LVwG-850609/2/Wei/BZ

Linz, 09.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde der Frau Mag. X, geb. X, Rechtsanwältin, vertreten durch Dr. X Mag. X Rechtsanwälte GmbH in M, X, gegen den Bescheid des Plenums des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 11. November 2015 betreffend Zurückweisung eines verspäteten Antrags auf Ermäßigung der Beiträge in der Versorgungseinrichtung Teil A

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Schriftsatz vom 29. April 2015 beantragte die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bfin) die Ermäßigung der Beiträge in der Versorgungseinrichtung Teil A für das Jahr 2015 auf das Ausmaß der Beiträge der Rechtsanwaltsanwärter aufgrund der Geburt ihres Kindes am 4. April 2014. Gleichzeitig ersuchte die Bfin, den bereits geleisteten Beitrag anzurechnen.

 

Begründend führte die Bfin aus, dass gemäß § 4 Abs 4 lit e der Satzung Teil A, welche per 1. Jänner 2015 in Kraft getreten sei, eine Ermäßigung der Beiträge in der Versorgungseinrichtung Teil A auf das Ausmaß der Beiträge der Rechts­anwaltsanwärter innerhalb eines Jahres ab Geburt eines Kindes ab Antragstellung möglich sei. Ihre Tochter sei am 4. April 2014 zur Welt gekommen. Am 6. Februar 2013 habe sie hinsichtlich dieser Problematik mit der Rechtsanwalts­kammer telefoniert (zu diesem Zeitpunkt sei sie ebenso schwanger gewesen) und habe diese ihr mitgeteilt, dass ein Antrag auf Refundierung Teil A der Pension nur möglich sei, wenn das Einkommen deutlich niedriger sei, der Unter­haltsanspruch gegenüber dem Ehegatten aber hineinzurechnen sei und dass dieser Antrag nach 2 Jahren erst zu stellen sei. Nunmehr wurde ihr auf Nach­fragen mitgeteilt, dass aufgrund der letzten Plenarsitzung im November 2014, an welcher sie aufgrund des Kleinkindes nicht teilnehmen hätte können, die Satzung geändert worden und nunmehr innerhalb eines Jahres ab Geburt des Kindes ein Antrag zu stellen sei. Da ihre Tochter bereits am 4. April 2014 zur Welt kam, sei sie jedoch deutlich schlechter gestellt als alle Kollegen, da ihr für diese Antrag­stellung lediglich 3 Monate Zeit geblieben wären. Sie gehe daher davon aus, dass für „Altfälle“ ebenfalls ein Jahr ab Geburt für den Antrag Zeit sein werde.

 

I.2. Mit Bescheid des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwalts­kammer, Abteilung II, vom 14. Oktober 2015 wurde der Antrag der Bfin als unzulässig zurück­gewiesen.

 

Begründend wurde neben Darlegung des Sachverhaltes ausgeführt, dass ein der­artiger Ermäßigungsantrag innerhalb eines Jahres ab Geburt eines Kindes bei der Oö. Rechtsanwaltskammer einzubringen sei und die Bfin ihr Kind bereits am 4. April 2014 geboren habe, weshalb der Antrag als unzulässig zurückzuweisen sei.

 

I.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Bfin mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2015 das Rechtsmittel der Vorstellung und beantragte die Stattgabe ihres Antrages.

 

Begründend führte die Bfin aus, dass es richtig sei, dass bei der Plenarsitzung im November 2014 § 4 Abs 4 lit e der Satzung Teil A abgeändert wurde. Vorher sei die Rechtslage dergestalt gewesen, dass ein Antrag auf Leistungen aus dem Unterstützungsfonds gestellt werden hätte können und zwar 2 Jahre nach der Geburt des Kindes für die Refundierung von 50 % der Beiträge pro Jahr, sohin bis zu 100 %. Dieser Antrag aus dem Unterstützungsfonds hätte auch zweigeteilt werden können, der erste Antrag hätte aber trotzdem frühestens 1 Jahr nach Geburt gestellt werden können, da die Einkommensunterlagen beigelegt werden mussten. Zusammengefasst hätten daher Kolleginnen, deren Kinder vor Inkraft­treten des neu geschaffenen § 4 Abs 4 lit e 1 Jahr alt gewesen wären, einen Antrag auf Refundierung aus dem Unterstützungsfonds stellen können und hätten hierfür mindestens 1 Jahr Zeit gehabt. Kolleginnen, deren Kinder nach dem Inkrafttreten des neu geschaffenen § 4 Abs 4 lit e geboren wurden bzw werden, hätten 1 Jahr Zeit zur Antragstellung. Lediglich Kolleginnen, deren Kinder zwischen dem 1. Jänner 2015 und dem 31. Dezember 2015 1 Jahr alt werden - bei den Rechtsanwältinnen in Oberösterreich sei das nur die Bfin - hätten eine deutlich verkürzte Frist. Im gegenständlichen Fall hätte die 1-Jahres-Frist bei ihr lediglich 3 Monate betragen, nämlich vom 2. Jänner 2015 bis zum 3. April 2015, da ihre Tochter am 4. April 2014 zur Welt gekommen sei.

