LVwG-000119/11/Bi
Linz, 29.07.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn Dr. A S, Deutschland, vom 28. Oktober 2015 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 24. September 2015, VetR96-23-2015-Zm, wegen Übertretungen des Tierarzneimittelkontrollgesetzes, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 4. Juli 2016
zu Recht e r k a n n t :
I.
Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis in den Punkten 1), 2) und 3) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt wird.
Im Punkt 4) wird die Beschwerde abgewiesen und das Straferkenntnis vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, dass eine Verwaltungsübertretung gemäß § 13 Abs.1 Z6 TAKG iVm Anhang 5 TGD-VO gegeben ist und im Schuldspruch die Wortfolge „…, obwohl Sie Ihnen zurückgegebene, … zu kontrollieren haben.“ zu entfallen hat.
II.
Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt in den Punkten 1), 2) und 3) des Straferkenntnisses ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren.
Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer im Punkt 4) des Straferkenntnisses den Betrag von 20 Euro als Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren zu leisten.
III.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Zu I.:
1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 13 Abs.1 Z3 und Z6 iVm 4a Abs.2 Tierarzneimittelkontrollgesetz (in Folge: TAKG) iVm Anhang 5 Tiergesundheitsdienst-Verordnung (in Folge: TGD-VO), 2) § 13 Abs.1 Z6 TAKG iVm § 14 Abs.1 TGD-VO, 3) § 13 Abs.1 Z6 TAKG iVm § 12 Abs.5 TGD-VO und 4) § 13 Abs.1 Z6 TAKG iVm § 8 Abs.5 Z6 TGD-VO Geldstrafen von 1) – 4) je 100 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) bis 4) je 12 Stunden verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 40 Euro auferlegt. Zugrundegelegt wurde laut Schuldspruch,
1) er habe am 2. April 2015 als Betreuungstierarzt am Betrieb M H, als Tierarzneimittel Linco-Spectin abgegeben, ohne einen Abgabeschein auszustellen, obwohl der Tierarzt für alle an den Tierhalter abgegebenen Tierarzneimittel einen Abgabeschein auszustellen habe.
2) Er habe, wie bei der internen TGD-Kontrolle beim Betrieb M H, am 3. Juni 2015 festgehalten worden sei, bei der Tierarzneimittelabgabe im Rahmen der Metaphylaxe keine Metaphylaxepläne erstellt, obwohl im Rahmen der Metaphylaxe ein schriftlicher Handlungsplan oder eine schriftliche Anweisung zu erstellen sei.
3) Er habe, wie bei der internen TGD-Kontrolle beim Betrieb M H, am 3. Juni 2015 festgehalten worden sei, bei der Tierarzneimittelabgabe den Monatsbedarf überschritten, indem beim ggst Betrieb am 3. Juni 2015 2x100 ml + 50 ml Novasul sowie 100 ml Spectolin am Betrieb lagernd gewesen seien, obwohl dem TGD-Tierhalter oder TGD-Arzneimittelanwender Tierarzneimittel zur Weiterführung der Therapie (Nachbehandlung) höchstens in einer für den Therapieerfolg erforderlichen Menge und höchstens in jeder Menge überlassen würden, die dem voraussichtlichen Monatsbedarf der zu behandelnden Tiere entspreche.
4) Wie bei der internen TGD-Kontrolle beim Betrieb M H, am 3. Juni 2015 festgehalten worden sei, sei trotz mehrfacher Tierarzneimittelabgaben und Betriebsvisiten im Jahr 2014 und 2015 zum Zeitpunkt der Kontrolle keine Dokumentation über die Vorlage bzw Kontrolle der Tierarzneimittel-Reste und abgelaufenen Tierarzneimittel-Leergebinde aufgelegen, obwohl er ihm zurückgegebene, nicht benötigte oder abgelaufene Tierarzneimittel und –reste spätestens bei der nächsten Visite nach Abschluss der jeweiligen Behandlung zu übernehmen oder deren vorschriftsmäßige Entsorgung zu veranlassen habe bzw obwohl er bei zur Instillation und Injektion bestimmten Arzneimitteln (mit Ausnahme von Tierarzneimitteln nach § 13 Abs.1) spätestens bei der nächsten Visite nach Abschluss der jeweiligen Behandlung die gemäß § 9 Abs.3 Z9 vorgelegten Leergebinde solche Tierarzneimittel zu kontrollieren habe.
Die Zustellung des Straferkenntnisses erfolgte laut Rückschein am 9. Oktober 2015.
2. Dagegen hat der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht OÖ zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Am 4. Juli 2016 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Bf und des Zeugen ATA Mag. D D (Mag.D), Organ des Tiergesundheitsdienstes OÖ, durchgeführt. Der Vertreter der belangten Behörde war entschuldigt. Die Zeugin M H (H) war für die Verhandlung entschuldigt, äußerte sich aber schriftlich zu den in der Ladung genannten Beweisthemen. Auf die mündliche Verkündung des Erkenntnisses wurde verzichtet.
3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend zum Vorwurf im Punkt 1), er habe Linco-Spectin abgegeben ohne einen Abgabeschein auszustellen, das Tierarzneimittel sei auf dem zugehörigen Abgabeschein vermerkt und die Chargennummer auf dem Abgabeschein stimme mit der auf dem abgegebenen Tierarzneimittel überein. Im Straferkenntnis sei keine Chargennummer genannt. „Linco-Spectin“ sei ein terminus technicus für eine Wirkstoffkombination aus Lincomycin (-hydrochlorid) und Spectinomycin (-sulfat), wie sie in verschiedenen Tierarzneimitteln zur Anwendung komme. Sie sei enthalten in 7 genau angeführten Tierarzneimitteln.
