§ 44 Abs 2 VwGVG).
I.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem entscheidungsrelevanten S a c h v e r h a l t aus:
Der Bf ist deutscher Staatsbürger und hatte bis 3. November 2015 in Österreich einen Nebenwohnsitz gemeldet.
Mit E-Mail vom 10. Juni 2015 wurde pflichtauslösende Schreiben vom 9. Juni 2015, ESV-100020/36-2015-Hv, in dem vom Bf im Anschluss an eine Kontrolle gemäß § 9 TAKG die Übermittlung diverser Unterlagen bis spätestens 17. Juni 2015 eingefordert wurde, an die E-Mailadresse x gesendet.
Nach Absendung dieses E-Mails erging folgende Meldung: „Die Zustellung an diese Empfänger oder Gruppen ist abgeschlossen. Vom Zielserver wurde keine Zustellbenachrichtigung gesendet.“
Dieses Schreiben wurde ferner am 10. Juni 2015 an die (deutsche) Faxnummer x gefaxt. Nach Absendung dieses Faxes erging dieselbe Meldung wie zum oben genannten E-Mail.
Weder für die Übermittlung des E-Mails noch des Faxes wurde ein elektronischer Zustelldienst beauftragt.
Eine physische Zustellung des Schreibens wurde nicht versucht, entsprechend dem Briefkopf wurde die Zustellung ausschließlich per E-Mail und Fax verfügt.
Der Bf hat weder den Empfang des E-Mails noch jenen des Faxes bestätigt.
II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich völlig widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt bzw einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
III. Gemäß § 37 Abs 1 Zustellgesetz können Zustellungen ohne Zustellnachweis auch an einer elektronischen Zustelladresse (...) erfolgen. Bei der Zustellung an einer elektronischen Zustelladresse gilt das Dokument mit dem Zeitpunkt des Einlangens beim Empfänger als zugestellt. Bestehen Zweifel darüber, ob bzw wann das Dokument beim Empfänger eingelangt ist, hat die Behörde Tatsache und Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. (...)
Gemäß § 7 ZustellG gilt für den Fall, dass im Verfahren Zustellmängel unterlaufen, die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Gemäß § 11 Abs 1 ZustellG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.
Gemäß Artikel 1 Abs 1 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen leisten die Vertragsstaaten in öffentlich-rechtlichen Verfahren ihrer Verwaltungsbehörden, in österreichischen Verwaltungsstraf- und in deutschen Bußgeldverfahren, soweit sie nicht bei einer Justizbehörde anhängig sind, ferner in Verfahren vor den österreichischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den deutschen Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach Maßgabe dieses Vertrags Amts- und Rechtshilfe.
Gemäß Artikel 10 Abs 1 dieses Vertrags werden Schriftstücke in Verfahren nach Artikel 1 Absatz 1 unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig“ und „Rückschein“ zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstücks nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.
IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
IV.1. Die belangte Behörde wirft dem Bf im angefochtenen Straferkenntnis die Unterlassung der Vorlage von Unterlagen, zu der er mit dem pflichtauslösenden Schreiben vom 9. Juni 2015 aufgefordert worden sein soll, vor. Dieses Schreiben diente somit der Auslösung jener Pflichten, deren Nichterfüllung das vorgeworfene Unterlassungsdelikt begründet. Um die Erfüllung des Tatbestands des vorgeworfenen Unterlassungsdelikts beurteilen zu können, ist zunächst zu prüfen, ob das pflichtauslösende Schreiben dem Bf jemals zugekommen ist.
IV.2.1. Das pflichtauslösende Schreiben wurde an die E-Mailadresse x gesendet.
Ferner erfolgte eine Versendung des pflichtauslösenden Schreibens an eine Faxnummer (mit deutscher Vorwahl).
Zumal bei der Zustellung des pflichtauslösenden Schreibens auf die Zustellung durch einen elektronischen Zustelldienst verzichtet wurde, handelt es sich bei der gewählten Zustellform um eine Zustellung ohne Zustellnachweis gemäß § 37 Abs 1 ZustellG. Aus den parlamentarischen Materialien zu § 37 ZustellG ergibt sich, dass von der darin geregelten Zustellform sowohl die Zustellung an eine E-Mailadresse (außerhalb der Verwendung eines elektronischen Zustelldienstes) als auch die Zustellung per Fax erfasst ist (EBRV 294 BlgNR 23. GP 24; vgl auch VwGH 25.3.2009, 2008/03/0137).
