LVwG-411506/5/Gf/Mu
Linz, 08.08.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Grof über die Beschwerde des Finanzamtes Linz gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 10. Juni 2016, Zl. Pol96-138-2016, wegen Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Glücksspielgesetz (Mitbeteiligte Partei: M S, vertreten durch die RAe Dr. P R und Dr. F W)
z u R e c h t e r k a n n t :
I. Die Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Vorgängige Behörden- und Verwaltungsgerichtsverfahren
1. Am 5. November 2015 haben Exekutivorgane der Finanzpolizei in einem Lokal in x eine Kontrolle wegen des Verdachtes des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Glücksspielgesetz durchgeführt. Laut deren Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land sei im Zuge dieses Augenscheins festgestellt worden, dass seit 18. Juli 2015 bis zum 5. November 2015 in diesem Lokal zwei Automaten (sog. „elektronische Glücksräder“ bzw. „afric2go“-Geräte) ohne erforderliche behördliche Konzession betriebsbereit aufgestellt gewesen seien, an denen nach entsprechender Geldeingabe unterschiedliche Spiele, die nach dem Glücksspielgesetz (im Folgenden auch kurz: GSpG) als Glücksspiele zu qualifizieren seien, hätten durchgeführt werden können. Um weitere derartige Verstöße gegen das Glücksspielgesetz zu verhindern, seien diese Geräte vorläufig in Beschlag genommen worden (und zwar derart, dass sie vor Ort belassen, jedoch mit amtlichen Siegeln versehen worden seien).
2. Hierauf wurde gegen die Mitbeteiligte Partei zwar ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, dieses jedoch letztlich mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 10. Juni 2016, Zl. Pol96-138-2016, gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.
3. Gegen diesen der Amtspartei am 10. Juni 2016 zugestellten Bescheid richtet sich die am 22. Juni 2016 – und damit rechtzeitig – zu Post gegebene Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich.
Darin wird – auf das Wesentliche zusammengefasst – vorgebracht, dass es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unmaßgeblich sei, dass mit den verfahrensgegenständlichen Geräten auch Musiktitel erworben werden könnten; im Vordergrund stehe jedenfalls deren Eignung zur Durchführung von nach dem Glücksspielgesetz verbotenen und damit verwaltungsrechtlich strafbaren Ausspielungen.
Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Bestrafung der Mitbeteiligten Partei beantragt.
4. Hinsichtlich der im gegenständlichen Verfahren primär zur Diskussion stehenden Frage nach der Unionsrechtskompatibilität des im Glücksspielgesetz verankerten (Quasi-)Monopolsystems hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich bereits in mehreren Entscheidungen, so z.B. mit Erkenntnis vom 24. Juni 2015, LVwG-410600/10/Gf/Mu, festgestellt, dass diese Regelung nach Auffassung des erkennenden Richters als unionsrechtswidrig anzusehen ist.
Widerspricht eine innerstaatliche Regelung dem Unionsrecht, so hat diese nach ständiger Rechtsprechung des EuGH effektiv unangewendet zu bleiben. Dieser Grundsatz ist von jedem staatlichen Organ auf jeder Ebene des Verfahrens zu beachten.
Konkret bedeutet dies insbesondere, „dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine Regelung im Glücksspielbereich nicht zu Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art. 56 AEUV nicht vereinbar ist“ (vgl. EuGH vom 30. April 2014, C‑390/12 [Pfleger, EU:C:2014:281], RN 64, m.w.N.).
Daraus resultiert, dass eine Beschlagnahme von Glücksspielgeräten, eine Bestrafung wegen des Verdachtes der Begehung einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG oder ähnliche behördliche Eingriffsmaßnahmen ausgeschlossen sind.
5. Diese Rechtsansicht gründet sich darauf, dass zuvor schon der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich aus Anlass einer Vielzahl gleichartiger Beschwerden mit Schriftsatz vom 10. August 2012, VwSen-740121/2/Gf/Rt u.a., gemäß Art. 267 AEUV einen Antrag auf Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung der Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols gestellt hatte.
5.1. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 3 des Glücksspielgesetzes, BGBl 620/1989 in der in jenen Fällen maßgeblichen Fassung BGBl I 50/2012, das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten sei ("Glücksspielmonopol" [so ausdrücklich die Überschrift vor und der Klammerausdruck in § 3 GSpG] des Bundes), soweit es sich nicht um Ausspielungen mit Glücksspielautomaten auf Grund landesrechtlicher Vorschriften nach § 5 GSpG (bzw. um sonstige [in § 4 GSpG angeführte Einzel-]Ausnahmekonstellationen) handle.
Davon ausgehend könne der Bund sein exklusives Recht zur Durchführung bestimmter Arten von Lotterien (Lotto, Toto, Zusatzspiele, Sofortlotterie, Klassenlotterie, Zahlenlotto, Nummernlotto, Elektronische Lotterie [auch im Wege von Video-Lotterie-Terminals], Bingo und Keno; vgl. die §§ 6 bis 12b GSpG) gemäß § 14 GSpG durch die Erteilung einer (einzigen) Konzession unter den in den §§ 14 bis 16 GSpG näher festgelegten Bedingungen auf einen Dritten übertragen, der hierfür eine Abgabe zu entrichten hat (§ 17 GSpG); während der aufrechten Laufzeit einer solcherart vergebenen Konzession (d.i. für die Dauer von [höchstens = in der Regel] 15 Jahren; vgl. § 14 Abs. 4 Z. 1 GSpG) dürfe eine weitere Lotterie-Konzession nicht vergeben werden.
In analoger Weise könne der Bund nach § 21 GSpG sein ausschließliches Recht zur Durchführung von Glücksspielen im Wege einer Spielbank (Roulette, Kartenspiele im Lebendspiel, Glücksspielautomaten mit Einsätzen und/oder Gewinnen oberhalb der Betragsgrenzen des in § 5 Abs. 5 GSpG geregelten sog. "Kleinen Glücksspiels", etc.) durch Erteilung einer Konzession unter den in den §§ 21 bis 27 GSpG näher festgelegten Bedingungen auf einen Dritten übertragen, der hierfür eine Abgabe zu entrichten hat (§§ 28 und 29 GSpG). Insgesamt dürften nach § 21 Abs. 5 GSpG höchstens 15 solcher Spielbank-Konzessionen vergeben werden, wobei während aufrechter Laufzeit dieser Konzessionen (d.i. für die Dauer von [höchstens = in der Regel] 15 Jahren; vgl. § 21 Abs. 7 Z. 1 GSpG) – abgesehen von einer (einzigen) zusätzlichen Konzession zum Betrieb eines Pokersalons (für Pokerspiele ohne Bankhalter im Lebendspiel) gemäß § 22 GSpG – eine weitere Konzession nicht vergeben werden dürfe.
Ähnliches gelte nach den §§ 32 ff GSpG für die – im Folgenden außer Betracht bleibenden – weniger lukrativen Glücksspielarten der Lotterien ohne Erwerbszweck (Sonstige Nummernlotterien, Tombolaspiele, Glückshäfen und Juxspiele).
5.2. Nach § 5 GSpG könne weiters auch jedes Land einem Dritten im Wege einer Konzession ein Recht zur Durchführung von Ausspielungen mittels Glücksspielautomaten unter den dort näher festgelegten ordnungspolitischen Mindestanforderungen für Bewilligungswerber und besonderen Begleitmaßnahmen zur Spielerschutzvorbeugung erteilen, und zwar derart, dass solche Ausspielungen (sog. "Kleines Glücksspiel") entweder in Automatensalons – mit mindestens 10 und höchstens 50 Glücksspielautomaten und einem Höchsteinsatz bis zu 10 Euro sowie einem Höchstgewinn bis zu 10.000 Euro pro Spiel – oder in Form der Einzelaufstellung – mit höchstens 3 Glücksspielautomaten und einem Höchsteinsatz bis zu 1 Euro sowie einem Höchstgewinn bis zu 1.000 Euro pro Spiel – durchgeführt werden, wobei die Anzahl der gleichzeitig (jeweils bis zur Höchst-[= Regel‑]Dauer von 15 Jahren; vgl. § 5 Abs. 2 Z. 8 GSpG) aufrechten Bewilligungen zum Betrieb von Glücksspielautomaten mit höchstens 3 pro Bundesland beschränkt sei (vgl. § 5 Abs. 1 zweiter Satz GSpG).
5.3. Gesamthaft betrachtet sei damit die Durchführung von Glücksspielen im Wege von Lotterien, von Spielbanken und Pokersalons sowie von Glücksspielautomaten für das "Kleine Glücksspiel" an die vorherige Erteilung einer zahlenmäßig jeweils bloß begrenzt zur Verfügung stehenden behördlichen Bewilligung(en) (Konzession) gebunden.
Mit Blick auf die unterschiedlichen Arten von Glücksspielen stellten Lotterie und Pokersalon ein echtes Monopol dar; die Ausweitung im Wege einer generellen Legalisierung des "Kleinen Glücksspiels" mittels Automaten in Form eines Oligopols sei erst durch die GSpG-Novelle BGBl I 73/2010 erfolgt, wobei die Motivation – wie sich aus den entsprechenden Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu dieser Novelle zweifelsfrei ergebe – darin gelegen sei, einerseits den Spielerschutz, andererseits aber – im Wege der gleichzeitigen Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes 2008 – auch die Staatseinnahmen zu erhöhen (vgl. 657 BlgNR, 24. GP, insbesondere S. 1, S. 3 ff und S. 11 f).
5.4. Für jeden an den Bund gerichteten Konzessionsantrag sei nach § 59a Abs. 1 GSpG ein Betrag von 10.000 Euro und im Falle einer Konzessionserteilung für jede dieser Konzessionen zusätzlich ein Betrag von 100.000 Euro an den Bund zu entrichten (vgl. dazu 981 BlgNR, 24. GP, insbesondere S. 148 ["Die Höhe der Gebühren in Zusammenhang mit der Antragstellung und der Konzessionserteilung ergeben sich aus der Notwendigkeit zur Durchführung aufwändiger Konzessionierungsverfahren. ..... Zudem besteht auf Grund der Ertragskraft der glücksspielrechtlichen Konzessionen ein hohes Interesse der Konzessionswerber an der Erteilung einer Konzession, in deren Licht die Höhe der Gebühren keinesfalls unangemessen ist."]). Für den auf einer Konzessionserteilung fußenden Spielbetrieb betrage sodann die laufende Konzessionsabgabe zwischen 16% und 40% pro Kalenderjahr (vgl. die §§ 17, 28 und 57 GSpG).
5.5. Von dieser systematischen Grundkonzeption ausgehend werde zunächst im GSpG selbst jeder Eingriff in das Recht zur Durchführung eines Glücksspiels – also in das Glücksspielmonopol gemäß § 3 GSpG –, der sich nicht auf eine zuvor erteilte behördliche Genehmigung stützen könne, nach § 52 GSpG einer verwaltungsbehördlichen Strafsanktion unterworfen. Wie sich aus dem darin enthaltenen Verweis auf § 2 GSpG ergebe, seien mit dieser behördlichen Strafkompetenz zugleich umfassende behördliche Sicherungsbefugnisse – bzw. aus der Sicht der über die Glücksspielautomaten Verfügungsberechtigten: umfassende Eingriffsbefugnisse der Behörde – verbunden, um – auch bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem die allfällige Strafbarkeit einer Handlung noch in keiner Weise feststehe – prophylaktisch weitere Verletzungen des Glückspielmonopols i.S.d. § 3 GSpG hintanhalten zu können, nämlich die Befugnis zur vorläufigen und dauerhaften Beschlagnahme von Glücksspielautomaten und sonstigen Eingriffsgegenständen (§ 53 Abs. 1 und 2 GSpG) sowie deren Einziehung und nachfolgende Vernichtung (§ 54 Abs. 1 und 3 GSpG) und schließlich die Befugnis zur Betriebsschließung (§ 56a GSpG).
Parallel dazu sehe § 168 des Strafgesetzbuches, BGBl 60/1974 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 61/2012 (im Folgenden: StGB), eine – auf die Sicherungsbefugnisse der Beschlagnahme und des Verfalls (vgl. die §§ 115 und 115a der Strafprozessordnung, BGBl 631/1975, in der geltenden Fassung BGBl I 61/2012) beschränkte – gerichtliche Strafbarkeit des verbotenen Glücksspiels vor.
Weil § 168 Abs. 1 StGB an den bloßen Umstand, dass "ein Spiel ..... verboten ist", anknüpft und aus § 52 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 2 Abs. 4 GSpG hervorgehe, dass Ausspielungen, für die keine Konzession erteilt wurde, jedenfalls verboten sind, resultiere auf Basis dieser Rechtslage für jede Person, die in einer gewissen "Nahebeziehung" zu Glücksspielautomaten steht, eine (grundsätzlich) doppelte, nämlich sowohl gerichtliche als auch verwaltungsbehördliche Strafbarkeit samt den entsprechenden (vorläufigen und dauerhaften) Sicherungsbefugnissen sowie den damit bereits verbundenen negativen Folgewirkungen (wie insbesondere Stigmatisierung und "Beweislastumkehr" i.S. einer Verpflichtung zur Führung eines Entlastungsbeweises [vgl. § 5 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes]).
Nach dem weit gefassten Begriff des "Unternehmers" (§ 2 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 GSpG) seien hingegen alle Rechtsträger erfasst, die selbständig eine nachhaltige, allenfalls auch nicht auf Gewinn gerichtete Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausüben, indem sie entweder Glücksspiele veranstalten, organisieren, anbieten oder zugänglich machen. Auf Grund des Tatbestandsmerkmals des bloßen "Zugänglich-Machens" würden hierzu nicht nur diejenigen, die im Ausland, insbesondere in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (in erlaubter Weise) solche Glücksspiele durchführen, sofern (z.B. via Internet) eine Teilnahme daran von Österreich aus möglich ist (vgl. § 52 Abs. 3 GSpG), sondern mit Blick auf die ho. anhängigen Anlassfälle beispielsweise auch der – u.U. auch ausländische – Eigentümer, Verkäufer oder der Vermieter von Glücksspielautomaten zählen (vgl. z.B. die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes [im Folgenden: VwGH] vom 10. Mai 2010, Zl. 2009/17/0202, und vom 15. September 2011, Zl. 2011/17/0133, jeweils m.w.N.).
Die Bestimmung des § 52 Abs. 2 GSpG lege fest, dass eine allfällige verwaltungsbehördliche Strafbarkeit nach dem GSpG dann hinter eine Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktritt, wenn der Einsatz pro Spiel mehr als 10 Euro beträgt, weil es sich diesfalls nicht mehr um "geringe Beträge" i.S. der letztzitierten Bestimmung handle. Dies bedeute jedoch nicht, dass bei unterhalb dieser Betragsgrenze gelegenen Spieleinsätzen a priori keine gerichtlich strafbare Handlung vorliegen kann, weil der Tatbestand des § 168 StGB nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (im Folgenden: OGH) auch bei geringen Einsätzen dann erfüllt ist, wenn – wie gerade bei Glücksspielautomaten häufig – sog. "Serienspiele" vorliegen (vgl. z.B. OGH vom 3. Oktober 2002, 12 Os 49/02).
Im Ergebnis stelle sich die Rechtslage daher so dar, dass jede – weit gefasste – unternehmerische, jedoch konzessionslose Affinität zu Glücksspielautomaten eine nahezu lückenlose, nur mit subtilem verfahrensmäßigen Aufwand wechselseitig voneinander abgrenzbare verwaltungsbehördliche und/oder gerichtlich strafbare Verantwortlichkeit nach sich zieht.
5.6. Nach Art. 56 AEUV seien Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs – worunter gemäß Art. 57 lit. a AEUV insbesondere auch gewerbliche Tätigkeiten fallen würden – innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, grundsätzlich verboten bzw. anders gewendet: nur insoweit zulässig, als solche Beschränkungen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und dabei gleichzeitig nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. z.B. EuGH vom 10. März 2009, C 169/07 [Hartlauer; EU:C:2009:141]).
Mit Blick auf die Durchführung von Glücksspielen habe der EuGH in diesem Zusammenhang speziell in Bezug auf die österreichische Rechtslage insbesondere in den Rechtssachen "Engelmann" (vgl. EuGH vom 9. September 2010, C 64/08 [EU:C:2010:506]) sowie "Dickinger/Ömer" (vgl. EuGH vom 15. September 2011, C 347/09 [EU:C:2011:582]) bereits (u.a.) klargestellt (Hervorhebungen nicht im Original), dass
* die Zulässigkeit entsprechender Beschränkungen davon abhänge, ob damit tatsächlich Ziele i.S.d. Art. 52 Abs. 1 AEUV (öffentliche Ordnung, Sicherheit, Gesundheit) oder i.S.d. der Rechtsprechung des EuGH (Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung, Vermeidung von Anreizen für überhöhte Spielausgaben, Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung) verfolgt werden sowie, ob diese Ziele entweder eine Rechtfertigung im Rahmen einer ausdrücklichen Ausnahmeregelung nach dem AEUV oder eines von der Rechtsprechung des EuGH anerkannten zwingenden Grundes des Allgemeininteresses darstellen sowie bejahendenfalls als verhältnismäßig er-scheinen;
* nicht die Art des Schutzsystems, sondern der Umstand, ob dieses tatsächlich dem Schutz der Spieler, der sonstigen Konsumenten und/oder der Sozialordnung oder sonstigen zwingenden Allgemeininteressen dient, entscheidend sei, weil den nationalen Behörden insoweit im Hinblick auf die jeweiligen sittlichen, religiösen und kulturellen Besonderheiten ein entsprechendes Ermessen zukomme, sodass Staaten, die ein besonders hohes Schutzniveau gewährleisten wollen, daher auch ein Monopolsystem wählen könnten;
* solche Systeme aber in jedem Fall den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügen müssten, wobei ausschließlich das nationale Gericht zu prüfen habe, welche Ziele mit der jeweiligen Regelung tatsächlich verfolgt werden; das Gericht habe daher festzustellen, ob im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich die Kriminalitätsbekämpfung und der Spielerschutz oder nicht etwa bloß eine Erhöhung der Staatseinnahmen das wirkliche Ziel waren, wobei dies der Staat entsprechend nachzuweisen habe und eine bloße Maximierung der Staatseinnahmen ein Monopolsystem jedenfalls nicht zu rechtfertigen vermöge; dem gegenüber habe sich das Gericht zu vergewissern, ob die staatlichen Kontrollen über die Tätigkeit des Monopolisten gewährleisten könnten, dass dieser tatsächlich dazu in der Lage sein wird, die Ziele der Kriminalitätsbekämpfung und des Spielerschutzes mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieser Ziele quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen;
* in diesem Zusammenhang auch die Geschäftspolitik des Monopolisten von Bedeutung sei, wobei insoweit eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit und eine wesentliche Steigerung der Einnahmen – da ein Schutz vor Spielsucht grundsätzlich nur schwer mit einer Expansion von Glücksspielen vereinbar ist – besondere Aufmerksamkeit erfordern würde, weil nur eine kontrollierte Expansion mit maßvoller, eng auf die Zielerreichung begrenzter, nicht zu aktiver Spielteilnahme anregender oder in Verbindung mit karitativen Zwecken ein positives Image kreierender Werbung – vornehmlich deshalb, um das Glücksspiel und die Spielsucht in legale Bahnen zu lenken – als tolerabel erscheine, während eine Förderung gemeinnütziger Einrichtungen nicht das Hauptziel, sondern stets nur eine nützliche Nebenfolge sein könne; das Gericht habe daher – erstens – zu prüfen, ob Kriminalität und/oder Spielsucht im Entscheidungszeitraum ein erhebliches Problem darstellten und – zweitens – diesen insbesondere durch eine Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten hätte abgeholfen werden können;
* eine Begrenzung der Anzahl von Konzessionen zwar ein Hemmnis für die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit darstelle, jedoch grundsätzlich dazu geeignet sei, ein Ziel des Allgemeininteresses zu erreichen, indem sie die Hindernisse für die Teilnahme an Glücksspielen verstärke;
* auch die Begrenzung der Laufzeit einer Konzession auf 15 Jahre dadurch gerechtfertigt zu sein scheine, dass der Konzessionär ausreichend Zeit benötige, um seine Gründungskosten amortisieren zu können; sowie,
* dass nationale Regelungen, die eine bestimmte Wirtschaftstätigkeit unter Strafe stellen, gegen die Grundfreiheiten des Unionsrechts nicht verstoßen dürften.
5.7. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des EuGH sowie angesichts des Umstandes, dass es keineswegs ausgeschlossen erscheine, dass auch Angehörige anderer Mitgliedstaaten, die dort oder im Bundesgebiet ohne Konzession der österreichischen Behörden mittels Glücksspielautomaten entsprechende, nach § 52 Abs. 1 und 3 GSpG und/oder § 168 StGB verbotene Ausspielungen durchführen, (vielfach auch ohne deren Wissen) von der zuvor dargestellten nationalen Regelung betroffen sind, erhebe sich damit in den beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich anhängigen Ausgangsfällen die Frage, ob die dem österreichischen Glücksspielgesetz zu Grunde liegende Systematik der lückenlos strafsanktionierten (Quasi‑)Monopolregelung generell bzw. hinsichtlich ihrer konkreten Ausgestaltung mit den Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar ist.
Davon ausgehend, dass die Behörden bislang in keinem der ho. anhängigen Fälle i.S.d. Urteils des EuGH vom 15. September 2011, C-347/09 (Dickinger und Ömer, EU:C:2011:582), auch nur ansatzweise versucht hätten, nachzuweisen, dass die Kriminalität und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellte(n) und bejahendenfalls, dass diesem insbesondere nur durch ein Monopolsystem mit kontrollierter Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten hätte abgeholfen werden können, sowie, dass tatsächlich die Kriminalitätsbekämpfung und der Spielerschutz – und nicht etwa bloß eine Maximierung oder massive Erhöhung der Staatseinnahmen – das wahre Ziel der Monopolregelung bilden würden und dass sich die Geschäftspolitik der Monopolisten ohnehin bloß auf eine kontrollierte Expansion mit einer maßvollen, eng auf die Zielerreichung begrenzten, nicht zu aktiver Spielteilnahme anregender oder in Verbindung mit karitativen Zwecken ein positives Image kreierender Werbung beschränkt habe – was insbesondere schon angesichts der aus den Gesetzesmaterialien resultierenden fiskalpolitischen Intentionen und des gerichtsbekannten "enormen" und "aggressiven Werbeaufwandes" (vgl. z.B. das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 23. April 2012, 1 Cg 190/11 y-14, S. 3 und 8) geboten gewesen wäre –, scheine sich zunächst zu ergeben, dass die im GSpG konkret normierte Ausgestaltung des Glücksspielmonopols des Bundes schon dem Grunde nach nicht mit der in den Art. 56 ff AEUV garantierten Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist.
Diese in Art. 62 i.V.m. Art. 52 Abs. 1 AEUV wurzelnde Problematik resultiere in gleicher Weise auch vor dem Hintergrund der in den Art. 15 und 16 EGRC garantierten Berufsfreiheit und unternehmerischen Freiheit der Unionsbürger.
Selbst wenn aber eine solche Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses grundsätzlich gerechtfertigt wäre, scheine jedoch jedenfalls ein einsichtiger Grund dafür zu fehlen, dass das beabsichtigte besonders hohe Verbraucherschutzniveau nur im Wege einer solcherart restriktiven Regelung, die lediglich 1 Lotterie-Konzession und 1 Pokersalon-Konzession – bei gleichzeitiger Ausweitung der Spielbankkonzessionen (15) und der Konzessionen für das "Kleine Glücksspiel" mit Spielautomaten (27) und damit verbundener Erhöhung der Staatseinnahmen – zulässt und somit letztlich ein (Oligo- bzw. Quasi-)Monopol institutionalisiert, und nicht auch durch weniger einschneidende Maßnahmen in gleicher Weise effektiv und kohärent erreicht werden kann. Die konkret getroffene Regelung erscheine daher in ihrer Zusammenschau nicht geeignet, die in der Rechtsprechung des EuGH geforderte Gesamtkohärenz (vgl. z.B. EuGH vom 8. September 2010, C-46/08, RN 69 u. 71 [Carmen Media Group, EU:C:2010:505]) auch tatsächlich zu gewährleisten, und somit im Ergebnis als überschießend und damit als inadäquat.
Sollte sich die Monopolregelung des GSpG dennoch als sowohl mit den Art. 52 und 56 AEUV als auch mit den Art. 15 und 16 EGRC vereinbar erweisen, ergäben sich jedoch weiters Bedenken dahin, ob sich die damit gleichzeitig verbundene, im Ergebnis personell umfassende und zugleich systematisch nahezu lückenlose strafrechtliche Sanktionierung nicht bloß eines unmittelbaren, sondern – noch dazu im Wege höchst unbestimmter Gesetzesbegriffe – auch weitreichender Formen bloß beitragstäterischen Zuwiderhandelns (vgl. § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG i.V.m. § 2 Abs. 2 und 4 GSpG [selbständige und nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen durch Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisches Zugänglich-Machen von Ausspielungen]) unter dem Aspekt der Erreichung der damit verfolgten Ziele – insbesondere im Lichte des Kohärenzgedankens – als geeignet und verhältnismäßig erweist.
Wäre selbst dies noch zu bejahen, so stelle sich schließlich noch die Frage, ob der Umstand, dass die Abgrenzung zwischen dem gerichtlich strafbaren Tatbestand des § 168 StGB und dem verwaltungsbehördlich strafbaren Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG nicht unmittelbar im Gesetz selbst erfolgt, sondern einer kasuistischen und zudem für einen Durchschnittsbürger ex ante nur schwer vorhersehbaren höchstgerichtlichen Rechtsprechung überlassen wird, der jeweils ein subtil-aufwändiges und damit regelmäßig auch lang dauerndes Ermittlungsverfahren vorauszugehen hat, sowohl mit den demokratischen und rechtsstaatlichen Anforderungen, wie sie dem Art. 16 EGRC offensichtlich zu Grunde liegen, als auch mit dem Fairness- und Effektivitätsgebot des Art. 47 EGRC und dem unionsrechtlichen Transparenzgebot des Art. 49 AEUV (vgl. dazu z.B. EuGH vom 9. September 2010, C 64/08 [Engelmann; EU:C:2010:506], RN 49) vereinbar ist. Hinzu komme, dass damit jeweils (unterschiedlich) eingriffsintensive Sofort- und Präventivmaßnahmen in das Eigentumsrecht i.S.d. Art. 17 EGRC verbunden sind, die bis zu einer Betriebsschließung reichen können, obwohl zu diesem Zeitpunkt regelmäßig noch gar nicht geklärt ist, ob überhaupt ein verwaltungsbehördlich strafbarer Tatbestand vorliegt (im gerichtlichen Strafverfahren ist eine derartige Maßnahme nicht vorgesehen), und zum anderen auch Bedenken im Hinblick auf das Doppelbestrafungs- und -verfolgungsverbot des Art. 50 EGRC bestehen: Denn die Frage, ob im konkreten Fall der Einsatz zwar unter 10 Euro pro Spiel betragen, aber dennoch ein "Serienspiel" vorgelegen sei, lasse sich in der Regel erst nach der Durchführung eines entsprechenden Strafverfahrens klären, wobei der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) zur Parallelbestimmung des Art. 4 des 7. ZPMRK im Fall "Zolotukhin" (vgl. EGMR vom 10. Februar 2009, 14939/03) klargestellt habe, dass insoweit nun nicht mehr auf die rechtliche Qualifikation oder auf die "essential elements" der Strafdrohung, sondern ausschließlich auf die Identität der Tathandlung ("substantial facts") abzustellen ist.
5.8. Weil diese Problemfelder bislang – soweit ersichtlich – inhaltlich noch nicht geklärt worden seien und prozessuale Hindernisse (insbesondere im Hinblick auf die RN 34 bis 41 des EuGH-Urteils vom 1. Juni 2010, C 570/07) aus h. Sicht nicht entgegen stehen dürften, erlaube sich daher der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, im Wege seines nach der Geschäftsverteilung hierfür zuständigen Mitglieds dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
„1. Steht das in Art. 56 AEUV und in den Art. 15 bis 17 EGRC zum Aus-druck kommende Verhältnismäßigkeitsprinzip einer nationalen Regelung wie den in den Ausgangsverfahren maßgeblichen Bestimmungen der §§ 3 bis 5 sowie §§ 14 und 21 GSpG, die die Durchführung von Glücksspielen mittels Automaten nur unter der – sowohl strafsanktionierten als auch unmittelbar sacheingriffsbedrohten – Voraussetzung der Erteilung einer vorangehenden, jedoch nur in begrenzter Anzahl verfügbaren Erlaubnis ermöglicht, obwohl bislang – soweit ersichtlich – von staatlicher Seite in keinem einzigen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren nachgewiesen wurde, dass eine damit verbundene Kriminalität und/oder Spielsucht tatsächlich ein erhebliches Problem, dem nicht durch eine kontrollierte Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten auf viele Einzelanbieter, sondern nur durch eine kontrollierte, mit bloß maßvoller Werbung verbundene Expansion eines Monopolisten (bzw. sehr weniger Oligopolisten) abgeholfen werden kann, darstellen, entgegen?
2. Für den Fall, dass diese erste Frage zu verneinen ist: Steht das in Art. 56 AEUV und in den Art. 15 bis 17 EGRC zum Ausdruck kommende Verhältnismäßigkeitsprinzip einer nationalen Regelung wie den §§ 52 bis 54 GSpG, § 56a GSpG und § 168 StGB, durch die im Wege unbestimmter Gesetzesbegriffe im Ergebnis eine nahezu lückenlose Strafbarkeit auch vielfältiger Formen von nur sehr entfernt beteiligten (u.U. in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässigen) Personen (wie bloßen Vertreibern, Verpächtern oder Vermietern von Glücksspielautomaten) eintritt, entgegen?
3. Für den Fall, dass auch die zweite Frage zu verneinen ist: Stehen die demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen, wie diese offenkundig dem Art. 16 EGRC zu Grunde liegen, und/oder das Fairness- und Effizienzgebot des Art. 47 EGRC und/oder das Transparenzgebot des Art. 56 AEUV und/oder das Doppelverfolgungs- und bestrafungsverbot des Art. 50 EGRC einer nationalen Regelung wie den §§ 52 bis 54 GSpG, § 56a GSpG und § 168 StGB, deren wechselseitige Abgrenzung mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung für einen Bürger ex ante kaum vorhersehbar und berechenbar, sondern im konkreten Einzelfall jeweils erst im Wege eines aufwändigen förmlichen Verfahrens klärbar ist, an die sich jedoch weitreichende Unterschiede hinsichtlich der Zuständigkeiten (Verwaltungsbehörde oder Gericht), der Eingriffsbefugnisse, der damit jeweils verbundenen Stigmatisierung und der prozessualen Stellung (z.B. Beweislastumkehr) knüpfen, entgegen?
4. Für den Fall, dass eine dieser drei ersten Fragen zu bejahen ist: Steht Art. 56 AEUV und/oder Art. 15 bis 17 EGRC und/oder Art. 50 EGRC einer Bestrafung von Personen, die in einer der in § 2 Abs. 1 Z. 1 und § 2 Abs. 2 GSpG genannten Nahebeziehung zu einem Glücksspielautomaten steht, und/oder einer Beschlagnahme bzw. Einziehung dieser Geräte und/oder einer Schließung des gesamten Unternehmens solcher Personen entgegen?“
6. Mit Urteil vom 30. April 2014, C-390/12 (Pfleger, EU:C:2014:281), hat der EuGH ausgesprochen, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, sofern diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen.
Begründend wurde dazu u.a. ausgeführt (vgl. die RN 39 bis 64; Hervorhebungen nicht im Original), dass eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende, die den Betrieb von Glücksspielautomaten ohne vorab erteilte behördliche Erlaubnis verbietet, eine Beschränkung des durch Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (vgl. in diesem Sinne bereits EuGH vom 6. März 2007, C‑338/04 [Placanica, EU:C:2007:133], RN 42).
Daher ist zu prüfen, ob eine solche Beschränkung im Rahmen der Ausnahmeregelungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die in den nach Art. 62 AEUV auch auf dem Gebiet des freien Dienstleistungsverkehrs anwendbaren Art. 51 AEUV und 52 AEUV ausdrücklich vorgesehen sind, zulässig oder gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl. EuGH vom 19. Juli 2012, C‑470/11 [Garkalns, EU:C:2012:505], RN 35 und die dort angeführte Judikatur). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH können Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein (vgl. in diesem Sinne EuGH vom 8. September 2010, C-46/08 [Carmen Media Group, EU:C:2010:505], RN 55 und die dort angeführte Judikatur).
Im vorliegenden Fall gehören die angeführten Ziele der in den Ausgangsverfahren fraglichen österreichischen Regelung, d.h. die Spieler zu schützen, indem das Angebot von Glücksspielen begrenzt wird, und Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen zu bekämpfen, indem diese im Rahmen einer kontrollierten Expansion reguliert werden, zu den Zielen, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Beschränkungen von Grundfreiheiten auf dem Gebiet des Glücksspiels rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne EuGH vom 16. Februar 2012, C‑72/10 [Costa und Cifone, EU:C:2012:80], RN 61 und die dort angeführte Judikatur).
Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die von den Mitgliedstaaten auferlegten Beschränkungen die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs insoweit aufgestellten Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung erfüllen müssen. Danach ist eine nationale Regelung nur dann geeignet, die Erreichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne EuGH vom 8. September 2009, C 42/07 [Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, EU:C:2009:519], RN 59 bis 61 und die dort angeführte Judikatur). Der bloße Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, kann keinen Einfluss auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben. Diese sind allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und auf das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen (vgl. EuGH vom 12. Juli 2012, C‑176/11 [HIT und HIT LARIX, EU:C:2012:454], RN 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen verfügen die staatlichen Stellen nämlich über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben. Soweit die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Voraussetzungen im Übrigen beachtet werden, ist es Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten in Bezug auf Spiele und Wetten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen (vgl. in diesem Sinne EuGH vom 8. September 2010, C‑316/07 [Stoß u.a., EU:C:2010:504], RN 76, sowie vom 8. September 2010, C-46/08 [Carmen Media Group, EU:C:2010:505], RN 46). Außerdem steht fest, dass im Gegensatz zur Einführung eines freien und unverfälschten Wettbewerbs auf einem traditionellen Markt die Betreibung eines derartigen Wettbewerbs auf dem sehr spezifischen Markt für Glücksspiele, d. h. zwischen mehreren Veranstaltern, die die gleichen Glücksspiele betreiben dürfen, insofern nachteilige Folgen haben könnte, als diese Veranstalter versucht wären, einander an Einfallsreichtum zu übertreffen, um ihr Angebot attraktiver als das ihrer Wettbewerber zu machen, so dass für die Verbraucher die mit dem Spiel verbundenen Ausgaben und die Gefahr der Spielsucht erhöht würden (vgl. EuGH vom 24. Jänner 2014, C‑186/11 [Stanleybet International, EU:C:2013:33, RN 45]).
Für die Feststellung, welche Ziele mit der nationalen Regelung tatsächlich verfolgt werden, ist jedoch im Rahmen einer Rechtssache, mit der der Gerichtshof nach Art. 267 AEUV befasst worden ist, das vorlegende Gericht zuständig (vgl. in diesem Sinne EuGH vom 15. September 2011, C‑347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 51). Außerdem hat das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung der Hinweise des Gerichtshofs zu prüfen, ob die durch den betreffenden Mitgliedstaat auferlegten Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. EuGH vom 15. September 2011, C‑347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 50). Insbesondere muss es sich – vor allem im Licht der konkreten Anwendungsmodalitäten der betreffenden restriktiven Regelung – vergewissern, dass sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern, die Tätigkeiten in diesem Bereich zu begrenzen und die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen (vgl. EuGH vom 15. September 2011, C‑347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 50 und 56).
Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass es dem Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt, obliegt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt (vgl. EuGH vom 15. September 2011, C‑347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). Jedoch lässt sich aus dieser Rechtsprechung nicht ableiten, dass einem Mitgliedstaat nur deshalb die Möglichkeit genommen wäre, zu belegen, dass eine innerstaatliche restriktive Maßnahme diesen Anforderungen genügt, weil er keine Untersuchungen vorlegen kann, die dem Erlass der fraglichen Regelung zugrunde lagen (vgl. in diesem Sinne EuGH vom 8. September 2010, C‑316/07 [Stoß u.a., EU:C:2010:504], RN 72). Folglich muss das nationale Gericht eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen eine restriktive Regelung, wie sie in den Ausgangsverfahren in Rede steht, erlassen worden ist und durchgeführt wird.
Im vorliegenden Fall haben die nationalen Behörden nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nicht nachgewiesen, dass die Kriminalität und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellten. Das vorlegende Gericht scheint ferner anzunehmen, dass das wahre Ziel der fraglichen restriktiven Regelung nicht in der Kriminalitätsbekämpfung und dem Spielerschutz liegt, sondern in einer bloßen Maximierung der Staatseinnahmen, obwohl der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass das Ziel, die Einnahmen der Staatskasse zu maximieren, für sich allein eine solche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nicht rechtfertigen kann (vgl. EuGH vom 15. September 2011, C‑347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 55). Diese Regelung erscheine, so das Gericht, jedenfalls unverhältnismäßig, da sie nicht geeignet sei, die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geforderte Kohärenz zu garantieren, und über das hinausgehe, was zur Erreichung der angeführten Ziele erforderlich sei. Sollte das vorlegende Gericht bei dieser Auffassung bleiben, müsste es zu dem Ergebnis kommen, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, sofern diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen.
Eine im Hinblick auf Art. 56 AEUV restriktive nationale Regelung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende kann auch die Berufsfreiheit, die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht, wie sie in den Art. 15 bis 17 der Charta niedergelegt sind, einschränken. Nach Art. 52 Abs. 1 der Charta muss eine solche Einschränkung, damit sie zulässig ist, gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Freiheiten und Rechte achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darf sie außerdem nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich ist und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entspricht. Wie die Generalanwältin in den RN 63 bis 70 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren eine nicht gerechtfertigte oder im Hinblick auf den in Art. 56 AEUV verankerten freien Dienstleistungsverkehr unverhältnismäßige Einschränkung auch nicht nach Art. 52 Abs. 1 der Charta in Bezug auf deren Art. 15 bis 17 zulässig. Folglich erfasst im vorliegenden Fall eine Prüfung der Einschränkung, die die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung in Bezug auf Art. 56 AEUV darstellt, auch mögliche Einschränkungen der Ausübung der in den Art. 15 bis 17 der Charta vorgesehenen Rechte und Freiheiten, so dass es keiner getrennten Prüfung in dieser Hinsicht bedarf.
Die zweite und die dritte Frage sind dem Gerichtshof nur für den Fall vorgelegt worden, dass die erste Frage verneint wird. Unter Berücksichtigung der Antwort auf die erste Frage brauchen die zweite und die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.
Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 56 AEUV sowie 15 bis 17 und 50 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie Sanktionen wie denen entgegenstehen, die in der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung vorgesehen sind und zu denen die Einziehung und Vernichtung der Glücksspielautomaten sowie die Schließung des Betriebs gehören, in dem diese Automaten öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Im Kontext der Ausgangsverfahren ist jedoch festzustellen, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine Regelung im Glücksspielbereich nicht zu Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art. 56 AEUV nicht vereinbar ist (vgl. in diesem Sinne EuGH vom 6. März 2007, C‑338/04 [Placanica, EU:C:2007:133], RN 63 und 69, sowie EuGH vom 15. September 2011, C‑347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 43).
7. Unter Berücksichtigung dieser vom EuGH in seinem Urteil vom 30. April 2014, C‑390/12 (Pfleger, EU:C:2014:281), geäußerten Rechtsansicht hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich in den fortgesetzten Anlassverfahren, so z.B. mit Erkenntnis vom 9. Mai 2014, Zl. LVwG-410287/4/Gf/Rt, den Beschwerden der do. Rechtsmittelwerber stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
7.1. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass bislang weder die belangte Behörde noch eine andere staatliche Institution den Versuch unternommen habe, in einer in einem rechtsstaatlichen Verfahren verwertbaren Form (d.h. vornehmlich im Wege eines Sachverständigengutachtens) zu belegen, dass die Kriminalität – worunter nicht bloß Verstöße gegen ordnungspolitische und/oder Monopolsicherungsvorschriften, sondern vielmehr erhebliche Eingriffe in die Rechtssphäre anderer Personen, insbesondere der Spieler und deren Angehörigen, zu verstehen sind (vgl. z.B. EuGH vom 31. März 2011, C‑347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 84, m.w.N.) – und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellte(n) und bejahendenfalls, dass diesem insbesondere nur durch ein Monopolsystem mit kontrollierter Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten hätte abgeholfen werden können, sowie, dass tatsächlich die Kriminalitätsbekämpfung und der Spielerschutz – und nicht etwa bloß eine Maximierung oder massive Erhöhung der Staatseinnahmen – das wahre Ziel der Monopolregelung bilden würde(n).
Mit dem Urteil vom 30. April 2014, C 390/12 (Pfleger, EU:C:2014:281), habe der EuGH seine diesbezügliche bisherige Judikatur bekräftigt, wenn dort in RN 50 ausdrücklich statuiert wird, „dass es dem Mitgliedstaat ..... obliegt, dem Gericht ..... alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt“. In diesem Zusammenhang habe auch bereits die Generalanwältin in ihrem Schlussantrag (vom 14. November 2013 [EU:C:2013:747], RN 58, unter Verweis auf das EuGH-Urteil vom 8. September 2010, C 316/07 [Stoß u.a., EU:C:2010:504], RN 71) dezidiert festgestellt, dass „die Beweislast dafür, dass die Beschränkung verhältnismäßig ist, die österreichischen Behörden tragen“.
Implizit sei damit zugleich die von der Österreichischen Bundesregierung in ihrer im Zuge dieses Vorabentscheidungsverfahrens erstatteten Stellungnahme (vom 11. Dezember 2012, Zl. BKA-VA.C-390/12/0002-V/7/2012, Nr. 41 [S. 14]) geäußerte gegenteilige Rechtsauffassung, wonach „der nationale Richter das Vorliegen der Umstände, an Hand derer die Verhältnismäßigkeit beurteilt werden kann, ..... von Amts wegen“ zu erforschen hätte, verworfen worden.
Ganz abgesehen davon, dass die Geltung eines Amtswegigkeitsprinzips – wie dieses in § 39 Abs. 2 AVG für das behördliche Verfahren vorgesehen (und durch § 17 VwGVG bzw. § 38 VwGVG für das Verfahren der Verwaltungsgerichte zumindest nicht explizit ausgeschlossen) ist – in einem (nunmehr) gerichtlichen Strafverfahren schon generell gravierende verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf (Art. 90 Abs. 2 B-VG sowie auf) Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 EGRC hervorruft, sei damit aber für den spezifischen Bereich der Regelung des Glücksspielmonopols nunmehr letztinstanzlich und unmissverständlich klargestellt, dass dieses jedenfalls insoweit nicht zum Tragen komme.
7.2. Wenn die Österreichische Bundesregierung in ihrer vorzitierten Stellungnahme vom 11. Dezember 2012 weiters darauf hingewiesen habe, dass „nach Ansicht namhafter Experten dem Spiel mit Glücksspielautomaten ein hohes Suchtpotenzial zu Grunde liegt und insbesondere das Automatenglücksspiel als Gefahr für die Ausbreitung von Spielsucht angesehen wurde“ (vgl. Nr. 32 [S. 11]), so sei ihr darin zwar wohl tendenziell zuzustimmen.
Im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens, insbesondere eines gerichtlichen Strafverfahrens, gehe es allerdings stets um die Erbringung von objektiv verifizierbaren Nachweisen für derartige Behauptungen, die regelmäßig in Form eines entsprechenden Sachverständigengutachtens zu erfolgen hätten. Ein bloßer Verweis auf kommentierte Gesetzesausgaben, wissenschaftliche Aufsätze, etc. könne hierfür hingegen regelmäßig schon deshalb nicht ausreichen, weil bei derartigen Publikationen nicht vorbehaltlos angenommen werden könne, dass sie ausschließlich der Objektivität verpflichtet sind und nicht auch in mehr oder weniger großem Ausmaß die persönliche Meinung der Autoren widerspiegeln – dies ganz abgesehen davon, dass sich für die von einem bestimmten Autor bzw. von einer spezifischen Autorengruppe vertretene Ansicht nicht selten auch andere Publikationen finden lassen, die – ebenfalls nachvollziehbar belegt – in weiten Bereichen oder sogar zu einem gänzlich diametralen Ergebnis kommen.
Schließlich spreche auch die jüngst erfolgte Novellierung des GSpG durch BGBl I 13/2014 deutlich gegen die Annahme, dass das illegale Glücksspiel ein maßgebliches Kriminalitätsproblem darstellt:
Angesichts dessen, dass § 52 Abs. 2 GSpG in seiner zuvor maßgeblichen Fassung festlegte, dass bei einem Einsatz von mehr als 10 Euro pro Spiel ex lege von einer nicht bloß behördlich, sondern vielmehr von einer gerichtlich strafbaren Handlung nach § 168 StGB auszugehen war, ordne nämlich § 52 Abs. 3 GSpG in seiner nunmehr geltenden Fassung an, dass ein Beschuldigter dann, wenn er durch seine Tat sowohl den Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 GSpG als auch den Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht hat, nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 GSpG zu bestrafen ist.
Im Ergebnis werde damit aber objektiv besehen eine vergleichsweise ganz essentielle Einschränkung des rechtspolitischen Unwerturteils zum Ausdruck gebracht, knüpfen sich doch an eine bloß behördliche Bestrafung wesentlich geringfügigere Folgen als an eine strafgerichtliche Verurteilung. Eine derartige gesetzgeberische Maßnahme wäre schon unter dem Aspekt des Sachlichkeitsgebotes des Gleichheitsgrundsatzes freilich nicht vertretbar, wenn die Kriminalität und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellt bzw. dargestellt hätte.
Dass dies objektiv nicht zugetroffen habe, werde im Übrigen auch aus den Gesetzesmaterialien, in denen die geringe Zahl strafgerichtlicher Verurteilungen (insgesamt nur 13 in zwei Jahren) sogar ausdrücklich hervorgehoben wird, deutlich, wenngleich mit den dort – in zumindest fahrlässig irreführender Weise – verwendeten Begriffen „Kriminalität“ und „Verurteilungen“ die gerichtliche einerseits und die behördliche Strafbarkeit andererseits in unzulässiger Weise gleichgesetzt würden. Vielmehr resultiere insgesamt und objektiv besehen zweifelsfrei, dass die Novelle BGBl I 14/2013 ausschließlich den Zweck einer verfahrensrechtlichen Effizienzsteigerung zur Sicherung des bestehenden Monopolsystems verfolgt habe, wenn es in den E zur RV (vgl. 24 BlgNR, 25. GP, S. 22) u.a. heißt:
„Die Erfahrungen aus dem bisherigen Vollzug der zuständigen Verwaltungsbehörden zeigen die Wirksamkeit und Effektivität des gewählten Modells. In den Jahren 2010 bis 2012 kam es erstinstanzlich zu 638 Verurteilungen, 1.195 Beschlagnahmen und 164 Einziehungen, die rechtskräftig in zweiter Instanz zu 478 Verurteilungen, 1.125 Beschlagnahmen und 58 Einziehungen führten. Im Jahr 2012 gab es demgegenüber nur zwei gerichtliche Verurteilungen nach § 168 StGB, in beiden Fällen wurde jeweils eine Geldstrafe verhängt, im Jahr 2011 gab es elf gerichtliche Verurteilungen nach § 168, die zu insgesamt sieben Geldstrafen, jeweils einer bedingten und teilbedingten Freiheitsstrafe sowie zu zwei anderen Sanktionen führten (Statistik Austria, Gerichtliche Kriminalstatistik 2011 und 2012). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Umkehr der bisherigen Subsidiaritätsregel zu keiner ‚Entkriminalisierung‘ führt.“.
Als Zwischenergebnis lasse sich daher festhalten, dass ein verifizierbarer Nachweis dafür, dass die Kriminalität (in jener vom EuGH verstandenen Bedeutung) und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstell(t)e(n), objektiv besehen – und entgegen den vom EuGH in den Urteilen vom 9. September 2010, C 64/08 (Engelmann, EU:C:2010:506], und vom 15. September 2011, C 347/09 09 (Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582), aufgestellten Kriterien – nicht vorliegt.
7.3. Fehle es aber schon an dieser Voraussetzung, so entfalle damit auch die Möglichkeit der nach dieser höchstgerichtlichen Judikatur erforderlichen Klärung der Frage, ob diesem Problem insbesondere nur durch ein Monopolsystem mit kontrollierter Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten hätte abgeholfen werden können.
7.4. Zudem ergebe sich aus den einschlägigen Gesetzesmaterialien, dass eine Einnahmenmaximierung zugunsten der öffentlichen Haushalte – wenn nicht das ausschließliche, so doch – ein Hauptziel (und nicht, wie die Österreichische Bundesregierung in ihrer Stellungnahme vom 11. Dezember 2012, Zl. BKA-VA.C-390/12/0002-V/7/2012, Nr. 32 [S. 11], ausführte, „bloß eine erfreuliche Nebenwirkung“) der GSpG-Novelle BGBl I 73/2010 gewesen sei:
Wie bereits zuvor dargestellt, habe nämlich die Motivation des Gesetzgebers objektiv besehen zweifelsfrei – jedenfalls auch – darin gelegen, im Wege der gleichzeitigen Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes 2008 die Staatseinnahmen zu erhöhen (vgl. 657 BlgNR, 24. GP, insbes. S. 1 ["Beim Automatenglücksspiel sollen noch stärker Jugendschutz und Spielerschutz im Vordergrund stehen. Automatensalons sowie Automaten in Einzelaufstellung sollen unter strengen Spielerschutzbestimmungen und Aufsichtsregeln in Landeskompetenz bleiben. Sie werden mit einer geteilten Abgabe belegt. ..... Die Automaten und Video Lotterie Terminals (VLT's) werden einer geteilten Abgabe unterworfen und die bisherigen Erlaubnisländer erhalten gesetzlich garantierte Mindesteinnahmen. ..... Es wird ..... davon ausgegangen, dass das Aufkommen inkl. Zuschlag der Länder ..... über 150 Mio. Euro p.a. liegen wird und somit die Mindereinnahmen ..... überkompensiert werden."], S. 3 ff ["Die bisherigen 'Erlaubnisländer' erhalten zusätzlich eine Finanzzuweisung des Bundes, wenn ihre Einnahmen aus dem Zuschlag bestimmte Garantiebeträge, die aus den bisherigen Einnahmen aus Vergnügungssteuern abgeleitet wurden, nicht erreichen."] und S. 11 f ["Die bisherigen Erlaubnisländer Niederösterreich, Steiermark und Kärnten erhalten eine Bedarfszuweisung des Bundes, wenn ihre Einnahmen aus dem landesgesetzlich geregelten Zuschlag der Länder bestimmte Jahresbeträge, die aus den erwarteten Einnahmen aus der bisherigen Vergnügungssteuer abgeleitet werden, nicht erreichen. Damit werden die Länder auch dagegen abgesichert, dass die Einnahmen nicht den Erwartungen entsprechen. ..... Die Garantiebeträge werden aliquot gekürzt, wenn in einem Land das Höchstausmaß des Zuschlags nicht ausgeschöpft wird, wenn die höchstzulässige Anzahl von Glücksspielautomaten nicht oder nicht ganzjährig erreicht wird, wenn Glücksspielautomaten nicht ganzjährig betrieben werden, oder wenn in den Bewilligungen die Bedingungen für den Spielverlauf unter den Grenzen des § 5 Abs. 5 GSpG bleiben. Bei dieser aliquoten Kürzung wird daher darauf Bedacht genommen, in welchem Umfang, aber auch wie lange in einem Land die bestehenden Möglichkeiten nicht ausgenützt werden."] und 981 BlgNR, 24. GP, insbes. S. 148 ["Die Höhe der Gebühren in Zusammenhang mit der Antragstellung und der Konzessionserteilung ergeben sich aus der Notwendigkeit zur Durchführung aufwändiger Konzessionierungsverfahren. ..... Zudem besteht auf Grund der Ertragskraft der glücksspielrechtlichen Konzessionen ein hohes Interesse der Konzessionswerber an der Erteilung einer Konzession, in deren Licht die Höhe der Gebühren keinesfalls unangemessen ist."]).
7.5. Auf Grund der gegenwärtig dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich vorliegenden Faktenlage resultiere sohin als Ergebnis, dass das im GSpG verankerte Monopolsystem nur vordergründig das Ziel des Spielerschutzes und nicht wirklich das Ziel der Kriminalitätsbekämpfung, sondern in erster Linie vielmehr das Ziel einer Maximierung der Staatseinnahmen verfolge, sodass vor diesem Hintergrund die derzeit bestehende Monopolregelung in Verbindung mit dem unter einem zu dessen Effektuierung institutionalisierten strikten Sanktionensystem (das durch weitreichende Straftatbestände, durch hohe Strafdrohungen und durch unmittelbare Eingriffsbefugnisse – wie [auch vorläufige] Beschlagnahme, Einziehung und Betriebsschließung – gekennzeichnet ist) insgesamt besehen unverhältnismäßig sei.
Entsprechend den vom EuGH in seinem Urteil vom 30. April 2014, C 390/12 (Pfleger, EU:C:2014:281), getroffenen Feststellungen (vgl. RN 54 bis 56) widerspreche daher eine solche nationale Regelung dem Art. 56 AEUV (sowie den Art. 15 bis 17 EGRC), wobei sich vor dem Hintergrund der Unvereinbarkeit des Monopolsystems des GSpG als solchem auch das darauf fußende Sanktionensystem als unionsrechtswidrig erweise.
8. Gegen sämtliche dieser Entscheidungen hatte der Bundesminister für Finanzen jeweils eine Amtsrevision an den VwGH erhoben.
9. Mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/17/0120, hatte der VwGH diesen Amtsrevisionen stattgegeben und bspw. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 9. Mai 2014, LVwG-410284/4/Gf/Rt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
9.1. Begründend wurde dazu unter Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH vom selben Tag, Zl. Ro 2014/17/0121, insbesondere ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich folgende Erwägungen anzustellen gehabt hätte:
9.2. Gemäß der Verweisungsbestimmung des § 38 VwGVG gelte im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten gemäß § 25 Abs. 1 VStG das Amtswegigkeitsprinzip und nach § 25 Abs. 2 VStG der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit, wonach vom Verwaltungsgericht von Amts wegen unabhängig von Parteivorbringen und ‑anträgen der wahre Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln sei. Betreffend die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte sei festzuhalten, dass gemäß Art. 130 Abs. 4 erster Satz B-VG (siehe auch § 50 VwGVG) in Verwaltungsstrafsachen das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden hat, woraus folge, dass in Verwaltungsstrafverfahren dem Verwaltungsgericht in jedem Fall auch die Befugnis und die Verpflichtung zu allenfalls erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zukomme. Der Vollständigkeit halber sei auch erwähnt, dass der VwGH bereits ausgesprochen hat, dass im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten gemäß § 17 VwGVG i.V.m. § 39 Abs. 2 AVG außerhalb des Verwaltungsstrafverfahrens jedenfalls das Amtswegigkeitsprinzip gelte (vgl. VwGH vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063).
Die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis vertretene Rechtsansicht, gegen die Geltung des Amtswegigkeitprinzips in einem gerichtlichen Strafverfahren bestünden "verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf (Art. 90 Abs. 2 B-VG sowie auf) Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC" könne hingegen vom VwGH nicht nachvollzogen werden.
Art. 90 Abs. 2 B-VG spreche aus, dass im (gerichtlichen) Strafverfahren der Anklageprozess gilt (Anklagegrundsatz). Damit sei klargestellt, dass dem Beschuldigten (Angeklagten) im Strafverfahren vor den ordentlichen Gerichten ein Ankläger gegenübersteht, sodass die Funktion des Anklägers von jener des Gerichts getrennt ist. Gemäß dem Anklagegrundsatz dürfe das Gericht die Anklage nicht überschreiten (§ 4 Abs. 3 StPO), d.h., es dürfe nur jenes Geschehen rechtlich beurteilen, welches in Form eines konkreten Sachverhaltes angeklagt worden ist. In der rechtlichen Beurteilung dieser Tat dürfe das Gericht aber gemäß § 4 Abs. 3 StPO von der Anklage abweichen. Daraus ergebe sich für das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten allerdings nicht, welche Funktion dem Gericht im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zukomme und wie es dabei vorzugehen habe. Im Übrigen gelte Art. 90 Abs. 2 B-VG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nicht.
Gemäß § 3 Abs. 1 StPO hätten Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht die Wahrheit zu erforschen und alle Tatsachen aufzuklären, die für die Beurteilung der Tat und des Beschuldigten von Bedeutung sind. Es gelte also der Grundsatz der materiellen Wahrheit, woraus sich u.a. ergebe, dass Tatsachenfeststellungen nicht auf gesetzlichen Vermutungen oder Beweislastregeln (d.h. eine von "in dubio pro reo" abweichende Beweislastverteilung) gegründet werden dürfen. Die Aufklärung der für die Entscheidung bedeutsamen Tatsachen erfolge durch eine Beweisaufnahme, die sich grundsätzlich auf alle erreichbaren Beweismittel erstrecken müsse, die in irgendeiner Form Rückschlüsse auf den zu beurteilenden Fall erwarten lassen. Eine Entscheidung nach dem Grundsatz in "dubio pro reo" sei erst dann zu treffen, wenn eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes nicht möglich ist. Im Hauptverfahren obliege es dem Gericht, von Amts wegen die der Anklage zu Grunde liegende Tat aufzuklären und die Schuld des Angeklagten zu prüfen. Der Amtswegigkeitsgrundsatz (§ 2 Abs. 2 StPO) und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 3 Abs. 1 StPO) würden somit auch im Strafverfahren vor den ordentlichen Gerichten gelten. Weshalb der Umstand der Geltung des Amtswegigkeitsgrundsatzes in Verwaltungsstrafsachen vor den Verwaltungsgerichten verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC hervorrufen könnte oder sollte, sei vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich nicht dargelegt worden.
Das Unionsrecht verlange, dass zur Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes zumindest ein im Instanzenzug anrufbares Gericht insofern über eine ausreichende Rechts- und Tatsachenkognition verfügt, als es möglich sein müsse, alle für die Wahrung der in Rede stehenden individuellen Unionsrechte relevanten rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte zu überprüfen. Weshalb der Umstand, dass in Verwaltungsstrafsachen vor den Verwaltungsgerichten das Amtswegigkeitsprinzip gilt, daher in ein Spannungsverhältnis mit Art. 47 EGRC geraten könnte, sei nicht ersichtlich. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts oder mindestens die Kontrolle durch unabhängige Instanzen (wenn der maßgebliche Sachverhalt bereits festgestellt wurde) sei im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK und bei Geltendmachung gemeinschaftsrechtlicher (nunmehr unionsrechtlicher) Positionen geboten, weil nur so effektiver Rechtsschutz im Sinne dieser Vorgaben gewährleistet werden könne. Art. 47 EGRC bzw. Art. 6 EMRK stünden daher – entgegen der im angefochtenen Erkenntnis vertretenen Rechtsansicht – keinesfalls der Geltung des Amtswegigkeitsgrundsatzes entgegen.
9.3. Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich sei im angefochtenen Erkenntnis zu dem Ergebnis gelangt, dass das angefochtene Straferkenntnis wegen Widerspruches der diese Strafbarkeit tragenden nationalen Regelungen zum Unionsrecht aufzuheben gewesen sei. Zutreffend sei das Gericht davon ausgegangen, dass es von Amts wegen wahrzunehmen hätte, wenn eine in der österreichischen Rechtsordnung vorgesehene Regelung gegen das Unionsrecht verstoßen sollte und deswegen unangewendet zu bleiben hätte.
Allerdings wäre, um zu einer derartigen Beurteilung zu gelangen, zunächst die Frage zu beantworten gewesen, ob das Unionsrecht im Anlassfall überhaupt anzuwenden ist, was auf Sachverhalte ohne Auslandsbezug nicht zutreffe (vgl. z.B. VwGH vom 27. April 2012, Zlen. 2011/17/0280 und 0281). Da das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich keinerlei Feststellungen getroffen habe – wobei die Darstellung des Verfahrensablaufes Feststellungen keinesfalls zu ersetzen vermöge (siehe z.B. VwGH vom 30. Mai 2011, Zl. 2007/12/0197) –, könne dies vom VwGH auch nicht beurteilt werden. Festgehalten sei, dass weder dem angefochtenen Erkenntnis noch den vorgelegten Verwaltungsakten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sachverhalts mit Auslandsbezug entnommen werden könnten. Durch das Unterlassen des Treffens derartiger Feststellungen habe das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Festgehalten sei zur Geltung des Amtswegigkeitsgrundsatzes im Allgemeinen, dass die Anwendung des Gemeinschaftsrechts (nunmehr: Unionsrechts) durch die Behörden der Mitgliedstaaten nach dem nationalen Verfahrensrecht zu erfolgen habe, soweit das Unionsrecht hier keine Verfahrensvorschriften enthält (Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten). Diese Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten sei nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch durch die (unionsrechtlichen) Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beschränkt (vgl. z.B. VwGH vom 10. Oktober 2011, Zl. 2008/17/0113, oder vom 27. September 2013, Zl. 2010/05/0202). Dass die Geltung des Amtswegigkeitsprinzips nach der österreichischen Rechtslage dem Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes keinesfalls entgegenstehe, sei bereits ausgeführt worden. Auch jener der Äquivalenz spreche nicht dagegen, weil der Amtswegigkeitsgrundsatz gleichermaßen in Verwaltungsstrafverfahren gelte, in denen auf das Unionsrecht gestützte Rechte zu prüfen seien, wie in solchen mit ausschließlich innerstaatlichem Bezug. Vor diesem Hintergrund sei das Urteil des EuGH, C-390/12 (Pfleger, EU:C:2014:281), nicht dahin auszulegen, dass der EuGH einem in Österreich geltenden Amtswegigkeitsprinzip eine Absage erteilt habe. Damit sei lediglich zum Ausdruck gebracht worden, dass ein Vorbringen betreffend die Rechtfertigung von Regelungen, mit denen der freie Dienstleistungsverkehr beschränkt wird, vom Mitgliedstaat bzw. dessen Behörden zu erstatten ist und – auch entsprechend dem Verbot zur Selbstbezichtigung – nicht von jenen Personen, gegen die das jeweilige Verwaltungsstrafverfahren im weiteren Sinn (betreffend Übertretungen des GSpG, Beschlagnahmen oder Einziehungen nach dem GSpG) geführt wird. Allenfalls könnten aus der genannten Entscheidung des EuGH noch gewisse Mitwirkungspflichten der Behörde des Mitgliedstaates abgeleitet werden. Gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung, der EuGH habe der Geltung des Amtswegigkeitsprinzips eine Absage erteilt, würden insbesondere auch die weiteren Ausführungen im Urteil C-390/12 sprechen. So habe der EuGH ausgesprochen, dass für die Feststellung, welche Ziele mit der nationalen Regelung tatsächlich verfolgt werden, das vorlegende Gericht zuständig ist (RN 47 unter Hinweis auf EuGH vom 15. September 2011, C‑347/09 (Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582), und vom 30. Juni 2011, C-212/08 (Zeturf, EU:C:2011:437). Weiters sei konstatiert worden, dass sich das nationale Gericht vergewissern müsse, dass die nationale Regelung tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern, die Tätigkeiten in diesem Bereich zu begrenzen und die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen (RN 49). Das nationale Gericht müsse eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen eine restriktive Regelung, wie sie in den Ausgangsverfahren in Rede stehe, erlassen worden ist und durchgeführt wird (RN 52). Keinesfalls könne daher aus dem Urteil des EuGH C-390/12, abgeleitet werden, der Gerichtshof habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass die Geltung des Amtswegigkeitsprinzips im Zusammenhang mit der hier vom österreichischen Gericht zu prüfenden unionsrechtlichen Frage, ob Bestimmungen des GSpG, soweit damit Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit vorgenommen werden, im Sinne der Rechtsprechung des EuGH gerechtfertigt sind, ausgeschlossen sei. Wie bereits ausgeführt, würden daher gemäß § 38 VwGVG i.V.m. § 25 VStG im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten der Amtswegigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit gelten. Es könne daher die Judikatur des VwGH hierzu auch für das Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten herangezogen werden. Betreffend die Ermittlung des Sachverhaltes bedeute dies, dass die Verwaltungsgerichte verpflichtet seien, von Amts wegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz verwirkliche das Prinzip der materiellen (objektiven) Wahrheit, welcher es verbiete, den Entscheidungen einen bloß formell (subjektiv) wahren Sachverhalt zu Grunde zu legen. Der Auftrag zur Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichte die Verwaltungsgerichte, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, um der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen. In diesem Sinne seien alle sich bietenden Erkenntnisquellen sorgfältig auszuschöpfen und insbesondere diejenigen Beweise zu erheben, die sich nach den Umständen des jeweiligen Falles anbieten oder als sachdienlich erweisen können; die Sachverhaltsermittlungen seien ohne Einschränkungen eigenständig vorzunehmen; auch eine den Beschuldigten allenfalls treffende Mitwirkungspflicht enthebe das Verwaltungsgericht nicht seiner aus dem Grundsatz der Amtswegigkeit erfließenden Pflicht, zunächst selbst – soweit das möglich ist – für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen. Die Mitwirkungspflicht der Partei habe insbesondere dort Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann (vgl. z.B. VwGH vom 20. September 1999, Zl. 98/21/0137).
9.4. Um rechtens zu der Beurteilung zu gelangen, dass Bestimmungen des GSpG dem Unionsrecht widersprechen, hätte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich daher nach Durchführung eines im Sinne obiger Ausführungen dem Amtswegigkeitsprinzip entsprechenden Verfahrens konkrete Tatsachenfeststellungen zu treffen gehabt, aus denen abzuleiten gewesen wäre, dass durch anzuwendende Bestimmungen des GSpG vorgenommene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH nicht gerechtfertigt sind. Dadurch, dass das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich auf Grund einer unrichtigen Rechtsansicht nicht amtswegig ein Beweisverfahren durchgeführt und Feststellungen getroffen hat, habe es das angefochtene Erkenntnis ebenfalls mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet.
9.5. Weiters wären den Parteien insbesondere gemäß § 38 VwGVG i.V.m. § 24 VStG und § 45 Abs. 3 AVG die Ergebnisse des bislang durchgeführten bzw. durchzuführenden Ermittlungsverfahrens vorzuhalten und ihnen die Möglichkeit einzuräumen gewesen, dazu ein Vorbringen zu erstatten und Beweise für die eigenen Behauptungen anzubieten (Grundsatz der Wahrung des Parteiengehörs). Die Einräumung des Parteiengehörs sei ein wichtiges Element des fairen Verfahrens im Sinne des Art. 6 EMRK und damit auch Inhalt des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz. Anzumerken sei, dass auch von einer Verletzung einer Mitwirkungspflicht der Partei nur dann auszugehen ist, wenn die oben angeführten Verfahrensschritte zur Gewährung des Parteiengehörs zuvor gesetzt worden sind (vgl. z.B. VwGH vom 20. September 1999, Zl. 98/21/0137).
