LVwG-700023/2/MB
Linz, 03.03.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde der M.A. geb. X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 13. Jänner 2014, GZ: Sich96-721-2013,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid der Behörde behoben.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Bescheid vom 13. Jänner 2014, GZ: Sich96-721-2013 wurde über Frau M.A. (Beschwerdeführerin, im Folgenden: Bf), geb. X, mit nachfolgendem Spruch wegen Verletzung des Niederlassungs-und Aufenthaltsgesetzes 2005 (im Folgenden NAG) eine Geldstrafe idHv. 100 Euro bzw. 60 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, sowie einen Kostenbeitrag idHv. 10 Euro verhängt:
„Sie sind mazedonische Staatsbürgerin und sin am 03.03.2009 mit Ihrer nachweislichen Unterschrift die Integrationsvereinbarung (IV) eingegangen. Sie sind nicht im Besitz einer positiven Deutschprüfung gemäß § 14 Abs. 4 Z 1 NAG 2005, Sie sind ebenfalls nicht im Besitz eines allgemein anerkannten Nachweises über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 NAG 2005, Sie verfügen über keinen Schulabschluss, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetztes, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule und Sie besitzen auch nicht einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte gemäß § 41 Abs. 1 oder Abs. 2 NAG 2005. Demnach hätten Sie bis zum 30.06.2013 die Erfüllung des Moduls I (positive Deutschprüfung Nieveau A 2) der Integrationsvereinbarung, in der Fassung vom 01.07.2011 gemäß § 14a NAG 2005 erfüllen müssen. Dies ist jedoch bei Ihnen nicht der Fall. Somit steht fest, dass Sie bis zum 13.01.2014 das Modul I der Integrationsvereinbarung nach der geänderten Gesetzeslage zum 01.07.2011 gemäß § 14a NAG 2005 nicht erfüllt haben.“
Als verletzte Rechtsvorschrift führt die belangte Behörde § 77 Abs. 1 Z 3 NAG 2005 an.
Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Bf bei Eingehen der Integrationsvereinbarung auf die verwaltungsstrafrechtlichen Konsequenzen hingewiesen wurde und überdies auch einen Gutschein (Nr. 0000043104) zur Teilnahme am einschlägigen Kurs erhalten habe. Bis dato habe die Bf aber das Modul 1 nicht erfüllt. Zum Einspruch der Bf führt die belangte Behörde aus, dass es nicht im Belieben der Bf stehe, wann sie den Deutschkurs absolvieren könne. Nachfolgend erfolgt der Abdruck der einschlägigen Rechtsnormen des NAG. Eine weitergehende Begründung erfolgt nicht. Zudem finden sich keine Ausführungen zum Tatbild und zum subjektiven Tatbestand bzw. der Schuld im Hinblick auf § 77 NAG 2005. Ausführungen zur Strafbemessung gem. § 19 VStG bzw. zur Annahme der Vermögensverhältnisse fehlen ebenso.
I.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Bf rechtzeitig Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht. Sie begehrt – implizit – die Behebung des Bescheides bzw die Herabsetzung der Strafe und führt im Wesentlichen aus, dass sie weder von einer Frist, noch von der Notwendigkeit einer Deutschprüfung gewusst habe. Zudem habe sie 2 Kinder und beziehe momentan nur Karenzgeld. Insofern seien 110 Euro sehr viel Geld für sie.
I.3. Mit Schreiben vom 31. Jänner 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht zu Entscheidung vor.
II.1. Gem. § 3 Abs. 2 iVm § 4 NAG idF BGBl I 144/2013 ist das Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung in dieser Angelegenheit zuständig. Die Entscheidung hat gem. § 2 VwGVG iVm NAG durch den Einzelrichter zu erfolgen.
II.2. Gem. § 44 Abs. 2 VwGVG konnte von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben war.
III. 1. Nach § 14. Abs. 1 NAG dient die Integrationsvereinbarung der Integration rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassener Drittstaatsangehöriger (§ 2 Abs. 2 NAG). Sie bezweckt den Erwerb von vertieften Kenntnissen der deutschen Sprache, um den Drittstaatsangehörigen zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich zu befähigen.
Gem. § 14 Abs. 2 NAG besteht die Integrationsvereinbarung aus zwei aufeinander aufbauenden Modulen:
1. das Modul 1 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung;
2. das Modul 2 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung.
Gem. § 14a. Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.
Gem. § 14a Abs. 2 NAG haben Drittstaatsangehörige der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 15.