Aus § 37 Abs 1 ZustellG ergibt sich ex lege, dass bei Zweifeln darüber, ob bzw wann das Dokument beim Empfänger eingelangt ist, die Behörde Tatsache und Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen hat.
IV.2.2. Der Bf hat in seiner Beschwerde gegen das verfahrensgegenständliche Straferkenntnis vorgebracht, dass ihm das pflichtauslösende Schreiben, auf das sich der Vorwurf der Verwaltungsstraftat stützt, nicht zugekommen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seinem Erkenntnis vom 7. September 2011, 2008/08/0131, fest, dass „[n]icht der Empfänger eines – ohne Zustellnachweis versendeten – Dokuments [...] nachzuweisen (oder auch nur glaubhaft zu machen) [hat], dass es zu (allgemeinen) Zustellproblemen (etwa aufgrund des Wechsels des Zustellers) gekommen sei; auch hat er nicht nachzuweisen (oder glaubhaft zu machen), dass er die Sendung nicht erhalten habe. Es hat vielmehr im Bestreitungsfall die Behörde die Zustellung nachzuweisen“. Ferner führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.2.2003, 2000/03/0035, aus, dass – wenn die Behörde den Zustellnachweis für entbehrlich gehalten hat – sie die Folgen auf sich nehmen muss, wenn sie späterhin der Behauptung eines Zustellmangels durch die Partei nicht wirksam entgegentreten kann.
Die belangte Behörde hat bei der Abteilung ESV des Amts der Oö. Landesregierung Nachweise über die Zustellung des verfahrens-gegenständlichen Schreibens angefordert und dieses zur Stellungnahme zur Beschwerde des Bf aufgefordert.
Die Abteilung ESV legte daraufhin die unter I.4. genannten Übertragungsprotokolle vor und ergänzte, dass am 19. Juni 2015 im Zuge eines Telefonats eines Mitarbeiters des Abteilung ESV mit dem Bf dieser gesagt habe, er hätte „einen arroganten Wisch vom Hain“ bekommen und werde die Unterlagen im Zuge einer weiteren Kontrolle vorlegen.
IV.2.3. Aus einem Übertragungsprotokoll kann für sich allein nicht der Schluss gezogen werden, dass die Zustellung eines behördlichen Schriftstückes jedenfalls erfolgreich war (vgl VwGH 25.3.2009, 2008/03/0137 uHa VwGH 24.1.2008, 2006/19/0606 betreffend Telefax).
Wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt, wurde die Wahrnehmung über das Telefonat des Mitarbeiters des Abteilung ESV mit dem Bf vom 19. Juni 2015 allerdings weder durch jene Person, die mit dem Bf telefoniert hat festgehalten und der belangten Behörde mitgeteilt, noch zeitnahe zum geführten Telefonat, sondern durch eine dritte Person, die während des Telefonats des Behördenvertreters mit dem Bf im selben Raum anwesend war und zwar erst am 7. März 2016.
Zwar befindet sich im Akt ein Foto von einer handschriftlichen Notiz, aus der geschlossen werden kann, dass anlässlich irgendeines Telefonats ein Gesprächsteilnehmer von einer im Raum anwesenden Person aufgefordert wurde, den anderen Gesprächsteilnehmer zu fragen, ob er „angeforderte“ Unterlagen vorlegen werde, sowie ein weiteres Foto einer undatierten handschriftlichen Notiz, auf der „arroganter Wisch vom Hain“ zu lesen ist und eine teilweise unlesbare Anmerkung, über Medikamente, einen Keller und eine Hausapotheke. Diesen Fotos vermag das Oö. Landesverwaltungsgericht jedoch nicht zu entnehmen, welche „angeforderten“ Unterlagen auf der handschriftlichen Notiz gemeint waren, geschweige denn, dass der Bf den Erhalt des pflichtauslösenden Schreibens vom 9. Juni 2015 bestätigt hätte.
