LVwG-850594/15/HW

Linz, 15.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Wiesinger über die Beschwerde der D x GmbH, x, A, vertreten durch die x Rechtsanwälte GmbH, x, W, gegen den Bescheid des Präsidenten der Wirtschaftskammer Oberösterreich vom 4. Jänner 2016 betreffend die Feststellung der Grund­umlagenpflicht 2015 gemäß § 128 Abs. 1 Wirtschafts­kammergesetz

 

zu Recht:

I.         Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid des Präsidenten der Wirtschaftskammer Oberösterreich (im Folgenden: WKOÖ) vom 4. Jänner 2016 wurde festgestellt, dass für die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) auf Grund ihrer Mitgliedschaft in der Fachgruppe X-industrie in der WKOÖ eine Grundumlagenpflicht in Höhe von 160.576,37 Euro für das Jahr 2015 besteht. Die Bf erhob gegen diesen Bescheid mit Eingabe vom 15. Jänner 2016 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: LVwG). Begründend führte die Bf im Wesentlichen aus, dass die dem Bescheid zugrundeliegende Verordnung rechtswidrig sei.

 

I.2. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 15. April 2016, eingelangt am 20. April 2016, wurde die Beschwerde samt Akt dem LVwG vorgelegt.

 

I.3. Mit weiteren Eingaben brachte die Bf ergänzend im Wesentlichen vor, dass die jährliche Verlautbarung einer Verordnung nicht bedeute, dass die Verordnung neu gefasst werde und sich die Aufhebung einer Verordnung auch auf spätere Verlautbarungen erstrecke. Die Bf könne im Zusammenhang mit der Aufhebung der Verordnung „Beschluss der Fachgruppentagung“ der Fachgruppe X-industrie in der WKOÖ vom 7. Oktober 2011 von der „Ergreiferprämie“ profitieren, eine aus dem Rechtsbestand beseitigte Verordnung sei nicht mehr anzuwenden.

 

I.4. Die belangte Behörde brachte mit weiteren Eingaben im Wesentlichen vor, dass für 2015 kein eigenständiger Grundumlagenbeschluss gefasst worden wäre und auch die wiederholte Verlautbarung einer Verordnung keine neue Verord­nung darstelle. Allerdings sei der Beschluss der Fachgruppentagung der Fach­gruppe X-industrie in der WKOÖ vom 7. Oktober 2011 im vorliegenden Fall noch anwendbar.

 

 

II.1. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Akt der belangten Behörde und in die von den Parteien gemachten Eingaben. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da von den Ver­fahrensparteien ausdrücklich darauf verzichtet wurde. Im Übrigen lässt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine weitere Klärung der Rechts­sache nicht erwarten, da der Sachverhalt unstrittig ist und von den Parteien zur entscheidungswesentlichen Rechtsfrage auch bereits mehrfach Stellung genom­men wurde. Das LVwG geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Bf verfügt und verfügte auch in den Jahren 2014 und 2015 über die im ange­fochtenen Bescheid genannten Berechtigungen (Berechtigung zur Erzeugung von X-waren [Schnittware] einschließlich X-ware in Form eines Industriebetriebes am Standort in E, x, Berechtigung zur Erzeugung von X-waren [Schnittware] einschließlich X-ware am Standort A, x, [ruhende] Berechtigung zur Erzeugung von X-waren [Schnittware] einschließlich X-ware an einem weiteren Standort in A), jeweils Fachgruppenmitgliedschaft X-industrie. Im Jahr 2014 betrug die kommunalsteuerpflichtige Brutto-Lohn- und Gehaltssumme beim Standort E, x, 4.104.952,-- Euro, sodass 2,8 Promille hiervon 11.493,87 Euro betragen. Der X-einschnitt betrug in diesem Jahr für den genannten Standort 496.515 F, sodass dies bei Zugrundelegung eines Betrages von 0,30 Euro pro F einen Betrag von 148.954,50 Euro ergeben würde.