 

Es bestehe weder eine Übergangsregelung für Kinder, die im Jahr 2015 ein Jahr alt werden, noch gebe es für diese Mütter noch weiterhin die Möglichkeit, eine Auszahlung aus dem Unterstützungsfonds zu erhalten. Auch wenn bei der Oö. Rechtsanwaltskammer nur die Bfin betroffen sei, sei die Regelung gleich­heitswidrig und sohin verfassungswidrig.

 

Festgehalten werde, dass trotz dieser Änderung der Vorgehensweise, ihr Antrag auf Auszahlung aus dem Unterstützungsfonds (wie nach alter Rechtslage) nicht bewilligt worden sei.

 

Unabhängig von dieser Gleichheitswidrigkeit hätte die Bfin auch darauf ver­trauen dürfen, dass ihr ihre Standesvertretung derartige Änderungen zur Kennt­nis bringe. Insbesondere, da sie in der Zeit ihrer Schwangerschaft diese Proble­matik mit der Kammer besprochen habe. Sie hätte auch auf Ersuchen eine E-Mail zu dieser Problematik an die Rechtsanwaltskammer gesendet, sohin drei Wochen vor der Beschlussfassung in der Plenarversammlung. Eine Rückantwort hätte sie nicht erhalten. Es wäre ihr zwar eine E-Mail von der Rechtsanwaltskammer mit der Einladung zur Plenarversammlung zu diesem Thema übermittelt worden, jedoch nicht deren Ergebnis. Dass die Änderung beschlossen worden sei, sei von Seiten der Rechtsanwaltskammer nicht kommuniziert worden. Es würde jedoch eine E-Mail zum Betreff „Statut der Treuhand-Einrichtung neu ab 1.1.2015“ vor­liegen. Die Bfin hätte daher darauf vertrauen dürfen, dass keine weiteren wesentlichen Änderungen beschlossen worden seien. Da die Standesvertretung von ihrer Schwangerschaft bzw ihrem Kleinkind gewusst habe, hätte sie wohl darauf vertrauen dürfen, dass eine derart wesentliche Änderung ihr wenigstens per E-Mail an die Kanzlei mitgeteilt werde.

 

Insbesondere, da die alte Regelung, nämlich die Antragstellung auf Auszahlung aus dem Unterstützungsfonds, nicht in der Satzung geregelt sei, habe sie darauf vertrauen müssen, dass ihr eine derart wesentliche Änderung mitgeteilt werde. Dies insbesondere auch deshalb, da ein spezielles Vertrauensverhältnis zwischen der Standesvertretung und den einzelnen Anwälten vorliege bzw vorliegen müsse.

 

I.4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Plenums des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer (im Folgenden: belangte Behörde) vom 11. November 2015 wurde die Vorstellung der Bfin gegen den Bescheid der Abteilung II der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 14. Okto­ber 2015 als unbegründet abgewiesen.

 

Nach Darstellung des unstrittigen Sachverhaltes und Gang des Verfahrens führte die belangte Behörde zur rechtlichen Begründung ihrer Entscheidung wie folgt aus:

 

„Richtig ist, dass § 4 Abs 4 lit e Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der . Rechtsanwaltskammer in der Plenarversammlung am 13.11.2014 beschlossen wurde und mit 01.01.2015 in Kraft getreten ist. Die Einladung zu dieser Plenarversammlung wurde zusammen mit allen zu beschließenden Änderungen in den Satzungen, der Geschäftsordnung sowie dem Treuhandstatut am 16.10.2014 per E-Mail an alle Kammer­mitglieder ausgeschickt.