Auch kann vom Oö. Landesverwaltungsgericht aufgrund dieser Fotos nicht erkannt werden, dass der Bf im Zuge dieses Gesprächs die Vorlage von irgendwelchen Unterlagen bei einer weiteren Kontrolle zugesagt hätte. Dies wurde der belangten Behörde gegenüber vielmehr erstmals am 7. März 2016 von jener Person erwähnt, die beim og Telefongespräch im selben Raum anwesend war, jedoch nicht selbst mit dem Bf telefoniert hat.
Dennoch geht die belangte Behörde davon aus, dass es sich im Rahmen des og Telefongespräch nur um das verfahrensgegenständliche Schreiben vom 9. Juni 2015 gehandelt haben könne, da laut Mitteilung der Abteilung Ernährungssicherheit und Veterinärwesen beim Amt der Oö. Landesregierung kein weiters Schreiben von x an den Bf ergangen sei. Zum Einwand des Bf in seiner Beschwerde, dass er – selbst bei Empfang des Schreibens – aufgrund eines Augenleidens und der kurzen Frist nicht in der Lage gewesen wäre, die geforderten Unterlagen vorzulegen, gab die belangte Behörde zu bedenken, dass der Bf sich nicht einmal um eine Fristverlängerung bemüht habe.
Die belangte Behörde hat mit diesen Anmerkungen zur Vorlage der Beschwerde versucht, den tatsächlichen Zugang des pflichtauslösenden Schreibens an den Bf zu beweisen. Zumal – abgesehen davon, dass die zitierte Telefonnotiz erst neun Monate nach dem Telefonat und darüber hinaus nicht einmal von jener Person angefertigt wurde, die selbst mit dem Bf telefoniert hat – der Bf laut dieser Notiz den Erhalt des pflichtauslösenden Schreibens nach Ansicht des Oö. Landesverwaltungsgerichts keinesfalls bestätigt hat und aus Übertragungsprotokollen allein nicht der Schluss gezogen werden, dass die Zustellung eines behördlichen Schriftstückes jedenfalls erfolgreich war, gelingt der belangten Behörde damit nicht der Beweis des tatsächlichen Zugangs des verfahrensgegenständlichen Schreibens an den Bf. Auch der Hinweis, dass der Bf kein weiters Schreiben des Landesveterinärdirektors mehr erhalten habe, schließt nicht aus, dass sich der Bf bei seiner Aussage über den „Wisch“ auf ein früheres Schreiben der Landesveterinärdirektion bezogen haben kann.
Hingegen lässt die abschließende Anmerkung der belangten Behörde, dass sich der Bf nicht einmal um eine Fristverlängerung bemüht habe, nach Ansicht des Oö. Landesverwaltungsgerichts darauf schließen, dass ihm das Schreiben tatsächlich nicht zugekommen ist, da er sich ansonsten wohl – insbesondere angesichts seiner eingewendeten Erkrankung – um eine Fristverlängerung bemüht hätte.
IV.2.4. Selbst wenn man aufgrund dieser Telefonnotiz und der daraus gezogenen Schlüsse der Behörde zum Ergebnis kommen sollte, dass das pflichtauslösende Schreiben dem Bf tatsächlich zugekommen ist, gelingt es der belangten Behörde jedoch nicht, das Datum des allfälligen tatsächlichen Zukommens dieses Schriftstücks kalendermäßig festzustellen. Ohne aktenmäßigen Nachweis über die Zustellung eines Schriftstückes kann die Behörde entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.2.2003, 2000/03/0035, aber den Lauf einer Frist nicht mit irgend einem bestimmten Tag als gegeben betrachten; der Behörde obliegt es, die aktenmäßigen Grundlagen dafür zu schaffen, dass der (Beginn des) Fristenlaufs kalendermäßig festgestellt werden kann (wie sich im Übrigen aus § 37 Abs 1 ZustellG ex lege ergibt).
Ob dem Bf das Schreiben aber – falls überhaupt – vor Ablauf der im Schreiben gesetzten Frist bis 17. Juni 2015 zugekommen und dem Bf die Erfüllung der Aufforderung damit überhaupt zeitlich möglich gewesen sein könnte, lässt sich – mangels Zustellnachweis – im vorliegenden Fall jedoch nicht mehr rekonstruieren. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Schreiben an jene Faxnummer geschickt wurde, die der Bf selbst der belangten Behörde bekannt gegeben hat und gemäß § 61 Absatz 7 Apothekenbetriebsordnung 2005 zum Empfang wichtiger Informationen ein Telefaxgerät ständig funktionsfähig vorhanden sein muss. Diese Regelung beinhaltet keine Zustellfiktion, weder das tatsächliche Zukommen noch der Zeitpunkt des allfälligen tatsächlichen Zukommens des Schreibens lässt sich daraus ableiten.
IV.2.5. Abgesehen davon steht fest, dass der Bf deutscher Staatsbürger ist und das pflichtauslösende Schreiben an eine deutsche Faxnummer gerichtet war. Eine Zustellung an den österreichischen Nebenwohnsitz des Bf wurde nicht verfügt, sondern ausschließlich die Zustellung an die og E-Mailadresse und die deutsche Faxnummer.
Entsprechend Artikel 10 Abs 1 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen hat die Zustellung von Schriftstücken in öffentlich-rechtlichen Verfahren von Verwaltungsbehörden zwischen den Vertragspartnerstaaten entweder durch die Post oder durch die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu erfolgen.
Die mit Schreiben vom 9. Juni 2015 an den Bf gerichtete Aufforderung, anlässlich einer stattgefundenen Kontrolle gemäß § 9 TAKG bis 17. Juni 2015 Unterlagen vorzulegen, ist zweifelsfrei im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Verfahrens vor einer Verwaltungsbehörde ergangen.
Der Verwaltungsgerichtshof hielt fest, dass für die Frage der Heilung von Mängeln einer im Ausland erfolgten Zustellung grundsätzlich § 7 ZustellG maßgeblich ist (vgl VwGH 23.6.2003, 2002/17/0182). Die hA und Rsp geht davon aus, dass bei Einhaltung der Zustellvorschriften vom Vorliegen einer ordnungsgemäßen Zustellung auszugehen ist (Raschauer/Riesz in Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht², S 59).
Im vorliegenden Fall wurden jedoch die Zustellvorschriften gemäß § 11 ZustellG iVm Artikel 10 Abs 1 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen nicht eingehalten, zumal weder die Post noch die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat im Wege der Amts- und Rechtshilfe mit der Zustellung der Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen an den Bf betraut wurde. Es liegt somit iSd § 11 ZustellG iVm Artikel 10 Abs 1 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen ein Zustellmangel vor.
Die Beweislast betreffend die allfällige Heilung dieses Zustellmangels, der aufgrund der Nichteinhaltung von Zustellvorschriften durch die Behörde eingetreten ist, trifft somit die Behörde. Wie bereits oben dargelegt, kann aber nicht mehr rekonstruiert werden, ob dem Bf das Schreiben tatsächlich zugekommen ist und der Zustellmangel geheilt wurde.
IV.3. Zumal die Behörde weder eine Zustellung mittels Zustellnachweis für erforderlich erachtet hat, noch sich an die Zustellerfordernisse des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen gehalten hat und der Bf den Erhalt des Schreibens glaubhaft leugnet, kann der Zugang des pflichtauslösenden Schreibens an den Bf (zu einem bestimmten Datum) nicht mehr bewiesen werden.
Dies gilt im Übrigen auch für den Fall, dass der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen aufgrund des im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gemeldeten österreichischen Nebenwohnsitzes des Bf keine Anwendung finden sollte. Die belangte Behörde trifft dennoch mangels Zustellnachweis sowohl entsprechend der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs als auch ex lege gemäß § 37 Abs 1 ZustellG die Last des Nachweises einer allfälligen Zustellung, der jedoch – wie oben dargelegt – nicht erbracht werden konnte.
Es kann somit nicht nachgewiesen werden, dass das – für das dem Bf vorgeworfene Unterlassungsdelikt – notwendige pflichtauslösende Schreiben diesem jemals zugegangen ist.
IV.4. Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.
Im gegenständlichen Fall bildet die vorgeworfene Tat ein Unterlassungsdelikt, nämlich die Nichtvorlage von mit Schreiben vom 9. Juni 2015 geforderten Dokumenten gemäß § 8 Abs 4 TAKG binnen einer von der Behörde festgesetzten Frist.
Zumal jedoch nicht einmal die Zustellung des pflichtauslösenden Aufforderungsschreibens an den Bf nachgewiesen werden kann, kann erst recht das darauf gegründete, dem Bf zur Last gelegte Unterlassungsdelikt nicht erwiesen werden.
V. Im Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis daher aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. R e i t t e r