9.6. In der Folge wären aufgrund eines erstatteten relevanten Parteienvorbringens und Beweisanbotes entsprechende Ermittlungen durchzuführen und im angefochtenen Erkenntnis entsprechende Feststellungen hierzu zu treffen gewesen. Zum notwendigen Inhalt der Entscheidungsbegründung eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes sei auf das Erkenntnis des VwGH vom 21. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/03/0076, zu verweisen. Es könne sohin keinesfalls ausgeschlossen werden, dass das VwG bei Einräumung des Parteiengehörs zu einem anderslautenden Erkenntnis gelangt wäre.
Im Übrigen habe das VwG gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 VwGVG fänden sich zulässige Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Ein Absehen von der Verhandlung wäre nach dieser Bestimmung zu beurteilen und zu begründen gewesen (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 31. Juli 2014, Zl. Ra 2014/02/0011).
10. An diese vom VwGH in seinen Erkenntnissen vom 15. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/17/0120, und vom selben Tag, Zl. Ro 2014/17/0121, geäußerte Rechtsansicht hatte sich das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich aus Gründen der Zweckmäßigkeit und der Verfahrensökonomie auch in allen gleichgelagerten Anlassfällen als gebunden erachtet.
10.1. Davon ausgehend wurde z.B. am 18. Mai 2015 eine öffentliche Verhandlung durchgeführt, zu der als Parteien der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sowie ein Vertreter der Amtspartei (Finanzamt) erschienen sind.
Im Zuge dieser öffentlichen Verhandlung wurde vom LVwG OÖ zunächst die Frage des Vorliegens eines hinreichenden Auslandsbezuges insbesondere im Lichte des Urteils des EuGH vom 19. Juli 2012, C‑470/11 (Garkalns, EU:C:2012:505), RN 20 und 21, deshalb bejaht, weil einerseits nach nationalem Verfassungsrecht – nämlich dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 B‑VG – einem inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden und sich andererseits keineswegs ausschließen lässt, dass Anbieter, die in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässig sind, ein Interesse daran haben, Glücksspiele auch in Österreich zu veranstalten.
Vor diesem Hintergrund ist insbesondere zu beachten, dass unter der Annahme, dass das im GSpG verankerte Monopolsystem dem EU-Recht widerspricht, dieser Umstand in Fällen mit Sachverhalten ohne Auslandsbezug eine dem Art. 7 B‑VG zuwiderlaufende Inländerdiskriminierung bewirken würde. Daher setzt die Frage, ob ein Inländer zu Recht oder zu Unrecht wegen eines Eingriffes in das GSpG-Monopol bestraft wurde, eine Klärung der Problematik voraus, ob die Monopolregelung des GSpG tatsächlich unionsrechtswidrig ist oder nicht.
Wenn der OGH in diesem Zusammenhang in seiner Rechtsprechung (vgl. z.B. OGH vom 20. Jänner 2015, 4 Ob 200/14m) davon ausgeht, dass die Frage einer allfälligen verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung von einem ordentlichen Gericht nicht aus eigenem, sondern nur vom VfGH beurteilt werden kann, so trifft dies zwar auf zivilgerichtliche (im Besonderen: wettbewerbsrechtliche) Verfahren, nicht aber auch auf Verfahren vor Verwaltungsgerichten zu, weil hier (im Gegensatz zu einem Prozess vor einem ordentlichen Gericht oder im Verfahren vor dem VwGH [vgl. Art. 133 Abs. 5 B‑VG]) das Verfassungsrecht – und im Besonderen Art. 7 B‑VG – ebenfalls einen unmittelbar heranzuziehenden Prüfungsmaßstab bildet. Die Frage einer allfälligen verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung und damit die Vorfrage der Unionsrechtskonformität des GSpG-Monopols ist daher von Verwaltungsgerichten auch in Fällen mit Sachverhalten ohne Auslandsbezug zu prüfen; als verfassungswidrig könnte sich in diesem Zusammenhang allerdings erweisen, dass der Amtspartei (bzw. dem Bundesminister für Finanzen) gegen eine solche Entscheidung des Verwaltungsgerichtes keine Beschwerdemöglichkeit an den VfGH (sondern nur ein [lediglich auf grundsätzliche Rechtsfragen eingeschränktes] Amtsrevisionsrecht an den für Verfassungsfragen gemäß Art. 133 Abs. 5 B‑VG allerdings explizit nicht zuständigen VwGH) zukommt.
Unabhängig davon geht im Übrigen auch der OGH davon aus, dass selbst unter der Voraussetzung, dass die Prüfung der Frage einer verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung exklusiv dem VfGH zukommt, das ordentliche Gericht vor der Stellung eines entsprechenden Gesetzprüfungsantrages gemäß Art. 140 Abs. 1 B‑VG zu klären hat, ob das GSpG-Monopol tatsächlich unionsrechtswidrig ist, wobei es hierfür gerichtlicher Ermittlungen und Feststellungen dahin bedarf, ob die Wirkungen der Regelungen des GSpG wirklich zu effektivem Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung führen und in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spielen verringern (vgl. OGH vom 21. Oktober 2014, 4 Ob 145/14y).
Somit sind also im gegenständlichen Fall vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich unabhängig davon, ob tatsächlich ein Auslandsbezug vorliegt, von Amts wegen die vom EuGH vorgegebenen und in der Rechtsprechung der drei österreichischen Höchstgerichte (VfGH, OGH, VwGH) jeweils übernommenen Kriterien dafür, ob das GSpG-Monopol mit der in Art. 56 AEUV normierten Dienstleistungsfreiheit sowohl dem Grunde nach vereinbar ist als auch im Besonderen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügt, zu prüfen, d.h.: welche bzw. ob mit der im GSpG verankerten Monopolregelung tatsächlich die Ziele des erhöhten Spielerschutzes und einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung – und nicht etwa vorrangig jenes einer Erhöhung der Staatseinnahmen – verfolgt werden, ob dadurch tatsächlich und systematisch insbesondere der Anreiz und die Gelegenheit zum Spiel verringert werden und ob die aus dem GSpG-Monopol resultierenden Beschränkungen in ihrer Gesamtheit sowie im jeweils für sich betrachtet verhältnismäßig sind.
10.2. Vor diesem Hintergrund hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich im Rahmen der öffentlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie insbesondere in folgende, von den Parteien – teilweise bereits im unmittelbaren Vorfeld der Verhandlung – vorgelegte Beweismittel:
Von der Amtspartei (Finanzamt):
− Den „Glücksspiel Bericht 2010-2013“ des Bundesministeriums für Finanzen (im Folgenden auch kurz: „Glücksspielbericht 2010-2013“),
− eine im Verfahren des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich zu LVwG-410395 (abgeschlossen mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2014) vorgelegte „Stellungnahme des BMF betreffend Ziel und Zweck des Glücksspielmonopols“ vom 18. September 2014 (im Folgenden auch kurz: „Stellungnahme“) sowie
− das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 15. Dezember 2014, LVwG-410395 (im Folgenden auch kurz: „Erkenntnis“)
jeweils zum Beweis dafür,
− dass mit dem im GSpG verankerten Monopolsystem die Ziele eines effektiven Spielerschutzes und einer Kriminalitätsbekämpfung tatsächlich sowie systematisch und kohärent verfolgt werden,
− dass das im GSpG verankerte Monopolsystem nicht dem vorrangigen Ziel einer Erhöhung der Staatseinnahmen dient,
− dass die Geschäftspolitik der Monopolisten, im Besonderen deren Werbemaßnahmen, zum Zweck der Hinlenkung zum erlaubten Glücksspiel sowohl maßvoll als auch zielgerichtet ist, und
− dass die aus dem GSpG-Monopol resultierenden Beschränkungen jeweils dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen
Vom Beschwerdeführer:
− Eine schriftliche Stellungnahme, beinhaltend Anträge auf Zeugenvernehmungen sowie einen Hinweis auf 18 Anlagen, und
− schriftliche Anlagen
jeweils zum Beweis dafür,
− dass mit dem im GSpG verankerten Monopolsystem tatsächlich nicht bzw. weder systematisch noch kohärent das Ziel eines effektiven Spielerschutzes bzw. der Kriminalitätsbekämpfung, sondern vorrangig das Ziel einer Erhöhung der Staatseinnahmen verfolgt wird,
− dass die Geschäftspolitik der Monopolisten, im Besonderen deren Werbemaßnahmen, zum Zweck der Hinlenkung zum erlaubten Glücksspiel weder maßvoll noch zielgerichtet ist, und
− dass das GSpG-Monopol dem Unionsrecht widerspricht bzw. die im GSpG normierten Beschränkungen jeweils nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
10.3. Vor diesem Hintergrund ergab sich hinsichtlich der einzelnen Hauptproblemfelder im Zusammenhang mit der Frage der Unionsrechtskonformität der Regelungen des im GSpG verankerten Monopolsystems mit Blick auf die vom EuGH in dessen Judikatur hierfür aufgestellten Kriterien vorläufig Folgendes:
10.3.1. Zum Beweis dafür, dass die GSpG-Reform des Jahres 2010 tatsächlich eine kohärente Politik in den Bereichen Spielerschutz, Konzessionserteilungen und staatliche Aufsicht verfolgte, wurde von der Amtspartei (Finanzamt) zum einen der Glücksspielbericht 2010-2013[1] vorgelegt.
Diesem Bericht ist zunächst eine Darstellung der Zielsetzungen der im Zeitraum 2011 bis 2013 vorgenommenen Novellierungen des GSpG und der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in dieser Periode (S. 3 bis S. 15) sowie ein Überblick über durchgeführte und anhängige Konzessionserteilungsverfahren (S. 16 bis S. 23) vorangestellt.
Bezüglich der Neuerungen im Spielerschutz wird sodann unter Hinweis auf eine im Jahr 2011 veröffentlichte Glücksspielsuchtstudie betont, dass (S. 24) „rund 64.000 Personen in der Altersgruppe zwischen dem 14. und dem 65. Lebensjahr von Glücksspielsucht betroffen“ sowie „0,43% dieses Bevölkerungssegements“ (also etwa 25.000 Personen) „ein problematisches Spielverhalten aufweisen und 0,66%“ (also ca. 39.000 Personen) „pathologisch glücksspielsüchtig“ seien; in diesem Zusammenhang erweise sich auf Basis einer „Repräsentativbefragung“ das Glücksspiel mit Automaten außerhalb einer Spielbank als der größte Problemfaktor (33% Problemspieler; dagegen: Lotterien: 2% Problemspieler, Sportwetten: 13% Problemspieler, Klassische Kasinospiele: 7% Problemspieler und Automaten in Kasinos: 14% Problemspieler[2]), weshalb durch das im GSpG verankerte Monopolsystem „das Glücksspielangebot und die Akzeptanz gelenkt werden“ solle, und zwar „weg von den Problembereichen hin zu anderen Bereichen, innerhalb derer die Problemprävalenz weniger hoch ist“.
In einer weiteren Studie sei zu Tage getreten, dass im Jahr 2006 aus dem Motiv der Glücksspielsucht 38 Fälle von Beschaffungskriminalität (gewerbsmäßiger Diebstahl, schwerer Raub und gewerbsmäßiger Betrug) sowie im ersten Halbjahr 2007 weitere 36 solcher Fälle begangen worden seien (S. 24 f).
Beispielsweise hätten auf Grund einer Kostenschätzung für das Bundesland Steiermark im Jahr 2006 Ausgaben für Spielsucht in Höhe von 140.900 Euro resultiert (S. 25). Um diese Problembereiche (Suchtverhalten, Beschaffungskriminalität und Therapiekosten) einzudämmen, sei mit Jahresbeginn 2011 eine Stabsstelle für Spielerschutz eingerichtet worden (S. 26 bis 29).
Hinsichtlich legaler, nämlich konzessionierter Glücksspielanbieter sei die staatliche Aufsicht intensiviert (S. 30 f.) sowie eine Anbindung von deren Glücksspielautomaten an ein Datenrechenzentrum (S. 31 f) und eine bescheidmäßige Vorschreibung von Werbestandards vorgenommen worden (S. 32 ff).
Parallel dazu sei(en) das illegale Glücksspiel auf mehreren Ebenen bekämpft und in diesem Zusammenhang bis Ende 2013 bereits über 6.000 vorläufige Beschlagnahmen von Glücksspielgeräten und sonstigen Eingriffsgegenständen durchgeführt worden; dieser hohe behördliche Verfolgungsdruck führe allerdings in der Praxis zu einer „Flucht ins Strafrecht“, weil dort kaum strafgerichtliche Verurteilungen wegen § 168 StGB vorkämen (S. 34 und 35).
Von in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 222 beim VwGH eingebrachten Amtsbeschwerden seien 141 „gewonnen“ und lediglich 20 abgewiesen bzw. abgelehnt worden sowie die restlichen Verfahren (61) zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichtes noch anhängig gewesen (S. 36).
Ein Hauptaugenmerk im Rahmen der staatlichen Aufsicht gelte schließlich noch der Geldwäschevorbeugung (S. 36 bis 38).
Für das Jahr 2014 seien eine verfassungskonforme Neuregelung der Pokerkonzessionen, eine präzise der Abgrenzung des Tatbestandes des § 168 StGB von jenem des § 52 GSpG, eine Novellierung der Automatenglücksspielverordnung, der Abschluss der noch laufenden Spielbankenkonzessionierungsverfahren sowie im Bereich des Spielerschutzes eine Evaluierung der seit 2010 ergangenen Novellen zum GSpG und sowie von deren Umsetzung in Aussicht genommen (S. 39).
10.3.2. Die zum anderen bereits im Verfahren des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich zu LVwG-410395 (abgeschlossen mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2014) ergänzend erstattete Stellungnahme des Bundeministeriums für Finanzen vom 18. September 2014 besteht in inhaltlicher Hinsicht im Wesentlichen aus einer Wiederholung der im Glücksspielbericht 2010-2013 enthaltenen Ausführungen (vgl. S. 5 bis 8; S. 9 bis 15).
Darüber hinaus findet sich darin neben einem Hinweis auf die aus den Gesetzesmaterialien zur GSpG-Novelle BGBl I 73/2010 hervorgehenden ordnungspolitischen Zielsetzungen eine Aufzählung jener Bestimmungen des GSpG, die den Behörden gemäß der EuGH-Judikatur gerechtfertigte Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit ermöglichen (S. 2 bis 4).
In der Folge wird darauf hingewiesen, dass nach dem GSpG im Zuge von Konzessionserteilungen für Spielbanken nunmehr eine Mindestdauer pro Spiel, Mindestabstandsregelungen, Zutrittssysteme, Schulungskonzepte für Mitarbeiter, eine verpflichtende Zusammenarbeit mit Spielerschutzeinrichtungen, ein Verbot bestimmter Spielinhalte, Einsatz- und Gewinnlimits, ein Verbot parallel laufender Spiele etc. vorgesehen seien (S. 9).
Seit Jahresbeginn 2011 sei die Stabsstelle für Spielerschutz tatsächlich eingerichtet und mit vielfältigen Aufgaben betraut (S. 9 f); dem Schutz der besonders vulnerablen Gruppe der Kinder und Jugendlichen diene eine effektive Zugangskontrolle, eine verantwortungsvolle Werbung und eine strenge Aufsicht und Kontrolle durch staatliche Behörden etc. (S. 9 bis 12), wobei für den Fall von Zuwiderhandlungen empfindliche Sanktionen vorgesehen seien (S. 12 bis S. 14).
Zulässige Werbemaßnahmen müssten zwar maßvoll und nicht aggressiv, jedoch dazu geeignet sein, das Glücksspiel in erlaubte Bahnen zu lenken, weshalb im Zuge der Konzessionserteilungen jeweils in Zusammenarbeit mit unabhängigen Experten erstellte Werbestandards und Leitlinien bescheidmäßig vorgeschrieben worden seien (S. 16 bis 18).
Hinsichtlich der Frage, ob die mit dem GSpG-Monopol verfolgten Zwecke auch durch weniger eingriffsintensive Maßnahmen erreicht werden können, sei auf das Erkenntnis des VfGH vom 6. Dezember 2013, B 1337/11, zu verweisen (S. 18 f).
Insgesamt sei das GSpG von dem Gedanken getragen, ein ausgewogenes Glücksspielangebot bereit zu stellen, das einer strengen und effektiven staatlichen Kontrolle unterliegt; gleichzeitig solle illegales Glücksspiel eingedämmt und hintangehalten werden. Aus den Gesetzesmaterialien zur GSpG-Novelle 2010 sowie aus den im Glücksspielbericht 2010-2013 genannten Novellen ergebe sich eindeutig, dass die Regelungen des GSpG tatsächlich diese Ziele in kohärenter und systematischer Weise verfolgen und Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung nicht bloß vordergründige Ziele darstellen würden. Diese Ziele ließen sich allerdings nicht kohärent und systematisch erreichen, wenn ein unbeschränktes Angebot an Glücksspielen zugelassen werden müsste (S. 20).
10.3.3. Dem von der Amtspartei zur Unterstützung und zum Beleg der Richtigkeit ihrer Argumentation vorgelegten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 15. Dezember 2014, LVwG-410395, ist zunächst zu entnehmen, dass es sich bei den an den dort verfahrensgegenständlichen Geräten durchgeführten Spielen zweifelsfrei um Glücksspiele gehandelt habe, wobei auf Grund des im dg. Verfahren zum Tragen gekommenen, nicht als verfassungswidrig erachteten § 52 Abs. 3 GSpG eine allfällige Strafbarkeit gemäß § 168 StGB nicht in Betracht zu ziehen gewesen sei (S. 20 und 21).
Weiters wird dort ausgeführt, dass hinsichtlich einer allfälligen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des GSpG zunächst darauf hinzuweisen sei, dass kein Sachverhalt mit Auslandsbezug vorliege (S. 21).
Im Übrigen sei – unter (teilweise wörtlicher) Übernahme der nachvollziehbaren Ausführungen des Bundesministeriums für Finanzen in dessen Stellungnahme vom 18. September 2014 sowie unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien – davon auszugehen, dass es sich bei den Zielsetzungen der Suchtprävention, des Spielerschutzes und der Kriminalitätsabwehr um solche handle, die eine Beschränkung des Glücksspielangebotes rechtfertigten; anderes würde allenfalls nur dann gelten, wenn eine Maximierung von Abgabeneinnahmen das einzige Ziel des GSpG-Monopols wäre, was jedoch deshalb nicht zutreffe, weil in der Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen aufgezeigt werde, dass die Spielsucht in Österreich tatsächlich ein nicht irrelevantes gesellschaftliches Problem darstelle und davon ausgehend eine beschränkte Anzahl von Konzessionären offenkundig effektiver zu überwachen sei als eine unbeschränkte Anzahl von Anbietern; hinzu komme der damit verbundene Lenkungseffekt hin zum erlaubten und überwachten Glücksspiel (S. 22 bis 24).
Außerdem werde in dieser Stellungnahme auch auf bereits umgesetzte Maßnahmen – z.B. auf die Einrichtung einer Spielerschutzstelle, auf die Anbindung der Glücksspielautomaten an die Bundesrechenzentrum GmbH, auf die Überwachung der Einhaltung von Spielpausen, auf effektive Zutrittskontrollen, auf Auskunftspflichten der Konzessionäre, auf Aufsichtsbefugnisse staatlicher Behörden und auf bescheidmäßig vorgeschriebene Werbestandards – einerseits sowie auf die umfangreichen Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Glücksspiels hingewiesen. Wenngleich einzelne Werbungen problematisch erscheinen könnten, sei bei einer Gesamtbetrachtung der Werbekonzepte keine unzulässige Werbung zu erkennen, zumal auch in der Stellungnahme keine derartige Praxis festgestellt worden sei (S. 24 und 25).
Zusammenfassend ergebe sich daher, dass bei einer Gesamtbetrachtung aller im Verfahren hervorgekommener Umstände eine Gemeinschaftswidrigkeit des Monopolsystems des GSpG nicht vorliege, weil dieses (zumindest auch) jene vom EuGH anerkannten Gründe des Allgemeininteresses verfolge; zudem erschienen die Regelungen des GSpG als geeignet, diese Ziele zu erreichen, wobei schließlich auch deren Unverhältnismäßigkeit nicht hervorgekommen sei (S. 25 und 26).
10.3.4. Dem gegenüber hat der Beschwerdeführer zum Beweis dafür, dass mit dem im GSpG verankerten Monopolsystem tatsächlich nicht bzw. weder systematisch noch kohärent das Ziel eines effektiven Spielerschutzes bzw. der Kriminalitätsbekämpfung, sondern vorrangig das Ziel einer Erhöhung der Staatseinnahmen verfolgt werde, dass die Geschäftspolitik der Monopolisten, im Besonderen deren Werbemaßnahmen, zum Zweck der Hinlenkung zum erlaubten Glücksspiel weder maßvoll noch zielgerichtet sei und dass das GSpG-Monopol dem Unionsrecht widerspreche bzw. dass die im GSpG vorgesehenen Beschränkungen jeweils nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprächen, in der öffentlichen Verhandlung eine schriftliche Stellungnahme vorgelegt.
Darin wird zunächst darauf hingewiesen, dass sich aus der Judikatur des VwGH und des OGH ergebe, dass die Problematik der Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols als Vorfrage für eine möglicherweise daraus resultierende Inländerdiskriminierung zu prüfen sei. Davon abgesehen bedürfe es nach der jüngsten Rechtsprechung des OGH und des EuGH aber ohnehin keines grenzüberschreitenden Sachverhalts, um sich unmittelbar auf einen Verstoß gegen Art. 56 AEUV berufen zu können.
Außerdem sei der Anteil an Spielsüchtigen – insbesondere unter Beachtung einer erheblichen Dunkelziffer – seit 2003 kontinuierlich gestiegen, wobei die Spielerschutzbestimmungen des GSpG deutlich hinter jenen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zurückliegen und hierzulande die privat geführten Spielerschutzeinrichtungen zudem keine staatliche Förderung erhalten würden; vielmehr seien diese auf freiwillige Spenden der Konzessionsinhaber angewiesen (vgl. S. 1 bis 3). Das faktische Versagen der Spielschutzbestimmungen werde insbesondere daran deutlich, dass es auch für Minderjährige problemlos möglich sei, hohe Gewinne oder Verluste zu erzielen (S. 4 und 13).
Weiters habe es im Zeitraum zwischen 2009 und 2012 keine kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit Glücksspiel gegeben (S. 5), während dem gegenüber die Werbemaßnahmen der Casinos Austria AG und der Österreichischen Lotterien GmbH offenkundig und aggressiv zur Spielteilnahme anregen sollen (S. 6).
Zudem sei auch nicht erkennbar, weshalb die vom Staat angestrebten Zielsetzungen ausschließlich in Form einer Monopolregelung erreicht werden könnten (S. 7).
Aus einem Gutachten einer Expertin für Glücksspielverhalten, klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie aus dem Jahr 2015 ergebe sich zweifelsfrei, dass Österreich im Bereich der Glücksspiel-Suchtprävention mittlerweile de facto das europaweite Schlusslicht bilde, zumal weder die gesetzlichen Zielvorgaben tatsächlich umgesetzt noch die staatliche Finanzierung der von privaten Institutionen geführten Spielerschutzstellen gesichert sei (S. 7 ff).
Darüber hinaus zeige auch die GSpG-Novelle BGBl I 13/2014, mit der der Anwendungsbereich des § 168 StGB deutlich eingeschränkt wurde, dass das Glücksspiel in Österreich keine echtes Kriminalitätsproblem bilde (S. 13 ff); vielmehr ergebe sich aus den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien, dass das im GSpG verankerte Monopolsystem nur vordergründig dem Spielerschutz, der Suchtvorbeugung und der Kriminalitätsbekämpfung diene, während das Primärziel in einer Maximierung der Staatseinnahmen liege (S. 15 f).
Zum Beweis für den Anstieg der Zahl an spielsüchtigen Personen innerhalb der letzten Jahre und für die Ineffektivität der gesetzlichen und tatsächlichen Spielerschutzvorkehrungen werde die Einvernahme von insgesamt 22 Zeugen bzw. die Einsichtnahme in 18 näher bezeichnete Urkunden – nämlich: (neben den bereits angeführten Entscheidungen der Gerichte des öffentlichen Rechts) zivilgerichtliche Entscheidungen und Protokolle über Zeugeneinvernahmen, vornehmlich in Verfahren nach § 168 StGB, nach dem Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb und nach dem Konsumentenschutzgesetz; Werbeinserate der Casinos Austria AG und der Österreichischen Lotterien GmbH; eine 16-seitige, als „Überblick – Spielsuchtprävention Österreich vier Jahre nach Inkrafttreten des GSpG 2010“ bezeichnete Abhandlung von MMag. Malgorzata Zanki vom 12. Jänner 2015; Statistiken und Mitteilungen des Vereines „(Wiener) Spielsuchthilfe“; eine parlamentarische Anfrage an die Bundesministerin für Inneres vom 24. September 2014 samt deren Beantwortung vom 20. November 2014; sowie Beschreibungen der Spielerschutzsysteme der Konzessionsinhaber, eine damit im Zusammenhang stehende Missbrauchsanzeige und ein dazu erstatteter Bericht eines Privatdetektivs vom 10. Juli 2014 – beantragt bzw. deren Verlesung in der Verhandlung des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vorweg zugestimmt.
10.3.5. Vor dem Hintergrund dieser Beweisaufnahme und in Würdigung von deren Ergebnissen ging das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich (vorläufig) von folgender Faktenlage aus:
10.3.5.1. Zum Problemfeld „Spielerschutz, Spielsucht und Prävention“
Der Ausgangspunkt, nämlich die Zahl von insgesamt 64.000 (verhaltensauffällig bzw. pathologisch) glücksspielsüchtigen Personen in Österreich entstammt einer vom „Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg“[3] im Auftrag der „Österreichischen ARGE Suchtvorbeugung“[4] bzw. des Instituts für Suchprävention (ISP) der Sucht- und Drogenkoordination Wien[5] im Jahr 2010 erstellten Studie, deren Ergebnisse auch in Buchform veröffentlicht wurden (vgl. J. Kalke – S. Buth – M. Rosenkranz – Ch. Schütze – H. Oechsler – U. Verthein, Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich – Empirische Erkenntnisse zum Spielverhalten der Bevölkerung und zur Prävention der Glücksspielsucht, Lambertus-Verlag, Freiburg i.Br., 2011).
Konkret wurde diese Zahl derart ermittelt, dass in sämtlichen neun Bundesländern eine telefonische Umfrage mit jeweils ca. 700 Personen durchgeführt wurde; von diesen insgesamt 6.326 Befragten gaben 27 Personen (≈ 0,43%) an, ein problematisches Spielverhalten, und 41 Personen (≈ 0,66%) an, ein pathologisches Spielverhalten aufzuweisen. Statistisch hochgerechnet[6] ergibt dies eine absolute Zahl von 25.043 bzw. von 38.438 Personen und damit insgesamt (großzügig aufgerundet) ca. 64.000 Personen, die sich nach eigener Einschätzung als verhaltensauffällige bzw. pathologische Spieler bezeichnen.
Seither wird die Gesamtanzahl von „64.000 Spielsüchtigen“ allseits unreflektiert weitertradiert, wie sich dies beispielsweise auch aus den „Factsheets Sucht“[7] des „Instituts Suchtprävention (IS) pro mente Oberösterreich“[8] (aktuell: Version 2.3 vom 2. September 2014, S. 5) ergibt, obwohl dort zumindest einerseits angemerkt wird, dass es sich um „die erste und bisher einzige repräsentative telefonische Befragung der österreichischen Bevölkerung (im Alter von 14 bis 65 Jahren)“ handelte und andererseits kritisch festgehalten wird, dass „der Begriff ‚Abhängigkeit‘ ..... in dieser Allgemeinheit nicht unproblematisch [ist], da er in den verschiedenen Verhaltens- und Suchtbereichen eine jeweils andere Bedeutung besitzt und sich unter diesem Begriff unterschiedlichste Problematiken versammeln. Insbesondere bei Alkohol und Nikotinzahlen zielen die oben angeführten Zahlen eher auf körperliche Abhängigkeit, während die Verhaltenssüchte von Natur aus in rein psychischer Abhängigkeit begründet sind.“ (S. 4, FN 1). Von einer solchen in Bezug auf Glücksspiel als „rein psychischer Abhängigkeit“ ausgehend kann es daher auch kaum überraschen, dass die Absolutzahl an (pathologisch) Spielsüchtigen (38.000), v.a. aber die vom IS ebenfalls erhobene Anzahl an Kauf- (565.000) und Medikamentensüchtigen (90.000 bis 130.000) beispielsweise die absolute Anzahl an Drogenabhängigen (25.000 bis 37.000) überwiegt (vgl. S. 4).
Nicht überzeugend erscheint dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich daher v.a. die Methode, aus einer telefonischen Umfrage mit ca. 6.300 Personen, in der insgesamt bloß 68 Befragte subjektiv ein auffälliges oder sogar pathologisches Spielverhalten angegeben haben, darauf zu schließen, dass es in Österreich tatsächlich insgesamt 64.000 spielsüchtige Personen in der Altersgruppe zwischen 14 und 65 Jahren geben soll. Vielmehr handelt es sich insoweit bloß um eine statistisch hochgerechnete Zahl, hinsichtlich der seit der im Jahr 2010 durchgeführten Erhebung auch kein Versuch einer nachfolgenden Verifizierung unternommen wurde, sodass sich diese objektiv besehen nicht auf eine entsprechende faktische Untermauerung zu gründen vermag und sohin auch nicht einer gerichtlichen Entscheidung als eine erwiesene Tatsache zu Grunde gelegt werden kann[9].
Da sonstige diesbezügliche Nachweise weder vorgelegt wurden noch erkennbar sind, geht das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich daher bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, dass es sich bei der Zahl von 64.000 spielsüchtigen Personen lediglich um eine nicht verifizierbare Vermutung handelt. Auf einer Basis von bloß 68 Personen, die sich im Zuge eines Telefongespräches selbst als pathologisch süchtig bzw. verhaltensauffällig glücksspielend eingeschätzt haben, ist sohin vielmehr zu konstatieren, dass die Spielsucht in Österreich weder zum Zeitpunkt der Erlassung der GSpG-Novelle 2010 noch gegenwärtig ein überdurchschnittlich maßgebliches oder gar gesamtgesellschaftlich relevantes Problem darstellt(e), das ein unabdingbar gebotenes und unverzügliches Einschreiten des Gesetzgebers oder der staatlichen Behörden erfordert hätte oder erfordern würde.
Ungeachtet dessen liegt es freilich innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes eines Staates, im Rahmen der ihm insgesamt zur Besorgung obliegenden Aufgaben allenfalls auch solche vorrangig zu erledigen, deren Vordringlichkeit objektiv besehen nicht auf der Hand liegt. So – d.h. gleichsam abstrakt – betrachtet erscheinen die im GSpG vorgesehenen Maßnahmen (wie z.B. Einrichtung einer Spielerschutzstabsstelle und verpflichtende Zusammenarbeit mit Spielerschutzeinrichtungen, Zutrittssysteme und Zugangskontrolle, Mindestdauer pro Spiel, Verbot bestimmter Spielinhalte, Einsatz- und Gewinnlimits, Verbot parallel laufender Spiele, Abkühlphase, Mindestabstandsregelungen, Schulungskonzepte für Mitarbeiter, etc.) aber als grundsätzlich geeignet und auch nicht unverhältnismäßig, die Erreichung der Ziele „Spielerschutz und Suchtprävention“ zuverlässig zu gewährleisten.
Daran vermag das diesbezüglich plausibel begründete Beschwerdevorbringen, dass diese Maßnahmen bislang de facto noch nicht bzw. bloß erst zum Teil umgesetzt wurden, an diesem Befund zumindest für die Startphase des mit der GSpG-Novelle 2010 begonnenen Systemwechsels – die aber wohl kaum über das erste Viertel oder Drittel der Laufzeit der befristet erteilten GSpG-Konzessionen hinausgehen kann – nichts zu ändern.
10.3.5.2. Zum Problemfeld „Glücksspielkriminalität und Kriminalitätsbekämpfung“
Insoweit ergibt sich sowohl aus den Gesetzesmaterialien als auch aus dem Glücksspielbericht 2010-2013 des Bundesministers für Finanzen, dass schon im Jahr 2006 aus dem Motiv der Glücksspielsucht heraus lediglich 38 Fälle von Beschaffungskriminalität (gewerbsmäßiger Diebstahl, schwerer Raub und gewerbsmäßiger Betrug) und im ersten Halbjahr 2007 weitere 36 solcher Fälle begangen worden seien. Weiters habe es im Jahr 2011 insgesamt bloß 11 gerichtliche Verurteilungen nach § 168 StGB gegeben, die zu insgesamt 7 Geldstrafen, jeweils einer bedingten und teilbedingten Freiheitsstrafe sowie zu zwei anderen Sanktionen geführt hätten; im Jahr 2012 sei es nur zu 2 gerichtlichen Verurteilungen nach § 168 StGB gekommen, wobei in beiden Fällen bloß eine Geldstrafe verhängt worden sei.
Dem gegenüber seien in den Jahren 2010 bis 2012 von den Verwaltungsstrafbehörden I. Instanz 638 Straferkenntnisse verhängt und 1.195 Beschlagnahmen und 164 Einziehungen angeordnet worden, von denen in II. Instanz 478 Straferkenntnisse, 1.125 Beschlagnahmen und 58 Einziehungen bestätigt worden seien.
Selbst wenn man diese Zahlen vorbehaltslos als zutreffend unterstellt, ergibt sich schon allein daraus, insbesondere aber in Verbindung mit der durch die GSpG-Novelle BGBl I 13/2014 vorgenommenen Umkehrung der bisherigen Subsidiaritätsregel (vgl. § 52 Abs. 3 GSpG i.d.g.F.), hinsichtlich der der VfGH in seiner jüngsten Entscheidung vom 10. März 2015, E 1139/2014, der Sache nach (neuerlich) bestätigt hat, dass das behördliche im Verhältnis zum gerichtlichen Strafrecht mit Blick auf das wesentlich geringere Höchstausmaß einer potentiell drohenden Freiheitsstrafe die deutlich weniger einschneidende Maßnahme darstellt, für das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich, dass das Automatenglücksspiel in Österreich weder vor noch nach der GSpG-Novelle 2010 ein echtes sicherheitspolitisches Problem darstellte.