 

Die Vorstellungswerberin führt aus, dass es vor Inkrafttreten dieser Bestimmung die Möglichkeit gab einen Antrag auf Leistungen aus dem Unterstützungsfonds, welcher zwei Jahre nach Geburt des Kindes für die Refundierung von 50% der Beiträge pro Jahr, sohin bis zu 100% zu stellen. Richtig ist, dass es einen Grundsatzbeschluss des Ausschusses der OÖ. Rechtsanwaltskammer aus Dezember 2000 gibt, wonach Rechtsanwältinnen, die ein Kind geboren haben, um Refundierung von bis zu 50% der Pensionsbeiträge auf die Dauer von zwei Jahren ab Geburt des Kindes aus dem Unterstützungsfonds ersuchen können. Voraussetzung dafür ist, dass durch die Pflege und Betreuung des Kindes die Erwerbsmöglichkeiten in der Kanzlei tatsächlich erheblich gesunken sind und nicht aus anderen Erwerbsquellen (zu denen auch der Unterhaltsanspruch der Rechtsanwältin gegenüber ihrem Ehemann zählt) finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, die die Weiter­bezahlung der vollen Pensionsbeiträge ermöglichen, ohne dass es zu sozialen Härten kommt. Dieser Beschluss eröffnet jedoch nicht die Möglichkeit einen Antrag auf Leistung einer Zahlung aus dem Unterstützungsfonds zu stellen und gab es keinerlei Rechts­anspruch auf Leistung einer derartigen Zahlung, sondern eröffnet dieser Beschluss ledig­lich die Möglichkeit, ein Ersuchen an das Plenum des Ausschusses stellen zu können.

 

Vor Inkrafttreten der Bestimmung des § 4 Abs 4 lit e per 01.01.2015 gab es aufgrund der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der OÖ. Rechtsanwaltskammer keinerlei Möglichkeit der Ermäßigung der Beiträge in der Versorgungseinrichtung Teil A. Wenn­gleich dieser Grundsatzbeschluss aus Dezember 2000 nicht außer Kraft getreten ist, so soll dieser – wie oben bereits ausgeführt – vor allem zur Abwendung sozialer Härtefälle dienen wozu jedoch nicht das Versäumen einer Frist zählen kann.

 

Wie bereits im Bescheid vom 14.10.2015 ausgeführt, sind gemäß § 4 Abs 4 Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A in der Umlagenordnung die Beiträge für alle Beitrags­pflichtigen gleich hoch zu bemessen, doch kann gemäß lit e für Rechtsanwältinnen ab Antragstellung innerhalb eines Jahres ab Geburt ihres Kindes oder der Annahme an Kindes Statt für maximal zwölf Monate eine unterschiedliche Höhe festgelegt werden. Eine rückwirkende Befreiung, wie von der Vorstellungswerberin beantragt, ist nach dieser Bestimmung generell nicht möglich.

 

Mag. X hat ihr Kind am 04.04.2014 zur Welt gebracht, den Ermäßigungs­antrag jedoch erst mit 30.04.2015 im Kammeramt der OÖ. Rechtsanwaltskammer einge­bracht, wodurch dieser verspätet einlangte. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.“

 

I.5. Gegen diesen Bescheid des Ausschussplenums, der am 15. Februar 2015 (gemeint wohl: 2016) zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 14. März 2016, mit der die Stattgabe ihres Antrages auf Ermä­ßigung der Beiträge in der Versorgungseinrichtung Teil A für das Jahr 2015 auf das Ausmaß der Beiträge der Rechtsanwaltsanwärter (derzeit 2.938,08 Euro) beantragt wird.

 

Die Beschwerde wird im Wesentlichen wie die Vorstellung vom 29. Oktober 2015 begründet.

 

Zusätzlich führte die Bfin aus, dass dann, wenn ihr Kind am 2. Jänner 2015 zur Welt gekommen wäre, ihr die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, überhaupt genommen worden wäre. In laufende Fristen dürfe nur zum Nachteil des begünstigten Personenkreises eingegriffen werden, wenn generalpräventive Gründe vorliegen würden. Dies sei gegenständlich nicht der Fall. Es bestehe sohin eine Gesetzeslücke für genau jene Kinder, die zwischen 1. Jänner 2015 und 31. Dezember 2015 ein Jahr alt werden und sei die Lücke derart zu schließen, als dass für diese Kinder die Frist von 1 Jahr ab dem Inkrafttreten der neuen Gesetzeslage, sohin ab 1. Jänner 2015, gelte. Unabhängig davon sei die Rege­lung auch gleichheitswidrig, da sie Kolleginnen, deren Kinder vor dem
1. Jänner 2015 und nach dem 31. Dezember 2015 geboren seien, begünstige, dies ohne jegli­che Begründung. Durch diese Gleichheitswidrigkeit sei die Rege­lung ver­fassungswidrig.

 

Eine Einladung zur Plenarversammlung sei in der Kanzlei eingelangt, jedoch sei aufgrund der Situation eines ein paar Monate alten Kindes eine Reise von O (S) nach L für eine Plenarversammlung nicht möglich. Abge­sehen davon, würden seit Jahren wesentliche Änderungen via E-Mail kommuni­ziert werden, sodass auch hier von einer Kommunikation ausgegangen hätte werden müssen.

 

Die Lücke des § 4 Abs 4 lit e der Satzung Teil A sei daher dergestalt zu schließen, dass für Kinder, die ab dem 1. Jänner 2015 1 Jahr alt werden, eben­falls 1 Jahr, gerechnet ab dem 1. Jänner 2015, Zeit sei, den Antrag zu stellen.

 

 

II.1. Mit Schreiben vom 20. April 2016, eingelangt am 15. Juni 2016, hat die belangte Behörde diese Beschwerde gemeinsam mit dem Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch einen Einzelrichter zu entscheiden.

 

II.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat nach Einsichtnahme in die Beschwerde und den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sach­verhalt unstrittig ist. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Ver­handlung konnte schon gemäß § 24 Abs 4 VwGVG ungeachtet eines Parteien­antrages abgesehen werden, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und dem auch nicht Art 6 EMRK bzw Art 47 GRC (kein civil right) entgegensteht. Im Übrigen hat die belangte Behörde im Vorlageschreiben ausdrücklich auf eine mündliche Verhandlung verzichtet und auch die rechtskundige Bfin hat keine mündliche Verhandlung in der Beschwerde beantragt.

 

II.3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem  S a c h v e r h a l t  aus:

 

Die Bfin hat am 4. April 2014 eine Tochter zur Welt gebracht.

 

Mit Antrag vom 29. April 2015, der bei der belangten Behörde am 30. April 2014 einlangte, hat die Bfin die Ermäßigung der Beiträge in der Versorgungseinrich­tung Teil A auf das Ausmaß der Beiträge der Rechtsanwaltsanwärter aufgrund der Geburt ihres Kindes am 4. April 2014 beantragt und um Anrechnung des bereits geleisteten Beitrages ersucht.

 

§ 4 Abs 4 lit e der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Oberöster­reichischen Rechts­anwaltskammer über die Ermäßigung von Kammerbeiträgen ist mit 1. Jänner 2015 in Kraft getreten und wurde in der Plenarversammlung am 13. November 2014 beschlossen.

 

Die Bfin wurde vom Termin einer Plenarversammlung am 13. November 2014 ordnungsgemäß verständigt. Die Einladung zu dieser Plenarversammlung wurde mit den zu beschließenden Änderungen in den Satzungen, der Geschäftsordnung sowie dem Treuhandstatut per E-Mail vom 16. Oktober 2014 an alle Kammer­mitglieder ausgeschickt. Die Bfin hat diesen festgestellten Umstand im angefoch­tenen Bescheid nicht bestritten. Sie weist nur darauf hin, dass ihr die Reise von O nach L in ihrer Situation als Mutter eines ein paar Monate alten Kindes nicht möglich gewesen sei. Außerdem wären wesentliche Änderungen immer via E-Mail kommuniziert worden, was sie daher auch gegenständlich ange­nommen habe.

