LVwG-850608/5/HW

Linz, 12.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Wiesinger über die Beschwerde von Dipl.-Ing. P K, x, N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft vom 25. April 2016, GZ: BMWFW-91.514/0254-I/3/2016,

zu Recht:

I.         Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird dem Beschwerde­führer gemäß §§ 5 ff und 12 Ziviltechnikergesetz die Befugnis eines Architekten mit Kanzleisitz in x verliehen.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge kurz „Bf“) auf Verleihung der Befugnis eines Architekten im Wesent­lichen mit der Begründung abgewiesen, dass der erforderliche Nachweis über die Absolvierung der Ziviltechnikerprüfung auf dem Fachgebiet „Architektur“ nicht vorliege.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Bf.

 

I.3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 6. Juni 2016 die Beschwerde samt Verfahrensakt vor.

 

I.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich räumte mit Schreiben vom 22. August 2016 Gelegenheit zum Parteiengehör ein. Weder vom Bf noch von der belangten Behörde langte eine Eingabe ein.

 

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsicht in die im Akt aufliegenden Unterlagen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da deren Durchführung nicht beantragt wurde und eine mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen auch nicht erwarten lässt. Der Sachverhalt ist hinrei­chend geklärt bzw. es konnte auf Basis der schriftlichen Unterlagen eine Ent­scheidung gefällt werden (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrens­recht10 Rz. 804).

 

II.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entschei­dung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Bf ist österreichischer Staatsbürger (Staatsbürgerschaftsnachweis). Über das Vermögen des Bf ist kein Konkursverfahren anhängig, es wurde ein solches Verfahren auch nicht innerhalb der letzten drei Jahre eröffnet oder mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet (eidesstaatliche Erklärung des Bf). Der Bf steht in keinem öffentlichen Dienstverhältnis des Dienststandes und er wurde auch nicht aus dem öffentlichen Dienst auf Grund eines Disziplinar­erkenntnisses entlassen (eidesstaatliche Erklärung des Bf). Dem Bf wurde die Ziviltechnikerbefugnis auch nicht aberkannt, der Bf ist nicht in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt (eidesstaatliche Erklärung des Bf). In der Strafregisterbescheinigung scheinen hinsichtlich des Bf keine Verurtei­lungen auf (Strafregisterbescheinigung). Der Bf hat an der Technischen Hochschule in G die Studien an der Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur, Studienrichtung Architektur, ordnungsgemäß beendet und hierdurch am x das Recht zur Führung der Bezeich­nung Diplom-Ingenieur erworben (Urkunde der Technischen Hochschule in G). Mit Bescheid vom 25. Jänner 1977 wurde dem Bf die Befugnis eines Zivilingenieurs für Hochbau gemäß den Bestimmungen des Ziviltech­nikergesetzes 1957 (BGBl. 146/1957) verliehen, er hatte daher bereits zu diesem Zeitpunkt die erforderliche praktische Betätigung zurückgelegt (Bescheid vom 25. Jänner 1977). Mit Schreiben vom 10. Mai 2005 erklärte der Bf, zur Ausübung der Befugnis eines Architekten über­zugehen (Schreiben des Bf vom 10. Mai  2005; Schreiben der Kammer der Archi­tekten und Ingenieur­konsulenten vom 12. Mai 2005). Der Bf verfügte von 10. Mai 2005 bis 30. De­zem­ber 2008 über eine Architekturbefugnis, welche mit Wirksamkeit 31. De­zem­ber 2008 auf Grund Verzichts erlosch (Stellungnahme der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten vom 15. April 2016).

 

Der Bf hat am 11. Mai 1977 die zur Erlangung der Befugnis eines Zivilingenieurs für Hochbau gemäß § 8 ZTG 1957 vorgeschriebene Prüfung abgelegt und ist von der Kommission als befähigt anerkannt worden (Prüfungszeugnis vom
11. Mai 1976).

 

II.3. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei auf Grund der im Akt aufliegenden Unterlagen, wobei die einzelnen Feststellungen auf den jeweils in Klammer angeführten Beweismitteln gründen. Da auch nach dem ZTG 1957 eine praktische Betätigung erforderlich war, geht das erkennende Landesverwaltungsgericht Oberösterreich angesichts des Bescheides vom 25. Jänner 1977 davon aus, dass die erforderliche praktische Betätigung vom Bf zurückgelegt wurde.