Das LVwG Oberösterreich erachtet es daher als erwiesen, dass de facto beide Novellierungen nicht zu einer „Entkriminalisierung“ in jenem Sinne, wie diese vom EuGH verstanden wird, geführt haben. Denn gesamthaft betrachtet bildete die weitaus überwiegende Anzahl der geahndeten Vergehen bloße Ordnungsverstöße, die auf einer Nichtbeachtung von Vorschriften zur Sicherung des Monopolsystems beruhten, nicht aber davon losgelöste echte Fälle von mittlerer und schwerer (insbesondere Beschaffungs‑)Kriminalität. Deutlicher als dadurch, dass dem gerichtlich strafbaren Tatbestand – als dem vergleichsweise gravierenderen Delikt – bewusst jeglicher Anwendungsbereich entzogen wird, lässt sich wohl kaum zum Ausdruck bringen, dass das Glücksspiel für den österreichischen Staat in Wahrheit kein kriminal- und sicherheitspolitisch relevantes Problem darstellt.
Dem gegenüber kann die Effizienzsteigerung der verwaltungsbehördlichen Strafverfolgung nicht als eine primär-ursprüngliche Notwendigkeit, sondern bloß als eine aus der Einrichtung des Monopolsystems zu dessen weiterer Aufrechterhaltung erforderliche und sohin gleichsam zwangsläufig resultierende Folgewirkung qualifiziert werden, wobei sich in diesem Zusammenhang zudem die Frage der Verhältnismäßigkeit der damit verbundenen umfassenden (teilweise bereits an der Grenze des rechtsstaatlich noch Vertretbaren liegenden) Eingriffsbefugnisse stellt.
10.3.5.3. Zum Problemfeld „Erhöhung der Staatseinnahmen“
Dass die Beibehaltung des Monopolsystems zu einer Sicherung von Staatseinnahmen in einem nicht unerheblichen Ausmaß (von ca. 500 Mio. Euro jährlich) führt, wurde schon im anlassfallbezogenen Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH auch von der Bundesregierung selbst gar nicht in Abrede gestellt (wenngleich dort bloß als ein „erfreulicher Nebeneffekt“ bezeichnet)[10]; Gleiches lässt sich auch aus den Gesetzesmaterialien zur GSpG-Novelle 2010 sowie aus der Pressaussendung der „Casinos Austria AG“ und der „Österreichischen Lotterien GmbH“ vom 8. April 2015 über das Geschäftsjahr 2014 ableiten, wonach diese Konzessionäre zu den „Top-5-Steuerzahlern“ in Österreich (2014: insgesamt 552 Mio. Euro) gehören[11].
Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich geht daher davon aus, dass das bestehende Monopolsystem – jedenfalls auch, wenn nicht sogar vorrangig – der Sicherung von Staatseinnahmen dient, wie sich dies insbesondere auch daran zeigt, dass der Staat das Glücksspielangebot trotz der damit verbundenen kostenaufwändigen Kontrollintensität vollständig auslagern („privatisieren“) konnte, wobei die Konzessionäre nicht nur eine hohe Abgabenquote trifft, sondern diese auch die bereits mit der Konzessionserteilung verbunden Gebühren zu tragen sowie in der Folge in einem nicht unerheblichen Ausmaß auch aus eigenem die gesetzlichen Spielerschutz- und Suchtpräventionsmaßnahmen zu finanzieren haben.
10.3.5.4. Zum Problemfeld „Geschäftspolitik der Konzessionsinhaber, insbesondere Werbemaßnahmen“
Dass die Geschäftspolitik der Konzessionsinhaber, im Besonderen deren Werbemaßnahmen, grundsätzlich aggressiv darauf ausgerichtet sind, zum Spielen der von den beiden Hauptkonzessionären angebotenen Glücksspielarten zu animieren, ist geradezu notorisch, wie jeder willkürliche Blick in ein zufällig ausgewähltes Print- oder elektronisches Medium, insbesondere jede Konsumation von durch Werbeintervalle unterbrochenen Fernseh- und Hörfunksendungen zeigt.
Diese expansionistische Geschäfts- und Werbestrategie scheint sich allerdings im Ergebnis deshalb nicht als unzulässig und damit auch nicht als unionsrechtswidrig zu erweisen, weil ein wesentliches – und vom EuGH auch anerkanntes – Ziel eines Monopolsystems auf diesem bislang nicht harmonisierten Sektor darin liegt, die angesprochenen Zielgruppen vom illegalen Glücksspiel hin zu den erlaubten Glücksspielanbietern und -arten zu lenken; daher dürfte sich zumindest in der sog. „Startphase“ des mit der GSpG-Novelle 2010 begonnenen Systemwechsels – die aber wohl kaum über das erste Viertel oder Drittel der Laufzeit der befristet erteilten GSpG-Konzessionen hinausgehen kann – eine auch aggressive Werbung nicht als unzulässig erweisen.
Anzumerken ist allerdings, dass sich aus den von den Verfahrensparteien vorgelegten Beweismitteln nicht ergeben hat – und für das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich auch sonst nicht feststellbar ist –, dass es auch gezielte Werbeaktivitäten dahin gibt, die im vorgenannten Sinn speziell auch auf das Automatenglücksspiel Bezug nehmen (was zumindest bezüglich der Landesausspielungen auch darin begründet sein könnte, dass diese in einzelnen [„Erlaubnis“‑]Bundesländern faktisch noch gar nicht etabliert ist).
10.3.5.5. Zum Problemfeld „Kohärenz der Monopolregelung“ und „Verhältnismäßigkeit der Eingriffsmaßnahmen“
Vor dem Hintergrund, dass die konsequenteste (freilich nicht nur mit einem gänzlichen Verzicht auf staatliche Einnahmen, sondern sogar mit hohen Kosten für eine effiziente Kontrolle verbundene) Maßnahme eines absoluten Verbots des Glücksspiels vom Bundesgesetzgeber nicht (bzw. bloß von einigen Landesgesetzgebern) gewählt wurde, ließe sich eine Feststellung dahin, dass die im GSpG konkret verankerte Monopolregelung dem Gebot der Kohärenz der Zielerreichung entspricht, nur dann treffen, wenn sich zuvor zweifelsfrei annehmen lässt, dass einerseits Spielerschutz, Suchtprävention und Kriminalitätsbekämpfung vom Gesetzgeber tatsächlich als Primärziele beabsichtigt waren und andererseits diese Ziele von der vollziehenden Gewalt seither sowohl tatsächlich als auch konsequent umgesetzt wurden.
Beides dürfte jedoch – wie zuvor unter 10.3.5.1. bis 10.3.5.3. ausgeführt – jeweils nicht der Fall gewesen sein.
Aus der Sicht des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich bilden Spielerschutz, Suchprävention und Kriminalitätsvorbeugung nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der mit der GSpG-Novelle 2010 begonnene Systemwechsel derzeit noch immer eher in der Startphase befindet, lediglich Nebenziele, denen im Verhältnis zu den beiden Hauptzielen der Sicherung bzw. Erhöhung der Staatseinnahmen einerseits und der Aufrechterhaltung des Monopolsystems andererseits bloß untergeordnete Bedeutung zukommt.
Selbst wenn dies nicht zutreffen würde, ließe sich aber auch nicht erweisen – und wurden hierfür insbesondere auch seitens der belangten Behörde und der Amtspartei keine entsprechenden Beweismittel vorgelegt –, dass die mit der GSpG-Novelle beabsichtigten Ziele (Spielerschutz und Sucht- sowie Kriminalitätsvorbeugung) lediglich durch das vom Bundesgesetzgeber konkret gewählte, extrem eingriffsintensive (nämlich nur noch durch ein gänzliches Verbot zu übertreffende) Monopolsystem und nicht gleichermaßen effizient auch durch weniger einschneidende Maßnahmen – wie z.B. durch ein Konzessionssystem, das zwar in analoger Weise wie das derzeit bestehende sowohl intensive Spielerschutz-, Zugangs-, Schulungsmaßen etc. zu Lasten der Bewilligungsinhaber als auch rigorose staatliche Kontrollmaßnahmen vorsieht, aber darauf verzichtet, die Anzahl der zu vergebenden Konzessionen (im Sinne einer Bedarfsprüfung) zahlenmäßig zu beschränken – erreicht werden kann.
Würde sich das System als solches hingegen nicht als unverhältnismäßig erweisen, so wäre schließlich noch zu prüfen, ob sich die behördlichen Eingriffsbefugnisse (wie insbesondere Betretungs-, Einschau- und Auskunftsrechte; Verwaltungsstrafen; Beschlagnahmen; Einziehungen; Betriebsschließungen) jeweils im Einzelnen bzw. in ihrer Gesamtheit als verhältnismäßig qualifizieren lassen.
10.4. Diese (vorläufigen) Ergebnisse des Beweis- und Ermittlungsverfahrens wurden vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich – unter Anschluss des Verhandlungsprotokolls sowie des hg. Erkenntnisses vom 29. Mai 2015, LVwG-410287/42/Gf/Mu – sämtlichen Verfahrensparteien in Wahrung des rechtlichen Gehörs mit Schreiben vom 2. Juni 2015 zur Kenntnisnahme übermittelt; gleichzeitig wurde ihnen die Möglichkeit eingeräumt, hierzu bis zum 23. Juni 2015 eine Stellungnahme abzugeben.
10.4.1. Die Amtspartei (Finanzamt) hat mit Schriftsatz vom 18. Juni 2015 (bloß) auf die in der öffentlichen Verhandlung vorgelegten Beweismittel (Glücksspielbericht 2010-2013, Stellungnahme des BMF vom 18. September 2014 und Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 15. Dezember 2014, LVwG-410395) verwiesen.
10.4.2. Die belangte Behörde hat in ihrer Stellungnahme vom 19. Juni 2015 zahlreiche Entscheidungen der Verwaltungsgerichte der Länder Niederösterreich, Wien, Salzburg, Vorarlberg und Oberösterreich aus dem Zeitraum zwischen Juni 2014 und Februar 2015 angeführt, die jeweils von der Unionsrechtskonformität der Monopolregelung des GSpG ausgehen würden.
10.4.3. Der Beschwerdeführer hat mit e-mail vom 22. Juni 2015 auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 29. Mai 2015, LVwG-410287, hingewiesen, in dem die Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols konstatiert worden sei.
10.5. Auf Grund des vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich durchgeführten Beweis- und Ermittlungsverfahrens ließen sich zusammengefasst folgende faktische Gegebenheiten feststellen:
10.5.1. Zum Tatsachensubstrat der von den Verfahrensparteien vorgelegten sowie der von Amts wegen erhobenen Beweismittel
* Die Erläuterungen zu den Regierungsvorlagen und die Berichte des Finanzausschusses des Nationalrates zu den Novellierungen des GSpG[12] enthalten zum weitaus überwiegenden Teil bloß rechtspolitische Absichtserklärungen (wenngleich die jeweiligen kostenbezogenen Ausgaben- und Einnahmenschätzungen als durchaus nachvollziehbar erscheinen); als gleichermaßen plausible und unwidersprochene Tatsachen kann diesen Unterlagen – soweit für die verfahrensgegenständlichen Fragestellungen relevant – bloß die Anzahl der in den Jahren 2011 bis 2013 durchgeführten finanzpolizeilichen Kontrollen (285, 797 bzw. 664), der in deren Zuge vorläufig beschlagnahmten Eingriffsgegenstände (1.119, 2.547 bzw. 1.341) sowie der in der Folge an Behörden und Gerichte erstatteten Anzeigen (830, 1.970 bzw. 1.003) entnommen werden (vgl. 24 BlgNR, 25. GP, S. 9).
* Der auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen veröffentlichte „Glücksspiel Bericht 2010-2013“[13] enthält selbst keine Bezugnahme auf eine allfällige Rechtsgrundlage. Allerdings handelt es sich hierbei offenkundig (noch) nicht um den in § 60 Abs. 25 Z. 5 GSpG gesetzlich geforderten „Evaluierungsbericht“[14], sondern um einen bloßen „Vorläufer“, besteht doch zu Letzterem offensichtlich – abgesehen von der vergleichsweise geringfügig eingeschränkten zeitlichen Aktualität[15] – eine weitgehende inhaltliche Deckungsgleichheit. Dessen ungeachtet weisen diese Berichte aber zweifelsfrei weder die rechtliche Qualität eines Sachverständigengutachtens noch einer wissenschaftlichen Abhandlung o.Ä. auf.
Soweit der Glücksspielbericht 2010-2013 über eine bloße Darstellung der Rechtslage und der Zielsetzungen der in diesem Zeitraum ergangenen Novellierungen des GSpG hinausgeht, wird einerseits auf eine wissenschaftliche Studie der Universität Hamburg verwiesen; die in dieser Untersuchung erhobene Anzahl von 64.000 glücksspielsüchtigen Personen in Österreich wurde allerdings nie faktisch verifiziert, sondern lediglich statistisch hochgerechnet, sodass sich dieses Quantum – davon ausgehend, dass sich tatsächlich nur 68 der telefonisch befragten Personen selbst als glücksspielsüchtig eingeschätzt haben – einem gerichtlichen Verfahren nicht als Faktum zu Grunde legen lässt.
Dem gegenüber haben sich andererseits keine Anhaltspunkte ergeben, dass die im Wege einer anderen Studie erhobene Zahl an Fällen von glücksspielmotivierter (Beschaffungs‑)Kriminalität in der Steiermark (38 im Jahr 2006 und 36 im ersten Halbjahr 2007) schon prinzipiell nicht zutreffen würde (siehe im Detail dazu näher unten, III.3.2.2.); Gleiches gilt zum einen für die Intensivierung der staatlichen Aufsicht über legale Glücksspielanbieter, insbesondere hinsichtlich deren Anbindung an ein Datenrechenzentrum und der bescheidmäßigen Vorschreibung von Werbestandards, sowie zum anderen bezüglich der Zahl von ca. 6.000 vorläufig beschlagnahmten Eingriffsgeräten.
* Soweit die im hg. Verfahren zu LVwG-410395 erstattete Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen vom 18. September 2014 inhaltlich über eine Wiederholung des Glücksspielberichtes sowie eine Darstellung von Rechtsgrundlagen und Eingriffsbefugnissen hinausgeht und nicht bloß rechtspolitische Absichtserklärungen enthält, lässt sich dieser entnehmen, dass bei jenem Ministerium seit dem 1. Jänner 2011 die in § 1 Abs. 4 GSpG vorgesehene Stabsstelle für Spielerschutz[16] tatsächlich eingerichtet und mit vielfältigen gesetzlichen Aufgaben betraut ist[17].
* Hingegen ist nicht ersichtlich, dass das in dieser Stellungnahme bezogene Erkenntnis des VfGH vom 6. Dezember 2013, B 1337/11, – schon von der Funktion eines Höchstgerichtes her verständlich – auf eine dg. eigenständige Faktenerhebung gegründet wäre, wie eine solche in Bezug auf Tatsacheninstanzen auch vom VwGH in dessen jüngster Rechtsprechung gefordert wird (vgl. z.B. VwGH vom 29. Mai 2015, Zl. Ro 2014/17/0049[18]); Gleiches gilt auch für das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 15. Dezember 2014, LVwG-410395, die weiteren von der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 19. Juni 2015 bezogenen Erkenntnisse anderer Verwaltungsgerichte sowie für das vom Beschwerdeführer u.a. ins Treffen geführte Urteil des (deutschen) Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. Juni 2013, 8 C 10.12, in dem dies sogar ebenso vorweg klargestellt wird (vgl. RN 41) wie in den vom Rechtsmittelwerber vorgelegten wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen der Zivilgerichte, in denen übereinstimmend darauf hingewiesen wird, dass die Nichterwiesenheit maßgeblicher Tatsachen zu Lasten der in jenen Verfahren jeweils beweispflichtigen Parteien geht: Im Ergebnis gründen sich diese Entscheidungen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht vielmehr – der primären verfassungsrechtlichen Funktion einer Rechtmäßigkeitskontrolle bzw. der zivilprozessualen Dispositionsmaxime entsprechend – jeweils darauf, dass bzw. welche der von den do. Verfahrensparteien (überdies vorwiegend bloß schriftlich) vorgetragenen Behauptungen als überzeugender bewertet wurden.
Auch die vom Beschwerdeführer angeführten rechtswissenschaftlichen Literaturstellen beruhen nicht auf eigenständigen faktenmäßigen Erhebungen, sondern beschränken sich durchwegs auf eine nur theoretische Auseinandersetzung mit Rechtsfragen.
Im Übrigen darf auch vorweg nicht übersehen werden, dass (vor dem EU-Beitritt) in das Gefüge der nationalen Verfassungsordnung eingebettete Monopolziele durchaus andere sein können als nach Unionsrecht, sodass der Primärzweck einer Monopolregelung aus dem Blickwinkel des innerstaatlichen Verfassungsrechts etwa zulässigerweise in einer staatlichen Einnahmenmaximierung liegen kann; ob bzw. inwieweit eine derartige verfassungsrechtliche Ermächtigung an den einfachen Gesetzgeber auch mit dem Unionsrecht vereinbar ist, kann aber vom VfGH beispielsweise nicht im Rahmen eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art. 140 B-VG beurteilt werden, weil in einem solchen die Frage der Vereinbarkeit von einfachgesetzlichen Bestimmungen mit dem EU-Recht keinen Prüfungsmaßstab bildet; dort ist vielmehr zunächst zu klären, ob das Monopolziel nach nationalem Verfassungsrecht gerechtfertigt ist, sodann ist zu beurteilen, ob in diesem Lichte die gesetzlich vorgesehenen Eingriffe abstrakt dazu geeignet sind, diese nationalen Zielsetzungen zu erreichen und schließlich ist zu prüfen, ob sich diese Befugnisse konkret jeweils als in dem Sinn verhältnismäßig erweisen, dass diese nationalen Zielsetzungen mit weniger eingriffsintensiven Mitteln nicht in vergleichbar effektiver Weise realisiert werden können. Die Problematik der Vereinbarkeit mit Unionsrecht ließe sich vom VfGH am ehesten noch im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 144 B‑VG – weil dort (u.a.) auch die Bestimmungen der EGRC maßgeblich sind – entscheiden (streng genommen aber gleichsam bloß „obiter dictum“ und somit wie im hier gegenständlichen Verfahren bloß vorläufig, also nicht letztverbindlich, weil diese Kompetenz dem EuGH vorbehalten ist), wobei nach dem Grundsatz der harmonisierenden Interpretation auf allen innerstaatlichen Rechtsprechungsebenen auf eine weitestmögliche Widerspruchsfreiheit zwischen nationalem Recht und Unionsrecht zu achten ist, soweit sich eine solche mit den Mitteln zulässiger Auslegung erreichen lässt.
* Die Presseaussendung der APA (Originaltextservice) vom 8. April 2015 (vgl. www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150408_OTS0039) über den Geschäftserfolg der „Casinos Austria AG“ und der „Österreichischen Lotterien GmbH“ im Jahr 2014 und die daraus resultierende Steuerleistung von 552 Mio. Euro im Vorjahr entspricht den auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen diesbezüglich veröffentlichten Zahlen[19] und kann daher sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach als zutreffend angesehen werden.
* Hingegen enthält das vom Beschwerdeführer bezogene Statement der Vorsitzenden der „(Wiener) Spielsuchthilfe“ vom 3. April 2015 bloß Mutmaßungen. Auch der Inhalt der vom Rechtsmittelwerber vorgelegten, in diversen zivilgerichtlichen (wettbewerbsrechtlichen) Prozessen erstatteten Zeugenaussagen durfte im gegenständlichen Verfahren wegen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes (vgl. § 48 VwGVG) nicht verwendet werden; davon abgesehen wird in den in jenen Verfahren ergangenen Entscheidungen – wie bereits zuvor angeführt – sogar ausdrücklich klargestellt, dass mangels entsprechender Beweisangebote eben gerade keine für die Klärung der Frage der Unionsrechtskonformität maßgeblichen Fakten erhoben wurden (vgl. z.B. Landesgericht Steyr vom 3. April 2015, 2 Cg-48/14y-25, S. 11).
* Schließlich lässt sich auch nicht konstatieren, dass es sich bei dem (vom Beschwerdeführer als Beilage Nr. 12 vorgelegten) Manuskript „Überblick – Spielsuchtprävention Österreich vier Jahre nach Inkrafttreten des GSpG 2010“ (von MMag. Malgorzata Zanki vom 12. Jänner 2015; im Folgenden kurz: Manuskript Suchtprävention) tatsächlich – wie von ihm vorgebracht – um ein Sachverständigengutachten handelt; dagegen spricht nicht nur der unstrukturierte Aufbau der Darstellung und das durchgängige Fehlen von Bezugnahmen auf Fachliteratur, sondern vor allem die polemische, einseitig-inobjektive inhaltliche Bewertung von Mängeln im Zusammenhang mit der faktischen Umsetzung der gesetzlichen Spielerschutzbestimmungen; vielmehr dürfte dieses Manuskript bloß die Basis für einen Vortrag oder eine Präsentation darstellen (bzw. dargestellt haben), wie sich aus dem häufigen Hinweis auf (gemeint wohl: Power-Point-)„Folien“ (vgl. insbesondere S. 3) ergibt.
10.5.2. All dies berücksichtigend erachtet es das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich daher in tatsächlicher Hinsicht als
nicht erwiesen,
· dass in Österreich 64.000 Personen spielsüchtig sind[20] und dass es hierzulande beispielsweise mehr spielsüchtige (substanzunabhängige Verhaltenssucht) als drogenabhängige (substanzabhängige Verhaltenssucht) Personen gibt,
· dass die Spielsucht in Österreich ein erhebliches, einen unverzüglichen staatlichen Handlungsbedarf hinsichtlich Spielerschutzmaßnahmen begründendes gesellschaftliches Problem darstellt(e), und
· dass das Glücksspiel, insbesondere das Automatenglücksspiel, tatsächlich ein echtes Kriminalitätsproblem verkörpert(e), weil Verstöße gegen glücksspielrechtliche Bestimmungen nur in relativ geringem Ausmaß schwere (strafgerichtlich zu ahndende) Delikte bildeten; zum weitaus überwiegenden Teil handelte es sich dagegen bloß um Ordnungswidrigkeiten, nämlich um Verstöße gegen Vorschriften zur effektiven Sicherung und Aufrechterhaltung des bestehenden Monopolsystems;
hingegen als erwiesen,
· dass die Staatseinnahmen aus dem Glücksspiel jährlich ca. 500 Mio. Euro betragen (und die Monopolbetriebe damit zu den 5 größten steuerleistenden Unternehmen in Österreich zählen),
· dass der Spielerschutz seit dem Inkrafttreten der GSpG-Novelle 2010 – wenngleich nicht perfektioniert, so doch (im Wege entsprechender Auflagenvorschreibungen an die Konzessionäre) – erheblich verbessert wurde,
· dass die Monopolinhaber eine aggressive Expansions- und Werbestrategie verfolgen, sowie
· dass der Staat, insbesondere die staatlichen Behörden die Notwendigkeit einer Monopolregelung nicht nachgewiesen haben, sodass insbesondere nicht erkennbar ist, weshalb beispielsweise eine strenge Konzessionsprüfung (Eigenkapitalausstattung, Spielerschutzauflagen, Vertrauenswürdigkeit, etc. bis hin zu hohen Verfahrensabgaben) ohne zusätzliche (auf eine Bedarfsprüfung hinauslaufende) Beschränkung auf eine bestimmte Zahl von Anbietern zur Zielerreichung nicht in gleicher Weise ausreichend sein soll.
10.6. Darüber hinausgehende (Erkundungs-)Beweise waren – schon mangels entsprechender Anträge der Verfahrensparteien – selbst unter Bedachtnahme auf die Maßgeblichkeit des Amtswegigkeitsprinzips[21] nicht zu erheben.
Im Besonderen war auch (entgegen der ursprünglich gegenteiligen Annahme des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich selbst) die Einholung eines Sachverständigengutachtens schon deshalb entbehrlich, weil die Bewertung der vom EuGH aufgestellten Kriterien hinsichtlich der Beurteilung der Vereinbarkeit der Monopolregelungen des GSpG mit der unionsrechtlich garantierten Dienstleistungsfreiheit kein derart spezifisches Sachwissen erfordert, dass besondere Fachkenntnisse eines bestimmten naturwissenschaftlichen Materienbereiches erforderlich wären; vielmehr setzen diese Kriterien bloß eine reine Faktenerhebung voraus. Systematisch besehen geht es also um eine Tatsachenermittlung ex post, nämlich bezogen auf den Tatzeitpunkt, sowie um die nachträgliche Verifizierung von Behauptungen, Absichtserklärungen und/oder Prognosen (und zwar vornehmlich des Gesetzgebers bzw. des Bundesministeriums für Finanzen zwecks Rechtfertigung des Glücksspielmonopols); ob bzw. in wie weit diese jeweils für wahr zu halten sind, verkörpert dem gegenüber ausschließlich eine Frage der Beweiswürdigung.
10.7. Auf Grund dieses Beweisverfahrens gelangte das LVwG OÖ sodann beispielsweise in seinem zuvor unter I.4. angeführten Erkenntnis vom 24. Juni 2015, LVwG-410600/10/Gf/Mu, hinsichtlich der Frage der Maßgeblichkeit des Unionsrechts, insbesondere der Vereinbarkeit des Glücksspielmonopols mit Art. 56 AEUV, zu folgendem Ergebnis:
10.7.1. Hinsichtlich der Problematik, ob im vorliegenden Fall auch die Rechtsvorschriften der Europäischen Union, insbesondere die in Art. 56 AEUV normierte Dienstleistungsfreiheit, unmittelbar zum Tragen kommen, haben sich im Ermittlungsverfahren zwar keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht österreichischer Staatsbürger ist. Allerdings stehen die verfahrensgegenständlichen Spielautomaten im Eigentum einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, nämlich in der Slowakei, situierten juristischen Person. Durch § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG wird es der Eigentümerin unter Strafsanktion verwehrt, dem Beschwerdeführer diese Geräte zum Zweck der Veranstaltung, Organisation, Anbietung oder unternehmerischer Zugänglichmachung von Glücksspielen – etwa im Wege entsprechender Miet- oder Leasingverträge – zur Verfügung zu stellen. Sohin liegt eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs i.S.d. ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl. z.B. dessen Urteil vom 6. November 2003, C-243/01 [Gambelli, EU:C:2003:597], RN 53 ff) vor.
Zudem ist die Maßgeblichkeit des Unionsrechts v.a. im Lichte der Entscheidung des EuGH vom 19. Juli 2012, C 470/11 (Garkalns, EU:C:2012:505), RN 20 und 21, deshalb zu bejahen, weil einerseits nach nationalem Recht – nämlich dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 B VG – einem inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden und sich andererseits keineswegs ausschließen lässt, dass Anbieter, die in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässig sind, ein Interesse daran haben, Glücksspiele auch in Österreich zu veranstalten.
Vor diesem Hintergrund ist also insbesondere zu beachten, dass unter der Annahme, dass das im GSpG verankerte Monopolsystem dem EU-Recht widerspricht, dieser Umstand in Fällen mit Sachverhalten ohne Auslandsbezug eine dem Art. 7 B‑VG zuwiderlaufende Inländerdiskriminierung bewirken würde. Daher setzt die Frage, ob gegen einen Inländer zu Recht oder zu Unrecht wegen des Verdachtes auf einen Eingriff in das GSpG-Monopol ein Beschlagnahmebescheid erlassen wurde, eine Klärung der Problematik voraus, ob die Monopolregelung des GSpG tatsächlich unionsrechtswidrig ist oder nicht (vgl. in diesem Sinne jüngst VwGH vom 29. Mai 2015, Zl. Ro 2014/17/0049).
Wenn der OGH in diesem Zusammenhang in seiner jüngsten Rechtsprechung (vgl. OGH vom 20. Jänner 2015, 4 Ob 200/14m) davon ausgeht, dass die Frage einer allfälligen verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung von einem ordentlichen Gericht nicht aus eigenem, sondern nur vom VfGH beurteilt werden kann, so trifft dies zwar auf zivilgerichtliche (im Besonderen: wettbewerbsrechtliche) Verfahren, nicht aber auch auf Verfahren vor Verwaltungsgerichten zu, weil hier (im Gegensatz zu einem Prozess vor einem ordentlichen Gericht oder im Verfahren vor dem VwGH [vgl. Art. 133 Abs. 5 B‑VG]) das Verfassungsrecht – und im Besonderen Art. 7 B‑VG – ebenfalls einen Prüfungsmaßstab bildet. Die Frage einer allfälligen verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung und damit die Vorfrage der Unionsrechtskonformität des GSpG-Monopols ist daher von Verwaltungsgerichten auch in Fällen mit Sachverhalten ohne Auslandsbezug zu prüfen; als verfassungswidrig könnte sich in diesem Zusammenhang allerdings erweisen, dass der Amtspartei (bzw. dem Bundesminister für Finanzen) gegen eine solche Entscheidung des Verwaltungsgerichtes keine Beschwerdemöglichkeit an den VfGH (sondern nur ein [lediglich auf grundsätzliche Rechtsfragen eingeschränktes] Amtsrevisionsrecht an den für Verfassungsfragen gemäß Art. 133 Abs. 5 B‑VG allerdings explizit nicht zuständigen VwGH) zukommt[22].
Unabhängig davon geht im Übrigen auch der OGH davon aus, dass selbst unter der Voraussetzung, dass die Prüfung der Frage einer verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung exklusiv dem VfGH zukommt, das ordentliche Gericht vor der Stellung eines entsprechenden Gesetzprüfungsantrages gemäß Art. 140 Abs. 1 B‑VG zu klären hat, ob das GSpG-Monopol tatsächlich unionsrechtswidrig ist, wobei es hierfür gerichtlicher Ermittlungen und Feststellungen dahin bedarf, ob die Wirkungen der Regelungen des GSpG wirklich zu effektivem Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung führen und in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spielen verringern (vgl. OGH vom 21. Oktober 2014, 4 Ob 145/14y).
Somit sind also im gegenständlichen Fall vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich unabhängig davon, ob tatsächlich ein Auslandsbezug vorliegt, von Amts wegen die vom EuGH vorgegebenen und in der Rechtsprechung der drei österreichischen Höchstgerichte (VfGH, OGH, VwGH) jeweils übernommenen Kriterien dafür, ob das GSpG-Monopol mit der in Art. 56 AEUV normierten Dienstleistungsfreiheit sowohl dem Grunde nach vereinbar ist als auch im Besonderen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügt, zu prüfen, d.h.: welche bzw. ob mit der im GSpG verankerten Monopolregelung tatsächlich die Ziele des erhöhten Spielerschutzes und einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung – und nicht etwa vorrangig jenes einer Erhöhung der Staatseinnahmen – verfolgt werden, ob dadurch tatsächlich und systematisch insbesondere der Anreiz und die Gelegenheit zum Spiel verringert werden und ob die aus dem GSpG-Monopol resultierenden Beschränkungen in ihrer Gesamtheit sowie im jeweils für sich betrachtet verhältnismäßig sind.
10.7.2. Gemäß Art. 56 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Europäischen Union für Angehörige von Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, grundsätzlich verboten bzw. nur im Rahmen jener Kriterien zulässig, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben.
Im Besonderen hat der EuGH in Bezug auf das bislang noch nicht harmonisierte Glücksspielwesen in seinem Urteil vom 30. April 2014, C-390/12 (Pfleger, EU:C:2014:281), ausgesprochen, dass Art. 56 AEUV in diesem Zusammenhang dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Monopolregelung wie jener des GSpG entgegensteht, sofern ein derartiges System „nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen“.
Begründend wurde dazu insbesondere ausgeführt (vgl. näher die RN 39 bis 64 dieses Urteils bzw. schon oben, I.6.), dass eine Regelung, die den Betrieb von Glücksspielautomaten ohne vorab erteilte behördliche Erlaubnis verbietet, eine Beschränkung des durch Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (vgl. auch EuGH vom 6. März 2007, C-338/04 [Placanica, EU:C:2007:133], RN 42). Daher hat das nationale Gericht zu prüfen, ob eine solche Beschränkung im Rahmen der Ausnahmeregelungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die in den nach Art. 62 AEUV auch auf dem Gebiet des freien Dienstleistungsverkehrs anwendbaren Art. 51 AEUV und Art. 52 AEUV ausdrücklich vorgesehen sind, zulässig oder gemäß der Rechtsprechung des EuGH aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl. EuGH vom 19. Juli 2012, C 470/11 [Garkalns, EU:C:2012:505], RN 35 und die dort angeführte Rechtsprechung); zu diesen Gründen zählen vor allem der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen (vgl. EuGH vom 8. September 2010, C-46/08 [Carmen Media Group, EU:C:2010:505], RN 55 m.w.N.). Sollte sich jedoch im Zuge einer Gesamtwürdigung ergeben, dass die Monopolregelung des GSpG nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung (insbesondere der Betrugsvorbeugung) verfolgt und/oder nicht tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise die Anreize und Gelegenheiten zum Spiel verringert, sondern de facto bloß eine Maximierung der Staatseinnahmen intendiert und/oder die daraus resultierenden Beschränkungen nicht den sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. EuGH vom September 2011, C-347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 54 f), wäre eine solche mitgliedstaatliche Konzeption nicht mit dem Unionsrecht vereinbar; davon ausgehend könnte aber der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine beschränkende nationale Regelung im Glücksspielbereich auch nicht zu Sanktionen führen, wenn bzw. soweit eine solche Eingriffsnorm selbst gegen Unionsrecht verstößt (vgl. z.B. EuGH vom 30. April 2014, C-390/12 [Pfleger, EU:C:2014:281], RN 64).