 

Die Bfin hat nach diversen Vorgesprächen mit Vertretern der Oberöster­reichischen Rechtsanwalts­kammer am 5. November 2014 ein E-Mail an die zuständige Referentin des Aus­schusses der Oberösterreichischen Rechtsanwalts­kammer gesendet, in welchem sie ihre Er­fahrungen und Probleme im Zusam­menhang mit Karenz und Schwangerschaft allgemein aufgezeigt hat. Zur Reduktion von Kammerbeiträgen weist sie darauf hin, dass diese nicht erst
2 Jahre im Nachhinein (gemeint: mögliche Refundie­rung in Härtefällen bis 50 % der Pensionsbeiträge aus einem Unterstützungs­fonds nach Grundsatzbeschluss des Ausschusses aus Dezember 2000), sondern sofort möglich sein sollte, da die Bezahlung gerade im ersten Jahr nach der Geburt schwierig sein werde. Eine Antwort darauf habe sie nicht erhalten.

 

II.4. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig und widerspruchsfrei aus der Aktenlage und wird auch nicht bestritten. Dass die Bfin vom Termin der Plenarversammlung verständigt wurde, ergibt sich bereits aus ihrem gesamten Vorbringen, und folgt auch daraus, dass sie kurz vor der Plenarversammlung im E-Mail vom 5. November 2014 die Problematiken zum gegenständlichen Thema aus ihrer Sicht dargelegt hatte.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat rechtlich erwogen:

 

III.1. Gemäß § 4 Abs 4 lit e der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer in der Fassung des Beschlusses der Plenarver­sammlung vom 13. November 2014 sind in der Umlagenordnung für alle Bei­tragspflichtigen die Beiträge gleich hoch zu bemessen, doch kann eine unter­schiedliche Höhe festgelegt werden für Rechtsanwälte ab Antragstellung inner­halb eines Jahres ab Geburt ihres Kindes oder einer Annahme an Kindes statt für maximal zwölf Monate, wobei nur volle Monate in Anspruch genommen werden können; der Beitrag ist in derselben Höhe wie der Beitrag nach § 4
Abs 4a fest­zulegen und die betreffenden Beitragsmonate sind analog dazu im Sinne des § 6 Abs 6 lit a nur verhältnismäßig zu berücksichtigen.

 

Diese Bestimmung wurde in der Plenarversammlung am 13. November 2014 beschlossen und ist am 1. Jänner 2015 in Kraft getreten.

 

III.2. Gemäß § 4 Abs 2 der Geschäftsordnung für die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer sowie deren Ausschuss und Plenarversammlung
(GO-OÖRAK) verständigt der Ausschuss alle Kammermitglieder mindestens vier Wochen vor dem Termin der Plenarversammlung, wobei für die Rechtzeitigkeit der Tag der Versendung genügt.

 

Die Bfin räumt ein, dass ihr die Einladung an die Kanzlei zugestellt worden ist. Sie wurde damit, wie sich auch dem Vorbringen der Bfin letztlich unzweifelhaft entnehmen lässt, rechtzeitig vom Termin der Plenarversammlung am 13. November 2014 und der vorgesehenen Tagesordnung informiert. Dass ihr dieser Termin bekannt war, hat sie nicht bestritten. Nach den der Einladung elek­tronisch angeschlossenen Beilagen betreffend zu beschließende Änderungen in Satzungen, Geschäftsordnung etc. konnte die Bfin auch von der vorgesehenen Beschlussfassung betreffend den § 4 Abs 4 lit e der Satzung der Versorgungs­einrichtung Teil A Kenntnis nehmen. Sie musste - nicht zuletzt auch im Hinblick auf ihre Eingabe per E-Mail vom 5. November 2014 zu diesem Thema - wissen, dass sich ein Tagesordnungspunkt mit der verfahrensgegenständlichen Thematik befasste.

 

Gemäß § 11 Abs 2 GO-OÖRAK liegt das Protokoll der Plenarversammlung spätestens 14 Tage nach der Plenarversammlung zur Einsicht auf. Abschriften können nach dieser Bestimmung gegen Kostenersatz ausgefolgt werden, soweit nicht Vertraulichkeit beschlossen wurde.