 

 

III. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

 

III.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Ziviltechnikergesetzes 1993 idgF (in der Folge kurz „ZTG 1993“) lauten:

 

§ 5 Abs. 1: „Die Befugnis eines Ziviltechnikers ist österreichischen Staatsbürgern oder Staatsangehörigen und deren Familienangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschafts­raumes oder Staatsangehörigen der Schweizerischen Eidgenossenschaft oder den durch sonstige zwischenstaatliche Vereinbarungen den österreichischen Staats­bürgern gleichgestellten Personen zu verleihen, wenn die für die Ausübung erfor­derliche fachliche Befähigung (§ 6) nachgewiesen wurde und kein Ausschlie­ßungsgrund vorliegt.“

 

§ 5 Abs. 3: „Von der Verleihung einer Befugnis sind Personen ausgeschlossen:

1.   die in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt sind oder

2.   über deren Vermögen der Konkurs anhängig ist oder innerhalb der letzten drei Jahre eröffnet worden ist, sofern nicht der Konkurs durch vollständige Erfüllung eines Sanierungsplanes oder nach Bestätigung eines Zahlungsplanes aufgehoben worden ist oder

3.   über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Ver­mögens innerhalb der letzten drei Jahre nicht eröffnet oder aufgehoben worden ist oder

4.   denen die Befugnis aberkannt wurde, es sei denn, gemäß § 17 Abs. 2 Z 1 oder

5.   die in einem öffentlichen Dienstverhältnis des Dienststandes, es sei denn aus­schließlich als Lehrer an öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausge­statteten Lehranstalten, stehen oder die aus dem öffentlichen Dienst auf Grund eines Disziplinarerkenntnisses entlassen wurden oder

6.   die nicht über die zur Ausübung erforderliche Zuverlässigkeit verfügen.“

 

§ 6 Abs. 1: „Die fachliche Befähigung (§ 5 Abs. 1) ist nachzuweisen durch:

1.   die Absolvierung des der angestrebten Befugnis entsprechenden Studiums,

2.   die praktische Betätigung

3.   und die erfolgreiche Ablegung der Ziviltechnikerprüfung.“

 

§ 7: „Die Voraussetzung gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 ist erfüllt, wenn das Fachgebiet, für das eine Befugnis angestrebt wird, dem absolvierten Universitätsstudium oder Fachhochschul-Studiengang entspricht.“

 

§ 12 Abs. 1: „Die Befugnis wird über Antrag vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit nach Anhörung der Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer für einen bestimmten in Österreich gelegenen Sitz der Kanzlei verliehen.“

 

§ 40 Abs. 2: „Insbesondere sind nach Maßgabe des Abs. 1 Zivilingenieure weiter­hin zur Ausübung ihrer Befugnis während der Dauer eines privaten Dienstverhäl­tnisses und zu ausführenden Tätigkeiten unter der Bezeichnung ‚Zivilingenieur‘ berechtigt. Auf Grund bloßer Erklärung an die Architekten- und Ingenieurkonsu­lentenkammer, deren Mitglied sie sind, können Zivilingenieure für Hochbau zur Aus­übung der Befugnis eines Architekten, alle übrigen Zivilingenieure zur Ausübung der Befugnis eines Ingenieurkonsulenten auf dem gleichen Fachgebiet über­gehen.“

 

§ 40 Abs. 4: „Ziviltechnikerprüfungen, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundes­gesetzes erfolgreich abgelegt wurden, gelten als Ziviltechnikerprüfungen im Sinne dieses Bundesgesetzes.“

 

III.2. Die belangte Behörde weist den Antrag des Bf im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der erforderliche Nachweis über die Absolvierung der Zivil­technikerprüfung auf dem Fachgebiet „Architektur“ nicht vorliege.