Vor diesem Hintergrund sind daher im Folgenden die vom EuGH aufgestellten Kriterien zur Rechtfertigung eines Monopolsystems im Bereich des Glücksspielwesens im Einzelnen jeweils näher zu untersuchen.
10.2.1. Spielerschutz und Suchtprävention
10.2.1.1. Wie sich den darauf bezüglichen Gesetzesmaterialien entnehmen lässt (vgl. 657 BlgNR, 24. GP, S. 1 und 3), sollte der Spielerschutz eine wesentliche Zielsetzung der GSpG-Novelle BGBl I 73/2010, bilden, wenn dort ausgeführt wird:
„Beim Automatenglücksspiel sollen noch stärker Jugendschutz und Spielerschutz im Vordergrund stehen. Automatensalons sowie Automaten in Einzelaufstellung sollen unter strengen Spielerschutzbestimmungen und Aufsichtsregeln in Landeskompetenz bleiben.“
bzw.:
„Glücksspiel ist ein Thema von europaweitem Interesse, da es die gesellschaftsrechtliche Verantwortung betrifft und von hoher ordnungspolitischer Relevanz ist. Der Spielerschutz steht dabei an erster Stelle. Auch die Europäische Kommission legt in Hinblick auf den Bestand nationaler Monopole erhöhtes Augenmerk auf Spielsuchtprävention (Vertragsverletzungsverfahren in einigen Staaten) und auf Kriminalitätsabwehr.
Mit der umfassenden Änderung des Glücksspielrechts in Österreich soll insbesondere folgenden Zielen Rechnung getragen werden:
- Jugendschutz: Dem Gesetzgeber ist es ein besonderes Anliegen, den Schutz für die Jugend umfassend sicher zu stellen. Jugendschutz soll daher flächendeckend bei allen Glücksspielangeboten durch Bundeskonzessionäre und Landesbewilligungsinhaber an die erste Stelle gereiht und umgesetzt werden (Zugangskontrolle).
- Spielerschutz sowie soziale Sicherheit der Familien und Kinder: Spielsucht darf nicht die soziale Sicherheit der Familien und Kinder gefährden. Spielsucht zerstört auch Familien, indem unkontrolliert viel Zeit mit Glücksspielen zugebracht und mitunter viel Geld verloren wird. Je höher nämlich der Verlust, desto höher ist der Anreiz, noch mehr einzusetzen, um den Verlust wettzumachen. Durch die Festlegung eines Höchstgewinns und einer Mindestdauer für das einzelne Spiel, durch den Einsatz von Warnsystemen und die Vorgabe echter Einsatzlimits soll der Spielsucht Einhalt geboten werden können. Die Verbesserung des Konsumentenschutzes ist damit ein wesentliches Reformanliegen.“
Spielerschutz und Suchtprävention stellen grundsätzlich jeweils Ziele dar, die eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen.
10.2.1.2. Bezüglich der tatsächlichen Umsetzung dieser beiden Ziele ist in dem vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich durchgeführten Ermittlungsverfahren einerseits zutage getreten, dass den einzelnen im Zuge der Erteilung der (insgesamt limitierten) Bewilligungen zum Zug gekommenen Konzessionären jeweils zweckentsprechende, dem Spielerschutz und der Suchtpräventionen dienende Maßnahmen (wie z.B. Mindestdauer pro Spiel, Mindestabstandsregelungen, Zutrittskontrolle, Verbot von bestimmten Spielinhalten, Einsatz- und Gewinnlimits) bescheidmäßig vorgeschrieben wurden, wobei die Kontrolle der Einhaltung dieser Auflagen von den staatlichen Behörden wahrgenommen wird (dass es insoweit bislang noch zu keinen nennenswerten Beanstandungen gekommen ist, lässt allerdings keine zwingenden Rückschlüsse auf die Effektivität dieser Regelungen zu, weil aus diesem Umstand sowohl abgeleitet werden kann, dass die Konzessionäre bislang sämtliche bescheidmäßigen Vorgaben eingehalten haben, aber auch, dass die entsprechenden Kontrollen bisher nicht mit der gebotenen Stringenz durchgeführt wurden). Zudem wurde beim Bundesministerium für Finanzen eine Stabsstelle für Spielerschutz eingerichtet, die mit anderen Spielerschutzinstitutionen kooperiert[23].
Andererseits ließ sich aber der diesen Spielerschutzmaßnahmen zu Grunde liegende Ausgangspunkt, nämlich ein Quantum von insgesamt 64.000 (verhaltensauffällig bzw. pathologisch) glücksspielsüchtigen Personen in Österreich, nicht verifizieren. Denn diese Zahl entstammt einer vom „Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg“ überwiegend schon im Jahr 2010 erstellten Studie[24], deren primäre Zielsetzung in der Erstellung einer wissenschaftlichen Basis für künftige Glücksspielpräventionsmaßnahmen bestand[25]. Konkret wurde dieser Anteil derart ermittelt, dass in sämtlichen neun Bundesländern (bloß) aus der Menge aller deutsch sprechenden Österreicher der Altersgruppe zwischen 14 und 65 Jahren (insgesamt 5,836.144 weibliche und männliche Staatsbürger) jeweils ca. 700 Personen pro Bundesland ausgewählt und mit diesen eine telefonische Umfrage (als sog. „Repräsentativbefragung“ bezeichnet) durchgeführt wurde; von den sonach insgesamt 6.324 Befragten gaben 27 Personen (≈ 0,43%) an, (nach eigener subjektiver Bewertung entsprechender Testkriterien) ein problematisches Spielverhalten, bzw. 41 Personen (≈ 0,65%) an, ein pathologisches Spielverhalten aufzuweisen; insgesamt 68 Personen qualifizierten sich demnach zufolge eigener subjektiver Einschätzung als „spielverhaltensproblematisch“ bzw. „pathologisch spielsüchtig“, während „die weit überwiegende Mehrzahl der an Glücksspielen teilnehmenden Personen“ – nämlich insgesamt 98,91%, wobei auf 97,23% der Befragten überhaupt keines der insgesamt 10 Kriterien des „diagnostischen und statistischen Manuals psychischer Störungen“ (sog. DSM-IV-Kriterien[26]) zutraf[27] – „keine spielbezogenen Probleme zeigt(e)“[28]. Statistisch hochgerechnet ergäbe dies einerseits eine absolute Zahl von ca. 25.096 bzw. von ca. 37.935 Personen – und damit insgesamt von ca. 63.031 Personen (≈ 1,1% der Gesamtmenge) –, die sich subjektiv als verhaltensauffällige bzw. pathologische Spieler einschätzen, denen andererseits 5,772.530 Personen ohne jegliche Spielprobleme gegenüberstünden.
Seither wird diese bloß statistisch errechnete Gesamtanzahl von „64.000 Spielsüchtigen“ allseits unreflektiert weitertradiert, wie sich dies beispielsweise auch aus den „Factsheets Sucht“[29] des „Instituts Suchtprävention (IS) pro mente Oberösterreich“[30] (aktuell: Version 2.3 vom 2. September 2014, S. 5) ergibt, obwohl sich dort zumindest einerseits die Feststellung findet, dass es sich um „die erste und bisher einzige repräsentative telefonische Befragung der österreichischen Bevölkerung (im Alter von 14 bis 65 Jahren)“ handelte und andererseits kritisch klargestellt wird, dass „der Begriff ‚Abhängigkeit‘ ..... in dieser Allgemeinheit nicht unproblematisch [ist], da er in den verschiedenen Verhaltens- und Suchtbereichen eine jeweils andere Bedeutung besitzt und sich unter diesem Begriff unterschiedlichste Problematiken versammeln. Insbesondere bei Alkohol und Nikotinzahlen zielen die oben angeführten Zahlen eher auf körperliche Abhängigkeit, während die Verhaltenssüchte von Natur aus in rein psychischer Abhängigkeit begründet sind.“ (vgl. S. 4, FN 1). Von einer solchen in Bezug auf Glücksspiel als „rein psychischer Abhängigkeit“ ausgehend kann es daher auch kaum überraschen, dass die Absolutzahl an (pathologisch) Spielsüchtigen (38.000), v.a. aber die vom IS ebenfalls erhobene Anzahl an Kauf- (565.000) und Medikamentensüchtigen (90.000 bis 130.000) beispielsweise die absolute Anzahl an (physisch) Drogenabhängigen (25.000 bis 37.000) überwiegt (vgl. S. 4).
Nicht überzeugend erscheint daher v.a. die dem „Glücksspielbericht 2010-2013“ des Bundesministers für Finanzen zu Grunde liegende Methode, aus einer telefonischen Umfrage mit 6.300 Personen, in der insgesamt bloß 68 Befragte – und noch dazu subjektiv sowie auf Basis von keinesfalls präzisen sowie kaum objektivierbaren Kriterien[31] – ein auffälliges oder sogar pathologisches Spielverhalten angegeben haben, darauf zu schließen, dass es in Österreich nicht nur statistisch-wahrscheinlich, sondern tatsächlich insgesamt 64.000 spielsüchtige Personen in der Altersgruppe zwischen 14 und 65 Jahren geben soll. Vielmehr handelt es sich insoweit bloß um einen fiktiven mathematischen Wert[32], hinsichtlich dessen seit der überwiegend im Jahr 2010 durchgeführten Erhebung auch kein weiterer Versuch einer nachfolgenden Verifizierung unternommen wurde.
Dazu kommt, dass beispielsweise auch aus dem Jahresbericht 2013 des Vereines „(Wiener) Spielsuchthilfe“ hervorgeht[33], dass dessen Online-Beratungen in diesem Zeitraum lediglich von 411 Personen (gegenüber 359 Personen im Jahr davor) in Anspruch genommen und von dieser Institution im Jahr 2013 insgesamt nur 791 Personen (davon 460 Neufälle) betreut wurden. Dass damit insgesamt lediglich ca. 1% der Spielsüchtigen sowie der zu diesen in einer Nahebeziehung stehenden Personen (v.a. Ehe- und Lebenspartner, Eltern, Kinder, etc.) die überwiegend kostenlosen Unterstützungsangebote der Spielsuchthilfe in Anspruch genommen haben sollen, erscheint aber schlechthin nicht nachvollziehbar.
Objektiv besehen vermag sich daher die Zahl von 64.000 spielsüchtigen Personen nicht auf eine nachvollziehbare faktische Untermauerung zu gründen und kann daher auch nicht als erwiesene Tatsache einer gerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden[34]; als erwiesen kann vielmehr bloß angesehen werden, dass sich dieser Studie zufolge insgesamt 68 Personen als spielsüchtig eingeschätzt haben.
Da sonstige diesbezügliche Nachweise weder vorgelegt wurden noch erkennbar sind, geht das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich somit bis zum Beweis des Gegenteils (der den staatlichen Behörden obliegt) davon aus, dass es sich bei der Zahl von 64.000 spielsüchtigen Personen lediglich um eine unbelegte Vermutung handelt.
Vor einem derartigen Hintergrund (also auf einer Basis von bloß 68 Personen, die sich im Zuge eines telefonischen Interviews selbst als pathologisch süchtig bzw. verhaltensauffällig glücksspielend eingeschätzt haben) ist demnach im Ergebnis zu konstatieren, dass die Spielsucht in Österreich weder zum Zeitpunkt der Erlassung der einen maßgeblichen Systemwechsel intendierenden GSpG-Novelle 2010 (BGBl I 73/2010) noch gegenwärtig ein überdurchschnittlich maßgebliches oder gar gesamtgesellschaftlich relevantes Problem darstellt(e), das ein unabdingbar gebotenes und unverzügliches Einschreiten des Gesetzgebers oder der staatlichen Behörden erfordert hätte oder erfordern würde.
Gegenteiliges würde im Übrigen auch dann nicht gelten, wenn man die Zahl von 64.000 spielsüchtigen Personen als tatsächlich zutreffend unterstellt, weil auch diese nicht über einen Anteil von bloß 1,1% der in Betracht gezogenen Bevölkerungsgruppe hinauskommen würde.
Diese Feststellung schließt es freilich nicht aus, den Spielerschutz sowie die Suchtprävention dennoch als eine vorrangige Staatsaufgaben zu apostrophieren, weil es grundsätzlich innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers bzw. der Behörden liegt, im Rahmen der dem Staat insgesamt zur Besorgung zukommenden Aufgaben allenfalls auch solche bevorzugt zu erledigen, hinsichtlich denen objektiv besehen keine zwingende Vordringlichkeit besteht.
Abstrahiert von der Frage ihrer Notwendigkeit erscheinen die im GSpG vorgesehenen Maßnahmen (wie z.B. Einrichtung einer Spielerschutzstabsstelle und verpflichtende Zusammenarbeit mit Spielerschutzeinrichtungen, Zutrittssysteme und Zugangskontrolle, Mindestdauer pro Spiel, Verbot bestimmter Spielinhalte, Einsatz- und Gewinnlimits, Verbot parallel laufender Spiele, Abkühlphase, Mindestabstandsregelungen, Schulungskonzepte für Mitarbeiter, etc.) zwar weder als prinzipiell ungeeignet noch als unverhältnismäßig, um die zum Regelungszweck des GSpG erklärten Ziele „Spielerschutz und Suchtprävention“ auch tatsächlich zu erreichen.
Allerdings vermindert sich vor einem derartigen Hintergrund die Plausibilität, dass beginnend mit der GSpG-Novelle BGBl I 73/2010 tatsächlich primär diese Ziele verfolgt werden sollten und sie nicht vielmehr bloß als ein andere Prioritäten rechtfertigender und/oder aus jenen resultierender Nebeneffekt anzusehen sind, ganz erheblich, insbesondere, wenn man in diesem Zusammenhang wiederum die geringe Zahl an festgestellten sachadäquaten Anlassfällen sowie den Umstand in Betracht zieht, dass die Suchthilfe nicht einmal vom Staat, sondern von den Konzessionären (denen zudem auch alle übrigen Kosten der Totalausgliederung aufgebürdet wurden) finanziert wird[35].
Dies gilt im Übrigen selbst dann, wenn man die Schlussfolgerungen der vom Beschwerdeführer vorgelegten, von Malgorzata Zanki verfassten „Manuskript Suchtprävention“ – wonach die Spielerschutzbestimmungen des GSpG seit 2010 kaum tatsächliche Wirkung entfaltet und vor allem nicht zu einem effektiven Rückgang der Spielsucht geführt haben sollen – als nicht zutreffend unterstellt.
10.2.2. Kriminalitätsbekämpfung und Kriminalitätsvorbeugung
Diesbezüglich lässt sich dem „Glücksspiel Bericht 2010-2013“[36] entnehmen (vgl. S. 34 f), dass die Bekämpfung des illegalen Glücksspiels de facto auf mehreren Ebenen erfolgt, indem nach der Neuordnung des Glücksspiels (BGBl I 73/2010) zur Jahresmitte 2010 eine eigenständige „SOKO Glücksspiel“ ins Leben gerufen und diese im Jahr 2013 in die Finanzpolizei übergeführt wurde. Im Rahmen ihrer neuen Kontrolltätigkeit und Befugnisse hat die Finanzverwaltung bis Ende 2013 über 6.000 vorläufige Beschlagnahmen[37] (Glücksspielgeräte und sonstige Eingriffsgegenstände) durchgeführt. Die von der Finanzpolizei vorgenommenen Kontrollen und der dadurch aufrecht erhaltene hohe Verfolgungsdruck führten zu einer Vielzahl von Verwaltungsstrafverfahren, dem seitens illegaler Betreiber allerdings eine „Flucht ins Strafrecht“ gegenübersteht, weil in jenem Bereich kaum Verurteilungen wegen § 168 StGB zu befürchten sind. Dieser Verfolgungsdruck konnte bis zum Sommer 2013 aufrechterhalten werden; nach dem zu diesem Zeitpunkt erfolgten Judikaturwechsel bezüglich der Abgrenzung zwischen § 168 StGB und § 52 Abs. 1 GSpG wurden die Kontrollen im Bereich des Glücksspiels gemeinsam mit der Kriminalpolizei vorgenommen.
Ergänzend dazu heißt es in den Gesetzesmaterialien zur GSpG-Novelle BGBl I 14/2013, mit der die bis dahin maßgebliche Subsidiarität der verwaltungsbehördlichen Strafbestimmung des § 52 Abs. 1 GSpG gegenüber dem gerichtliche strafbaren Tatbestand des § 168 StGB ins Gegenteil verkehrt wurde, u.a. (vgl. die E zur RV, 24 BlgNR, 25. GP, S. 22):
„Die Erfahrungen aus dem bisherigen Vollzug der zuständigen Verwaltungsbehörden zeigen die Wirksamkeit und Effektivität des gewählten Modells. In den Jahren 2010 bis 2012 kam es erstinstanzlich zu 638 Verurteilungen, 1.195 Beschlagnahmen und 164 Einziehungen, die rechtskräftig in zweiter Instanz zu 478 Verurteilungen, 1.125 Beschlagnahmen und 58 Einziehungen führten. Im Jahr 2012 gab es demgegenüber nur zwei gerichtliche Verurteilungen nach § 168 StGB, in beiden Fällen wurde jeweils eine Geldstrafe verhängt, im Jahr 2011 gab es elf gerichtliche Verurteilungen nach § 168, die zu insgesamt sieben Geldstrafen, jeweils einer bedingten und teilbedingten Freiheitsstrafe sowie zu zwei anderen Sanktionen führten (Statistik Austria, Gerichtliche Kriminalstatistik 2011 und 2012). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Umkehr der bisherigen Subsidiaritätsregel zu keiner ‚Entkriminalisierung‘ führt.“.
Schon daraus geht aber jeweils übereinstimmend hervor, dass das illegale Glücksspiel in Österreich weder vor den mit BGBl I 73/2010 begonnenen Modifikationen des GSpG noch seither ein Kriminalitätsproblem der Art bildeten, dass daraus eine zwingende Notwendigkeit resultierte, i.S.d. Judikatur des EuGH vorrangig einen Schutz der Glücksspieler vor Betrug und anderen Straftaten zu gewährleisten (vgl. z.B. EuGH vom 15. September 2011, C-347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 52). Denn bei insgesamt bloß 18 Verurteilungen in einem Zeitraum von drei Jahren[38] kann offenkundig kaum von einem echten Kriminalitätsproblem gesprochen werden.
Gegenteiliges lässt sich auch der vom Bundesministerium für Finanzen im Glücksspielbericht 2010-2013 bezogenen Studie von Judith Köberl und Franz Prettenthaler[39] nicht entnehmen; denn von jenen von diesen Autoren angeführten insgesamt 74 Fällen von Beschaffungskriminalität in den Jahren 2006 und 2007 lassen sich auch nach deren eigenem Vorbringen[40] lediglich 17 als solche qualifizieren, in denen zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit die „Glücksspielsucht als alleiniges Motiv“ für die Begehung schwerer Straftaten (wie Raub, Betrug, Einbruch, etc.) in Betracht kam[41].
Selbst wenn man nämlich diese Zahlen vorbehaltslos als zutreffend unterstellt, ergibt sich schon allein daraus, insbesondere aber in Verbindung mit der durch die GSpG-Novelle BGBl I 13/2014 vorgenommenen Umkehrung der bisherigen Subsidiaritätsregel (vgl. § 52 Abs. 3 GSpG), hinsichtlich der der VfGH in seiner jüngsten Entscheidung vom 10. März 2015, E 1139/2014, der Sache nach (neuerlich) betont hat, dass das behördliche im Verhältnis zum gerichtlichen Strafrecht mit Blick auf das wesentlich geringere Höchstausmaß einer potentiell drohenden Freiheitsstrafe die deutlich weniger einschneidende Maßnahme darstellt, für das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich, dass das Automatenglücksspiel in Österreich zu keiner Zeit ein echtes sicherheitspolitisches Problem darstellte. Dazu kommt, dass auch der EuGH (vgl. z.B. dessen Urteil vom 31. März 2011, C 347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 84, m.w.N.) unter „Kriminalität“ nicht bloß Verstöße gegen ordnungspolitische und/oder Monopolsicherungsvorschriften, sondern vielmehr erhebliche Eingriffe in die Rechtssphäre anderer Personen, insbesondere der Spieler und deren Angehöriger, versteht (siehe schon oben, I.7.2.).
Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erachtet es daher als erwiesen, dass de facto beide „Systemnovellierungen“ des GSpG (BGBl I 73/2010 und BGBl I 13/2014) keine „Entkriminalisierung“ in jenem Sinne, wie diese vom EuGH gefordert wird, intendiert haben. Denn gesamthaft betrachtet bildete die weitaus überwiegende Anzahl der geahndeten Vergehen (638 Straferkenntnisse, 1.195 Beschlagnahmen und 164 Einziehungen der Verwaltungsstrafbehörden, von denen 478 Straferkenntnisse, 1.125 Beschlagnahmen und 58 Einziehungen im Rechtsmittelweg bestätigt wurden) bloße Ordnungsverstöße, die auf einer Nichtbeachtung von Vorschriften zur Sicherung des Monopolsystems beruhten, nicht aber davon losgelöste echte Fälle von mittlerer und schwerer (insbesondere Beschaffungs-)Kriminalität.
Überdies lässt sich deutlicher als dadurch, dass der Gesetzgeber parallel dazu dem gerichtlich strafbaren Tatbestand – als dem vergleichsweise gravierenderen Delikt – mit der Novelle BGBl I 13/2014 bewusst jeglichen Anwendungsbereich entzogen hat, wohl kaum zum Ausdruck bringen, dass das Glücksspiel für den österreichischen Staat in Wahrheit kein kriminal- und sicherheitspolitisch relevantes Problem darstellt, zumal die Effizienzsteigerung der verwaltungsbehördlichen Strafverfolgung nicht als eine primär-ursprüngliche Notwendigkeit, sondern bloß als eine aus der Einrichtung des Monopolsystems zu dessen weiterer Aufrechterhaltung erforderliche und sohin gleichsam selbst (künstlich) geschaffene bzw. systematisch zwangsläufig resultierende Folgewirkung qualifiziert werden muss (wobei sich in diesem Zusammenhang zudem auch noch die Frage der Verhältnismäßigkeit der damit verbundenen umfassenden [teilweise bereits an der Grenze des rechtsstaatlich noch Vertretbaren liegenden] Eingriffsbefugnisse stellt).
Insgesamt besehen erscheint es daher auf Grund der festgestellten faktischen Gegebenheiten, nämlich der geringen Zahl an sachadäquaten Anlassfällen, nicht als plausibel, dass die Monopolregelung des GSpG tatsächlich der Kriminalitätsbekämpfung und Kriminalitätsvorbeugung, im Besonderen der Hintanhaltung von Betrugsdelikten gegenüber den Spielern selbst und der Eindämmung von Beschaffungskriminalität dient.
10.2.3. Kohärente Reduktion von Spielanreizen, Kanalisierung der Spielgelegenheiten, maßvolle Werbung
Der (zunächst bloß vorläufigen) Überzeugung des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich, dass die Geschäftspolitik der Inhaber bundesrechtlicher Konzessionen (Casinos Austria AG und Österreichische Lotterien GmbH; andere Bewilligungsinhaber für Spielbankenkonzessionen sowie Konzessionäre auf Grund landesrechtlicher Vorschriften müssen in diesem Zusammenhang hingegen vorläufig außer Betracht bleiben, weil sich jene gegenwärtig noch in der „Startphase“ ihrer Unternehmertätigkeit befinden[42]), im Besonderen deren Werbemaßnahmen, grundsätzlich aggressiv darauf ausgerichtet sind, zum Spielen der von den beiden Hauptkonzessionären angebotenen Glücksspielarten zu animieren, geradezu notorisch ist - wie jeder willkürliche Blick in ein zufällig ausgewähltes Print- oder elektronisches Medium, insbesondere jede Konsumation von durch entsprechend aufdringliche Werbeintervalle unterbrochenen Fernseh- und Hörfunkprogrammen zur sog. „Prime-Time“ zeigt –, wurde auch von den Verfahrensparteien nicht entgegengetreten.
Während der sog. „Startphase“ (die insoweit in etwa mit dem ersten Viertel bis ersten Drittel der faktischen Laufzeit der Konzession anzusetzen ist[43]) erweist sich allerdings eine expansionistische Geschäfts- und Werbestrategie aus der Sicht des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich im Ergebnis deshalb nicht als unzulässig und damit auch nicht als unionsrechtswidrig, weil eine wesentliche – und vom EuGH auch anerkannte – Stoßrichtung eines Monopolsystems auf diesem bislang noch nicht harmonisierten Sektor darin liegt, die angesprochenen Zielgruppen vom illegalen Glücksspiel hin zu den erlaubten Glücksspielanbietern und -arten zu lenken.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass sich aus den von den Verfahrensparteien vorgelegten Beweismitteln nicht ergeben hat – und für das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich auch sonst nicht feststellbar ist –, dass gegenwärtig bereits gezielte Werbeaktivitäten in der Richtung existieren, dass im vorgenannten Sinn speziell auch das Automatenglücksspiel in legale Bahnen gelenkt wird. Sollte sich dies allerdings auch nach dem Ende der Startphase noch nicht deutlich herauskristallisiert haben, so würde sich insoweit aber wohl kaum tatsächlich eine effektive Um- bzw. Hinlenkung zu erlaubten Glücksspielanbietern und ‑arten belegen lassen.
10.2.4. Staatseinnahmen
Bereits in den anlassfallbezogenen Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH wurde auch von der Vertreterin der Bundesregierung selbst gar nicht in Abrede gestellt (wenngleich dort bloß als ein „erfreulicher Nebeneffekt“ bezeichnet), dass die Beibehaltung des Monopolsystems zu einer Sicherung von Staatseinnahmen in einem nicht unerheblichen Ausmaß (von ca. 500 Mio. Euro jährlich) führt[44].
Gleiches lässt sich auch aus den Gesetzesmaterialien zur GSpG-Novelle BGBl 73/2010 ableiten, wenn dort u.a. ausgeführt wird (vgl. 657 BlgNR, 24. GP, insbes. S. 1, S. 3 ff und S. 11 f):
„Automatensalons sowie Automaten in Einzelaufstellung sollen unter strengen Spielerschutzbestimmungen und Aufsichtsregeln in Landeskompetenz bleiben. Sie werden mit einer geteilten Abgabe belegt. ..... Die Automaten und Video Lotterie Terminals (VLT's) werden einer geteilten Abgabe unterworfen und die bisherigen Erlaubnisländer erhalten gesetzlich garantierte Mindesteinnahmen. ..... Es wird ..... davon ausgegangen, dass das Aufkommen inkl. Zuschlag der Länder ..... über 150 Mio. Euro p.a. liegen wird und somit die Mindereinnahmen ..... überkompensiert werden. ..... Die bisherigen 'Erlaubnisländer' erhalten zusätzlich eine Finanzzuweisung des Bundes, wenn ihre Einnahmen aus dem Zuschlag bestimmte Garantiebeträge, die aus den bisherigen Einnahmen aus Vergnügungssteuern abgeleitet wurden, nicht erreichen. ..... Die bisherigen Erlaubnisländer Niederösterreich, Steiermark und Kärnten erhalten eine Bedarfszuweisung des Bundes, wenn ihre Einnahmen aus dem landesgesetzlich geregelten Zuschlag der Länder bestimmte Jahresbeträge, die aus den erwarteten Einnahmen aus der bisherigen Vergnügungssteuer abgeleitet werden, nicht erreichen. Damit werden die Länder auch dagegen abgesichert, dass die Einnahmen nicht den Erwartungen entsprechen. ..... Die Garantiebeträge werden aliquot gekürzt, wenn in einem Land das Höchstausmaß des Zuschlags nicht ausgeschöpft wird, wenn die höchstzulässige Anzahl von Glücksspielautomaten nicht oder nicht ganzjährig erreicht wird, wenn Glücksspielautomaten nicht ganzjährig betrieben werden, oder wenn in den Bewilligungen die Bedingungen für den Spielverlauf unter den Grenzen des § 5 Abs. 5 GSpG bleiben. Bei dieser aliquoten Kürzung wird daher darauf Bedacht genommen, in welchem Umfang, aber auch wie lange in einem Land die bestehenden Möglichkeiten nicht ausgenützt werden."[45]
Schließlich ist auch einer gemeinsamen Pressaussendung der beiden Monopolinhaber „Casinos Austria AG“ und „Österreichische Lotterien GmbH“ vom 8. April 2015 über das Geschäftsjahr 2014 – hinsichtlich der sich objektiv besehen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Richtigkeit dieser Angaben zu bezweifeln wäre – zu entnehmen, dass diese Konzessionäre zu den „Top-5-Steuerzahlern“ in Österreich (2014: insgesamt 552 Mio. Euro) gehören[46].
All dies führt daher zu der Schlussfolgerung, dass allein dem Bund aus dem Glücksspielmonopol jährlich Einnahmen in einer Höhe von mehr als einer halben Milliarde Euro erwachsen. Dies entspricht einem Anteil von 0,4% an den jährlichen Gesamteinnahmen dieser Gebietskörperschaft[47] und stellt sohin keineswegs eine vernachlässigbare oder gar verzichtbare Quote dar. Dazu kommt, dass der Staat das Glücksspielangebot vollständig auslagern („privatisieren“) konnte, wobei die Konzessionäre nicht nur die angeführte hohe Abgabenquote trifft, sondern diese auch die bereits mit der Konzessionserteilung verbunden exorbitant hohen[48] Gebühren zu tragen sowie in der Folge in einem nicht unerheblichen Ausmaß auch aus eigenem die gesetzlichen Spielerschutz- und Suchtpräventionsmaßnahmen zu finanzieren haben.
Stellt man dem die Tatsache gegenüber, dass sowohl Spielerschutz und Suchtprävention als auch Kriminalitätsbekämpfung und ‑vorbeugung – wie zuvor aufgezeigt (vgl. III., 3.2.1. und 3.2.2.) – auf Grund der jeweils geringen Anzahl von Anlassfällen keine vordringlichen Staatsaufgaben verkörpern, so ergibt sich daraus nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich insgesamt, dass die Besorgung dieser Agenden vornehmlich bloß zu dem Zweck erfolgt, um einen Vorwand für die Beibehaltung der Monopolregelung des GSpG zu bilden, während der Primärzweck dieser Konzeption darin besteht, eine stabile Quote von 0,4% der jährlichen Gesamteinnahmen des Bundes sicherzustellen.
10.2.5. Verhältnismäßigkeit insgesamt sowie einzelner Eingriffsbefugnisse
10.2.5.1. Zur effektiven Hintanhaltung von Beeinträchtigungen des Glücksspielmonopols sind in den §§ 50 ff GSpG umfassende Eingriffsbefugnisse der Finanzbehörden (Finanzämter), vor allem aber auch der ihnen zugeordneten Exekutivorgane (Finanzpolizei) vorgesehen; hierzu zählen neben den weitläufigen Verwaltungsstrafdrohungen (vgl. § 52 Abs. 1 Z. 1 bis Z. 11 GSpG) auch detaillierte Betretungs‑, Einschau-, Informations- und Überprüfungsbefugnisse (§ 50 Abs. 4 GSpG), die Berechtigung zur Vornahme einer vorläufigen und/oder endgültigen Beschlagnahme (§ 53 GSpG) oder Einziehung samt nachfolgender Vernichtung der Eingriffsgegenstände (§ 54 GSpG) sowie die Anordnung einer Betriebsschließung (§ 56a GSpG).
Abgesehen davon, dass sich diese weit reichenden und jeweils ohne vorangehende richterliche Kontrolle teilweise massive Grundrechtsbeeinträchtigungen ermöglichenden einfachgesetzlichen Ermächtigungen bei Anlegung eines durchschnittlichen Maßstabes auch als verfassungsrechtlich höchst bedenklich erweisen – so z.B. im Hinblick auf den durch das Gesetz zum Schutze des Hausrechts, RGBl 88/1862 i.d.g.F. BGBl 422/1974 (im Folgenden: HausRG), seit über 150 Jahren garantierten rechtsstaatlichen Standard –, mag es in diesem Zusammenhang allenfalls als noch vertretbar erscheinen, eine nach nationalem Verfassungsrecht bestehende, nämlich durch das öffentliche Interesse an der Wahrung des Monopols bzw. der Sicherung entsprechender Staatseinnahmen sachlich zu rechtfertigende politische Gestaltungsbefugnis des einfachen Gesetzgebers zur Erlassung derartiger Eingriffsbefugnisse anzunehmen. Allerdings sind die Kriterien, anhand der die Verhältnismäßigkeit einer mitgliedstaatlichen Monopolregelung im Lichte des Art. 56 AEUV zu beurteilen ist, nicht mit jenen gleichzusetzen, anhand denen die Verfassungsmäßigkeit, im Besonderen die Gleichheitskonformität (bzw. sachpolitische Rechtfertigung) dieser Vorschriften zu beurteilen ist. Oder anders gewendet: Wäre Österreich kein Mitgliedstaat der Europäischen Union, könnten sich die Bestimmungen der §§ 50 ff GSpG im Lichte des nationalen Verfassungsrechts allenfalls auch als unbedenklich erweisen (und wäre diese Frage zudem autonom von den innerstaatlichen Organen zu entscheiden). So aber begegnen diese – wie dem Urteil des EuGH vom 30. April 2014, C‑390/12 (Pfleger, EU:C:2014:281), RN 57 ff, zu entnehmen ist – jedenfalls gravierenden Bedenken im Hinblick auf die Garantien der Art. 15 bis 17 EGRC (Berufsfreiheit, unternehmerische Freiheit, Eigentum), aber auch in Bezug auf die Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 7 EGRC) und den Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 EGRC): Denn die in Art. 52 Abs. 1 EGRC normierte Wesensgehaltssperre stellt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich sicher, dass jener Standard an staatlichen Eingriffsmodalitäten, der mit der EGRC im Zusammenhang mit der Sanktionierung von Verstößen gegen Unionsrecht generell festgelegt ist und insbesondere in den Art. 47 ff EGRC zum Ausdruck kommt, stets gewahrt bleiben muss. Selbst unter der Annahme, dass die im GSpG positivierte Monopolregelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist, würden sich daher die in den §§ 50 ff GSpG normierten Eingriffsbefugnisse als unverhältnismäßig erweisen, weil die mit diesen intendierte faktische Effizienz zum Zweck der Abwehr von Monopolbeeinträchtigungen – v.a. im Hinblick auf die gänzlich fehlende Notwendigkeit vorangehender richterlicher Ermächtigungen[49] – in ihrer Gesamtheit betrachtet jedenfalls überschießend ist und somit auch nicht dem in Art. 52 Abs. 1 EGRC normierten Kriterium des Gemeinwohls dient.