Gem. § 14a. Abs. 4 NAG ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,
2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder
4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte” gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt.
Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 14b) beinhaltet das Modul 1.
Gem. § 77 Abs. 1 Z 3 NAG ist mit einer Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen, wer zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet ist und den Nachweis zwei Jahre nach Erteilung des Aufenthaltstitels nach diesem Bundesgesetz aus Gründen, die ausschließlich ihm zuzurechnen sind, nicht erbringt, es sei denn, ihm wurde eine Verlängerung gemäß § 14a Abs. 2 gewährt; ist, zu bestrafen.
III.2. § 77 Abs. 1 Z 3 NAG grenzt zunächst das Tatsubjekt auf Personen ein, welche zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet sind. Sodann wird die Tathandlung umrissen. Das taugliche Tatsubjekt muss den Nachweis über die Ableistung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung binnen der gesetzlichen Frist nicht erbringen. In weiterer Folge findet sich eine Einschränkung des Tatbildes, als ein Unterbleiben des Erbringens des Nachweises nur dann strafbar ist, wenn die Nichterfüllung der Nachweispflicht aus Gründen erfolgt, die nicht dem Bf zuzurechnen sind. Gleiches gilt im Falle einer Verlängerung gemäß § 14a Abs. 2 NAG. Auch dann liegt keine Tatbildmäßigkeit vor.
Insofern ist lediglich die Unterlassung des Nachweises der Erfüllung des Moduls 1 unter Strafe gestellt, nicht aber die alleinige Unterlassung des Moduls 1 selbst. Insofern besteht ein Überhang zwischen der Erfüllungspflicht gem. § 14a NAG und dem Umfang der Strafbestimmung in § 77 Abs. 1 Z 3 NAG.
Dies findet Bestätigung darin, als zusätzlich zu den in § 77 Abs. 1 Z 3 letzter Satz NAG genannten Tatbildeinschränkungen noch eine weitere Einschränkung zu finden ist. Nur solche Gründe, die ausschließlich der Bf zuzurechnen sind, führen dazu, dass die strafbare Nichterfüllung der Nachweispflicht angenommen werden kann. Alle sonstigen Umstände führen zur Verneinung der Tatbildmäßigkeit. Diese Einschränkungen decken sich aber nicht mit den Einschränkungen der Erfüllungspflicht gem. § 14a Abs. 2 iVm Abs. 5 NAG.
Hieraus ergibt sich Zweierlei: Einerseits ist im Sinne des § 44a VStG wesentliches Spruchmerkmal, dass eben diese Gründe ausgeschlossen werden und andererseits, dass der Tatbestand des § 77 Abs. 1 Z 3 NAG nicht die schlichte Nichterfüllung der Integrationsvereinbarung unter Strafe stellt, sondern die Nichterbringung des Nachweises der Erfüllung der Integrationsvereinbarung.
III.3. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die von der belangten Behörde angelastete Tat nicht mit Strafe bedroht ist, da sämtliche Sachverhaltselemente bezüglich der eigentlichen Tathandlung fehlen – es handelt sich um eine andere Tat. Da im Verwaltungsstrafrecht – ebenso wie im gerichtlichen Strafrecht – ein Analogieverbot besteht, würde eine interpretative Einschränkung des Wortlautes über den Begriffshof hinaus im Gegenzug zu einer Erweiterung der Strafnorm und im Ergebnis zu einer Verletzung des Analogieverbotes führen und war daher nicht zulässig (vgl. statt vieler VwGH vom 24. März 2000, Zl. 97/21/0748) Es war daher dem Verwaltungsgericht ein „Austausch“ der Tat verwehrt und spruchgemäß zu entscheiden.
III.4. Darüber hinaus sei an dieser Stelle erwähnt, dass die belangte Behörde weder auf Sachverhalts- noch auf Rechtsebene Ausführungen zu den notwendigen Tatbildmerkmalen getroffen hat. Auch finden sich keine Ausführungen zum subjektiven Tatbestand. Hinzutritt, dass eine Strafzumessung schlichtweg nicht stattgefunden hat, es somit schon im Ansatz nicht nachvollziehbar ist, wie die belangte Behörde zur festgesetzten Strafhöhe gekommen ist.
III.5. Bei diesem Ergebnis hatte die Bf weder einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde noch vor dem Verwaltungsgericht zu leisten.
IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine solche Rechtsprechung fehlt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde bzw der revisionslegitimierten Formalpartei die ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Markus Brandstetter