Zum Vorwurf zu Punkt 2), er habe keine Metaphylaxepläne erstellt, enthalte der Strafbescheid weder Zeitpunkt noch Tatort und keine Ausführungen zum strafbaren Verhalten. Er habe im genannten Betrieb nie Medikamente im Rahmen der Metaphylaxe abgegeben, daher sei ihm auch vom Gesetz nicht die Erstellung von Metaphylaxeplänen auferlegt.
Zum Vorwurf zu Punkt 3), der Überschreitung des Monatsbedarfs bei Novasul und Spectolin, enthalte der Strafbescheid weder Angaben zum Zeitpunkt noch zum Tatort. Er habe nie den Monatsbedarf bei der Tierarzneimittelabgabe überschritten. Er behandle nur akut erkrankte Tiere, der Bedarf an Tierarzneimitteln bei diesen Behandlungen erstrecke sich über höchstens 4 Tage, bei oraler Anwendung höchstens 16 Tage. Medikamente, die am Betrieb lagernd seien und für die die zugehörigen Anwendungsbestimmungen aus dem tierärztlichen Abgabebeleg wegen Fristablauf, ggf sogar wegen Ablauf des Haltbarkeitsdatums gemäß § 8 Abs.5 Z6a TGD-VO, seien grundsätzlich einer vorschriftsmäßigen Entsorgung zuzuführen. Eine Neuverschreibung von nicht benötigten oder abgelaufenen Tierarzneimitteln oder –resten, also angebrochene Arzneimittel, deren Wirksamkeit nach Herstellerangaben nicht mehr gewährleistet sei, komme nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften ohne besondere Prüfung nach den Vorschriften der gültigen Arzneibücher ohnehin nicht in Frage – eine solche sei dem Tierarzt im Schweinestall nicht möglich; eine Prüfung in der Tierärztlichen Hausapotheke oder bei entsprechend ausgestatteten Dienstleistern sprenge den wirtschaftlichen Rahmen einer solchen Aktion. Eine Verbringung von Arzneimittelbehältnissen aus dem Schweinestall zur Tierärztlichen Hausapotheke sei aus Gründen der Tierseuchenhygiene höchst bedenklich, wenn nicht verboten. Alle beschriebenen Vorgehensweisen setzten die Einhaltung bzw Befolgung des § 9 Abs.3 Z9a TGD-VO durch den Tierhalter voraus. Aus dem genannten Betrieb habe er auch auf Anfragen nie auch nur eine Flasche entsprechend dieser Vorschrift vorgelegt bekommen.
Zu Punkt 4) sei weder Tatzeit noch –ort angeführt. Ein Verstoß gegen § 9 Abs.4 Z9 TGD-VO durch den Betriebsinhaber verunmögliche ihm die Einhaltung des § 8 Abs.5 Z6 TGD-VO. Die Rechtsvorschrift verpflichte ihn allenfalls, die ihm zur Kontrolle bzw Rücknahme der vorgelegten Tierarzneimittelreste und Leergebinde zu kontrollieren bzw zurückzunehmen. Bei der Kontrolle sei der Verstoß gegen § 9 Abs.3 Z9 TGD-VO durch den Betriebsinhaber auch richtig erkannt und diesem eine schriftliche Verwarnung erteilt worden.
4. Das Landesverwaltungsgericht OÖ hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der alle Parteien gehört bzw ihre bisherigen schriftlichen Ausführungen berücksichtigt wurden und das Organ des Tiergesundheitsdienstes OÖ unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 288 StGB zeugenschaftlich einvernommen wurde. Das Schreiben der Zeugin H vom 26. Juni 2016 wurde verlesen und erörtert.
Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:
Am 3. Juni 2015 erfolgte (in Verbindung mit einer solchen gemäß RückstandsVO) eine Kontrolle des landwirtschaftlichen Betriebes der Zeugin H in Wartberg/Krems durch das TGD-Kontrollorgan Mag. D. Im Betrieb H werden ca 440 Mastschweine gehalten; TGD-Betreuungstierarzt ist der Bf. Bei der Kontrolle war die Mutter der Tierhalterin, die zugleich TAM-Anwenderin ist, anwesend. Der Zeuge Mag. D übermittelte eine Anzeige, in der er die von ihm bei der Kontrolle festgestellten Mängel bei der Tierhaltung zusammenfasste, an die BH Ried/I. in der Meinung, diese sei für die Führung eines Verwaltungsstrafverfahrens zuständig, zumal der Bf im Bezirk Ried/I. einen Berufssitz habe. In der Verhandlung legte Mag. D diese Anzeige zur Einsichtnahme vor, wobei festgestellt wurde, dass diese nicht Teil des Verfahrensaktes der BH Kirchdorf/Krems war. Im Übrigen geht aus dem Akt hervor, dass eine Abtretung gemäß § 29a VStG an die BH Ried/I deshalb nicht erfolgte, weil laut BH Ried/I. der Bf im dortigen Bezirk weder einen Wohnsitz noch seinen Aufenthalt, sondern nur eine Tierärztliche Hausapotheke angemeldet hat; der ständige Wohnsitz des Bf ist in Deutschland.
In der Verhandlung wurden die einzelnen von Mag. D beim Betrieb H festgestellten und in einem Schreiben des OÖ. Tiergesundheitsdienstes vom 7. Juli 2015 dem Bf mitgeteilten Mängel erörtert.
Zu Punkt 1) führte Mag. D aus, er habe bei der Kontrolle am 3. Juni 2015 im Betrieb H das Tierarzneimittel „Linco-Spectin“ vorgefunden, obwohl dafür kein Abgabeschein ausgestellt worden war; am Abgabebeleg vom 2. April 2015 sei „Spectolin“ angeführt gewesen.