10.2.5.2. Von diesen konkreten Eingriffsbefugnissen abgesehen ließe sich zudem vor dem Hintergrund, dass die konsequenteste (freilich nicht nur mit einem gänzlichen Verzicht auf staatliche Einnahmen, sondern demgegenüber sogar mit einem hohen Kostenaufwand für eine effiziente Kontrolle verbundene) Maßnahme eines absoluten Verbots des Glücksspiels vom Bundesgesetzgeber nicht (bzw. bloß von einigen Landesgesetzgebern) gewählt wurde, eine Feststellung dahin, dass das im GSpG verankerte System der Monopolregelung dem Gebot der Kohärenz der Zielerreichung entspricht, aber ohnehin nur dann treffen, wenn sich zuvor zweifelsfrei annehmen lässt, dass einerseits Spielerschutz und Suchtprävention sowie Kriminalitätsvorbeugung und -bekämpfung vom Gesetzgeber tatsächlich als Primärziele beabsichtigt waren und andererseits diese Ziele von der vollziehenden Gewalt seither sowohl tatsächlich als auch konsequent umgesetzt wurden. Beides war bzw. ist jedoch – wie zuvor unter III.3.2.1., III.3.2.2. und III.3.2.4. ausgeführt – jeweils nicht der Fall; nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich bilden Spielerschutz, Suchprävention, Kriminalitätsbekämpfung und Kriminalitätsvorbeugung nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der mit der GSpG-Novelle 2010 begonnene Systemwechsel gegenwärtig eher noch in der Startphase befindet, lediglich Nebenziele, denen im Verhältnis zu den beiden Hauptzielen der Sicherung der Staatseinnahmen einerseits und der effizienten Aufrechterhaltung und Durchsetzung des Monopolsystems andererseits bloß untergeordnete Bedeutung zukommt.
Selbst wenn dies nicht zutreffen würde, ließe sich aber auch kein stichhaltiges Argument dafür finden – und wurden hierfür insbesondere auch seitens der belangten Behörde und der Amtspartei keine entsprechenden Beweismittel vorgelegt –, dass die mit der GSpG-Novelle beabsichtigten Ziele (Spielerschutz, Kriminalitätsbekämpfung und Sucht- sowie Kriminalitätsvorbeugung) lediglich durch das vom Bundesgesetzgeber konkret gewählte, extrem eingriffsintensive (nämlich nur noch durch ein gänzliches Verbot zu übertreffende) Monopolsystem und nicht gleichermaßen effektiv auch durch weniger einschneidende Maßnahmen – wie beispielsweise durch ein Konzessionssystem, das zwar in analoger Weise wie das derzeit bestehende sowohl umfassende (allerdings keine faktisch unüberwindbaren – und damit wiederum auf eine Monopolisierung hinauslaufenden – Hürden, wie etwa ein Stamm- oder Grundkapital von mindestens 22 Millionen Euro [vgl. § 21 Abs. 2 Z. 3 GSpG], errichtende) Spielerschutz-, Zugangs-, Schulungsmaßen etc. zu Lasten der Bewilligungsinhaber als auch rigorose staatliche Kontrollmaßnahmen vorsieht, zugleich aber darauf verzichtet, die Anzahl der zu vergebenden Konzessionen (im Sinne einer Bedarfsprüfung) zahlenmäßig zu beschränken – erreicht werden kann.
Somit erweisen sich im Ergebnis sowohl das Monopolsystem als solches als auch die zu dessen Aufrechterhaltung normierten (v.a. richtervorbehaltslos exekutiv‑)behördlichen Eingriffsermächtigungen als unverhältnismäßig und sohin nicht mit Art. 56 AEUV vereinbar.
10.3. Gesamtwürdigung
Um den Anforderungen des Art. 56 AEUV zu entsprechen, müsste insgesamt besehen mindestens einer der in der Judikatur des EuGH anerkannten, einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit rechtfertigenden zwingenden Gründe des Allgemeininteresses (Spielerschutz, Kriminalitätsbekämpfung, effektive und systematische Verringerung der Anreize und Gelegenheiten zum Spiel o.Ä.) jene Ziele, die in ungerechtfertigter Weise mit den Eingriffsbefugnissen einhergehen, tatsächlich und eindeutig überwiegen.
Angesichts dieses Prüfungsmaßstabes ergibt sich allerdings, dass das in den §§ 3 ff GSpG normierte System des Glücksspielmonopols deshalb in Art. 56 AEUV keine Deckung findet und somit dem Unionsrecht widerspricht, weil dieses einerseits tatsächlich nicht auf einem durch die Rechtsprechung des EuGH anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses – wie etwa dem Verbraucherschutz (in Form des Spielerschutzes und der Suchtvorbeugung) oder der Kriminalitätsbekämpfung und der Kriminalitäts‑, insbesondere Betrugsprävention, oder der effektiven und systematischen Verringerung der Anreize und Gelegenheiten zum Spiel – basiert, sondern de facto primär der Sicherung einer verlässlich kalkulierbaren Quote an Staatseinnahmen (in Höhe von 0,4% der jährlichen Gesamteinnahmen des Bundes) dient sowie andererseits – und unabhängig davon – auch die konkrete Ausgestaltung des Monopolsystems (Privatisierung durch Übertragung der zwar sowohl strengen Antrittsvoraussetzungen als auch einer rigiden staatlichen Kontrolle unterliegenden Ausübungsbefugnisse nicht auf eine unbeschränkte, sondern – im Sinne einer Bedarfsprüfung – auf eine bloß limitierte Anzahl von Konzessionären) und die den staatlichen Behörden zur Abwehr von Beeinträchtigungen dieses Monopols gesetzlich übertragenen Eingriffsermächtigungen (Betretungs-, Einschau-, Informations- und Überprüfungsrechte; vorläufige und/oder endgültige Beschlagnahme, Einziehung und nachfolgende Vernichtung der Eingriffsgegenstände; Verwaltungsstrafe; Betriebsschließung) insbesondere mangels der gänzlich fehlenden Notwendigkeit einer vorhergehenden richterlichen Ermächtigung jeweils unverhältnismäßig sind.
Mit diesem Resultat soll keineswegs eine – erst recht keine vollständigen – Liberalisierung des Glücksspielmarktes propagiert werden; weil aber Österreich ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist, muss aus rechtlicher Sicht nachdrücklich betont werden, dass sich jegliche Beschränkung des Glücksspielangebotes – insbesondere in Gestalt eines (Quasi‑)Monopolsystems – stets nur im Rahmen der von EuGH-Judikatur abgesteckten Grenzen des Art. 56 AEUV bewegen kann.
10.4. Ergebnis
Widerspricht eine innerstaatliche Regelung dem Unionsrecht, so hat diese nach ständiger Rechtsprechung des EuGH faktisch unangewendet zu bleiben. Dieser Grundsatz ist – zumal in Österreich auch nach mittlerweile mehr als 20-jähriger Mitgliedschaft zur Europäischen Union noch immer keine spezifischen prozessualen Regelungen hinsichtlich einer spezifischen Kompetenz eines innerstaatlichen Organs zur national-verbindlichen Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit sowie einer damit im Zusammenhang stehenden allfälligen übergangsweisen Weitergeltung[50] unionsrechtswidriger Normen bestehen – von jedem staatlichen Organ auf jeder Ebene des Verfahrens unmittelbar zu beachten[51].
Konkret bedeutet dies insbesondere, „dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine Regelung im Glücksspielbereich nicht zu Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art. 56 AEUV nicht vereinbar ist“ (vgl. EuGH vom 30. April 2014, C‑390/12 [Pfleger, EU:C:2014:281], RN 64, m.w.N.).
Daraus resultiert für den vorliegenden Fall, dass die Erlassung eines Beschlagnahmebescheides gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Z. 1 lit. a GSpG wegen des Verdachtes einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG ausgeschlossen ist, weil sich diese Eingriffsnorm rechtssystematisch als eine auf der Glücksspielmonopolregelung des GSpG fußende und mit dieser in einem untrennbaren Zusammenhang stehende Bestimmung darstellt.
11. Gegen dieses sowie gegen eine Vielzahl anderer Erkenntnisse des LVwG OÖ, mit denen das im GSpG verankerte Monopolsystem als unionsrechtswidrig qualifiziert wurde (vgl. etwa LVwG-410287 vom 29. Mai 2015, LVwG-410601 vom 7. Juli 2015, LVwG-410602 vom 7. Juli 2015, LVwG-410622 vom 7. Juli 2015, LVwG-410623 vom 7. Juli 2015, LVwG-410702 vom 8. Juli 2015, LVwG-410647 vom 10. Juli 2015 und LVwG-410701 vom 10. Juli 2015), hat der Bundesminister für Finanzen wiederum jeweils eine Amtsrevision erhoben.
12. Mit Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, hat der Verwaltungsgerichtshof einer dieser Amtsrevisionen Folge gegeben und konkret das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 29. Mai 2015, LVwG-410287/42/Gf/Mu, dahin abgeändert, dass die an das LVwG OÖ erhobene Beschwerde abgewiesen wurde, weil eine Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG nicht zu erkennen sei (RN 123).
Dies vornehmlich deshalb, weil die mit diesem Gesetz angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität sowie der Verhinderung von kriminellen Handlungen gegenüber Spielern in kohärenter und systematischer Weise verfolgt würden und diese Ziele nicht bloß als Vorwand für die Beibehaltung der Monopolregelung bzw. einer Einnahmenmaximierung angesehen werden könnten. Dass vom Staat – bei Verfolgung gerechtfertigter Ziele im Sinne von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses – im Zusammenhang mit dem Glücksspiel hohe Einnahmen erzielt werden, mache die Regelungen des GSpG nicht unionsrechtwidrig, denn es sei zu berücksichtigen, dass sowohl die Maßnahmen des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung und der Kriminalitätsbekämpfung sowie die Aufsicht über die Glücksspielkonzessionäre und Bewilligungsinhaber und auch die medizinischen Behandlungskosten von Spielsüchtigen sowie Fürsorgeunterstützungen für Spielsüchtige und deren Familien hohe finanzielle Kosten verursachen würden. Daher sei es auch unter diesen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn neben der Verfolgung von legitimen Zielen zur Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch entsprechende Einnahmen aus Abgaben im Zusammenhang mit Glücksspiel durch den Staat lukriert werden, wobei im Übrigen gerade die vom LVwG OÖ geforderte Vergabe von Konzessionen und Bewilligungen in unbeschränkter Anzahl eine Erhöhung der vom Staat lukrierten Abgaben ermöglichen würde (RN 122).
13. Dem gegenüber hat der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom 30. März 2016, 4 Ob 31/16m, mit dem beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG ein Antrag auf Aufhebung der Monopolbestimmungen des GSpG eingebracht wurde, explizit festgestellt (vgl. S. 31 f): „Aus der vom Senat angenommen Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols folgt daher, dass die in Fallgestaltungen, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, weiter anzuwendenden Bestimmungen des Glücksspielrechts eine gegen Art. 7 B‑VG verstoßende Inländerdiskriminierung bewirken.“.
Begründend wurde dazu – zusammengefasst – ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die unionsrechtliche Zulässigkeit des im GSpG normierten Monopolsystems nicht allein von Zielsetzungen des Gesetzgebers, sondern auch von der tatsächlichen Wirkung der gesetzlichen Regelungen abhängig sei. Hinsichtlich der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Spielausgaben, die prinzipiell einen Rechtfertigungsgrund für einen nationalrechtlichen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit bildet, und damit im Zusammenhang stehenden zulässigen Werbemaßnahmen der Konzessionsinhaber komme der Kohärenz der im GSpG getroffenen Regelung große Bedeutung zu: Für den Fall, dass die Eignung dieser Norm bejaht wird, beurteile der EuGH in einem zweiten Schritt deren Erforderlichkeit (Notwendigkeit) und gegebenenfalls in einem dritten Schritt die Angemessenheit der Beschränkung; eine nationale Regelung sei nach Ansicht des EuGH dann unionsrechtswidrig, wenn diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen.
Vor diesem Hintergrund sei zu konstatieren, dass nach den Feststellungen der unterinstanzlichen Gerichte die Österreichische Lotterien GmbH als Inhaberin aller in § 14 GSpG vorgesehenen Lotterienkonzessionen jährlich zwischen 40 und 50 Mio. Euro in Werbemaßnahmen investiere und damit unter den Top-Acht-Investoren bei Werbeausgaben in Österreich rangiere, wobei auf diese Weise gesamthaft besehen ein sehr breites Publikum angesprochen worden sei. Ähnliches gelte auch für die Casinos Austria AG als Inhaberin aller in § 21 GSpG vorgesehenen Spielbankkonzessionen. Im Ergebnis resultiere daraus, dass diese Werbung nicht ausschließlich dazu diene, Verbraucher zu den kontrollierten Spielnetzwerken zu lenken, sondern auch den Zweck verfolge, insbesondere jene Personen zur aktiven Teilnahme am Spiel anzuregen, die bis dato nicht ohne weiteres zu spielen bereit sind. Im Übrigen werde den Spielen ein positives Image zugeschrieben; weiters versuche diese Werbung, die Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften zu erhöhen, wobei zudem bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht gestellt werden. Dadurch würden insbesondere neue Zielgruppen zum Spielen angeregt und die Werbung schließlich auch laufend inhaltlich ausgedehnt. Im Sinne der Judikatur des EuGH liege sohin keine maßvolle Werbung vor, die sich bloß darauf beschränkt, Verbraucher zu den kontrollierten Spielernetzwerken zu lenken; in dieses Bild füge sich auch der Umstand, dass § 56 Abs. 1 GSpG eine Überprüfung des unionsrechtlich gebotenen Maßstabs bei Werbeauftritten im Weg einer Klage von Mitbewerbern oder klagebefugten Verbänden nach dem UWG ausschließt.
Daher fehle dem Glücksspielmonopol die unionsrechtlich erforderliche Rechtfertigung.
Davon ausgehend führe die Unionsrechtswidrigkeit des GSpG objektiv besehen auch insofern zu einer Inländerdiskriminierung, als einerseits ein ausländischer Anbieter, der in seinem Heimatstaat erlaubterweise – nämlich v.a. auf Grund einer unter vergleichsweise weniger rigiden Voraussetzungen erlangten Bewilligung – Ausspielungen veranstaltet, hierzu infolge der durch die Dienstleistungsfreiheit bewirkten Verdrängung der Monopolbestimmungen des GSpG auch in Österreich berechtigt ist, während Gleiches einem Inländer deshalb verwehrt bleibt, weil bei reinen Inlandssachverhalten die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV und somit auch die im Verhältnis dazu bestehende Unionsrechtswidrigkeit bzw. die daraus resultierende Verdrängungswirkung bezüglich der Monopolregelung des GSpG so lange nicht zum Tragen kommt, bis Letztere durch eine Aufhebung seitens des VfGH beseitigt ist.
14. Zwischenzeitlich hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich in anderen gleich gelagerten Fällen – so z.B. im Verfahren zu LVwG-411039 – weitere öffentliche Verhandlungen durchgeführt. Hinsichtlich der in deren Zuge vorgelegten, über die dem LVwG OÖ bereits bekannten hinausreichenden Beweismittel wurde dabei hinsichtlich deren Entscheidungserheblichkeit Folgendes konstatiert:
14.1. Die als „Glücksspielverhalten und Glücksspielprobleme in Österreich – Ergebnisse der Repräsentativerhebung 2015“ bezeichnete Studie (im Folgenden kurz: „Glücksspielstudie 2015“[52]) des in Hamburg situierten Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung[53] (im Folgenden kurz: ISD) kommt zunächst zu der generellen Schlussfolgerung, dass sich das Glücksspielverhalten der österreichischen Bevölkerung im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 nicht maßgeblich verändert habe (S. 16). Speziell bezogen auf Glücksspielgeräte habe sich gezeigt, dass in diesem Zeitraum das Automatenglücksspiel außerhalb von Casinos einerseits leicht – nämlich von 1,2% auf 1,0% – gesunken ist und andererseits diese Spielform weiterhin in einem auffälligen Missverhältnis zu den beliebtesten Glücksspielarten („Lotto 6 aus 45“: 33,0%; „Joker“: 14,3%; „Euromillionen“: 13,2%; „Rubbellose“: 8,7%) steht (S. 17 f). Im Übrigen erfülle die weit überwiegende Mehrzahl (nämlich 97,2%) aller Befragten keines und 1,7% der Stichprobenteilnehmer bloß ein oder zwei der insgesamt zehn Kriterien des „Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen“ (vgl. S. 12; im Folgenden kurz: DSM-IV-Kriterien), was einem riskanten Spielverhalten entspreche; ca. 0,5% der Teilnehmer würden durch Glücksspiel bedingte Probleme (= Erfüllung von drei oder vier DSM-IV-Kriterien) und 0,6% ein pathologisches Spielverhalten (= Erfüllung von mindestens fünf DSM-IV-Kriterien) aufweisen, woraus zu schließen sei, dass – zusammengerechnet – „1,1% aller Österreicher/innen (14 bis 65 Jahre) über ein problematisches oder pathologisches Spielverhalten verfügen“ würden, „das sind“ – hochgerechnet (!) – „etwa 64.000 Personen“ (S. 23). Dabei könne es sich allerdings „immer nur um eine Schätzung der tatsächlichen Verhältnisse“ handeln; auf Grund dieser sei davon auszugehen, dass – wie auch bereits im Jahr 2009 – „in Österreich aktuell zwischen 27.000 bis etwa 46.000 Personen spielsüchtig“ sein dürften (S. 24 f). Bei jenen Befragten, die an Automaten außerhalb von Casinos – also an solchen, die in Spielhallen, Gaststätten oder Tankstellen aufgestellt sind – spielten, sei der Anteil an nicht bloß problematischen, sondern sogar pathologischen Spielern (= Erfüllung von drei oder vier DSM-IV-Kriterien) als signifikant hoch, nämlich mit 21,2%, zu qualifizieren, während sich dem gegenüber der Vergleichswert für Automatenglücksspiel in konzessionierten Salons der Casinos Austria AG als eher gering (4,4%) ausnehmen würde (S. 28 f). Unter einer Auswahl von 13 suchtpräventiven Maßnahmen kämen ein Spielverbot unter 18 Jahren (89%), eine spielartübergreifende Sperre (83%) bzw. eine Reduzierung der Werbung (70%) auf die höchsten Akzeptanzwerte, während das staatliche Glücksspielmonopol und ein Alkoholverbot in Spielstätten (jeweils unter 50%) sowohl in der Bevölkerung als auch unter den Spielern selbst auf die geringste Resonanz stoßen würden (S. 30 ff).
Ungeachtet dessen, dass das ISD auch nach der Rechtsordnung jenes Staates, in dem dieses seinen Sitz hat (BRD), nicht als eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, sondern als privater Verein[54] zu qualifizieren ist[55], wurde – sieht man davon ab, dass die im Zeitraum zwischen Jänner und Juni 2015 durchgeführte Befragung nunmehr 10.000 Personen (2009: 6.300 Personen) im Alter zwischen 14 und 65 Jahren im Rahmen einer (allerdings bloß telefonisch erhobenen) Stichprobe erfasste (S. 8 f) – bei der Erstellung der Glücksspielstudie 2015 wieder auf dieselbe Methodik zurückgegriffen, die die Studienautoren bereits der Repräsentativerhebung 2009 zu Grunde gelegt hatten (S. 8 ff). Berücksichtigt man weiters, dass die Glücksspielstudie 2015 selbst zu dem Ergebnis kommt, dass „sich das Glücksspielverhalten der österreichischen Bevölkerung seit dem Jahr 2009 nicht stark verändert“ hat (S. 3 und 16), bietet dieses Beweismittel für das erkennende Gericht keine Veranlassung dazu, seine bisherige Würdigung der Frage, ob das im GSpG normierte Monopolsystem dem Unionsrecht entspricht (vgl. die oben unter Pkt. I.3.1. angeführten Entscheidungen), einer Modifikation zu unterziehen. Dazu trägt insbesondere auch der Umstand bei, dass in der Glücksspielstudie 2015 überwiegend bloß prozentuelle Anteile angeführt, die daraus zu ziehenden Schlüsse hingegen nicht einmal angedeutet, geschweige denn nachvollziehbar begründet und somit die entscheidenden Fragen im Ergebnis vielfach nicht gelöst, sondern offen gelassen werden: So könnte beispielsweise (und stellvertretend für Vieles) aus der Angabe, dass das Automatenglücksspiel außerhalb von Casinos zwischen 2009 und 2015 leicht – nämlich von 1,2% auf 1,0% – gesunken ist, sowohl abgeleitet werden, dass dies als eine positive Konsequenz der verstärkten finanzpolizeilichen Kontrollen angesehen werden muss, aber auch, dass sich diese im Gegenteil wegen des kaum quantifizierbaren Erfolges gesamthaft betrachtet als ineffektiv erwiesen haben. Außerdem haben auch im Rahmen dieser Untersuchung lediglich 1,1% aller Befragten – also absolut besehen: 110 Personen – und zudem nur auf Grund einer Eigeneinschätzung angegeben, „mehr oder weniger stark spielsüchtig“ zu sein, sodass die aus einer bloßen Selbstreflexion abgeleitete Schlussfolgerung, dass „in Österreich aktuell zwischen 27.000 bis etwa 46.000 Personen spielsüchtig“ sein dürften, lediglich ein abstraktes Rechenexempel verkörpert, das jeglicher faktischer Verifizierbarkeit entbehrt.
14.2. Auch die sowohl von der belangten Behörde als auch vom Vertreter des Beschwerdeführers bezeichneten Entscheidungen anderer Gerichte vermögen das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich nicht von seinem bisherigen Standpunkt abzubringen:
Denn die diesen Urteilen zu Grunde liegende sog. „Beweiswürdigung“ folgt jeweils durchgängig dem Muster, die in diversen Studien (primär: des ISD) und in den Gesetzesmaterialien aufgestellten Behauptungen und Prognosen vorbehaltlos und ohne jede nähere inhaltliche Prüfung und nachfolgende argumentative Auseinandersetzung mit diesen als zutreffend zu unterstellen, davon ausgehend – in diametralem Gegensatz zu den vom EuGH gestellten Anforderungen – die Last zum Beweis des Gegenteils (nämlich: der Unionsrechtswidrigkeit des im GSpG verankerten Monopolsystems) auf den (vermeintlich widerrechtlich) in dieses Monopol Eingreifenden zu verschieben und sodann, soweit dessen Beweisanträge überhaupt ernsthaft in Verhandlung genommen werden, zu dem Ergebnis zu kommen, dass die von diesem behauptete Unionsrechtswidrigkeit zumindest nicht zweifelsfrei erwiesen werden konnte (symptomatisch etwa statt vieler LG Linz vom 9. Februar 2016, 38 Cg 141/15w-12).
14.3. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass mittlerweile in gleicher Weise auch zahlreiche Entscheidungen anderer Gerichte existieren, die – wenngleich mit modifizierter Schwerpunktsetzung – entweder Bedenken gegen die Unionsrechtskonformität des im GSpG normierten Monopolsystems haben (vgl. z.B. LVwG Niederösterreich vom 21. Jänner 2016, LVwG-S-478/001-2014, und vom 2. Dezember 2015, LVwG-BN-14-0212) oder dezidiert davon ausgehen, dass dieses unionsrechtswidrig ist (vgl. z.B. LVwG Vorarlberg vom 21. März 2016, LVwG-1-059/R11-2015, und LG Graz vom 20. April 2016, 10 Cg 22/16w).
14.4. Außerdem sei hinsichtlich des Erkenntnisses des VwGH vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, noch Folgendes ins Kalkül zu ziehen:
14.4.1. Rechtssystematisch besehen beruht die Begründung des VwGH, dass die Monopolregelung des GSpG tatsächlich dem Spielerschutz und der Kriminalitätsbekämpfung dient, im Wesentlichen auf drei Argumentationssträngen, nämlich auf einer Darstellung der historischen Entwicklung des Glücksspielrechts in Österreich (RN 68 bis 77) und der in (zahlreichen) Regierungsvorlagen (seit dem Jahr 1989) zu den einzelnen Novellierungen des GSpG angeführten Absichten und Prognosen (RN 78 bis RN 106) sowie auf den Feststellungen des Glücksspielberichts 2010-2013 des Bundesministeriums für Finanzen.
Davon ausgehend gelangte der VwGH – auf Basis der vom LVwG OÖ getroffenen und im Revisionsverfahren nicht bekämpften Feststellungen – zu dem Ergebnis, dass durch die im GSpG vorgesehenen Bestimmungen die angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität sowie der Verhinderung von kriminellen Handlungen gegenüber Spielern in kohärenter und systematischer Weise verfolgt würden (RN 119); diese Ziele könnten nicht bloß als Vorwand für die Beibehaltung der Monopolregelung bzw. einer Einnahmenmaximierung angesehen werden (RN 122), weshalb auch keine Unionsrechtswidrigkeit zu erkennen sei (RN 123).
Da es zur Fällung einer Sachentscheidung im vorliegenden Fall ausgehend von dem vom LVwG OÖ festgestellten Sachverhalt, der im Revisionsverfahren nicht bestritten wurde, keiner weiteren Ermittlungen bedurfte, habe der VwGH gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in der Sache selbst entscheiden können, sodass die Beschwerde des Beschuldigten als unbegründet abzuweisen gewesen sei (RN 127).
14.4.2. Damit stellt sich jedoch die Frage, ob auf diese Weise im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 EGRC ein auch in jeder Hinsicht grundrechtskonformes Ergebnis erzielt wurde:
14.4.2.1. Vorweg ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass der EuGH in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertritt, dass jedes Gericht die Frage der Vereinbarkeit von innerstaatlichem Recht mit Unionsrecht eigenständig und ohne Bindung an die Rechtsauffassung von instanzenmäßig übergeordneten nationalen Gerichten zu beurteilen hat (vgl. z.B. zuletzt EuGH vom 5. April 2016, C‑689/13 [PFE, EU:C:2016:199], RN 32 ff, m.w.N.).
Insbesondere bedeutet dies einerseits, dass in diesem Zusammenhang auftretende Zweifelsfragen im Wege eines Vorlageantrages an den EuGH – ohne vorangehende Befassung eines nach nationalem Recht exklusiv zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung zuständigen Gerichts – zu klären sind (vgl. EuGH vom 11. September 2014, C‑112/13), und andererseits, dass bei Nichtbestehen solcher Zweifel nationale Normen, die eine allgemeine Bindungswirkung an die Rechtsmeinung übergeordneter Instanzen festlegen, insoweit nicht zum Tragen kommen (vgl. EuGH vom 15. Oktober 2015, C‑581/14).
14.4.2.2. Den Ausgangspunkt für die eingangs aufgeworfene Fragestellung bildet die Bestimmung des § 42 Abs. 4 VwGG. Danach kann der VwGH (im Sinne einer Ermessensentscheidung) dann auch in der Sache selbst entscheiden, wenn 1.) diese entscheidungsreif ist und 2.) eine Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt; wird das Ermessen in diesem Sinne ausgeübt, dann hat der VwGH den maßgeblichen Sachverhalt (selbst) festzustellen.
Im Übrigen, d.h. im Regelfall, hat der VwGH hingegen (im Sinne einer Rechtsentscheidung) gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG (von gegenständlich nicht maßgeblichen Ausnahmekonstellationen abgesehen) das angefochtene Erkenntnis auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts im Rahmen der geltend gemachten Revisionspunkte zu überprüfen.
Ergänzend hält der VwGH in diesem Zusammenhang in ständiger Judikatur fest, dass er im Revisionsverfahren zur Überprüfung der Beweiswürdigung der Verwaltungsgerichte nicht berufen ist (vgl. statt vieler z.B. VwGH v. 13. Oktober 2015, Ra 2015/03/0075, m.w.N.).
Rechtsdogmatisch besehen scheint sich somit insgesamt zu ergeben, dass der VwGH dann, wenn er die Sachverhaltsfeststellungen des VwG unbeanstandet lässt, eine andersartige Würdigung dieser solcherart feststehenden Beweis- und Faktenlage nur dann vornehmen darf, wenn und soweit dies auf Grund eigenständig-modifizierter Sachverhaltsfeststellungen entsprechend indiziert und gerechtfertigt ist. Bedingt wird diese einfachgesetzlich-innerstaatliche Konzeption, wonach eine darüber hinaus gehende Umdeutung bzw. Umkehrung der Beweiswürdigung grundsätzlich nicht in Betracht kommt, durch die verfassungsrechtlich-supranationale Garantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK (bzw. Art. 47 EGRC): Denn der in dieser Bestimmung (jeweils) garantierte Grundsatz des fairen (insbesondere gerichtlich-kontradiktorischen) Verfahrens würde zweifelsfrei verletzt, wenn die in einem Art. 6 Abs. 1 EMRK entsprechenden (und in diesem Sinne „gerichtlichen“) Verfahren gewonnene (Sachverhaltsfeststellung und/oder) Beweiswürdigung durch eine solche, die in einem den Ansprüchen dieser Garantie nicht bzw. nicht in vollem Umfang gerecht werdenden (und in diesem Sinne „nicht-gerichtlichen“) Verfahren vorgenommen wurde, ersetzt werden würde (vgl. näher unten, Pkt. I.4.2.4.1.2.3).
Im vorliegenden Fall hat der VwGH weder selbst eine öffentliche Verhandlung durchgeführt noch sonst eigenständige Sachverhaltsfeststellungen getroffen; vielmehr wird im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, mehrfach betont, dass diese Entscheidung auf den vom LVwG OÖ vorgenommenen und von den Verfahrensparteien nicht bestrittenen Sachverhaltsfeststellungen fußt (vgl. insbesondere RN 119 und 127).
Wenn davon ausgehend die in den Erläuterungen zu den Novellierungen des GSpG angeführten Maßnahmen und Zielsetzungen des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung – bei denen es sich rechtlich besehen nicht um Tatsachenfeststellungen, sondern lediglich um Absichtserklärungen bzw. Rechtsmeinungen von Ministerialbeamten handelt – entgegen der diesbezüglich vom LVwG OÖ vorgenommenen Würdigung ohne nähere Begründung[56] und vor allem ohne entsprechenden Nachweis hierfür durch staatliche Behörden durchgehend so gewertet werden, als ob diese auch bereits faktisch effizient sein und damit dem vom EuGH geforderten Kohärenzgebot entsprechen würden, dann scheint dies im Ergebnis ebenso zu einer Modifikation bzw. Substitution der untergerichtlichen Beweiswürdigung zu führen wie der Umstand der vorbehaltlosen Heranziehung des Glücksspielberichts 2010-2013 des Bundesministeriums für Finanzen, wenn zudem auf die übrigen, der Entscheidung des LVwG OÖ zu Grunde gelegten Beweismittel (wie z.B. die Studie des Zentrums für interdisziplinäre Suchtgiftforschung, die Untersuchung „Kleines Glücksspiel – großes Leid?“ von J. Köberl und F. Prettenthaler und die Belege zur Frage einer nicht bloß maßvollen Werbung) entweder überhaupt nicht eingegangen wird oder bloß eine kursorische Auseinandersetzung mit den darauf fußenden Gegenargumenten erfolgt[57].
14.4.2.3. Einerseits erkennt der EuGH in ständiger Rechtsprechung jedem Gericht die Kompetenz zu bzw. verpflichtet er dieses, aus eigenem – und ungeachtet allenfalls entgegenstehender Entscheidungen nationaler Höchstgerichte – innerstaatliche Rechtsvorschriften, die dem EU-Recht widersprechen, unangewendet zu lassen (vgl. z.B. EuGH vom 15. Oktober 2015, C‑581/14 = EuGRZ 2015, 660 ff).
Andererseits liegt auf der Hand, dass bei der praktischen Handhabung einer derartigen Maxime unschwer – und zudem über einen längeren Zeitraum andauernde – Situationen entstehen können, in denen zu ein und derselben Rechtsfrage widersprüchliche gerichtliche Entscheidungen und damit erhebliche Rechtsunsicherheiten existieren, bis die Vereinbarkeit bzw. Unvereinbarkeit der nationalen Normen mit dem Unionsrecht vom hierfür letztkompetenten EuGH verbindlich entschieden ist.