 

Mit dem Vorbringen, dass ihr die in der Plenarversammlung beschlossene Neu­regelung nicht mitgeteilt worden sei, übersieht die Bfin, dass dies keine „Bring­schuld“ war und ihr schon die Einladung zur Plenarversammlung den wesent­lichen Informationsstand verschaffte, um die richtigen Veranlassungen vorzu­nehmen. Sie hatte offensichtlich nicht einmal die Ausfolgung einer Abschrift des Protokolls der Plenarversammlung vom 13. November 2014 verlangt. Auch wenn sie zu ihrem Anliegen verschiedene Gespräche im Vorfeld geführt hatte, konnte die rechtskundige Bfin nicht darauf vertrauen, dass ihr vom Kammeramt das Protokoll über die Neuregelung ohne ihre Initiative und Antragstellung „von Amts wegen“ übermittelt wird. Das behauptete besondere Vertrauensverhältnis zur Rechtsanwaltskammer als Standesvertretung ist kein schlüssiges Argument. Es kann nicht in Bezug auf die Wahrnehmung der persönlichen Interessen der Bfin angenommen werden, wenn darüber Organe der Kammer behördlich zu entscheiden haben. Auf ein besonderes Service oder gar eine Art Manuduktion hatte die Bfin keinen Rechtsanspruch. Daran vermag auch das damals versen­dete E-Mail betreffend eine Änderung der Treuhandeinrichtung nichts zu ändern. Eine solche Verständigung ist im allgemeinen Interesse der Anwaltschaft, während die Regelung über Beitragsermäßigungen in der Versorgungseinrichtung nur im Einzelfall für den konkret Betroffenen relevant ist. Daraus konnte die Bfin nichts ableiten. Auch wenn die Reise nach L zur Plenarversammlung aufgrund der Situation mit ihrem Kleinkind nicht möglich gewesen sein sollte, hätte sich die Bfin ohne besondere Mühe durch Nachfrage im Kammeramt oder bei Kollegen eigeninitiativ informieren können.

 

III.3. Zur vorgebrachten Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ist festzuhalten, dass der in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dazu entwickelte Ver­trauensschutz (vgl näher zum Ganzen mwN Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 [2015] Rz 1365 ff und Öhlinger, Verfassungsrecht8 [2009] Rz 786 ff) im Wesentlichen folgende drei Bereiche kennt:

 

a) Belastungen durch rückwirkende Gesetzesvorschriften, wenn der Eingriff erheblich ist und der Betroffene dabei im berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht wird;

 

b) Eingriffe in öffentlich-rechtliche Rechtspositionen, auf deren Bestand die Betroffenen „mit guten Gründen vertrauen konnten“ (wohlerworbene Rechte) sofern es sich um schwerwiegende und plötzliche Eingriffe in Rechts­posi­tionen handelt und

 

c)  Enttäuschung faktischer Dispositionen, die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage vorgenommen wurden, so etwa ein durch staatliche Maßnahmen hervorgerufenes Investitionsverhalten.

 

Diese vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Falltypen haben gemeinsam, dass es sich jeweils um belastende Veränderungen durch erhebliche und plötzliche gesetzliche Ein­griffe für die Betroffenen handelt. Demgegenüber geht es im gegenständlichen Fall durch die Einführung der Bestimmung des § 4 Abs 4 lit e in der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer um eine neuge­schaffene Begünstigung für Rechtsan­wältinnen bei Geburt eines Kindes, die erst ab einem bestimmten Zeitpunkt, aber nicht rückwirkend gilt. Für solche Fälle kann sich die Bfin auf dem Boden der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht auf einen Ver­trauensschutz beru­fen.

 

Ein Vertrauensschutz der Bfin, die sich über die Beschlussfassung der Regelung hätte rechtzeitig informieren können, erscheint auch nicht geboten. Denn nach Ansicht des erkennenden Richters war es der Bfin ohne weiteres zuzumuten, dass sie aus eigener Initiative die notwendigen Erkundigungen anstellt, ob und welche (für sie relevante) Änderungen in der Plenarversammlung beschlossen wurden. Dies gilt umso mehr, als der Bfin bekannt sein musste, dass die gegenständliche Thematik in der Plenarversammlung behandelt worden war (vgl oben III.2.)

 

Schließlich ist dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auch keine Bestim­mung bekannt, wonach die Bfin einen (Rechts-)Anspruch auf Übermittlung für sie relevanter Änderungen durch die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer hätte.

