LVwG-750092/2/MB/JO

Linz, 03.03.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des V.C., geb. X, türkischer StA vertreten durch RA Mag. Dr. B. gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom
26. Juli 2013, GZ: Sich-06/132/1987+2,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (im Folgenden: belangte Behörde) wurde der Antrag des Herrn V.C. (im Folgenden Beschwerdeführer: Bf) vom 15. Juli 2013 auf Bestätigung der weiteren Gültigkeit eines unbefristeten Aufenthaltstitels, aufgrund der Ermächtigung des Landeshauptmannes von Oberösterreich (LGBl. 127/2005) von der Bezirkshauptmannschaft als unzulässig zurückgewiesen.

 

Als Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde die §§ 10 Abs. 3 Z 1 und 4 bzw. 20 Abs. 3 und 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl 100/2005 in der geltenden Fassung an.

 

Begründend wird zunächst zum Sachverhalt dargelegt, dass der Bf als 13-jähriges Kind im Jahr 2005 das Bundesgebiet – in Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels für den Zweck der Familiengemeinschaft – verlassen habe. Am 31. Jänner 2013 stellte der Bf nachfolgend bei der österreichischen Botschaft in Ankara den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung Studierender. Diese Aufenthaltsbewilligung wurde dem Bf wiederum erteilt und steht vom 22. März 2013 bis zum 22. März 2014 in Gültigkeit.

 

In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde zunächst aus, dass gemäß § 20 Abs. 4 NAG unter gewissen Voraussetzungen das Erlöschen des Aufenthaltstitels gegeben sei. Der Bf sei in diesem Zusammenhang zwischenzeitig aus dem Familienverband ausgeschieden und volljährig geworden. Zudem sei der Bf im Entscheidungszeitpunkt in Besitz eines weiteren gültigen Aufenthaltstitels.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf mit Schreiben vom 12. August 2013 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung. Der Bf stellt darin den Antrag, die Berufungsbehörde möge den Sachverhalts nochmals überprüfen und bescheidmäßig bestätigen, dass der unbefristete Aufenthaltstitel nach wie vor rechtswirksam sei.

 

Begründend führt der Bf im Wesentlichen aus, dass aufgrund des hier einschlägigen Assoziierungsabkommens EWG-Türkei § 20 Abs. 4 NAG nicht anwendbar sei. Zudem habe der Bf seinen ursprünglichen Aufenthaltstitel nicht durch die Beantragung einer Aufenthaltsbewilligung für Studierende aufgegeben. Vielmehr sei er durch die unrichtige Rechtsauskunft der österreichischen Behörde zur Antragstellung veranlasst worden. Auch treffe es nicht zu, dass der Bf aus dem Familienverband ausgeschieden sei. Er gehe selbst keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern studiere und sei von den Unterhaltsleistungen seiner Eltern abhängig.

 

I.3. Mit Schreiben vom 14. August 2013 legte die belangte Behörde die Berufung dem Bundesministerium für Inneres vor. Mit Schreiben vom 22. Jänner 2014 legte wiederum das Bundesministerium den Akt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor.

 

 

II.1. Gem. § 81 Abs. 26 NAG, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 144/2013 sind alle bis zum 31. Dezember 2013 beim Bundesminister für Inneres anhängigen Berufungsverfahren nach dem NAG ab dem 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach dem Bestimmungen des NAG idF vor dem BGBl I 87/2012 zu Ende zu führen.

 

II.2. Gem. § 3 VwGbk-ÜG gilt die Berufung des Bf als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG.

 

II.3. Gem. § 24 Abs. 1 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, zumal sich der Sachverhalt in den hier entscheidungswesentlichen Abschnitten unstrittig bereits aus den Feststellungen der belangten Behörde und den Ausführungen des Bf in seiner Beschwerde ergibt.

 

 

III.1. § 10 Abs. 3 Z 1 NAG idF vor BGBl I 87/2012 bestimmt, dass Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gegenstandslos werden, wenn dem Fremden eine weitere Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigung nach diesem Bundesgesetz mit überschneidender Gültigkeit erteilt wird.

 

Unstrittig kann an dieser Stelle zunächst festgehalten werden, dass der Bf in Besitz eines Aufenthaltstitels: Aufenthaltsbewilligung – Studierender mit Gültigkeit bis zum 22. März 2014 ist.