 

§ 40 Abs. 2 ZTG 1993 ermöglicht Personen, welche über die Befugnis eines Zivil­ingenieurs für Hochbau verfügen, zur Ausübung der Befugnis eines Architekten überzugehen, ohne eine weitere Ziviltechnikerprüfung aus dem Fachgebiet „Architektur“ ablegen zu müssen. Diese Gesetzesbestimmung spricht daher dafür, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Prüfung zur Erlangung der Befugnis eines Zivilingenieurs für Hochbau gemäß dem ZTG 1957 eine ausreichende fachliche Befähigung zur Ausübung der Befugnis eines Architekten gemäß dem ZTG 1993 nachweist. Der Bf hat die zur Erlangung der Befugnis eines Zivilinge­nieurs für Hochbau gemäß dem ZTG 1957 vorgeschriebene Prüfung abgelegt. Da nach § 40 Abs. 4 ZTG 1993 Ziviltechnikerprüfungen, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erfolgreich abgelegt wurden, als Ziviltechnikerprüfungen im Sinne des ZTG 1993 gelten, gilt auch die vom Bf abgelegte Ziviltechniker­prüfung somit als Ziviltechnikerprüfung im Sinne des ZTG 1993. Nach Ansicht des erkennenden Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich ist daher davon auszugehen, dass die vom Bf zur Erlangung der Befugnis eines Zivilingenieurs für Hochbau abgelegte Ziviltechnikerprüfung einen ausreichenden Nachweis über die absolvierte Ziviltechnikerprüfung für das angestrebte Fachgebiet (Architektur) darstellt.

 

Auch die Kammer der Architekten- und Ingenieurkonsulenten für Oberösterreich und Salzburg ist im Übrigen der Ansicht, dass die vom Bf abgelegte Prüfung im Hinblick auf den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Verleihung der Befugnis eines Architekten ausreichend ist, führt sie doch im Schreiben vom
15. April 2016 aus, dass die Voraussetzungen für die Erlangung der Befugnis erfüllt seien.

 

III.3. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich auch, dass hinsichtlich des Bf kein Ausschließungsgrund vorliegt und ein entsprechendes Studium sowie die erforderliche praktische Betätigung absolviert wurden. Auch die belangte Behörde ist der mit Schreiben vom 22. August 2016 vom Landesverwal­tungs­gericht Oberösterreich bekanntgegebenen (damals vorläufigen) Rechtsansicht, wonach abgesehen von der Frage des Vorliegens einer Ziviltechnikerprüfung auf dem Fachgebiet „Architektur“ zumindest die übrigen Voraussetzungen für die Erlangung der beantragten Befugnis erfüllt seien, nicht entgegengetreten.

 

Die Abweisung des Antrages des Bf auf Verleihung der Befugnis eines Architekten mit Kanzleisitz in x mangels Erfüllung der Voraussetzungen war daher nicht rechtmäßig. Die Verleihungsvoraussetzungen liegen vor.

 

III.4. Da das Verwaltungsgericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entschei­den und somit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid einge­brachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. etwa VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0032), war trotz der Bestimmung des § 12 Abs. 1 ZTG 1993, wo­nach die Befugnis grundsätzlich vom „Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit“ verliehen wird, spruchgemäß dem Antrag des Bf auf Verleihung der Befugnis eines Architekten mit Kanzleisitz in x stattzugeben. Es war daher spruchgemäß zu ent­scheiden.

 

 

IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da keine Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes zur Frage vorliegt, ob § 40 Abs. 2 in Verbindung mit § 40 Abs. 4 ZTG 1993 dahingehend zu verstehen ist, dass vor dem Inkrafttreten des ZTG 1993 abgelegte Prüfungen zur Erlangung der Befugnis eines Zivilingenieurs für Hochbau als Nachweis für die Erlangung der Befugnis eines Architekten gemäß ZTG 1993 ausreichen. Weiters fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsge­richts­­hofes zur Frage, ob im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen zur Verleihung der Befugnis trotz der Bestimmung des § 12 Abs. 1 ZTG vom Verwaltungsgericht in der Sache zu entscheiden und auszusprechen ist, dass die Befugnis verliehen wird bzw. wie in derartigen Fällen der Spruch des Verwaltungsgerichtes zu lauten hat.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Dr. Wiesinger