LVwG-250092/2/SCH/HK
Linz, 08.09.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Schön über die Beschwerde der Stadt Wien, Magistratsabteilung 56, Mollardgasse 87/HP, 1060 Wien, vom 10. August 2016 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 5. August 2016, BHKIBI-2016-197272/6-GW, wegen Vorschreibung eines Gastschulbeitrages für den Schüler der Volksschule x J.H. im Schuljahr 2015/2016
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf hat mit Bescheid vom 5. August 2016, GZ: BHKIBI-2016-197272/6-GW, in der Angelegenheit eines Gastschulbeitrages für den Schüler J.H. an der Volksschule x im Schuljahr 2015/2016 Folgendes angeordnet:
2. Gegen diesen Bescheid hat die Stadt Wien, Magistratsabteilung 56, rechtzeitig Beschwerde erhoben. Die belangte Behörde hat diese samt Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hatte gemäß § 2 VwGVG durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter zu entscheiden.
Gemäß § 24 Abs.2 Z1 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen. Eine solche wurde im Übrigen auch nicht beantragt.
3. Der gegenständliche Aktenvorgang stellt sich chronologisch wie folgt dar:
Unbestritten ist, dass der Schüler J.H., geb. x, im Schuljahr 2015/2016 die Volksschule x besucht hat. Das Kind ist laut Zentralem Melderegister bei seiner Mutter Mag. E.M.H. an einer Adresse in W. seit dem Jahr 2012 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Mit 14. September 2015 wurde für das Kind ein Nebenwohnsitz in der Gemeinde M. in Oberösterreich begründet.
Die Ursache für diese Maßnahme liegt laut Stellungnahme der Mutter des Schülers darin, dass, nachdem ihr Sohn die erste Klasse Volksschule in W. besucht hatte, sich im Frühjahr 2015 ein Unfall ihres Vaters mit schweren Verletzungen ereignet habe. Dieser Umstand habe sie bewogen, mit ihrem Sohn für ein Jahr nach Oberösterreich, eben nach M., zu übersiedeln, um den Vater pflegen zu können. Da ihr Sohn naturgemäß weiterhin eine Schule besuchen musste, wurde die Volksschule x für das Schuljahr 2015/2016 besucht.
Aus der zitierten Aktenlage geht also hervor, dass die Übersiedlung nach M. nicht in dem Schulbesuch an sich begründet war, sondern in den geänderten Umständen in der Familie, eben in den erwähnten Pflegefall.
Es wurde der Lebensmittelpunkt der beiden Personen ganz offenkundig von W. nach M. verlegt. Daran kann keinerlei Zweifel bestehen, da die Pflege eines Angehörigen aus einer Entfernung von weit über 200 Kilometern nicht möglich ist.
An der Tatsache, dass der Lebensmittelpunkt, also der Hauptwohnsitz, mit Beginn des Schuljahres 2015/2016 in M. in Oberösterreich und nicht mehr in W. war, wird auch dadurch nicht in Frage gestellt, dass der oberösterreichische Wohnsitz lediglich als Nebenwohnsitz und jener in W. weiterhin als Hauptwohnsitz im Melderegister aufscheinen. Die melderechtliche Seite der Angelegenheit ist nicht entscheidend, vielmehr kommt es auf den nach den tatsächlichen Anknüpfungspunkten zu ermittelnden Mittelpunkt der Lebensbeziehungen einer Person an (VwGH 21.6.2007, 2004/10/0109).
Wenn die Mutter des Schulpflichtigen im behördlichen Verfahren zum Ausdruck gebracht hat, dass die Beibelassung des formellen Hauptwohnsitzes in W. darin begründet war, um die Wohnung behalten zu können, so ist dieses Argument durchaus nachvollziehbar, kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung doch kaum jemand mit Gewissheit davon ausgehen, dass ein bestimmter Aufenthaltsort bzw. Wohnsitz dauerhaft ist. Haupt- und Nebenwohnsitze können immer wieder im Lebenslauf einer Person geändert werden, ersterer bleibt für den jeweils relevanten Zeitraum, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, dennoch der Lebensmittelpunkt. Die von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung verlangte Dauerhaftigkeit eines Wohnsitzes kann in diesem Sinne also nicht gestützt werden.
4. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus diesen Ausführungen in Hinblick auf den Gastschulbeitrag Folgendes:
Gemäß § 53 Abs. 2 Oö. Pflichtschulorganisationsgesetz 1992 (Oö. POG 1992), LGBl. Nr. 35/1992 idgF, haben die Gemeinden, in denen die Schüler ihren Hauptwohnsitz haben, dem gesetzlichen Schulerhalter Gastschulbeiträge zu leisten, wenn es sich um Schüler handelt, die zum Zweck des Besuches einer allgemein bildenden Pflichtschule oder aufgrund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt im Sprengel einer allgemein bildenden Pflichtschule Wohnung beziehen. Die Vorschreibung eines Gastschulbeitrages setzt also zweierlei voraus: Zum einen muss der Wohnungsbezug in der anderen Gemeinde ihren Zweck im Besuch einer allgemein bildenden Pflichtschule haben. Schon von dieser Voraussetzung kann vorliegend nicht die Rede sein, da es nicht um den Besuch einer bestimmten Pflichtschule außerhalb W. ging, sondern es die geänderten Lebensumstände waren, die die Kindesmutter zum Wohnsitzwechsel bewogen haben. Der Pflichtschulbesuch des Sohnes in x war quasi eine Folge der Wohnsitzänderung der Mutter und nicht dessen Zweck.
Zum anderen setzt die zitierte Gesetzesbestimmung voraus, dass der Schüler in der schon vorher bewohnten Gemeinde seinen Hauptwohnsitz hat. Auch davon kann gegenständlich nicht die Rede sein, da wie schon oben dargelegt, der Lebensmittelpunkt von W. nach M. verlegt worden war.
Die Pflicht zur Leistung von Gastschulbeiträgen ist von der Voraussetzung abhängig, dass ein Schüler in einem anderen Schulsprengel als jenem, in dem er seinen Hauptwohnsitz hat, einen weiteren Wohnsitz (und zwar zum Zweck des Schulbesuches) begründet hat (VwGH 29.1.2007, 2006/10/0257).
Somit war der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben.
Zu II.:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes am, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von jeweils 240 Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Schön