Die Zeugin H bestätigte in ihrem Schreiben, am 2. April 2015 „Linco-Spectin Lösung“ abgegeben bekommen zu haben, wobei auf dem Abgabebeleg „Spectolin“ gestanden sei, aber die Chargennummer habe übereingestimmt. Der Bf habe bei einer früheren Visite schon angekündigt, dass „Spectolin“ durch „Linco-Spectin“ ersetzt werde, das aber in der Zusammensetzung, bei der Wartezeit und beim Gebrauch gleich sei.
Der Bf machte geltend, die Chargennummer für das „Linco-Spectin“ habe mit der des „Spectolin“ übereingestimmt, nur die Bezeichnung sei unrichtig gewesen. Hätte Mag. D die Flasche beschlagnahmt, hätte sich ergeben, dass er einen Abgabebeleg ausgefüllt, sich aber in der Bezeichnung geirrt habe. Die schriftliche Angabe der Zeugin H, er habe bei der Visite am 2. April 2015 den Preis noch nicht gewusst, habe mit der Ausstellung des Abgabebelegs nichts zu tun.
Der von Mag. D an die BH Ried/I. adressierten Anzeige war ein Foto des Medikaments „Linco Spectin Lösung“ samt Verpackung beigelegt, aus dem auch die Chargennummer hervorging.
Zu Punkt 2) führte Mag. D. in der Verhandlung aus, er habe bei der Kontrolle am 3. Juni 2015 von der damals anwesenden TAM-Anwenderin verlangt, sie möge ihm die auf dem Hof befindlichen Medikamente vorlegen; das seien 2 x 100 ml Novasul, 100 ml Linco-Spectin, 100 ml Spectolin sowie und 2 x 100 ml und 50 ml Novasul gewesen. Er sei aufgrund der fehlenden Behandlungsbelege und der Aussage der Zeugin H ihm gegenüber, der Bf komme nicht für jedes kranke Tier, sondern lasse Medikament da, davon ausgegangen, dass der Bf diese Tierarzneimittel im Rahmen der Metaphylaxe abgegeben habe, allerdings seien keine Metaphylaxepläne vorhanden gewesen. Eine andere rechtliche Grundlage für die vorgefundenen Medikamente (zB Nachbehandlung) sei für ihn nicht erkennbar gewesen, weshalb er diese Abgabe als im Rahmen der Metaphylaxe erfolgt gedeutet habe. Ein Metaphylaxeplan müsse zusätzlich zum Abgabebeleg in schriftlicher Form im Betrieb vorliegen; dieser sei mehr oder weniger die Rechtfertigung, dass Medikamente beim Landwirt gelassen würden. Der Metaphylaxeplan komme dann zu Einsatz, wenn zB ein Tier krank sei und der Tierarzt komme und lasse Medikamente für die Nachbehandlung dieses kranken Tieres da. Wenn später weitere Tiere krank würden, müsse er entweder wiederkommen und diese Tiere behandeln und wieder Medikamente für die Nachbehandlung da lassen oder er behandle das kranke Tier und lasse etwas für die Nachbehandlung da und sicherheitshalber, für den Fall dass weitere Tiere krank würden, noch zusätzlich Medikamente für diese Tiere, aber nur, wenn es einen vorher schon erstellten Metaphylaxeplan gebe; darin müsse das Datum der Erstellung, die Gültigkeitsdauer und die Diagnose der zu behandelnden Tiereinheit stehen und dieser müsse am Betrieb aufliegen. Mag. D räumte ein, dass die Zeugin H das Wort „Metaphylaxe“ selbst nicht verwendet aber gesagt habe, der Bf lasse Medikamente da für den Fall, dass weitere Tiere krank würden.
Die Zeugin H erläuterte in ihrem Schreiben, von Metaphylaxeplänen sei nie die Rede gewesen, seit 3. Juni 2015 würden sie nun gemacht – das bestritt der Bf. Ihre Mutter habe vorher die Anwendungen in einem Heft notiert. Der Bf habe nur Medikamente für zur Zeit der Visite erkrankte Tiere abgegeben, die gleich danach zu behandeln gewesen seien. Die abgegebenen Flaschen hätte sie spätestens nach einer Woche nach der Visite nicht mehr anwenden dürfen, Behandlung und Arzneimittelanwendung dürften nur entsprechend der Anweisungen auf dem Abgabebeleg erfolgen. Übrig gebliebene Medikamente aus vergangenen Behandlungen dürften nicht mehr eingesetzt werden. Der Bf sei gerufen worden, wenn Tiere krank geworden seien und sie „keine Medikamente mehr am Hof gehabt“ hätten.
Der Bf bestätigte, er mache keine Metaphylaxepläne, weil er nur erkrankte Tiere behandle; die Zeugin H habe ihn auch nur gerufen, wenn ein Tier krank gewesen sei. Er behandle das kranke Tier und messe bei den anderen das Fieber – wenn die auch Fieber hätten, seien sie infiziert, dann würden sie als kranke Tiere behandelt, dazu brauche er keine Metaphylaxe. Er vertrat die Ansicht, das Gesetz schreibe keine Metaphylaxepläne vor, es sei denn, er gebe dem Landwirt Medikamente zur freien Verfügung. Die Anweisung für das derzeit kranke Tier stehe, wie gesetzlich vorgeschrieben, auf dem Abgabebeleg. In Deutschland werde er bestraft, wenn er Medikamente abgebe für Tiere, die irgendwann einmal krank würden. Es gebe aber nur 2 oder 3 Krankheiten bzw Indikationen, bei denen man tatsächlich Medikamente abgeben könne; zB bei Impfungen, bei denen in drei Wochen nochmals geimpft werden muss, gebe er Impfstoffe für vier Wochen ab. Er widerspreche nicht, wenn in einer Bucht einzelne Tiere krank seien und man davon ausgehen könne, dass alle potentiell krank seien. Diese Tiere nach und nach zu behandeln, sei falsch, sondern man behandle die ganze Bucht mit einem Fütterungsmedikament, nicht mit Spritzen. Dass Mag. D beim Betrieb H Medikamente vorgefunden habe, resultiere daraus, dass weniger als die verordnete Dosis gespritzt worden sei, weil gespart werde und TAM-Reste entgegen der verordneten Anwendung weiterverwendet würden. Von daher kämen Arzneimittelreste ohne Behandlungsbelege. Wenn er beim Landwirt nachfrage, ob der die verordnete Dosis gespritzt hätte und angebrochene Flaschen da seien, bestätige das der Landwirt, aber er bekomme keine Flaschen mit TAM-Resten, weil der Landwirt sage, die habe er weggeworfen.
Der Bf verwahrte sich in der Verhandlung grundsätzlich dagegen, über Metaphylaxepläne Landwirten Tierarzneimittel zur freien Verfügung zu überlassen und berief sich dazu auf EU-Recht.
Zu Punkt 3) wurde festgestellt, dass die Abgabe von 2 x 100 ml und 50 ml Novasul sowie 100 ml Spectolin am 8. Jänner 2015 erfolgt war, die Abgabe von Linco-Spectin am 2. April 2015, Ablaufdatum war April 2016. Der Vorhalt von Mag. D in der Verhandlung, die angezeigten Tierarzneimittel seien zwar im Abgabezeitpunkt noch nicht abgelaufen, aber innerhalb eines Monatsbedarfs, ging schon aufgrund seiner Aufzeichnungen, aus denen sich für jedes Tierarzneimittel das Ablaufdatum ersehen ließ, ins Leere.
In der Verhandlung wurde auch erörtert, dass die Visite durch den Bf am 2. April 2015 auch ein Termin für eine Betriebserhebung war. Mag. D bestätigt, dass der Betreuungstierarzt, da er TAM-Reste gegen Rückgabe-Beleg zurücknehmen müsse, die Plausibilität kontrollieren müsse, wenn der Landwirt auf seine Frage nach angebrochenen TAM-Flaschen sage, die habe er weggeworfen. Vollkommen intakte Medikamentenflaschen – solche gebe es, wenn zB der Tierarzt für ein krankes Tier ein Medikament verschreibe, aber das Tier sterbe vor Anbruch der Flasche – könne der Tierarzt (rein rechtlich) noch einmal verschreiben im Rahmen seiner fachlichen Kenntnis, dh wenn aktuell eine entsprechende Diagnose gegeben sei, und wenn das Haltbarkeitsdatum weit genug in der Zukunft liege. Ansonsten müsse der Tierarzt auch volle Flaschen gegen Beleg zurücknehmen und entsorgen. Der Bf betonte, volle Flaschen bekomme er von Landwirten überhaupt nicht zurück, gegen eine tatsächliche Neuverschreibung hege er erhebliche Zweifel.
Zu Punkt 4) wurde im Vorhalt des OÖ. Tiergesundheitsdienstes bemängelt, dass zum Kontrollzeitpunkt 3. Juni 2015 keine Dokumentationen über die Vorlage bzw Kontrolle von Tierarzneimittelresten und –leergebinden aufgelegen seien. Der Bf machte geltend, wenn ihm der Tierhalter keine leeren Flaschen oder solche mit Arzneimittelreste vorlege, könne er keine zurücknehmen. Wenn er Landwirte auf Medikamentenreste anspreche, seien „keine da“. So etwas könne er nicht dokumentieren – inzwischen nehme er leere Flaschen zurück, dh insofern sei bereits eine Änderung eingetreten; leere Flaschen brauche man aber nicht „entsorgungssichern“, weil man damit keinen Missbrauch treiben könne.
Mag. D verwies auf die Verpflichtung des Tierarztes zur Dokumentation in der Weise, dass, wenn der Landwirt sage, er habe die leere Flasche weggeworfen, der Tierarzt zwar die Flasche selbst nicht gesehen habe, aber auf dem Rücknahmebeleg vermerke, dass der Landwirt die Flasche weggeworfen habe. Damit sei er abgesichert für den Fall, dass die Flasche noch irgendwo auftauche.
Vonseiten des Landesverwaltungsgerichtes OÖ ist zu bemerken, dass bei Durchsicht des von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensaktes, dessen Vollständigkeit vorausgesetzt werden muss, auffällig ist, dass das gegen den Bf geführte Verwaltungsstrafverfahren offensichtlich auf der Grundlage des Schreibens des OÖ. Tiergesundheitsdienstes an den Bf vom 7. Juli 2015 betreffend „Interne TGD Kontrolle Erhebliche Abweichungen Tierarzt Übertretungen TAKG“ eingeleitet wurde. Eine Anzeige – Mag. D hat eine solche in der Verhandlung zur Einsichtnahme vorgelegt – scheint im Verfahrensakt nicht auf, obwohl seitens der Bezirkshauptmannschaft Ried/I. mit Schreiben vom 16. Juli 2015 bestätigt wurde, dass „vom TGD“ eine solche sowohl der BH Ried/I. als auch der BH Kirchdorf/K. übermittelt wurde.
Der Bf beeinspruchte die am 1. August 2015 zugestellte Strafverfügung der belangten Behörde fristgerecht; die Formulierung als bloße Erhebung eines Einspruchs ist auf der Grundlage des § 49 VStG zulässig.
Eine Aufforderung zur Rechtfertigung erging entgegen den Bestimmungen des § 40 VStG nicht. Dem Bf wurde im Verfahren vor der belangten Behörde keinerlei Gelegenheit gegeben, sich zu den Tatvorwürfen zu rechtfertigen und es wurde ihm auch nicht zur Kenntnis gebracht, dass das Verwaltungsstrafverfahren auf dem Schreiben des TGD basiert bzw dieses inhaltlich Bestandteil des Verfahrens ist. Er wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 13. August 2015 lediglich nach seinen finanziellen Verhältnissen gefragt und er hat diese Frage beantwortet. Sodann erging das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis ohne weitere Erhebungen, dh (mit Ausnahme einer anstandslosen EKIS-Auskunft) ohne Durchführung eines Beweisverfahrens. Einzige Grundlage für das Straferkenntnis blieb das oben genannte Schreiben des TGD an den Bf; in der Begründung des Straferkenntnisses wurde jedoch – in keiner Weise nachvollziehbar – zu jedem Tatvorwurf auf ein „Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens“ hingewiesen.
Der Bf hat sich in der Beschwerde erstmals überhaupt zu den Tatvorwürfen geäußert und in der Verhandlung – bei der der Vertreter der belangten Behörde „aus zeitlichen Gründen“ nicht anwesend war – erstmals seine Sicht der Dinge dargelegt.
Das Landesverwaltungsgericht OÖ hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:
Zu Punkt 1) des Straferkenntnisses:
Gemäß § 13 Abs.1 TAKG begeht, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer
Z3 den Bestimmungen der §§ 4, 4a oder 4b zuwiderhandelt oder
Z6 als Tierarzt oder Tierhalter den Bestimmungen einer Verordnung auf Grund des § 7 zuwiderhandelt.
Gemäß § 4a Abs.2 TAKG hat der Tierarzt alle an den Tierhalter abgegebenen Arzneimittel mit einer Signatur auf dem Behältnis zu versehen, auf der Name und Anschrift des Tierarztes sowie das Abgabedatum vermerkt sein müssen. Außerdem hat der Tierarzt für alle an den Tierhalter abgegebenen Tierarzneimittel einen Abgabeschein auszustellen, auf dem Art und Menge des Tierarzneimittels, Name und Anschrift des Tierarztes sowie das Abgabedatum vermerkt sind. Ist für solche Arzneimittel eine von der Fach- bzw. Gebrauchsinformation abweichende Anwendung erforderlich (§ 4 Abs. 2 Z 1 und 2), so ist der Tierhalter schriftlich darauf hinzuweisen. Bei Tierarzneimitteln im Sinne des § 4 Abs.2 Z3 ist dem Tierhalter eine entsprechende Gebrauchsinformation zu geben.
Gemäß Anhang 5 TGD-VO haben die TGD-Betreuungstierärzte und TGD-Arzneimittelanwender unbeschadet sonstiger gesetzlicher Vorschriften über die Anwendung und Abgabe von Arzneimitteln folgende Vorgaben zu erfüllen:
DOKUMENTATIONSPFLICHTEN | Abgabe TGD-Be-treuungs-tierarzt | Anwendung | Anwendung | Rücknahme TGD-Betreuungs-tierarzt |
Datum | x | x | X | x |
Belegnummer (lfd. Nummer des Beleges) | x | x |
| x1) |
Name, Anschrift des Tierhalters, LFBIS-Nr2) | x | x |
|
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Name und Anschrift Tierarzt3) | x | x |
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Vermerk - Abgabe o A | x |
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- Behandlung o B |
| x |
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- Rücknahme o R |
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| x |
Vermerk Tierart | x | x |
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Identität der/des Tiere/s | x | x | X |
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Diagnose | x | x |
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TAM Abgabegrund (Behandlung, Prophylaxe, Metaphylaxe, spez. Programm) | x |
|
|
|
TAM Bezeichnung (Handelsname) | x | x | X | X |
TAM Menge pro Abgabe/Rückgabe | x |
|
| X |
TAM Dosis (verabreichte Dosis pro Tier) |
| x | X |
|
TAM Chargennummer | x |
|
|
|
Anwendungsanleitung (Dosis, Art, sonst. Hinweise) | x |
|
|
|
Anwendungsart |
| x | X |
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Behandlungsdauer | x |
|
|
|
Wartezeit4) | x | x |
|
|
Unterschrift Tierarzt | x | x |
| x |
Unterschrift TGD-Arzneimittelanwender | x | x | X |
|
Nach den Ergebnissen des vom Landesverwaltungsgericht durchgeführten Beweisverfahrens ist davon auszugehen, dass anstelle des bisherigen TAM „Spectolin“ – die Zulassung für „Spectolin 50mg/100mg – Injektionslösung für Tiere“ wurde gemäß „Änderungen der Informationen über Veterinär-Arzneispezialitäten in Österreich“ des Bundesministeriums für Gesundheit, Stand: 30. Dezember 2015, 2015 aufgehoben – als Ersatz dafür das TAM „Linco-Spectin 50mg/100mg/ml – Injektionslösung für Tiere“ in den Handel kam, wobei der Bf bei der Visite am 2. April 2015 der Zeugin H (bzw ihrer Mutter als TAM-Anwenderin) eine Flasche „Linco-Spectin“ überließ, jedoch am Abgabebeleg irrtümlich „Spectolin“ vermerkte. Nach dem von Mag. D in der Verhandlung als Teil seiner Anzeige vorgelegten Foto handelte es sich dabei um eine Injektionslösung. Anhand der ebenfalls auf dem Foto ersichtlichen Chargennummer hätte sich die irrtümliche Bezeichnung aufklären lassen. Das Foto samt Anzeige ist aber nicht Teil des vorgelegten Verfahrensaktes, dh auch nicht Gegenstand einer Verfolgungshandlung innerhalb der einjährigen Frist des § 31 Abs.1 VStG.
Die Anlastung sowohl in der Strafverfügung vom 21. Juli 2015 als auch im Straferkenntnis vom 24. September 2015, der Bf habe … „das Tierarzneimittel Linco-Spectin“ abgegeben, stellt insofern keine ausreichende Konkretisierung des Tatvorwurfs dar, als es unter dieser Bezeichnung sowohl eine „Injektionslösung für Tiere“ als auch ein „lösliches Pulver für Tiere“ gibt und eine eindeutige Zuordnung ohne Foto nicht getroffen werden kann. Die Abgabe erfolgte am 2. April 2015, dh die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist ist bereits abgelaufen; damit war gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG mit der Einstellung des Verfahrens vorzugehen.
Zu bemerken ist, dass der offensichtliche Irrtum bei der Bezeichnung nicht unter die Anlage 5 der TGD-VO fällt, weil der TGD-Betreuungstierarzt die Rubrik „TAM-Bezeichnung“ ausgefüllt hat. Die unrichtige Bezeichnung des an den Tierhalter abgegebenen Tierarzneimittels wäre unter § 4a Abs.2 2.Satz TAKG zu subsumieren gewesen.
Zu Punkt 2) des Straferkenntnisses:
Gemäß § 13 Abs.1 Z6 TAKG begeht, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer als Tierarzt oder Tierhalter den Bestimmungen einer Verordnung auf Grund des § 7 zuwiderhandelt.
§ 14 der auf § 7 TAKG gegründeten Tiergesundheitsdienst-Verordnung (TGD-VO) lautet wie folgt:
(1) Im Rahmen der Metaphylaxe ist ein schriftlicher Handlungsplan oder eine schriftliche Anweisung – ergänzend zum Arzneimittelabgabe-, Arzneimittelrückgabe- und Arzneimittelanwendungsbeleg – am Tag des Auftretens des Akutfalls für die voraussichtliche Dauer des Bestandsproblems, längstens jedoch für die Dauer von einem Jahr, zu erstellen. Tierarzneimittel dürfen höchstens in einer Menge überlassen werden, die dem voraussichtlichen Monatsbedarf der zu behandelnden Tiere entspricht.
(2) Der Handlungsplan/die Anweisung hat jedenfalls die gegenständliche Krankheit (Diagnose), die gegebenenfalls zu behandelnde Einheit (Tierpartien, Altersgruppen, Boxennummer, Ohrmarkennummer bei Einzeltierkennzeichnung, Stalleinheiten, etc.), das Erstellungsdatum sowie das Datum, bis zu welchem der schriftliche Handlungsplan/die Anweisung gültig ist, zu enthalten.
(3) Die Anwendung dieser Tierarzneimittel durch den TGD-Arzneimittelanwender ist auch innerhalb des im Handlungsplan/in der schriftlichen Anweisung festgelegten Zeitraumes nur unter nachweislicher Einbeziehung des TGD-Betreuungstierarztes gestattet. Seitens des TGD-Tierhalters ist dazu der TGD-Betreuungstierarzt über Folgendes zu informieren und dies schriftlich festzuhalten:
1. Datum der Information des TGD-Betreuungstierarztes,
2. Beginn der Behandlung weiterer Tiere gemäß Handlungsplan oder schriftlicher Anweisung,
3. Anzahl und Identität der neuerkrankten Tiere auf dem Handlungsplan oder der schriftlichen Anweisung.
(4) Die Einhaltung sowie der Erfolg des Handlungsplans oder der schriftlichen Anweisung ist vom TGD-Betreuungstierarzt beim nächsten Betriebsbesuch gemäß § 12 Abs.4 nachweislich durch Abzeichnung der Dokumentation der durchgeführten Behandlung gemäß Handlungsplan oder der schriftlichen Anweisung zu kontrollieren.
(5) Bei der Rücknahme von Tierarzneimitteln gemäß § 8 Abs.5 Z6 ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass Tierarzneimittel, welche nicht zur Behandlung erforderlich waren, nachweislich vom TGD-Betreuungstierarzt zurückgenommen werden. Der Nachweis der Vollständigkeit der Rücknahme hat durch einen plausiblen Mengenabgleich (abgegebene Menge abzüglich Menge Tierarzneimittel, welche angewendet wurden) zu erfolgen.
§ 14 Abs.1 TGD-VO normiert die Verpflichtung des TGD-Betreuungstierarztes zur Erstellung von Metaphylaxeplänen zusätzlich zum TAM-Abgabebeleg, sodass die Auffassung des Bf, er fülle ohnehin einen Abgabebeleg bzw Behandlungsbeleg aus, aus dem die genauen Anweisungen zur TAM-Anwendung hervorgingen, ins Leere geht.
Dem Kontrollorgan Mag. D ist insoweit zuzustimmen, als die ihm bei der Kontrolle am 3. Juni 2015 im Betrieb H vorgelegten Tierarzneimittel, nämlich das Schmerzmittel Novasul und die Antibiotika Spectolin (alt) und Linco-Spectin (neu), keine Rechtfertigung hatten, wenn kein Behandlungsbeleg zu finden war. Da diese Medikamente weder unter „Behandlung eines kranken Tieres“ noch unter „Nachbehandlung“ fielen, schloss er daraus, dass die Mutter der Zeugin H ihm gegenüber angab, der Bf komme nicht wegen jedes einzelnen kranken Tieres, nachvollziehbar, dass diese Medikamente, wie sich die Zeugin H in ihrem Schreiben ausdrückte, „am Hof vorhanden“ waren. Das konnten sie aber nur mit einem Behandlungsplan, nämlich einem Metaphylaxeplan bei entsprechender Diagnose. Wenn der Bf, wie er selbst in der Verhandlung sagte, an den Betrieb H nur das Schmerzmittel Novasul und das Antibiotikum „Linco-Spectin“ abgab, wäre eine solche Diagnose wohl möglich gewesen.
Allerdings ist die Schilderung des Bf, die Landwirte würden bei der Behandlung der kranken Tiere weniger als die verordnete Dosis spritzen, woraus sich dann ihm nicht zur Rücknahme vorgelegte TAM-Reste ergäben, nicht weniger glaubwürdig und vermag die Mag. D am 3. Juni 2015 vorgelegten Arzneimittel durchaus zu erklären. Nach den Packungsbeilagen der beiden Medikamente werden diese in Glasflaschen zu je 100 ml angeboten, dh die vorgefundenen Medikamente waren (bis auf die 50 ml Novasul) keine angebrochenen „Reste“.
Die Zeugin H hat in ihrem Schreiben vom 26. Juni 2016 selbst zugegeben, ihre Mutter (die TAM-Anwenderin ist) habe bis zur „Anklage“ des Bf keine Probleme damit gehabt, volle oder angebrochene Flaschen aus vorangegangenen Behandlungen weiterzuverwenden – das machten alle so; andere ihr bekannte Landwirte bekämen Medikamente zur freien Verfügung. Mag. D habe das bei der Kontrolle ihrer Mutter gegenüber bestärkt, weil er gesagt habe, dass eine abgegebene Flasche Antibiotikum mindestens 1 Jahr Haltbarkeit aufweisen müsse, damit sie nicht während der Anwendung – Metaphylaxepläne sind maximal ein Jahr gültig – ablaufe. Ihre Mutter habe Mag. D „in gutem Glauben“ alle verfügbaren Flaschen vorgestellt, obwohl der Bf gesagt habe, dass die Flaschen spätestens 1 Woche nach der Abgabe leer sein sollten bzw nicht mehr verwendet werden dürften. Damit hat sie die bereits in der Beschwerde gemachte Aussage des Bf, er gebe keine Medikamente im Rahmen der Metaphylaxe ab, bestätigt. Sie hat selbst ausgeführt, sie habe Mag. D alle verfügbaren Flaschen gezeigt, allerdings wohl nicht dem Bf, der zu deren Rücknahme und Entsorgung verpflichtet gewesen wäre (und seiner Verpflichtung damit nicht nachkommen konnte).
Damit ist im Sinne des Tatvorwurfs, er habe bei der „Arzneimittel-Abgabe im Rahmen der Metaphylaxe“ keine Metaphylaxepläne erstellt, letztlich nicht erweisbar, ob der Bf tatsächlich der Zeugin H im Rahmen der Metaphylaxe diese TAM abgegeben hat. Es kann nämlich durchaus sein, dass die Zeugin H bzw ihre Mutter die am 3. Juni 2015 vorgefundenen TAM ohne ausdrückliche Abgabe im Rahmen der Metaphylaxe zum Zweck der Weiterverwendung behielt. Ein Verschulden des Bf ist damit nicht erweisbar, weshalb auch im Punkt 2) gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG mit der Einstellung des Verfahrens vorzugehen war.
Zu Punkt 3) des Straferkenntnisses:
Gemäß § 12 Abs.5 TGD-VO dürfen dem TGD-Tierhalter oder TGD-Arzneimittelanwender Tierarzneimittel zur Weiterführung der Therapie (Nachbehandlung) höchstens in einer für den Therapieerfolg erforderlichen Menge und höchstens in jener Menge überlassen werden, die dem voraussichtlichen Monatsbedarf der zu behandelnden Tiere entspricht.
§ 12 Abs.5 TGD-VO stellt nicht auf den Zeitpunkt der TGD-Kontrolle ab, sondern auf den Zeitpunkt der Abgabe, weil der TGD-Betreuungstierarzt zu diesem Zeitpunkt die zu überlassende Menge („voraussichtlicher“ Monatsbedarf) zu beurteilen hat.
Die TAM-Abgabe erfolgte laut Schreiben des TGD an den Bf vom 7. Juli 2015 bereits am 8. Jänner 2015. Damit ist am 8. Jänner 2016 Verfolgungsverjährung eingetreten und war somit gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG das Verfahren einzustellen.
Zu Punkt 4) des Straferkenntnisses:
Gemäß § 8 Abs.5 Z6 lit.a TGD-VO haben TGD-Betreuungstierärzte die ihnen gemäß § 9 Abs.3 Z9 zurückgegebenen, nicht benötigten oder abgelaufenen Tierarzneimittel sowie Tierarzneimittelreste (das sind angebrochene Arzneimittel, deren Wirksamkeit nach Herstellerangaben nicht mehr gewährleistet ist) spätestens bei der nächsten Visite nach Abschluss der jeweiligen Behandlung zu übernehmen oder deren vorschriftsmäßige Entsorgung zu veranlassen.
Dem Bf wurde im Tatvorwurf nicht die Nicht-Rücknahme von TAM-Resten und TAM-Leergebinden vorgeworfen, sondern dass bei der Kontrolle am 3. Juni 2015 keine Dokumentation über die Vorlage und Kontrolle dieser Reste und Leergebinde aufgelegen sei. Damit ist das dem Bf vorgeworfene Verhalten nicht unter § 8 Abs.5 Z6 lit.a TGD-VO zu subsumieren sondern unter Anhang 5 TGD-VO.
Die in der Verhandlung ausführlich erörterte Möglichkeit des Bf, nicht zurückgegebene Flaschen, von denen der Tierhalter behauptet, er habe sie weggeworfen, mit einem entsprechenden Vermerk auf dem Rückgabebeleg als „laut Tierhalter weggeworfen“ zu dokumentieren, dient der Absicherung des Betreuungstierarztes, der naturgemäß eine tatsächliche Entsorgung nicht bestätigen (und eine weitere Verwendung nicht ausschließen) kann. Der Bf hat bestätigt, seit der gegenständlichen Beanstandung habe sich einiges im Umgang mit seinen Kunden geändert und nun würden diese ihm im Sinne des § 9 Abs.3 Z9 TGD-VO von sich aus Flaschen mit TAM-Resten und Leergebinde vorlegen – nicht wegen der Kontrolle durch Mag. D sondern weil er ihnen gesagt habe, dass er deswegen ein Gerichtsverfahren habe.
In der Verhandlung wurde festgestellt, dass bei der Visite im Betrieb H am 2. April 2015 zugleich eine Betriebserhebung im Sinne des § 8 Abs.5 Z1 TGD-VO stattgefunden hatte, bei der der Bf den ua TAM-Kühlschrank im Hinblick auf die Lagerungsbedingungen der Medikamente zu kontrollieren hatte, dh ihm waren dabei die darin gelagerten Medikamente zugänglich, ohne die Zeugin H zu einer Vorlage bewegen zu müssen. Der Bf hat dazu ausgeführt, er erhalte keine vollen Flaschen, die hebe der Landwirt „irgendwo unterm Bett auf“, die habe er „irgendwo auf der Seite“. Er verschreibe auch keine vollen Flaschen neu, weil er nicht sagen könne, wie die ihm gezeigten inzwischen gelagert worden seien, solche Medikamente könnten inzwischen aufgrund falscher Lagerung wirkungslos sein.
Die Zeugin H hat in ihrem Schreiben die Aussagen des Bf indirekt bestätigt, indem sie ausführte, ihre Mutter habe Mag. D „in gutem Glauben“ alle vorhandenen Flaschen vorgestellt. Nach diesen Aussagen wären das genau die Flaschen gewesen, die der Bf nie zu Gesicht bekommen hätte. Diese Argumentation wäre richtig unter der Voraussetzung, dass der Bf nicht wusste, welche Menge an bestimmten TAM er bei der letzten Visite im Betrieb H abgegeben hat. Da er jedoch über eine genaue Dokumentation der von ihm abgegebenen Flaschen verfügt, brauchte er nur die abgegebenen Flaschen, bei denen die Behandlung bzw Nachbehandlung der Tiere inzwischen abgeschlossen sein musste, laut Abgabeschein zurückverlangen und eine Rückgabe dokumentieren oder eine ev. Aussage der Zeugin H über den Verbleib bzw eine bereits erfolgte Entsorgung zu vermerken. Schon daraus folgt, dass es bei der im Anhang 5 TGD-VO vorgesehenen Vorgangsweise möglich ist, dass bei einzelnen Flaschen der Verbleib im Nachhinein nicht plausibel aufgeklärt werden kann, dass es aber gänzlich ausgeschlossen ist, dass überhaupt keine Dokumentation vorliegt, wie dem Bf zur Last gelegt wird. Ein solches gänzliches Fehlen jeglicher Dokumentation kann beim Bf daher nur als gänzliche Missachtung seiner Verpflichtungen als TGD-Betreuungstierarzt angesehen werden. Seine Verantwortung in der Verhandlung vermochte dahingehend letztlich nicht zu überzeugen.
Damit hat der Bf den ihm im Punkt 4) des Straferkenntnisses zur Last gelegten Tatbestand mit der Maßgabe, dass im Schuldspruch die Wortfolge „…, obwohl Sie Ihnen zurückgegebene, … zu kontrollieren haben.“ zu entfallen hat, zweifellos verwirklicht und, da ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 VStG nicht gelungen ist, sein Verhalten als Verwaltungsübertretung gemäß § 13 Abs.1 Z6 TAKG iVm Anhang 5 TGD-VO zu verantworten. Die Voraussetzungen für den Ausspruch einer Ermahnung im Sinne des § 45 Abs.1 Z4 VStG liegen nicht vor, weil das Verschulden des Bf nicht als gering zu begründen ist.
Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 13 TAKG bis 20.000 Euro (im Wiederholungsfall wären das bis 40.000 Euro) Geldstrafe und gemäß § 16 VStG für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.
Die belangte Behörde hat zur Strafbemessung in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses – zutreffend – auf die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bf – daher der Strafrahmen bis 20.000 Euro Geldstrafe – und die von ihm selbst bekanntgegebenen finanziellen Verhältnisse sowie darauf verwiesen, dass die festgesetzte Strafe sich im unteren Bereich des Strafrahmens bewegt.
Aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes kann damit keine Überschreitung des der belangten Behörde bei der Strafzumessung eingeräumten Ermessens erblickt werden. Eine Herabsetzung der Geld- und der im Verhältnis dazu angemessenen Ersatzfreiheitsstrafe ist nicht gerechtfertigt. Dabei ist auch auf den general- sowie spezialpräventiven Strafzweck Bedacht zu nehmen.
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei in den Punkten 1), 2) und 3) sämtliche Verfahrenskostenbeiträge der belangten Behörde entfallen. Im Punkt 4) bleibt der Ausspruch über den im Verfahren vor der belangten Behörde pauschal mit 10% der Geldstrafe, zumindest 10 Euro, vorgesehenen Verfahrenskostenersatzes aufrecht.
Zu II.:
Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt in den Punkten 1), 2) und 3) des Straferkenntnisses die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.
Gemäß § 52 Abs.1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Gemäß Abs.2 ist dieser Betrag für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen. Im Punkt 4) war somit ein 20%iger Verfahrenskostenersatz zu Beschwerdeverfahren auszusprechen.
Zu III.:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim VwGH einzubringen.
H i n w e i s
Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als gegenstandslos.
Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesendet.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Bissenberger