Hält man die Institutionalisierung bzw. das Bestehen einer gleichermaßen zentralen wie exklusiven Zuständigkeit eines nationalen Gerichts (in diesem Sinne z.B. jüngst wieder das [deutsche] Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 15. Dezember 2015, 2 BvR 2735/14, RN 43 = EuGRZ 2016, 33 ff) zur (Vor‑)Prüfung der Unionsrechtskompatibilität für damit unvereinbar, so scheint aber mit der vom EuGH propagierten Maxime unter einem auch ein nationales Rechtsmittelsystem gefordert zu sein, nach dem jeweils auch den übergeordneten Instanzen die Qualität eines Gerichtes i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 EGRC zukommen muss. In diesem Sinne sind daher wohl auch die RN 52 bis 55 des EuGH-Urteils vom 30. April 2014, C‑390/12 (Rs. Pfleger) zu verstehen, wonach „das“ – im Sinne von: jedes – „nationale Gericht eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen“ muss, „unter denen eine restriktive Regelung, wie sie in den Ausgangsverfahren in Rede steht, erlassen worden ist und durchgeführt wird. Im vorliegenden Fall haben die nationalen Behörden nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nicht nachgewiesen, dass die Kriminalität und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellten. Das Gericht scheint ferner anzunehmen, dass das wahre Ziel der fraglichen restriktiven Regelung nicht in der Kriminalitätsbekämpfung und dem Spielerschutz liegt, sondern in einer bloßen Maximierung der Staatseinnahmen, obwohl der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass das Ziel, die Einnahmen der Staatskasse zu maximieren, für sich allein eine solche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nicht rechtfertigen kann ..... Diese Regelung erscheine, so das Gericht, jedenfalls unverhältnismäßig, da sie nicht geeignet sei, die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geforderte Kohärenz zu garantieren, und über das hinausgehe, was zur Erreichung der angeführten Ziele erforderlich sei. Sollte das vorlegende Gericht bei dieser Auffassung bleiben, müsste es zu dem Ergebnis kommen, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist.“
Dies bedeutet insbesondere, dass auch die übergeordneten Gerichte – um den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. des Art. 47 EGRC zu entsprechen – entweder jeweils selbst ein faires, insbesondere kontradiktorisches Verfahren durchführen oder sich – bei einer nur kassatorischen Entscheidungsbefugnis – bloß auf die Entscheidung der Rechtsfrage beschränken müssen.
Unvereinbar mit einem derartigen System erschiene jedenfalls, dass ohne eigenständige Sachverhaltsfeststellungen und/oder ohne Durchführung eines in jeder Beziehung dem Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 EGRC entsprechenden Verfahrens eine Modifikation der Beweiswürdigung des unterinstanzlichen Gerichtes vorgenommen wird. Denn summarisch betrachtet läge dann nämlich kein den Ansprüchen dieser europarechtlichen Grundrechtsgewährleistungen genügendes faires, insbesondere kontradiktorisches Verfahren mehr vor. Hinzu kommt, dass gerade in Bezug auf Strafverfahren – und damit auch für solche nach dem GSpG – auch die Garantie des Art. 2 erster Satz des 7.ZPMRK (Rechtsmittel in Strafsachen) ersichtlich von einer derartigen Grundkonzeption getragen zu sein scheint[58].
Im Übrigen geht es dem EuGH – wie aus dessen vorzitierter Judikatur deutlich wird – nicht primär darum, dass der Gesetzgeber bloß ein in sich schlüssiges Ziel-Mittel-Schema bzw. ein systemtheoretisch widerspruchsfreies Formalkonzept von Eingriffsbefugnissen schafft, sondern auch und vor allem darum, dass Letztere sowohl faktisch effizient sind als auch hinsichtlich sämtlicher ihrer Facetten – und nicht bloß in Teilbereichen – den aus Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. aus Art. 47 EGRC resultierenden rechtsstaatlichen Anforderungen genügen.
Durch die im GSpG zum Schutz der Konzessionsinhaber im Einzelnen sowie in ihrer Gesamtheit normierten behördlichen Eingriffsinstrumentarien (Betretungsrecht, Auskunftspflicht, Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, Beschlagnahme, Einziehung, Verwaltungsstrafe, Verfall, Betriebsschließung) werden jedoch die potentiellen Interessenten einseitig mit nicht bloß geringfügigen, sondern massiv nachteiligen Rechtsbeeinträchtigungen belastet, hinsichtlich welcher ein Rechtsschutz ausnahmslos stets erst ex post möglich und dieser vor dem Hintergrund einer prinzipiellen Beweislastumkehr zudem de facto sowie vor allem auch deshalb nicht strukturell effizient i.S.d. Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 EMRK erscheint, weil mit den Verwaltungsgerichten formal zwar Gerichte institutionalisiert wurden, diese jedoch nach den Grundsätzen eines Behördenverfahrens zu agieren haben.
Insgesamt führt dies dazu, dass ein potentieller Interessent nicht selten bereits finanziell schwer beeinträchtigt – wenn nicht de facto sogar gänzlich ausgebootet – ist, noch bevor die Frage der Unionsrechtskompatibilität des GSpG-Monopols überhaupt letztverbindlich geklärt wurde.
Angesichts der weitgehenden Wertneutralität der österreichischen Verfassung mag die Ansicht, dass die – teilweise über jene der in der für das gerichtliche Strafverfahren maßgeblichen StPO normierten hinausreichenden – Eingriffsbefugnisse des GSpG keinen formalverfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (und zwecks Erhöhung der faktischen Effizienz der Maßnahmen zur Hintanhaltung von Eingriffen in die Monopolstellung der Konzessionäre eine vergleichsweise Minimierung des Rechtsschutzstandards, wie er im behördlichen und verwaltungsgerichtlichen gegenüber dem strafgerichtlichen Verfahren zweifelsfrei besteht, hingenommen werden muss), allenfalls vertretbar erscheinen; den aus den materiellrechtlich-rechtsstaatlichen Garantien der EMRK bzw. der EGRC resultierenden Anforderungen, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dürfte eine solche Massierung von Eingriffsbefugnissen angesichts dessen, dass sich der Spielerschutz allseits unbestritten bloß auf einen kaum wahrnehmbaren Bruchteil der Gesamtbevölkerung bezieht[59], aber weder in ihrer Gesamtheit noch singulär betrachtet genügen.
14.4.3. Selbst wenn alle zuvor aufgezeigten Bedenken nicht durchschlagen würden, ist schließlich noch zu beachten, dass das mit einem Konzessionssystem unter Beschränkung der Anzahl der zu vergebenden Konzessionen betreffend Lotterien und Spielbanken sowie mit einem (reinen) Bewilligungssystem unter Beschränkung der Anzahl der zu vergebenden Bewilligungen betreffend Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten kombinierte Glücksspielmonopol des Bundes eine vergleichsweise gravierendere Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV nach sich zieht als ein Konzessionssystem, mit dem dieselben Eingriffsbefugnisse, jedoch keine zahlenmäßigen Beschränkungen der zu vergebenden Konzessionen einhergehen.
Ein Effekt dahin, dass dadurch, dass nicht bloß eine limitierte Anzahl, sondern jeder Bewerber, der die im GSpG normierten strengen Spielerschutzanforderungen erfüllt, die beantragte Konzession erhält, das System insgesamt gefährdet wäre oder gar gänzlich wirkungslos würde, ist schlechthin nicht ersichtlich; ebenso wenig sind damit zwingend (vergleichsweise) höhere Staatseinnahmen verbunden. Zweifelsfrei würde sich aber ein auf diese Weise vorgenommener Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit als verhältnismäßig weniger gravierend erweisen.
14.4.4. Im Hinblick auf die ihm nach dem Beschluss des EuGH vom 15. Oktober 2015, C‑581/14 (= EuGRZ 2015, 660 ff) zukommende Verpflichtung sieht sich daher das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich aus allen diesen Gründen auch aus den vom VwGH in seinem Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, ins Treffen geführten Argumenten nicht dazu veranlasst, nunmehr von der Unionsrechtskonformität der im GSpG normierten Monopolregelung und den darauf basierenden Eingriffsbefugnissen auszugehen.
14.4.5. Dazu kommt schließlich noch, dass der VwGH selbst mit Erkenntnis vom 5. April 2016, Ra 2015/17/0063, die (eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis wegen einer Übertretung des GSpG abweisende) Entscheidung eines LVwG aufgehoben hat, wobei es in diesem VwGH-Erkenntnis wörtlich heißt:
„Das Landesverwaltungsgericht ist vom Vorliegen eines rein nationalen Sachverhalts ausgegangen, ohne auf das Vorbringen des Revisionswerbers einzugehen, wonach die ‚Aufstellerin‘ der Glücksspielgeräte eine ungarische Gesellschaft sei und der Revisionswerber als deren ‚Supporter‘ sich auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten berufen könne. Um beurteilen zu können, ob ein rechtlich relevanter Auslandsbezug vorliegt, wären unter Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens Feststellungen zu diesem Vorbringen, also insbesondere dazu, welche Rolle der ungarischen Gesellschaft im Zusammenhang mit der Veranstaltung der verbotenen Ausspielungen zukam, zu treffen gewesen. Auf die Frage, ob die ungarische Gesellschaft in einem EU-Staat über eine Konzession zum Betrieb der Glücksspielgeräte verfügte, kommt es – entgegen den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis – nicht an, weil der Glücksspielbereich im Rahmen der Europäischen Union nicht harmonisiert ist ..... Indem das Landesverwaltungsgericht Tirol die Rechtslage verkannt und hierzu keine Feststellungen getroffen hat, auf Grund derer hätte beurteilt werden können, ob das Unionsrecht im Revisionsfall anzuwenden ist, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.“
Derartige Feststellungen können jedoch nur dann von rechtserheblichem Interesse sein, wenn für den Fall, dass sich ein entsprechender Auslandsbezug ergibt, jene Bestimmungen des GSpG, die die Durchführung von Ausspielungen an die Notwendigkeit einer entsprechenden Konzession binden, wegen Unionsrechtswidrigkeit unangewendet zu bleiben haben; wäre das GSpG hingegen ohnedies unionsrechtskonform, bedarf es solcher Feststellungen nicht.
Insgesamt folgt daraus, dass der VwGH in dieser Entscheidung implizit von der Unionsrechtswidrigkeit des GSpG-Monopols ausgeht, weil ansonsten eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit (und nicht bloß wegen eines ergebnisrelevanten Verfahrensfehlers[60]) keinen Sinn ergeben hätte.
Damit setzt sich diese – zeitlich später und in nahezu identischer personeller Besetzung ergangene – Entscheidung aber in einen Widerspruch zu dem zuvor dargestellten Erkenntnis des VwGH vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, sodass gesamthaft betrachtet die Haltung des VwGH zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit des GSpG (zumindest vorerst) weiterhin als uneinheitlich zu qualifizieren ist (und es zur endgültigen Klärung der Frage, ob das GSpG-Monopol nach Ansicht des VwGH als unionsrechtskonform anzusehen ist oder nicht, wohl eines verstärkten Senates i.S.d. § 13 Abs. 1 Z. 2 VwGG bedürfte).
15. Aus diesen Gründen hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich mit Beschluss vom 14. Dezember 2015, LVwG-411039/8/Gf/JE/Mu, einen Antrag auf Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV an den EuGH zur Klärung folgender Frage gestellt:
„Ist Art. 56 AEUV bzw. sind die Art. 49 ff AEUV im Lichte des Art. 6 EMRK i.V.m. Art. 47 EGRC dahin auszulegen, dass diese Bestimmungen mit Rücksicht auf die im Lichte der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (insbesondere im Hinblick auf dessen Urteil vom 18. Mai 2010, 64962/01, RN 54) geforderte Objektivität und Unvoreingenommenheit eines Gerichtes einer innerstaatlichen Regelung entgegenstehen, wonach die im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens zur Rechtfertigung der strafrechtlich geschützten Quasi-Monopolregelung des nationalen Glücksspielmarktes zu erbringenden Nachweise im Lichte der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (insbesondere im Hinblick auf dessen Urteil vom 30. April 2014, C-390/12 (ECLI:EU:C:2014:281 – „Pfleger“) nicht von der Strafbehörde (oder einem anderen staatlichen Verfolgungsorgan) in deren (bzw. dessen) Funktion als Vertreter(in) der Anklage, sondern vielmehr initiativ und unabhängig vom Verhalten der Verfahrensparteien von dem zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der in Beschwerde gezogenen strafrechtlichen Maßnahme berufenen Gericht (in ein und derselben Person/Funktion) zunächst sowohl völlig eigenständig zu deklarieren und abzugrenzen als auch in der Folge autonom-investigativ zu ermitteln und zu beurteilen sind?“
II.
Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung
1. Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Zl. Pol96-138-2016 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 5. August 2016, zu der als Parteien C L als Vertreter der Beschwerde führenden Amtspartei (Finanzamt Linz) sowie RA Dr. P R und RA Dr. F W als Vertreter der Mitbeteiligten Partei erschienen sind.
Vor dem unter I. dargestellten Hintergrund diente diese Verhandlung primär der Erörterung, ob den Verfahrensparteien zu den bereits in zahlreichen anderen, beim LVwG OÖ anhängigen Verfahren zur Frage der Unionsrechtskompatibilität des im Glücksspielgesetz normierten Monopolsystems vorgelegten – und insoweit als notorisch zu qualifizierenden – Beweismitteln (siehe näher auch schon vorhin unter I.), nämlich:
− der „Glücksspiel Bericht 2010-2013“ des Bundesministeriums für Finanzen (im Folgenden kurz: „Glücksspielbericht 2010-2013“);
− die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich zu LVwG-410395 (abgeschlossen mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2014) vorgelegte „Stellungnahme des BMF betreffend Ziel und Zweck des Glücksspielmonopols“ vom 18. September 2014 (im Folgenden kurz: „Stellungnahme“);
− das – als stellvertretend für zahlreiche Entscheidungen anderer Mitglieder des LVwG OÖ sowie der Verwaltungsgerichte anderer Bundesländer anzusehende – Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 15. Dezember 2014, LVwG-410395 (im Folgenden kurz: „Erkenntnis“), mit dem die Unionsrechtskonformität des im GSpG verankerten Monopolsystems festgestellt wurde;
− der Bericht über die „Auswirkungen des Glücksspielgesetzes 2010-2014 – Evaluierungsbericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 60 Abs. 25 Z 5 GSpG“ vom November 2014, III-131 BlgNR, 25. GP (im Folgenden auch kurz: „Evaluierungsbericht“);
− die Studie „Glücksspielverhalten und Glücksspielprobleme in Österreich – Ergebnisse der Repräsentativerhebung 2015“ (bzw. kurz: „Glücksspielstudie 2015“) Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung in Hamburg,
− Eine schriftliche Äußerung des Rechtsvertreters von an Ausspielungen beteiligten Personen, beinhaltend Anträge auf Zeugenvernehmungen sowie Beilagen zu rechtlichen Beurteilungen der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes in die Dienstleitungs- und Niederlassungsfreiheit durch das Glücksspielmonopol, zur Werbetätigkeit der Konzessionsinhaber, zur Ineffektivität des Spielerschutzes und zu den aus dem Glücksspielmonopol erzielten Staatseinnahmen (im Folgenden kurz: „Äußerung“);
− das – als stellvertretend für zahlreiche andere Entscheidungen des LVwG OÖ anzusehende – Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 24. Juni 2015, LVwG-410600, mit dem die Unionsrechtswidrigkeit des im GSpG verankerten Monopolsystems festgestellt wurde;
− das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, mit dem die unionsrechtliche Unbedenklichkeit des GSpG-Monopols festgestellt wurde; sowie
− der Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 30. März 2016, 4 Ob 31/16m, in dem der OGH von einer Unions- und Verfassungswidrigkeit der im GSpG normierten Monopolregelung ausgeht,
zwischenzeitlich zusätzliche Beweismittel bekannt geworden sind, die im Zusammenhang mit diesem Problemkreis von Relevanz erscheinen.
2. Im Zuge dieser Beweisaufnahme ließen sich hinsichtlich der Frage der Unionsrechtskompatibilität des im Glückspielgesetz verankerten Monopolsystems insbesondere unter Bedachtnahme auf die in früheren, beim LVwG OÖ anhängigen gleichartigen Verfahren erhobenen Beweise sowie der im gegenständlichen Verfahren von den Parteien ergänzend vorgelegten Beweismittel folgende entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente feststellen:
2.1. Zum „Glücksspiel – Bericht 2010-2013“ des Bundesministeriums für Finanzen[61]:
Von den darin enthaltenen bloßen rechtspolitischen Absichtserklärungen und deskriptiven Wiedergaben von Gesetzestexten und Materialien hierzu abgesehen wurde dazu bereits im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 24. Juni 2015, LVwG-410600, darauf hingewiesen, dass bereits die diesem zentral zu Grunde liegende Anzahl von ca. 64.000 spielsüchtigen Personen in Österreich als nicht plausibel erscheint und es somit schon von daher besehen nicht als ein sicheres Faktum angesehen werden kann, dass Spielsucht ein gesellschaftsrelevantes Problem darstellt(e) (vgl. S. 35 ff, 42 f und 46 dieses Erkenntnisses); Gleiches gilt hinsichtlich der Ausführungen des Glücksspielberichts zum illegalen Glücksspiel als Kriminalitätsproblem insofern, als bloß eine hohe Anzahl von – im Übrigen nicht rechtskräftigen – Verfolgungshandlungen im Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens hierfür keinen Beleg zu bilden vermag (vgl. S. 37 f und 46 des Erkenntnisses)[62].
Dem gegenüber haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daran zu zweifeln, dass die in diesem Glücksspiel – Bericht 2010-2013 angeführten Intensivierungsmaßnahmen hinsichtlich der staatlichen Aufsicht (Anbindung an ein Datenrechenzentrum, bescheidmäßige Vorschreibung von Werbestandards, Maßnahmen zur Geldwäschevorbeugung) nicht den Tatsachen entsprechen.
2.2. Zur „Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen vom 18. September 2014“:
Soweit diese insofern über den Glücksspiel – Bericht 2010-2013 hinausgeht, als detaillierte bescheidmäßige Auflagen im Zuge von Konzessionserteilungen (Mindestdauer pro Spiel, Mindestabstandsregelungen, Zutrittssysteme etc.) sowie konkrete Aufgaben der Stabsstelle für Spielerschutz (wie Zugangskontrolle und strenge staatliche Aufsicht) beschrieben werden (vgl. S. 9 ff), bestehen für das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich ebenfalls keine Zweifel, dass diese Maßnahmen auch tatsächlich (wenngleich im Einzelfall jeweils mehr bzw. weniger stringent) umgesetzt wurden und werden (vgl. schon S. 43 und 46 des hg. Erkenntnisses vom 24. Juni 2015, LVwG-410600).
2.3. Zum Bericht „Auswirkungen des Glücksspielgesetzes 2010-2014 – Evaluierungsbericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 60 Abs. 25 Z. 5 GSpG – November 2014“, III-131 BlgNR, 25. GP (im Folgenden kurz: Evaluierungsbericht)[63]:
Da sich dieser Bericht inhaltlich besehen lediglich als eine – datenmäßig geringfügig aktualisierte – Zusammenfassung des zuvor dargestellten „Glücksspiel – Berichts 2010-2013“ und der „Stellungnahme vom 18. September 2014“ darstellt (vgl. schon LVwG OÖ vom 24. Juni 2015, LvwG-410600, S. 42), kann diesbezüglich auf das oben unter II.2.2. und II.2.3. Ausgeführte verwiesen werden.
2.4. Zur Studie „Glücksspielverhalten und Glücksspielprobleme in Österreich – Ergebnisse der Repräsentativerhebung 2015“ des Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung in Hamburg (im Folgenden kurz: „Glücksspielstudie 2015“ [64]):
Diese Studie des in Hamburg situierten Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung[65] (im Folgenden kurz: ISD) kommt zunächst zu der generellen Schlussfolgerung, dass sich das Glücksspielverhalten der österreichischen Bevölkerung im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 nicht maßgeblich verändert habe (S. 16). Speziell bezogen auf Glücksspielgeräte habe sich gezeigt, dass in diesem Zeitraum das Automatenglücksspiel außerhalb von Casinos einerseits leicht – nämlich von 1,2% auf 1,0% – gesunken ist und andererseits diese Spielform weiterhin in einem auffälligen Missverhältnis zu den beliebtesten Glücksspielarten („Lotto 6 aus 45“: 33,0%; „Joker“: 14,3%; „Euromillionen“: 13,2%; „Rubbellose“: 8,7%) steht (S. 17 f). Im Übrigen erfülle die weit überwiegende Mehrzahl (nämlich 97,2%) aller Befragten keines und 1,7% der Stichprobenteilnehmer bloß ein oder zwei der insgesamt zehn Kriterien des „Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen“ (vgl. S. 12; im Folgenden kurz: DSM-IV-Kriterien), was einem riskanten Spielverhalten entspreche; ca. 0,5% der Teilnehmer würden durch Glücksspiel bedingte Probleme (= Erfüllung von drei oder vier DSM-IV-Kriterien) und 0,6% ein pathologisches Spielverhalten (= Erfüllung von mindestens fünf DSM-IV-Kriterien) aufweisen, woraus zu schließen sei, dass – zusammengerechnet – „1,1% aller Österreicher/innen (14 bis 65 Jahre) über ein problematisches oder pathologisches Spielverhalten verfügen“ würden, „das sind“ – hochgerechnet (!) – „etwa 64.000 Personen“ (S. 23). Dabei könne es sich allerdings „immer nur um eine Schätzung der tatsächlichen Verhältnisse“ handeln; auf Grund dieser sei davon auszugehen, dass – wie auch bereits im Jahr 2009 – „in Österreich aktuell zwischen 27.000 bis etwa 46.000 Personen spielsüchtig“ sein dürften (S. 24 f). Bei jenen Befragten, die an Automaten außerhalb von Casinos – also an solchen, die in Spielhallen, Gaststätten oder Tankstellen aufgestellt sind – spielten, sei der Anteil an nicht bloß problematischen, sondern sogar pathologischen Spielern (= Erfüllung von drei oder vier DSM-IV-Kriterien) als signifikant hoch, nämlich mit 21,2%, zu qualifizieren, während sich dem gegenüber der Vergleichswert für Automatenglücksspiel in konzessionierten Salons der Casinos Austria AG als eher gering (4,4%) ausnehmen würde (S. 28 f). Unter einer Auswahl von 13 suchtpräventiven Maßnahmen kämen ein Spielverbot unter 18 Jahren (89%), eine spielartübergreifende Sperre (83%) bzw. eine Reduzierung der Werbung (70%) auf die höchsten Akzeptanzwerte, während das staatliche Glücksspielmonopol und ein Alkoholverbot in Spielstätten (jeweils unter 50%) sowohl in der Bevölkerung als auch unter den Spielern selbst auf die geringste Resonanz stoßen würden (S. 30 ff).
Ungeachtet dessen, dass das ISD auch nach der Rechtsordnung jenes Staates, in dem dieses seinen Sitz hat (BRD), nicht als eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, sondern als privater Verein[66] zu qualifizieren ist[67], wurde – sieht man davon ab, dass die im Zeitraum zwischen Jänner und Juni 2015 durchgeführte Befragung nunmehr 10.000 Personen (2009: 6.300 Personen) im Alter zwischen 14 und 65 Jahren im Rahmen einer (allerdings bloß telefonisch erhobenen) Stichprobe erfasste (S. 8 f) – bei der Erstellung der Glücksspielstudie 2015 wieder auf dieselbe Methodik zurückgegriffen, die bereits der Repräsentativerhebung 2009 zu Grunde lag (S. 8 ff).
Berücksichtigt man weiters, dass die Glücksspielstudie 2015 selbst zu dem Ergebnis kommt, dass „sich das Glücksspielverhalten der österreichischen Bevölkerung seit dem Jahr 2009 nicht stark verändert“ hat (S. 3 und 16), vermag dieses Beweismittel sohin auf der Tatsachenebene keine additiven Erkenntnisse zu erbringen. Dazu trägt insbesondere auch der Umstand bei, dass in der Glücksspielstudie 2015 überwiegend bloß prozentuelle Anteile angeführt, die daraus zu ziehenden Schlüsse hingegen nicht einmal angedeutet, geschweige denn nachvollziehbar begründet und somit die entscheidenden Fragen im Ergebnis vielfach nicht gelöst, sondern offen gelassen werden: So könnte beispielsweise (und stellvertretend für Vieles) aus der Angabe, dass das Automatenglücksspiel außerhalb von Casinos zwischen 2009 und 2015 leicht – nämlich von 1,2% auf 1,0% – gesunken ist, sowohl abgeleitet werden, dass dies als eine positive Konsequenz der verstärkten finanzpolizeilichen Kontrollen angesehen werden muss, aber auch, dass sich diese im Gegenteil wegen des kaum quantifizierbaren Erfolges gesamthaft betrachtet als ineffektiv erwiesen haben.
Außerdem haben auch im Rahmen dieser Untersuchung lediglich 1,1% aller Befragten – also absolut besehen: bloß 110 Personen – und diese zudem nur auf Grund einer Eigeneinschätzung angegeben, „mehr oder weniger stark spielsüchtig“ zu sein, sodass die aus einer bloßen Selbstreflexion abgeleitete Schlussfolgerung, dass „in Österreich aktuell zwischen 27.000 bis etwa 46.000 Personen spielsüchtig“ sein dürften, lediglich ein abstraktes Rechenexempel verkörpert, das jeglicher faktischer Verifizierbarkeit entbehrt.
2.5. Zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, den Entscheidungen anderer Einzelrichter des LVwG OÖ sowie den Entscheidungen anderer Landesverwaltungsgerichte, mit denen jeweils – explizit oder implizit – die unionsrechtliche Unbedenklichkeit des im GSpG normierten Monopolsystems festgestellt wurde, sowie zum Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 30. März 2016, 4 Ob 31/16m, in dem dieser von einer Unions- und Verfassungswidrigkeit der im GSpG normierten Monopolregelung ausgeht:
Diese Entscheidungen sind jeweils durchgängig dadurch gekennzeichnet, dass ihnen keine eigenständige, auf die Frage der Unionsrechtskompatibilität des GSpG-Monopolsystems bezogene Faktenermittlung zu Grunde liegt (vgl. schon LVwG OÖ vom 24. Juni 2015, LVwG-410600, S. 43 f).
Somit vermögen sie – rein auf der Faktenebene – schon von vornherein nichts zur Klärung der vom EuGH jüngst neuerlich (vgl. EuGH vom 30. Juni 2016, C‑464/16 [Admiral Casinos & Entertainment AG – ECLI:EU:C:2016:500]; s. auch unten, II.2.6.) betonten Problematik beizutragen, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass es bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele im Sinne einer nicht bloß statischen, sondern vielmehr einer dynamischen Betrachtungsweise (RN 36) nicht nur auf die Zielsetzung dieser Regelung im Moment ihres Erlasses ankommt, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen (RN 37).
2.6. Zur „schriftlichen Äußerung“ des Rechtsvertreters der Mitbeteiligten Parteien:
Soweit in dieser auf rechtswissenschaftliche Literaturstellen Bezug genommen wird, gilt das zuvor unter II.2.5. Ausgeführte hier in gleicher Weise, weil jenen ebenfalls keine eigenständigen faktenmäßigen Erhebungen zu Grunde liegen (vgl. schon LVwG OÖ vom 24. Juni 2015, LVwG-410600, S. 44).
Andererseits decken sich die in der Presseaussendung der APA (Originaltextservice) vom 8. April 2015[68] über den Geschäftserfolg der „Casinos Austria AG“ und der „Österreichischen Lotterien GmbH“ im Jahr 2014 genannten Werte und die daraus resultierende Steuerleistung von 552 Mio. Euro im Vorjahr mit den auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen diesbezüglich veröffentlichten Zahlen[69], sodass diese sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach als zutreffend angesehen werden kann.
Dem gegenüber enthält das vom Rechtsvertreter der Mitbeteiligten Partei bezogene Statement der Vorsitzenden der „(Wiener) Spielsuchthilfe“ vom 3. April 2015 bloß Mutmaßungen. Auch der Inhalt des von ihnen vorgelegten, in diversen zivilgerichtlichen (wettbewerbsrechtlichen) Prozessen erstatteten Zeugenaussagen durfte im gegenständlichen Verfahren wegen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes (vgl. § 48 VwGVG) nicht verwendet werden; davon abgesehen wird in den in jenen Verfahren ergangenen Entscheidungen – wie bereits zuvor angeführt – sogar ausdrücklich klargestellt, dass mangels entsprechender Beweisangebote eben gerade keine für die Klärung der Frage der Unionsrechtskonformität maßgeblichen Fakten erhoben wurden (vgl. z.B. Landesgericht Steyr vom 3. April 2015, 2 Cg-48/14y-25, S. 11).
Weiters lässt sich auch nicht konstatieren, dass es sich bei dem vom Erstvertreter der Mitbeteiligten Partei vorgelegten Manuskript „Überblick – Spielsuchtprävention Österreich vier Jahre nach Inkrafttreten des GSpG 2010“ (von MMag. Malgorzata Zanki vom 12. Jänner 2015; im Folgenden auch kurz: Manuskript Suchtprävention) tatsächlich – wie von ihm vorgebracht – um ein Sachverständigengutachten handelt; dagegen spricht nicht nur der unstrukturierte Aufbau der Darstellung und das durchgängige Fehlen von Bezugnahmen auf Fachliteratur, sondern vor allem die polemische, einseitig-inobjektive inhaltliche Bewertung von Mängeln im Zusammenhang mit der faktischen Umsetzung der gesetzlichen Spielerschutzbestimmungen; vielmehr dürfte dieses Manuskript bloß die Basis für einen Vortrag oder eine Präsentation darstellen (bzw. dargestellt haben), wie sich aus dem häufigen Hinweis auf (gemeint wohl: Power-Point-)„Folien“ (vgl. insbesondere S. 3) ergibt.
Soweit es schließlich die Werbeaktivitäten der Konzessionäre betrifft, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass bereits im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 24. Juni 2015, LVwG-410600, festgestellt wurde, dass diese als „notorisch aggressiv“ zu qualifizieren ist (vgl. S. 39 f).
Diese Einschätzung wird durch die vom Rechtsvertreter der Mitbeteiligten Partei seiner schriftlichen Äußerung beigegebenen Unterlagen zusätzlich bekräftigt: Denn danach zielen zahlreiche Werbeaktivitäten darauf ab, nicht bloß das Glücksspiel in legale Bahnen zu lenken; vielmehr sollen ganz offensichtlich auch solche Personen zum Glücksspiel animiert werden, die diesem bislang völlig desinteressiert gegenübergestanden sind[70].
In diesem Zusammenhang ist auch insbesondere darauf hinzuweisen, dass gegenwärtig nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass sich die mit der Umsetzung der GSpG-Novelle 2010 verbundenen Maßnahmen derzeit immer noch in der sog. „Startphase“ befinden, sondern sich die Konzessionäre vielmehr bereits entsprechend etabliert haben müssten.
2.7. Zum Urteil des EuGH vom 30. Juni 2016, C-464/15 (Admiral Casinos & Entertainment AG, EU:C:2016:500):
Dieser Entscheidung sind folgende maßgebliche Leitsätze zu entnehmen:
* Die bloße Verwendung des Begriffs „tatsächlich“ in RN 56 des EuGH-Urteils vom 30.4.2014, C 390/12 (Pfleger), ist im Sinne von „wirklich“ zu verstehen (vgl. RN 27); davon ausgehend kann dieser Begriff nicht dahin ausgelegt werden, dass die nationalen Gerichte dazu angeleitet werden, „empirisch mit Sicherheit“ das Vorhandensein von bestimmten Auswirkungen der nationalen Regelung nach ihrem Erlass festzustellen (RN 29);
* Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass es bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele im Sinne einer nicht bloß statischen, sondern vielmehr einer dynamischen Betrachtungsweise (RN 36) nicht nur auf die Zielsetzung dieser Regelung im Moment ihres Erlasses ankommt, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen (RN 37).
3. All dies berücksichtigend erachtet es das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich daher in tatsächlicher Hinsicht weiterhin als
nicht erwiesen,
· dass in Österreich 64.000 Personen spielsüchtig sind[71] und dass es hierzulande beispielsweise mehr spielsüchtige (substanzunabhängige Verhaltenssucht) als drogenabhängige (substanzabhängige Verhaltenssucht) Personen gibt,
· dass die Spielsucht in Österreich ein erhebliches, einen unverzüglichen staatlichen Handlungsbedarf hinsichtlich Spielerschutzmaßnahmen begründendes gesellschaftliches Problem darstellt(e), und
· dass das Glücksspiel, insbesondere das Automatenglücksspiel, tatsächlich ein echtes Kriminalitätsproblem verkörpert(e), weil Verstöße gegen glücksspielrechtliche Bestimmungen nur in relativ geringem Ausmaß schwere (strafgerichtlich zu ahndende) Delikte bildeten; zum weitaus überwiegenden Teil handelte es sich dagegen bloß um Ordnungswidrigkeiten, nämlich um Verstöße gegen Vorschriften zur effektiven Sicherung und Aufrechterhaltung des bestehenden Monopolsystems;
hingegen als erwiesen,
· dass die Staatseinnahmen aus dem Glücksspiel jährlich ca. 500 Mio. Euro betragen (und die Monopolbetriebe damit zu den 5 größten steuerleistenden Unternehmen in Österreich zählen),
· dass der Spielerschutz seit dem Inkrafttreten der GSpG-Novelle 2010 – wenngleich nicht perfektioniert, so doch (im Wege entsprechender Auflagenvorschreibungen an die Konzessionäre) – erheblich verbessert wurde,
· dass die Monopolinhaber eine aggressive Expansions- und Werbestrategie verfolgen, sowie
· dass der Staat, insbesondere die staatlichen Behörden die Notwendigkeit einer Monopolregelung gerade in jener Form, wie diese im GSpG verankert ist, nicht nachgewiesen haben, sodass insbesondere nicht erkennbar ist, weshalb beispielsweise eine strenge Konzessionsprüfung (Eigenkapitalausstattung, Spielerschutzauflagen, Vertrauenswürdigkeit, etc. bis hin zu hohen Verfahrensabgaben) ohne zusätzliche (auf eine Bedarfsprüfung hinauslaufende) Beschränkung auf eine bestimmte Zahl von Anbietern zur Zielerreichung nicht in gleicher Weise ausreichend sein soll.
Darüber hinausgehende (Erkundungs-)Beweise waren – schon mangels entsprechender Anträge der Verfahrensparteien – selbst unter Bedachtnahme auf die Maßgeblichkeit des Amtswegigkeitsprinzips[72] nicht zu erheben.