 

III.2. Der Begriff der Gegenstandslosigkeit ist in § 10 NAG zum Begriff der Ungültigkeit alleine durch das Fehlen eines für das Eintreten der Rechtswirkungen notwendigen behördlichen Zwischenaktes abgrenzt (s Kutscher/Poschalko/Schmalzl, Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht, 69). Die Gegenstandslosigkeit gem. § 10 Abs. 3 Z 1 NAG tritt durch die Änderung der Rechtsposition des Fremden ex lege ein. Dass nur eine für den Fremden „positive“ Änderung seiner Rechtsposition das Eintreten der Gegenstandslosigkeit bewirkt, wird von § 10 Abs. 3 Z 1 NAG nicht gefordert (s Kutscher/Poschalko/Schmalzl, Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht, 69). Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich vielmehr, dass alleine eine Überlappung von mindestens zwei Aufenthaltstiteln bzw. Dokumentationen gefordert ist. Diese Überlappung kann durch jedwede Kombination der Aufenthaltstitel erfolgen, zumal § 10 Abs. 3 Z 1 NAG den Terminus „Aufenthaltstitel“ verwendet und das Begriffsverständnis des § 8 NAG zu Grunde legt. Der spätere Aufenthaltstitel bzw. die spätere Dokumentation bewirkt durch seine/deren Existenz die Änderung der Rechtsposition des Fremden im Vergleich zu seiner früheren Rechtsposition.

 

Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des späteren Aufenthaltstitels ist nicht gefordert. Dessen bloße Existenz ist ausreichend. Insofern ist (konsequent) für die Fälle des § 10 Abs. 3 Z 1 NAG (konkurrierende Titel) im Vergleich zu § 20 Abs. 4 NAG (Status eines Aufenthaltstitels) kein, dem dort vorherrschenden Feststellunginteresse Rechnung tragendes, Antragsrecht vorgesehen.

 

Das vom Bf an das Oö. Landesverwaltungsgericht herangetragene Feststellungsinteresse findet daher bereits seine Entsprechung in der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels – Studierender.

 

In diesem Verfahren war die Frage zu beantworten, ob der Aufenthaltstitel des Bf auf Basis des Assoziationsübereinkommens EWG-Türkei noch in Geltung stand oder nicht. Der Bf hätte insofern – wie die belangte Behörde auch ausführt –die Möglichkeit gehabt vor der Antragstellung ein diesbezügliches Feststellungsinteresse an die zuständigen Stellen mittels Feststellungsantrag heranzutragen. An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, dass der Bf als 13 jähriger das Bundesgebiet im Jahr 2005 verlassen hatte und erst im Jahr 2013 wieder zurückkehrte um zu studieren (insofern die Konsequenzen aus VwGH vom 19. Jänner 2012, Zl. 2011/22/0313 unbeachtet bleiben dürfen).

 

Letztlich folgt im Hinblick auf § 10 Abs. 3 Z 1 NAG, dass die Frage der Intention und der Rechtmäßigkeit der Antragstellung des Fremden im Rahmen des zu erledigenden (konkurrierenden) Antrages zu erfolgen hatte. Diesbezügliche Fehler sind in diesem Verfahren zu relevieren, da § 10 Abs. 3 Z 1 NAG nur an die durch die Existenz dieser Entscheidung bewirkte Änderung der Rechtsposition anknüpft.

 

Die Argumentation des Bf betreffend die nichtvorliegende Intention den (uU bestehenden) unbefristeten Aufenthaltstitel aufgeben zu wollen ist gem. § 10 Abs. 3 Z 1 NAG somit ebenso nicht entscheidungsrelevant. Gleiches gilt für die Frage des Bestehens des ursprünglichen, erstmaligen Aufenthaltstitels vor dem Hintergrund des Assoziationsabkommens EWG-Türkei. Denn selbst wenn dieses Recht bestehen sollte wird seine Gegenstandslosigkeit durch § 10 Abs. 3 Z 1 NAG ex lege bewirkt.

 

In diesem Sinn ergibt sich aus § 10 Abs. 3 Z 1 NAG entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 14. Mai 2009, Zl. 2008/22/0075), dass es nicht möglich ist, dass ein Fremder für denselben Zeitraum über zwei Aufenthaltstitel verfügen kann. Zu Konsequenz hat dies, dass im Ergebnis der frühere (arg. „...wenn...eine weitere...“) Aufenthaltstitel ex lege gegenstandslos wird.

 

 

IV. Es war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, da die Zurückweisung durch die belangte Behörde zu Recht erfolgt ist.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter