LVwG-150002/6/MK/Ka

Linz, 27.01.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Markus Kitzberger über die Beschwerde x, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12.07.2013, GZ: 0025519/2009 ABA Nord 501/N090102, über die Verhängung einer Zwangsstrafe wegen der Nichterfüllung einer bescheidmäßig aufgetragenen baurechtlichenVerpflichtung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Nach einem seit Juni 2009 anhängigen Bauverfahren zur Bewilligung von Umbauten und der Abänderung der Nutzung des Objektes x, wurden – nach wiederholtem Feststellen diverser Diskrepanzen zwischen Bewilligungsstand und tatsächlicher Bau- und Benützungsstatus -  anlässlich einer Kontrolle durch den Erhebungsdienst des Magistrates der Landeshauptstadt Linz und Organen der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Stadtpolizeikommando Linz, am 14.02.2013 erhebliche Missstände dokumentiert.

 

Entgegen der bewilligten Raumwidmung (Kellergeschoß: Abstellraum und Lagerräume; Erdgeschoß: Vereinslokal, Verkaufsraum, Wohnung; erstes Obergeschoß: Gebetsräume, Wohnung) wurden zu diesem Zeitpunkt sämtliche Räume zu Wohnzwecken genutzt. Aufgrund baulicher Mängel bei der Elektroinstallation konnte zudem eine Personengefährdung nicht ausgeschlossen werden.

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20.02.2013, GZ: 0025519/2009 ABA Nord 501/N090102, wurde der Brüder x, als Eigentümerin die Benutzung des Kellergeschosses, des Vereinslokals und des Verkaufsraums im Erdgeschoß sowie die Gebetsräume im ersten Obergeschoß zu Wohnzwecken wegen Widerspruchs zur Baubewilligung vom 07.09.2009, GZ: 0025519/2009, untersagt.

 

Da dieser Verpflichtung nicht nachgekommen worden war, wurde mit Schriftsatz vom 15.04.2013 unter Setzung eine Frist für die Erfüllung der aufgetragenen unvertretbaren Leistung von einer Woche nach Zustellung eine Zwangsstrafe (Geldstrafe in der Höhe von 500,-- Euro) angedroht.

 

Auf der Grundlage eines zu weiteren Maßnahmen veranlassenden Berichtes des Gesundheitsamtes des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 10.05.2013, GZ: 00231/2013, wurde am 08.07.2013 eine weitere Überprüfung durch Umwelt- und Technik-Center des Magistrates durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass seitens der Liegenschaftseigentümerin der aufgetragenen Verpflichtung nach wie vor nicht nachgekommen wurde.  

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12.02.2013, GZ: 0025519/2009 ABA Nord 501/N090102, wurde infolge dieser Nichterfüllung die angedrohte Zwangsstrafe verhängt. Begründend wurde neben dem sinngemäßen Zitat der Bestimmungen der § 5 Abs.1 und 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG), BGBl.Nr 53/1991 idgF, im Wesentlichen der oben beschrieben Sachverhalt dargelegt.

 

I.2. Gegen diesen letztgenannten Bescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung (bzw. nunmehrige Beschwerde) der x (in der Folge: Bf) vom 25.07.2013 an die Oö. Landesregierung, welche von der Direktion Inneres und Kommunales am 02.01.2014 einlangend zuständigkeitshalber vorgelegt wurde. Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

 

Die Bf hätten sofort nach Kenntniserlangung der widmungsfremden Nutzung den Obmann des Vereins Islamische Arbeiter Union als Mieter des gegenständlichen Objektes wiederholt aufgefordert, dies zu unterlassen bzw. um Umwidmung dieser Räumlichkeiten zu Wohnzwecken anzusuchen. Die Einhaltung der Auflagen seien seinerseits zwar zugesichert aber nie eingehalten worden.

 

In der Folge sei die gerichtliche Räumung des Objektes beantragt worden, welche am 04.09.2013 vollzogen worden sei.

 

Es habe keine andere als diese (allerdings zeitaufwendige) Möglichkeit zur Herstellung eines adäquaten Zustandes gegeben als die gerichtliche Exekution, da seitens der Polizei und der Behörde diesbezüglich keine Unterstützung geleistet worden sei.

 

Das Objekt x sei ursprünglich an den türkischen Verein Islamische Arbeiter Union vermietet worden, der sein Mietrecht aber an einen pakistanischen Verein abgetreten habe. Seit der Obmannschaft von Herrn x seien die nunmehr beanstandeten Verhältnisse zusehends schlechter geworden. Die sei aber nicht unmittelbar auf eigenes Verschulden zurückzuführen. Zwischenzeitlich sei die Angelegenheit aber auf Eigeninitiative und unter Kostentragung bereinigt.