 

II.2. Der unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt ergibt sich vor allem aus den in der Vorschreibung enthaltenen Beträgen und den Feststellungen des angefoch­tenen Bescheides, welchem von der Bf in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Es wurde der angenommene Sachverhalt den Verfahrensparteien auch mit Schreiben vom 1. September 2016 bekanntgegeben, wobei in diesem Schreiben vom LVwG auch ausgeführt wurde, dass im Falle eines beiderseitigen Verhandlungsverzichtes das LVwG ohne weitere Verhandlung unter Zugrunde­legung des bekanntgegebenen Sachverhaltes eine Entscheidung treffen werde, sofern von den Parteien bei Abgabe eines Verhandlungsverzichtes nicht allfällige aus Sicht einer Partei bestehende Unrichtigkeiten hinsichtlich des dargestellten Sachverhaltes angegeben werden, da dann angenommen werde, dass der bekanntgegebene Sachverhalt nach Wissen der Parteien zutreffend ist. In weiterer Folge wurde dann zwar von beiden Parteien ein Verhandlungsverzicht abgegeben, die Richtigkeit des bekanntgegebenen (zunächst nur vorläufig angenommenen) Sachverhaltes wurde von den Parteien aber nicht bestritten bzw. angezweifelt, sodass aus Sicht des LVwG keine Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen bestehen.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

III.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die Verordnung „Beschluss der Fachgruppentagung“ der Fachgruppe X-industrie in der WKOÖ vom 7. Oktober 2011, verlautbart in der „Oberösterreichischen Wirtschaft“ vom 19. Dezember 2014. Gemäß dem Beschluss der Fachgruppentagung der Fach­gruppe X-industrie in der WKOÖ vom 7. Oktober 2011 ist vom Berufszweig der X-unternehmungen eine Grundumlage im Ausmaß von 2,80 Promille der Brutto-Lohn- und Gehaltssumme (BLGS) zu zahlen, wobei eine Mindestgrundumlage von 66,-- Euro, für ganzjährig ruhende Mitgliedschaften von 33,-- Euro, vorgesehen ist. Zudem ist als Beitrag für die X-information ein Betrag von 0,30 Euro je F X-einschnitt zu zahlen, wobei hier eine Mindestumlage von 44,-- Euro vorgesehen ist. Die Bemessungsgrundlagen sind auf Basis des dem Vorschreibungsjahr vorangegangenen Jahres zu ermitteln. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, insbesondere der festgestellten Fachgruppenmit­gliedschaft, der Brutto-Lohn- und Gehaltssumme und des X-einschnittes im Jahr 2014 beim Standort E und unter Berücksichtigung der Mindestbeträge hinsichtlich der weiteren Standorte, entspricht die im angefochtenen Bescheid festgestellte Grundumlagenpflicht der Bf für das Jahr 2015 dem Beschluss der Fachgruppentagung der Fachgruppe X-industrie in der WKOÖ vom
7. Oktober 2011, verlautbart in der „Oberösterreichischen Wirtschaft“ vom
19. Dezember 2014. Der angefochtene Bescheid ist daher insofern nicht rechtswidrig.

 

III.2. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Entscheidung vom 8. März 2016,
Zl. V 136/2015l u.a. die Verordnung „Beschluss der Fachgruppentagung“ der Fachgruppe X-industrie in der WKOÖ vom 7. Oktober 2011 als gesetzwidrig aufgehoben. Ungeachtet der neuerlichen Verlautbarung dieser Verordnung in der „Oberösterreichischen Wirtschaft“ vom 19. Dezember 2014 ist - wie dies auch von den Verfahrensparteien vertreten wird - davon auszugehen, dass die Verord­nung „Beschluss der Fachgruppentagung“ der Fachgruppe X-industrie in der WKOÖ vom 7. Oktober 2011 zur Gänze und daher auch hinsichtlich der Grund­umlage 2015 aufgehoben wurde (so auch Landesverwaltungsgericht Nieder­österreich 29.04.2016, LVwG-AV-1128/001-2015, zur Grundumlage betreffend die Wirtschaftskammer N). Die von der Bf in der Beschwerde vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dieser Verordnung sind daher nicht (mehr) von Relevanz, da eine vom Verfassungsgerichtshof bereits aufgehobene Verordnung nicht neuerlich Gegenstand eines Verordnungs­prüfungsverfahrens sein kann (vgl. VfGH 13.06.1995, V 41/95, u.a.; 19.06.1998, V 152/96; VfGH 16.04.1998, B 467/98). Eine durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts­hofes aufgehobene Verordnung ist unangreifbar und einer neuerlichen Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof auch dann entzogen, wenn sie
- trotz erwiesener Gesetzwidrigkeit - noch auf frühere Sachverhalte anwendbar ist (Rohregger in Korinek/Holoubek [Hrsg.], B-VG Kommentar, Art. 140 B-VG
Rz 312; Schäffer/Kneihs in Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer, Kommentar Bundesverfassungsrecht, Art. 140 Rz 84; VfGH 13.06.1995, V 41/95, u.a.). Im Ergebnis verschlechtert eine Aufhebung somit die Rechtslage für all jene Fälle, die sich während des zeitlichen Anwendungs­bereiches der aufgehobenen Norm verwirklicht haben und nicht in den Genuss der Anlassfallwirkung kommen (Rohregger aaO Rz 312 f). Es stellt sich daher im vorliegenden Beschwerde­verfahren die zwischen den Verfahrensparteien strittige Frage, ob trotz der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof der „Beschluss der Fach­gruppen­tagung“ der Fachgruppe X-industrie in der WKOÖ vom 7. Oktober 2011 im vorliegenden Fall noch anzuwenden ist.