 

III.4. Vor dem Inkrafttreten der Bestimmung des § 4 Abs 4 lit e in der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Oberösterreichischen Rechtsanwalts­kammer gab es keine vergleichbare Regelung. Es existierte lediglich ein Grund­satzbeschluss des Aus­schusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer aus Dezember 2000, nach dem Rechts­anwältinnen nach der Geburt eines Kindes um Refundierung von bis zu 50 % der Pensionsbeiträge auf die Dauer von zwei Jahren ab Geburt des Kindes aus dem Unterstützungsfonds ersuchen konnten. Diese Unterstützung wurde bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zur Vermeidung sozialer Härten gewährt. Aufgrund dieses Grundsatzbeschlusses bestand allerdings kein Rechtsanspruch auf Leistung aus dem Unterstützungs­fonds. Die Regelung im Grundsatzbeschluss stellte demnach keine vergleichbare rechtliche Bestimmung zu § 4 Abs 4 lit e der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer dar.

 

Grundsätzlich liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetz­gebers (Verordnungsgebers), Übergangsbestimmungen vorzusehen. Die Normie­rung einer Übergangsbestimmung war bei Einführung einer Begünstigung, die es zuvor nicht gab, aus verfassungsrechtlichen Überlegungen zum Gleichheitssatz nicht erforderlich. Begünstigungen müssen auch nicht teilweise rückwirkend gewährt werden. Insgesamt kann das Gericht im vorliegenden Fall (Versäumung der Antragsfrist durch die Bfin) weder eine Verletzung des Gleichheitssatzes, noch eine planwidrige Lücke erkennen. Angemerkt sei noch, dass es bei Neu­einführung einer begünstigenden Bestimmung (auch mit Übergangsbestimmun­gen) offenkundig ist, dass es zu Besserstellungen im Vergleich zu einem früheren Rechtszustand kommen wird.

 

Für Rechtsanwältinnen, die die seit dem 1. Jänner 2015 mögliche Beitrags­ermäßigung ab Antragstellung (innerhalb eines Jahres ab Geburt eines Kind) für maximal 12 Monate nicht nutzen können, besteht immerhin wie bisher die Möglichkeit, bei Vorliegen bestimmter sozialer Voraussetzungen nach dem noch geltenden Grundsatzbeschluss des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechts­anwaltskammer aus Dezember 2000 um Refundierung von bis zu 50 % der Pensionsbeiträge auf die Dauer von zwei Jahren aus dem Unterstützungsfonds zu ersuchen. Ob die Bfin diese Voraussetzungen erfüllt, braucht im gegenständ­lichen Beschwerde­verfahren nicht geprüft werden.

 

III.5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Bfin vom 1. Jänner 2015 bis 4. April 2015 (Jahresfrist ab Geburt am 4.4.2014) die Möglichkeit hatte, einen Antrag nach dem § 4 Abs 4 lit e der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer einzubringen. Hätte sich die Bfin nach der Plenar­sitzung am 13. November 2014 bei der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer unverzüglich erkundigt und/oder die Ausfolgung einer Kopie des Protokolls der Plenarsitzung verlangt, was in Anbetracht der Bekanntheit des Bezug habenden Tages­ordnungspunktes sowie des persönlichen Interesses der Bfin auf der Hand liegen würde, wären der Bfin bis zum Ablauf der Antragsfrist sogar noch mehr als vier Monate zur Verfügung gestanden, um den Antrag (vorweg) zu konzipieren und ab 1. Jänner 2015 die Ermäßigung zu beantragen. Diese Zeit erscheint dem erkennenden Verwaltungsgericht völlig ausreichend. Schon deshalb kann von einer gleichheitswidrigen Benachteiligung der Bfin keine Rede sein. Die verspä­tete Antragstellung hat sie durch Nach­lässigkeit selbst verschuldet.

 

Im Ergebnis war die Beschwerde aus den dargelegten Überlegungen als unbe­gründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid der belangten Behörde zu bestätigen.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Wenn - wie im vorliegenden Fall - die Rechtslage nach den in Betracht kommen­den Normen klar und eindeutig ist, liegt selbst dann keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn dazu noch keine Judikatur des Verwal­tungsgerichtshofes ergangen ist (vgl zB VwGH 19.05.2015,
Zl. Ra 2015/05/ 0030).

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichts­hof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.  W e i ß