 

Es würde daher beantragt, von der Vollstreckung der Zwangsstrafe Abstand zu nehmen.

 

 

II. Das Verwaltungsgericht hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde und Beischaffung des Exekutionsaktes des Bezirksgericht Linz zu 25 E 4191/13p.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs.2 Z1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

 

III. § 5 Abs.1 VVG normiert, dass die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, dadurch vollstreckt wird, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

 

Gemäß Abs.2 hat die Vollstreckung mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.

 

 

IV. Das Oö. Verwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1. Bei der Herstellung normativ prädestinierter Verhältnisse im Zusammenhang mit der diesbezüglich unzulänglichen (Be-)Nutzung einer Sache ohne über die Verletzung der „bloßen“ Ordnungsfunktion der Norm hinausgehende (d.h. unmittelbares hoheitliches Einschreiten indizierende) Beeinträchtigungen öffentlicher Schutzinteressen handelt es sich um ein in der Verfügungsgewalt des Eigentümers begründetes und in der korrespondierenden Pflicht determiniertes Recht, welches – entsprechend der legalen Konzeption des Eigentums in der österreichischen Rechtsordnung – (im wahrsten Sinn des Wortes) zunächst ausschließlich dem Verfügungsberechtigten zukommt. Sie unterscheidet sich daher maßgeblich von einer Räumung im allgemeinen Sinn der Maßnahme, da nicht eine ortsbezogene Freimachung an sich Gegenstand der Verpflichtung ist (auch wenn ihr durch eine Maßnahme dieser Art entsprochen werden kann).

 

Dem entsprechend handelt es sich bei der hier geschuldeten Leistung (Herstellung der widmungskonformen Nutzung eines Gebäudes) um eine unvertretbare Leistung iSd § 5 Abs.1 VVG.

 

IV.2. Normzweck des § 5 VVG ist die Bewirkung einer unvertretbaren Leistung, was als nächstes die Frage nach der Art und Weise ihrer Erfüllung aufwirft. Bei mehreren zum Ziel führenden Möglichkeiten besteht grundsätzlich die Wahlmöglichkeit des Verpflichteten. Im Ergebnis muss die Vorgangsweise aber in einem adäquaten Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen, und zwar in sachlichem wie zeitlichem Zusammenhang.

 

Im gegenständlichen Fall wurde von der Bf glaubhaft dargelegt, dass es mehrere Versuche zu freiwilligen Herstellung des bescheidgemäßen Zustandes gegeben hat. Dass diese Einigungsversuche tatsächlich unternommen wurden, entspricht schon vor dem Hintergrund der damit möglichen Kosten- bzw. Aufwandsminimierung ebenso der allgemeinen Lebenserfahrung wie das Fehlschlagen einer derartigen Vorgangsweise, der – in Ermangelung der eigenen Einsicht – jegliches „motivierendes“ Element fehlt.

 

Den dann aber offenkundig notwendigen Druck herzustellen, ist einem Privaten zwar möglich, in der Sache aber angesichts der institutionalisierten Alternativen in der Regel mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden. Etwas Anderes nahelegende Umstände, dass die Bf etwa speziell für Räumungen von Gebäuden oder ähnlichen Eingriffshandlungen speziell „gerüstet“ wäre, sind nicht zu erkennen.

Ein gerichtliches Exekutionsverfahren muss daher als taugliches Mittel zur Herstellung des geforderten Zustandes qualifiziert werden.

 

Bei dieser Variante der Leistungserfüllung in Form eines rechtlich geregelten Verfahrens werden dem Verpflichteten allerdings wesentliche Elemente der konkreten Umsetzung, insbesondere der unmittelbare Einfluss auf die zeitliche Komponente, entzogen. Dieser Aspekt kann dann aber dem Verpflichteten nicht mehr zugerechnet werden, wenn (wie hier) das Verfahren durch ihn nicht abgebrochen oder verzögert wird und innerhalb des vorgesehenen bzw. üblichen Zeitraums auch abgeschlossen werden kann. Unter den oben beschriebenen Voraussetzungen muss die Erfüllungshandlung des Verpflichteten schon in der Beantragung des Exekutionsverfahrens gesehen werden.

 

IV.3. Lässt man die Phase des ursprünglich seit Juni 2009 anhängigen Bewilligungsverfahrens betreffend geringfügiger Umbauten und Änderung der Raumnutzung (und den in diesem Zusammenhang durchgeführten behördlichen Schritten, die sich aber auf technische Ausführungsmängel bezogen) außer acht, dann wurde die Nutzung der für andere Zwecke bewilligten Räume als Wohnung erstmals in einem behördlichen Überprüfungsbericht vom 23.08.2012 ausdrücklich festgehalten (Einbau einer Wohnung im Verkaufsraum).

 

Es ist allerdings festzuhalten, dass bereits vor diesem Zeitpunkt von der Bf der Behörde gegenüber geäußert wurde, dass sich die Erfüllung der noch ausständigen Auflagen (Brandschutztüren, Elektroattest, etc.) unter Umständen deshalb erübrigen könnte, da mit dem Auszug des Mieters gerechnet werden könne.

 

Der weitere zeitliche Ablauf weist immer wieder teils längere Intervalle der behördlichen Überprüfung auf, was offenkundig die Annahme einer besonderen Gefahrenlage nicht nahelegte:

·                         Am 24.09.2012 wurde der Bf unter anderem die Absicht der Untersagung der Benützung des Verkaufsraumes als Wohnung mitgeteilt und eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen eingeräumt (1 Monat nach Feststellung).

·                         Am 07.01.2013 wurde neuerlich behördlich festgestellt, dass der Gebetsraum für Frauen als Schlafsaal für Männer verwendet wird (über 3 Monate nach Mitteilung).

·                         Am 14.02.2013 wurde schließlich dokumentiert, dass sämtliche Räumlichkeiten in allen drei Geschoßen als Wohnungen untervermietet wurden und als solche auch genutzt werden (5 Wochen nach letzter Überprüfung).

 

Der Ausspruch der Untersagung der Nutzung zu Wohnzwecken erfolgte erst am 20.02.2013, also fast genau 5 Monate nach deren Androhung.

 

Bei einem Ortsaugenschein am 04.04.2013, also wiederum ca. 6 Wochen nach Bescheiderlassung,  wurden unveränderte Verhältnisse vorgefunden, weshalb am 15.04.2015 unter Gewährung einer Leistungsfrist von einer Woche eine Zwangsstrafe von 500,-- Euro angedroht wurde.

 

IV.4. Die Einbringung der Räumungsklage erfolgte am 16.05.2013 beim Bezirksgericht Linz zu GZ: 25 E 4191/13p, wurde der Behörde offenkundig aber nicht zur Kenntnis gebracht. Dennoch wurde durch diesen Exekutionsantrag – wenn auch im Hinblick auf die Androhung der Zwangsstrafe objektiv verspätet – dem Bescheid vom 20.02.2013 im Zusammenhang mit der (vollstreckungskausalen) Bewirkung der unvertretbaren Handlung entsprochen.

 

Die Zwangsräumung erfolgte schließlich am 04.09.2013, also erst nach der Verhängung der Zwangsstrafe am 12.07.2013.

 

IV.5. Da eine Zwangsstrafe aber nur dazu dient, den Verpflichteten zur Erfüllung dieser Pflicht zu bewegen, also keine „Strafe“ für in der Vergangenheit gelegenen Ungehorsam darstellt, besteht nach Bewirkung der Handlung (wenn auch nach Verzug) kein Grund mehr für die Verhängung der Zwangsstrafe (vgl. VwGH vom 28.05.2002, 2001/11/0239 ua).

 

Der Ansicht, dass dies durch Einleitung eines Exekutionsverfahrens (als eine der tauglichen Varianten) bewerkstelligt werden kann, muss dem Grunde nach auch die belangte Behörde gefolgt sein, da die Einräumung einer einwöchigen Frist zur Leistungserbringung nicht wirklich die tatsächliche Freimachung des Gebäudes (obwohl bei realistischer Betrachtungsweise aufgrund der vorliegenden Umständen nur dadurch dem Erfordernis der widmungskonformen Nutzung entsprochen werden konnte) vor Augen haben konnte, wenn das dafür vorgesehene gerichtliche Verfahren einen (durchaus nicht außergewöhnlichen) Zeitraum von über dreieinhalb Monaten in Anspruch nahm.

 

Die „bloße“ Räumung war auch nicht Gegenstand der Verpflichtung (siehe oben IV.1.). Es ist allerdings anzunehmen, dass der Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung der Vollstreckungsverfügung dieses Exekutionsverfahren nach wie vor nicht bekannt war. Anders ausgedrückt hätte die belangte Behörde wohl von der Verhängung einer Zwangsstrafe abgesehen, wenn sie von einem seit beinahe 2 Monate anhängigen Räumungsverfahren gewusst hätte.

 

 

V. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass zum Zeitpunkt der Erlassung der Vollstreckungsverfügung die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen für die Verhängung einer Zwangsstrafe nicht (mehr) vorgelegen haben.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Markus Kitzberger