 

Nach Art. 139 Abs. 6 B-VG ist eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Verordnung auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Die Bf weist zwar mit Recht darauf hin, dass die verfahrensgegenständliche Verordnung aufgrund der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof aus dem Rechtsbestand ausge­schieden ist und vom LVwG die Entscheidung an Hand der im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu treffen ist (ständige Recht­sprechung: vgl. etwa jüngst VwGH 24.05.2016, Ra 2016/07/0039). Dies ändert aber nichts daran, dass gemäß Art. 139 Abs. 6 B-VG für die weitere Anwendung einer aufgehobenen Verordnung maßgeblich ist, dass sich der Sachverhalt vor der Aufhebung verwirklicht hat und nicht, wann dieser Sachverhalt beurteilt wird (Rohregger aaO Rz 314; vgl. auch VwGH 07.08.1992, 91/14/0087). Im ange­fochtenen Bescheid wird über Art und Ausmaß der Grundumlagenpflicht der Bf für das Jahr 2015 abgesprochen, es geht daher um die Beurteilung eines Sach­verhaltes, welcher sich vor der Aufhebung der Verordnung „Beschluss der Fach­gruppentagung“ der Fachgruppe X-industrie in der WKOÖ vom 7. Oktober 2011 durch den Verfassungsgerichtshof ereignete. Eine Ausdehnung der Anlassfall­wirkung wurde vom Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung vom
8. März 2016 nicht ausgesprochen. Trotz des Umstandes, dass im vorliegenden Fall die Bf auch Partei der Anlassverfahren war und die verfahrensgegen­ständliche Rechtssache (Grundumlagenpflicht 2015) mit den Sachverhalten der Anlassfälle (Grundumlagenpflicht 2013 und Grundumlagenpflicht 2014) wer­tungs­mäßig ver­gleichbar ist, wird der vorliegende Fall nicht zum Anlassfall im Sinne des Art. 139 B-VG (Rohregger aaO Rz 321 mwN). Es wurde im Schrifttum zwar schon darauf hingewiesen, dass diese Rechtslage in bestimmten Konstellationen (so etwa auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren) zu einem Rechtsschutzdefizit führt (vgl. Rohregger aaO Rz 321 mwN), jedoch ändert dies nichts daran, dass der „Beschluss der Fachgruppentagung“ der Fachgruppe X-industrie in der WKOÖ vom 7. Oktober 2011 auf den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt noch anzuwenden ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch VwGH 07.08.1992, 91/14/0087, betreffend die Wirkungen einer Aufhebung auf verschiedene Ver­anlagungsjahre) und eine Anfechtung dieser Verordnung beim Verfassungs­gerichtshof nicht mehr in Betracht kommt.

 

III.3. Da die Verordnung „Beschluss der Fachgruppentagung“ der Fachgruppe X-industrie in der WKOÖ vom 7. Oktober 2011, verlautbart in der „Oberöster­reichischen Wirtschaft“ vom 19. Dezember 2014, hinsichtlich der Grundumlage für 2015 anwendbar ist und im angefochtenen Bescheid die Grundumlagenpflicht 2015 für die Bf entsprechend dieser Verordnung festgestellt wurde, ist die Beschwerde der Bf als unbegründet abzuweisen (aA jedoch Landesverwaltungs­gericht Niederösterreich 29.04.2016, LVwG-AV-1128/001-2015, hinsichtlich der Wirtschaftskammer N).

 

 

IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da keine Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes zur Frage vorliegt, ob aufgrund der Entscheidung des Verfassungs­gerichtshofes vom 8. März 2016, Zl. V 136/2015, u.a. zwar die Verordnung „Beschluss der Fachgruppentagung“ der Fachgruppe X-industrie in der Wirt­schaftskammer Oberösterreich vom 7. Oktober 2011 auch betreffend Grund­umlage 2015 aufgehoben wurde, allerdings diese Verordnung für die Feststellung von Art und Ausmaß der Grundumlagenpflicht 2015 (ausgenommen der „Anlass­fälle“) weiterhin anwendbar ist.

 

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwer­de bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Wiesinger

Beachte: Verfassungsgerichtshofbeschwerde anhängig