Im Besonderen war auch (entgegen der ursprünglich gegenteiligen Annahme des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich selbst) die Einholung eines Sachverständigengutachtens schon deshalb entbehrlich, weil die Bewertung der vom EuGH aufgestellten Kriterien hinsichtlich der Beurteilung der Vereinbarkeit der Monopolregelungen des GSpG mit der unionsrechtlich garantierten Dienstleistungsfreiheit kein derart spezifisches Sachwissen erfordert, dass besondere Fachkenntnisse eines bestimmten naturwissenschaftlichen Materienbereiches erforderlich wären; vielmehr setzen diese Kriterien bloß eine reine Faktenerhebung voraus. Systematisch besehen geht es also um eine Tatsachenermittlung ex post, nämlich bezogen auf den Tatzeitpunkt, sowie um die nachträgliche Verifizierung von Behauptungen, Absichtserklärungen und/oder Prognosen (und zwar vornehmlich des Gesetzgebers bzw. des Bundesministeriums für Finanzen zwecks Rechtfertigung des Glücksspielmonopols); ob bzw. in wie weit diese jeweils für wahr zu halten sind, verkörpert dem gegenüber ausschließlich eine Frage der Beweiswürdigung.
4. Weiters wurde festgestellt, dass die Mitbeteiligte Partei des vorliegenden Verfahrens österreichischer Staatsbürger ist.
Allerdings stehen die verfahrensgegenständlichen „elektronischen Glücksräder“ (bzw. „afric2go“-Geräte) – wie sich aus der Anzeige der Finanzpolizei (Team 40) vom 29. Februar 2016, Zl. 046/70008/34/4016, S. 1, ergibt – im Eigentum der Fa. „T-V-Sro“, einer GmbH nach tschechischem Recht mit Sitz in CZ‑x.
Die Mitbeteiligte Partei fungiert als außenvertretungsbefugtes Organ i.S.d. § 9 VStG (Geschäftsführer) dieser GmbH.
III.
Rechtliche Beurteilung
1. Maßgebliche behördliche Eingriffsbefugnisse nach dem GSpG
1.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des GSpG, BGBl 620/1989 i.d.F. BGBl I 118/2015, lauten auszugsweise:
„Verwaltungsstrafbestimmungen
§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt;
2. .....
(2) Bei Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6 000 Euro bis zu 60 000 Euro zu verhängen.
(3) Ist durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 als auch der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht, so ist nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 zu bestrafen.
(4) ..... Gegenstände, mit deren Hilfe eine verbotene Ausspielung im Sinne des § 2 Abs. 4 durchgeführt oder auf andere Weise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, unterliegen, sofern sie nicht gemäß § 54 einzuziehen sind, dem Verfall.
(5) .....
Beschlagnahmen
§ 53. (1) Die Behörde kann die Beschlagnahme der Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der technischen Hilfsmittel anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn
1. der Verdacht besteht, dass
a) mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder
b) .....
2. .....
(2) Die Organe der öffentlichen Aufsicht können die in Abs. 1 genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, dass die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. .....
Einziehung
§ 54. (1) Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, sind zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 einzuziehen, es sei denn der Verstoß war geringfügig.
(2) Die Einziehung ist mit selbständigem Bescheid zu verfügen. .....
(3) Eingezogene Gegenstände sind nach Rechtskraft des Einziehungsbescheides binnen Jahresfrist von der Behörde nachweislich zu vernichten.
(4) .....“
Da in § 52 Abs. 4 GSpG der Verfall und in § 54 Abs. 1 GSpG die Einziehung und anschließende Vernichtung von Glücksspielautomaten vorgesehen ist, konnte sohin bei Vorliegen eines Verdachtes dahin, dass mit diesen eine Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG begangen wurde, gemäß § 53 Abs. 2 GSpG vorläufig deren Beschlagnahme verfügt und daran anschließend ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet werden, wie dies im gegenständlichen Fall auch erfolgte.
1.2. Nach § 168 StGB ist derjenige, der ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wurde (bzw. wird).
2. Zur Frage der sachlichen Zuständigkeit der belangten Behörde
2.1. Ob der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG erfüllt ist, hing bis zur GSpG-Novelle BGBl I 13/2014 – nachdem der VwGH (nach Änderung seiner früheren Judikatur) die Auffassung vertreten hatte, dass es auf den tatsächlich entrichteten Spieleinsatz ankäme (vgl. VwGH vom 22. August 2012, Zl. 2012/17/0156, u.v.a.), von dieser Rechtsmeinung jedoch im Gefolge des VfGH-Erkenntnisses vom 13. Juni 2013, B 422/2013, (neuerlich) wieder ausdrücklich abgegangen war (vgl. z.B. VwGH vom 23. Juli 2013, Zl. 2012/17/0249, u.v.a.) – davon ab, ob es Spielern im Zusammenhang mit ihrer Teilnahme an Ausspielungen möglich war, vermögenswerte Leistungen pro Spiel von höchstens 10 Euro zu erbringen; war hingegen ein Einsatz von mehr als 10 Euro je Spiel möglich, so handelte es sich ex lege nicht mehr um geringe Beträge mit der Folge, dass eine allfällige Strafbarkeit nach dem GSpG hinter einer allfälligen Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktrat.
2.2. Nach der Anordnung des § 52 Abs. 3 GSpG i.d.F. der am 1. März 2014 in Kraft getretenen (vgl. § 60 Abs. 34 GSpG) – und damit auch im vorliegenden Fall (Vorfallszeitpunkt: 5. November 2015) maßgeblichen – Novelle BGBl I 13/2014 ist nunmehr jedoch dann, wenn durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 GSpG als auch der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht ist, nur eine Bestrafung nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG vorzunehmen.
2.3. Da die Mitbeteiligte Partei – auch von ihr selbst unwidersprochen – zum Zeitpunkt der von den Exekutivorganen der Finanzpolizei vorgenommenen Kontrolle im verfahrensgegenständlichen Lokal die Aufstellung der dort vorgefundenen Glücksspielautomaten vorgenommen und sich an den mit diesen erzielten Einnahmen unternehmerisch beteiligt hatte, jedoch nicht über die hierfür erforderliche Konzession verfügte, war sohin der Verdacht einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG – der zugleich nach § 52 Abs. 3 GSpG eine gerichtliche Strafverfolgung nach § 168 StGB ausschließt – gegeben.
Angesichts dessen war die belangte Behörde sohin gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG zur Erlassung des angefochtenen Bescheides, mit dem von dieser ein zunächst wegen eines Eingriffs in das Glücksspielmonopol eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren in der Folge wieder eingestellt wurde, sachlich (und auch örtlich) zuständig.
2.4. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen, im Eigentum der Mitbeteiligten Partei stehenden Geräte nicht um Glücksspielautomaten i.S.d. § 52 GSpG handeln würde: Wie nämlich der Verwaltungsgerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen klargestellt hat, sind sog. „elektronische Glücksräder“ bzw. „afric2go“-Spielautomaten im Hinblick darauf, dass der Spieler durch den Einsatz von Geld – jedenfalls auch – eine Gewinnchance erhält, als Eingriffsgegenstände im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren (vgl. z.B. VwGH vom 20. April 2016, 2015/17/0020, und vom 13. März 2014, 2013/17/0726, m.w.N.).
3. Zur Frage der Maßgeblichkeit des Unionsrechts, insbesondere der Vereinbarkeit des Glücksspielmonopols mit Art. 56 AEUV
3.1. Hinsichtlich der Problematik, ob im vorliegenden Fall auch die Rechtsvor-schriften der Europäischen Union, insbesondere die in Art. 56 AEUV garantierte Dienstleistungsfreiheit, unmittelbar zum Tragen kommen, haben sich im Ermittlungsverfahren zwar keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Mitbeteiligte Partei nicht österreichischer Staatsbürger ist.
Allerdings stehen die verfahrensgegenständlichen Spielautomaten im Eigentum einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, nämlich in Tschechien, situierten juristischen Person.
Durch § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG wird es der Eigentümerin unter Strafsanktion verwehrt, diese Geräte zum Zweck der Veranstaltung, Organisation, Anbietung oder unternehmerischer Zugänglichmachung von Glücksspielen – etwa im Wege entsprechender Miet- oder Leasingverträge – einem österreichischen Lokalbetreiber zur Verfügung zu stellen. Sohin liegt eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs i.S.d. ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl. z.B. dessen Urteil vom 6. November 2003, C-243/01 [Gambelli, EU:C:2003:597], RN 53 ff) vor.
3.2. Zudem ist die Maßgeblichkeit des Unionsrechts v.a. auch im Lichte der neueren Rechtsprechung des EuGH zu bejahen:
3.2.1. So hat der EuGH in seinem jüngsten Urteil vom 30. Juni 2016, C-464/15 (Admiral Casinos & Entertainment AG, EU:C:2016:500), RN 21 bis 24, explizit ausgeführt (Hervorhebungen nicht im Original):
„21 Es ist richtig, dass die Vorschriften des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr keine Anwendung auf einen Sachverhalt finden, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Juli 2008, Kommission/Frankreich, C‑389/05, EU:C:2008:411, Rn. 49).
22 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende – die unterschiedslos auf österreichische Unternehmer und Unternehmer mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten anwendbar ist – im Allgemeinen zwar nur dann unter die Bestimmungen über die vom AEU‑Vertrag garantierten Grundfreiheiten fallen kann, wenn sie für Sachlagen gilt, die eine Verbindung zum Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen; es lässt sich jedoch keineswegs ausschließen, dass Unternehmer, die in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich ansässig sind, Interesse daran hatten oder haben, in diesem Mitgliedstaat Glücksspielautomaten zu betreiben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Juli 2012, Garkalns, C‑470/11, EU:C:2012:505, Rn. 21, und vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C‑367/12, EU:C:2014:68, Rn. 10).
23 Während hier, wie aus den Rn. 8 bis 10 des vorliegenden Urteils hervorgeht, sowohl die Klägerin als auch die Beklagten des Ausgangsverfahrens Unternehmen oder Personen sind, die ihren Sitz bzw. Wohnsitz im Hoheitsgebiet der Republik Österreich haben, sind indessen die Betreiber der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Glücksspielautomaten – obwohl sie nicht zu den Beklagten des Ausgangsverfahrens gehören – zwei Gesellschaften mit Sitz in der Tschechischen Republik bzw. in der Slowakei, denen diese Beklagten gegen Entgelt das Recht zur Aufstellung der Glücksspielautomaten in ihren Lokalen eingeräumt haben.
24 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass der Gerichtshof für die Beantwortung der Frage zuständig ist.“
Und in den mit RN 22 verwiesenen Entscheidungen heißt es (vgl. EuGH vom 13. Februar 2014, C‑367/12 [Sokoll-Seebacher, EU:C:2014:68], RN 10 bis 13, Hervorhebungen nicht im Original):
„10 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die unterschiedslos auf österreichische Staatsangehörige und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten anwendbar ist, im Allgemeinen zwar nur dann unter die Bestimmungen über die vom AEU‑Vertrag garantierten Grundfreiheiten fallen kann, wenn sie für Sachlagen gilt, die eine Verbindung zum Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen; es lässt sich jedoch keineswegs ausschließen, dass Staatsangehörige, die in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich ansässig sind, Interesse daran hatten oder haben, in diesem Mitgliedstaat Apotheken zu betreiben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Dezember 2013, Venturini u. a., C‑159/12 bis C‑161/12, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
11 Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich zwar, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens österreichische Staatsangehörige ist und sich der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits ausnahmslos innerhalb eines einzigen Mitgliedstaats, nämlich der Republik Österreich, abspielt, doch kann die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung gleichwohl Wirkungen entfalten, die sich nicht auf diesen Mitgliedstaat beschränken.
12 Im Übrigen kann die Antwort des Gerichtshofs dem vorlegenden Gericht selbst bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen, bei dem nichts über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweist, von Nutzen sein, insbesondere dann, wenn sein nationales Recht vorschreibt, dass einem Inländer die gleichen Rechte zustehen wie die, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden (Urteil Venturini u. a., Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
13 Diese erste Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.“
bzw. (vgl. EuGH vom 19. Juli 2012, C‑470/11 [Garkalns, EU:C:2012:505], RN 20 bis 22, Hervorhebungen nicht im Original):
„20 Im vorliegenden Fall steht zwar fest, dass Garkalns ein in Lettland gegründetes lettisches Unternehmen ist und sämtliche Elemente des Ausgangsrechtsstreits innerhalb dieses einzigen Mitgliedstaats liegen. Dennoch kann die Antwort des Gerichtshofs, wie aus der Rechtsprechung hervorgeht, dem vorlegenden Gericht auch unter derartigen Umständen von Nutzen sein, insbesondere dann, wenn sein nationales Recht vorschreiben sollte, dass einem inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden (vgl. in diesem Sinne Urteil Blanco Pérez und Chao Gómez, Randnr. 39, und Urteil vom 10. Mai 2012, Duomo Gpa, C‑357/10 bis C‑359/10, Randnr. 28).
21 Außerdem kann zwar eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige, die unterschiedslos anwendbar ist, im Allgemeinen nur dann unter die Bestimmungen über die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten fallen, wenn sie für Sachlagen gilt, die eine Verbindung zum Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen, doch lässt sich keineswegs ausschließen, dass Anbieter, die in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Lettland ansässig sind, Interesse daran hatten oder haben, im lettischen Hoheitsgebiet Glücksspielstätten zu eröffnen (vgl. in diesem Sinne Urteil Blanco Pérez und Chao Gómez, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
22 Unter diesen Umständen ist das Vorabentscheidungsersuchen als zulässig anzusehen.“
3.2.2. Aus dieser jüngeren Judikaturentwicklung geht deutlich hervor, dass die frühere Grenzziehung zwischen der Anwendbarkeit der unionsrechtlichen Grundfreiheiten einerseits und der Zuständigkeit des EuGH in Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV zunehmend aufgelöst wird. Unionsrecht, insbesondere die im AEUV normierten Grundfreiheiten und die Garantien der EGRC, kommt bzw. kommen daher nicht nur in Fällen mit einem unmittelbaren Auslandsbezug zum Tragen:
Vielmehr reicht auf der einen Seite ein auch nur hypothetischer Auslandsbezug hin, dann nämlich, wenn sich – so der EuGH – „keineswegs ausschließen“ lässt, dass auch im Ausland ansässige Unternehmer ein Interesse an der Erlangung einer durch nationale Rechtsvorschriften eingeschränkten Erlaubniserteilung haben könnten (vgl. oben EuGH vom 30. Juni 2016, C‑464/15 [Admiral Casinos & Entertainment AG, EU:C:2016:500], RN 22; vom 13. Februar 2014, C‑367/12 [Sokoll-Seebacher, EU:C:2014:68], RN 10; und vom 19. Juli 2012, C‑470/11 [Garkalns, EU:C:2012:505], RN 20). Wenngleich man in diesem Zusammenhang auch die Auffassung vertreten könnte, dass Ausländer, die bloß hypothetisch von einer unionsrechtswidrigen nationalen Regelung betroffen sind, deshalb solange nicht als schutzwürdig erscheinen, als sie noch keine konkreten, ihrer Rechtsverfolgung dienenden Prozesshandlungen gesetzt haben, entspricht es jedoch der Formulierung des Art. 18 AEUV und des Art. 21 Abs. 2 EGRC (vgl. jeweils: „ist verboten“ [und nicht etwa: „hat ein Recht darauf“]) und der Judikatur des EuGH, wonach alle Gerichte die effektive Umsetzung des Unionsrechts mit den ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln sicherzustellen haben (vgl. z.B. EuGH vom 15. Oktober 2015, C‑581/14 [Naderhirn, EU:C:2015:707], RN 32, m.w.N.), jedenfalls eher, dass das Verbot der Nichtdiskriminierung alle staatlichen Organe unmittelbar dazu verpflichtet, entsprechende Verstöße schon ex officio aufzugreifen.
Und auf der anderen Seite ist selbst dann, wenn nicht einmal ein hypothetischer Auslandsbezug vorliegt (arg. „außerdem“ bzw. „im Übrigen“), zu beachten, ob durch nationales Recht angeordnet ist, dass inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zukommen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden: Trifft dies zu, dann erlangt das Unionsrecht offenbar – gleichsam über „Vermittlung“ des Diskriminierungsverbotes des Art. 18 Abs. 1 AEUV – auch in rein innerstaatlichen Fällen Geltung, um eine sog. „umgekehrte Diskriminierung“ zu vermeiden, die darin besteht, dass für einen Ausländer, wenn er eine Genehmigung beantragen würde, eine unionsrechtswidrige nationale Schrankenregelung nicht anzuwenden wäre, während diese dem gegenüber für einen Inländer in rein innerstaatlichen Sachverhalten zum Tragen käme – jedoch nur deshalb, weil de facto kein Auslandsbezug vorliegt, und gerade darin liegt ebenfalls eine Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit i.S.d. Art. 18 AEUV bzw. des Art. 21 Abs. 2 EGRC (vgl. näher dazu auch G. Kucsko-Stadlmayer, in: H. Mayer – K. Stöger [Hrsg.], Kommentar zu AEUV und EUV, 2013, RN 48 ff, die zwar bereits eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches des Art. 18 Abs. 1 AEUV durch den EuGH konzediert [vgl. insbes. RN 58: „Insgesamt ist festzuhalten, dass dem EuGH ein Mindestmaß an Verbindung eines Sachverhalts zum Unionsrecht genügt, um Art. 18 AEUV für anwendbar zu erachten“ und RN 61: „Der erforderliche Bezug eines Sachverhalts zum Unionsrecht wird meist als ‚Unionsbezug‘, ‚grenzüberschreitender Bezug‘ oder ‚Auslandsbezug‘ bezeichnet. Auf Grund der fortgeschrittenen Integration innerhalb des Binnenmarktes wird das Kriterium heute zT schon auf Grund des Unionsrechts für irrelevant erachtet (näher Epiney in Callies/Ruffert4 Art. 18 AEUV Rz 32 ff; König, AöR 1993, 594 ff; Rossi, EuR 2000, 201 f)“], im Ergebnis aber – freilich v.a. noch vor dem Hintergrund der früheren EuGH-Judikatur – festhält [vgl. RN 26], „dass Art. 18 AEUV nur im ‚Anwendungsbereich der Verträge‘ zum Tragen kommt und seine Wirkung somit auf unionsrechtlich geregelte Situationen beschränkt ist“).
3.2.3. Angesichts dessen dürfte sich wohl die vom Obersten Gerichtshof hinsichtlich der Problematik der „umgekehrten Diskriminierung“ in seiner jüngeren Rechtsprechung (vgl. z.B. OGH vom 20. Jänner 2015, 4 Ob 200/14m, und zuletzt vom 30. März 2016, 4 Ob 31/16m u.a.) vertretene Auffassung, die davon ausgeht, dass die Frage einer allfälligen verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung von einem ordentlichen Gericht nicht aus eigenem, sondern nur vom VfGH beurteilt werden könne, insbesondere unter Berücksichtigung auch der EuGH-Judikatur, wonach alle Gerichte die effektive Umsetzung des Unionsrechts mit den ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln sicherzustellen haben (vgl. z.B. EuGH vom 15. Oktober 2015, C 581/14 [Naderhirn, EU:C:2015:707], RN 32, m.w.N.), im Ergebnis nicht bzw. nur mehr insoweit als haltbar erweisen, als es die Frage der Verfassungsmäßigkeit der nationalen Schrankenregelung, nicht jedoch auch insoweit, als es die Frage von deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht betrifft:
Denn in zivilgerichtlichen, im Besonderen: in wettbewerbsrechtlichen Verfahren ist die als unionsrechtswidrig erachtete Norm zwar nicht unmittelbar anwendbar – wie etwa im Falle einer auf das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, BGBl 448/1984 i.d.g.F. BGBl I 49/2015 (im Folgenden: UWG), gerichteten Unterlassungsklage eines Bewilligungsinhabers gegen einen Nichtkonzessionär: Ob insoweit eine „unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung“ i.S.d. § 1 Abs. 1 Z. 1 UWG vorliegt, ist aber danach zu beurteilen, ob Glücksspielgeräte nur mit einer nach dem GSpG erforderliche Konzession oder auch ohne eine solche betrieben werden dürfen; auf diese Weise hat daher das Zivilgericht notwendigerweise auch über die untrennbar damit verbundene Vorfrage zu entscheiden, ob das im GSpG normierte Konzessionssystem im Lichte des Art. 56 AEUV unionsrechtskonform ist oder nicht, wobei im letzteren Fall das GSpG (unter den oben unter III.3.2.2. genannten Voraussetzungen) nicht anzuwenden ist (vgl. in diesem Sinne z.B. LG Graz vom 20. April 2016, 10 Cg 22/16w).
Hierzu bedarf es aber nicht nur keiner vorangehenden Befassung des VfGH, vielmehr ist einem unterinstanzlichen Gericht ein derartiger Weg – wie aus der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des EuGH hervorgeht – sogar ausdrücklich verwehrt: Dieses hat die Frage der Unionsrechtskompatibilität ausschließlich aus eigenem und ohne vorangehende Befassung eines nach nationalem Recht allenfalls exklusiv zur Normenkontrolle berufenen Höchstgerichts zu entscheiden (vgl. z.B. EuGH vom 11. September 2014, C‑112/13 [A und B, EU:C:2014:2195], RN 36 und 46, jeweils m.w.N.; vom 15. Oktober 2015, C 581/14 [Naderhirn, EU:C:2015:707], RN 32, m.w.N.).
3.2.4. Analog gilt dies erst recht für Verfahren vor Verwaltungsgerichten, weil hier (im Gegensatz zu einem Verfahren vor einem ordentlichen Gericht oder im Verfahren vor dem VwGH [vgl. Art. 133 Abs. 5 B‑VG]) das Verfassungsrecht – und im Besonderen Art. 7 B‑VG – ebenfalls einen Prüfungsmaßstab bildet. Die Frage einer allfälligen verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung und damit die Vorfrage der Unionsrechtskonformität des GSpG-Monopols ist daher von Verwaltungsgerichten (unter den oben unter III.3.2.2. genannten Voraussetzungen) auch in Fällen mit Sachverhalten ohne Auslandsbezug zu prüfen; als verfassungswidrig könnte sich in diesem Zusammenhang allerdings erweisen, dass der belangten Behörde und der Amtspartei (bzw. dem Bundesminister für Finanzen als oberster Behörde) gegen eine solche Entscheidung des Verwaltungsgerichtes keine Beschwerdemöglichkeit an den VfGH (sondern nur ein [lediglich auf grundsätzliche Rechtsfragen eingeschränktes] Amtsrevisionsrecht an den für Verfassungsfragen gemäß Art. 133 Abs. 5 B‑VG allerdings explizit nicht zuständigen VwGH) zukommt[73].
3.2.5. Zusammengefasst geht der EuGH somit hinsichtlich des Problemdreiecks „Prüfung der Unionsrechtskompatibilität und Anwendbarkeit nationaler Normen – „Vereinbarkeit mit nationalem Verfassungsrecht – nationaler Instanzenzug“ offenbar von einem durch folgende Eckpunkte gekennzeichneten Konzept aus:
1. Die Letztkompetenz zur Beurteilung, ob eine nationale Rechtsvorschrift mit dem Unionsrecht vereinbar ist, kommt ausschließlich dem EuGH zu.
2. Davon ausgehend hat jedes nationale Gericht, soweit dieses Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Norm mit dem Unionsrecht hegt, einen Vorlageantrag gemäß Art. 267 AEUV an den EuGH zu stellen, und zwar
2.1. ex ante: ohne zuvor ein nach nationalem Recht allenfalls exklusiv zur Normenkontrolle berufenes Höchstgericht zu befassen sowie
2.2. ex post: ohne diesbezüglich an die Rechtsauffassung eines anderen (allenfalls auch instanzenmäßig übergeordneten) innerstaatlichen Gerichts gebunden zu sein.
3. Nationalen Gerichten kommt – ungeachtet ihrer Stellung im Instanzenzug – keine Kompetenz zur bindenden Auslegung des Unionsrechts zu; deren allfällige (Letzt-)Kompetenz zur Prüfung der Vereinbarkeit innerstaatlicher Gesetze mit der Verfassung (VfGH) und/oder von Individualakten mit verfassungs- bzw. einfachgesetzlichen Bestimmungen (VfGH, VwGH, OGH) steht damit vielmehr in keinerlei Zusammenhang, sondern ist völlig getrennt von der (bzw. parallel zur) Frage der Unionsrechtskompatibilität nationaler Normen zu betrachten.
4. Allenfalls kann eine (allerdings nicht rechtlich-formale, sondern lediglich) faktische Bindungswirkung anderer Gerichte dadurch erreicht werden, dass der Entscheidung ein EMRK-konformes Verfahren vorausgeht und diese inhaltlich überzeugend begründet wird. Ein durch Prinzipien wie Bindung an den Sachverhalt, Neuerungsverbot, bloß kassatorische Entscheidung etc. gekennzeichnetes Verfahrenssystem entspricht jedoch nicht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK an ein faires Verfahren.
5. Die (verfassungs-)gesetzliche Institutionalisierung einer zentralen Kompetenz zugunsten eines bestimmten nationalen (Höchst-)Gerichts zur Prüfung der Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht wäre unionsrechtswidrig[74].
6. Im Falle von einander widersprechenden Entscheidungen innerstaatlicher Gerichte wäre – unter der Voraussetzung, dass diese Ergebnisse jeweils in einem EMRK-konformen Verfahren erzielt wurden (was nicht vorbehaltlos zutrifft, wenn der EuGH auf die faktische Kohärenz der nationalen Norm abstellt, das innerstaatliche Gericht jedoch an Verfahrensprinzipien wie oben unter 4. angeführt gebunden ist) – von einem dieser Gerichte neuerlich ein Vorlageantrag zu stellen[75].
7. Angesichts dessen, dass vom zuständigen Gericht in der Regel[76] jeweils umgehend für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts in Bezug auf eine unionsrechtswidrige Inländerdiskriminierung (bzw. „umgekehrte Diskriminierung“) zu sorgen ist, ist daher in Fällen, in denen die Unionsrechtswidrigkeit offensichtlich auch zu einer Verfassungswidrigkeit führt, das unionsrechtswidrige nationale Recht im konkreten Einzelfall auch dann nicht anzuwenden, wenn eine entsprechende Feststellung des VfGH noch nicht vorliegt (vgl. dazu näher LVwG OÖ vom 12. Juli 2016, LVwG-050057, S. 30).
Im Ergebnis soll also nach der Vorstellung des EuGH offenbar an die Stelle eines durch „Führungsabhängigkeit und unreflektierte Verantwortungsdelegation nach oben“ geprägten Systems – zumindest im Bereich der (unabhängigen) Gerichtsbarkeit – ein solches treten, das durch „eigenverantwortliche Entscheidungskompetenz und inhaltliche Überzeugung der Begründung“ gekennzeichnet ist.
3.2.6. Interpretiert man vor einem derartigen europarechtlichen Hintergrund die Bestimmung des § 86a VfGG unionsrechtskonform, so scheint das LVwG OÖ durch den Beschluss des VfGH vom 2. Juli 2016, E 945/2016 u.a. (= BGBl I 57/2016, ausgegeben am 12. Juli 2016), nicht daran gehindert, im vorliegenden Fall eine Sachentscheidung zu treffen:
Denn nach § 86a Abs. 3 Z. 1 lit. a VfGG tritt zwar mit Ablauf des Tages der Kundmachung eines derartigen Beschlusses – d.i. hier: seit dem 13. Juli 2016 – grundsätzlich die Wirkung ein, dass von den Verwaltungsgerichten nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden dürfen, „die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können“ (und nicht umgekehrt: „durch die das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden kann“!) oder die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
Da jedoch einerseits eine Feststellung des VfGH dahin, ob das im GSpG normierte Monopolsystem mit der österreichischen Verfassung vereinbar ist oder nicht, keine Auswirkung für die Beurteilung der Unionsrechtskompatibilität dieser nationalen Regelung hat und andererseits die letztere Frage nach dem zuvor Ausgeführten vom LVwG OÖ eigenständig und ohne Bindung an die Rechtsansicht anderer Gerichte – nämlich anhand einer konkreten Überprüfung der faktischen Kohärenz der Monopolbestimmungen des GSpG im Lichte einer verhältnismäßigen Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV – zu beurteilen ist (vgl. EuGH vom 30. April 2014, C-390/12 [Pfleger, EU:C:2014:281], RN 55 ff, und vom 15. Oktober 2015, C 581/14 [Naderhirn, EU:C:2015:707], RN 32, m.w.N.), kann sohin die hg. Entscheidung – zumindest, soweit es die unionsrechtliche Frage betrifft – durch das Erkenntnis des VfGH nicht beeinflusst werden.
Allgemein folgt daraus, dass die Bestimmung des § 86a VfGG sohin auf unionsrechtliche Fragen nicht anzuwenden ist.
3.3. Angesichts dessen sowie mit Blick darauf, dass sowohl der OGH als auch der VwGH unter der Voraussetzung, dass die Prüfung der Frage einer verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung exklusiv dem VfGH zukommt, jeweils selbst davon ausgehen, dass das unterinstanzliche Gericht vor der Stellung eines entsprechenden Gesetzprüfungsantrages gemäß Art. 140 Abs. 1 B‑VG zu klären hat, ob das GSpG-Monopol in tatsächlicher Hinsicht unionsrechtswidrig ist, wobei es hierfür gerichtlicher Ermittlungen und Feststellungen dahin bedarf, ob die Wirkungen der Regelungen des GSpG wirklich zu effektivem Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung führen und in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spielen verringern (vgl. z.B. OGH vom 21. Oktober 2014, 4 Ob 145/14y, und VwGH vom 5. April 2016, Ra 2015/17/0063), sind somit im gegenständlichen Fall vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich die vom EuGH vorgegebenen und in der Rechtsprechung der drei österreichischen Höchstgerichte (VfGH, OGH, VwGH) jeweils übernommenen Kriterien dafür, ob das GSpG-Monopol mit der in Art. 56 AEUV normierten Dienstleistungsfreiheit sowohl dem Grunde nach vereinbar ist als auch im Besonderen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügt, zu prüfen, d.h.: welche bzw. ob mit der im GSpG verankerten Monopolregelung tatsächlich die Ziele des erhöhten Spielerschutzes und einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung – und nicht etwa vorrangig jenes einer Erhöhung der Staatseinnahmen – verfolgt werden, ob dadurch tatsächlich und systematisch insbesondere der Anreiz und die Gelegenheit zum Spiel verringert werden und ob die aus dem GSpG-Monopol resultierenden Beschränkungen in ihrer Gesamtheit sowie im jeweils für sich betrachtet verhältnismäßig sind.
3.3.1. Gemäß Art. 56 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Europäischen Union für Angehörige von Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, grundsätzlich verboten bzw. nur im Rahmen jener Kriterien zulässig, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben.
Im Besonderen hat der EuGH in Bezug auf das bislang noch nicht harmonisierte Glücksspielwesen in seinem Urteil vom 30. April 2014, C-390/12 (Pfleger, EU:C:2014:281), ausgesprochen, dass Art. 56 AEUV in diesem Zusammenhang dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Monopolregelung wie jener des GSpG entgegensteht, sofern ein derartiges System „nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen“.
Begründend wurde dazu insbesondere ausgeführt (vgl. näher die RN 39 bis 64 dieses Urteils), dass eine Regelung, die den Betrieb von Glücksspielautomaten ohne vorab erteilte behördliche Erlaubnis verbietet, eine Beschränkung des durch Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (vgl. auch EuGH vom 6. März 2007, C-338/04 [Placanica, EU:C:2007:133], RN 42).
Daher hat das nationale Gericht zu prüfen, ob eine solche Beschränkung im Rahmen der Ausnahmeregelungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die in den nach Art. 62 AEUV auch auf dem Gebiet des freien Dienstleistungsverkehrs anwendbaren Art. 51 AEUV und Art. 52 AEUV ausdrücklich vorgesehen sind, zulässig oder gemäß der Rechtsprechung des EuGH aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl. EuGH vom 19. Juli 2012, C 470/11 [Garkalns, EU:C:2012:505], RN 35 und die dort angeführte Rechtsprechung); zu diesen Gründen zählen vor allem der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen (vgl. EuGH vom 8. September 2010, C-46/08 [Carmen Media Group, EU:C:2010:505], RN 55 m.w.N.).
Sollte sich jedoch im Zuge einer Gesamtwürdigung ergeben, dass die Monopolregelung des GSpG nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung (insbes. der Betrugsvorbeugung) verfolgt und/oder nicht tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise die Anreize und Gelegenheiten zum Spiel verringert, sondern de facto bloß eine Maximierung der Staatseinnahmen intendiert und/oder die daraus resultierenden Beschränkungen nicht den sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. EuGH vom September 2011, C-347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 54 f), wäre eine solche mitgliedstaatliche Konzeption nicht mit dem Unionsrecht vereinbar; davon ausgehend könnte aber der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine beschränkende nationale Regelung im Glücksspielbereich auch nicht zu Sanktionen führen, wenn bzw. soweit eine solche Eingriffsnorm selbst gegen Unionsrecht verstößt (vgl. z.B. EuGH vom 30. April 2014, C-390/12 [Pfleger, EU:C:2014:281], RN 64).
Vor diesem Hintergrund sind daher im Folgenden die vom EuGH aufgestellten Kriterien zur Rechtfertigung eines Monopolsystems im Bereich des Glücksspielwesens im Einzelnen jeweils näher zu untersuchen.
3.3.2. Spielerschutz und Suchtprävention
3.3.2.1. Wie sich den darauf bezüglichen Gesetzesmaterialien entnehmen lässt (vgl. 657 BlgNR, 24. GP, S. 1 und 3), sollte der Spielerschutz eine wesentliche Zielsetzung der GSpG-Novelle BGBl I 73/2010, bilden, wenn dort ausgeführt wird:
„Beim Automatenglücksspiel sollen noch stärker Jugendschutz und Spielerschutz im Vordergrund stehen. Automatensalons sowie Automaten in Einzelaufstellung sollen unter strengen Spielerschutzbestimmungen und Aufsichtsregeln in Landeskompetenz bleiben.“
bzw.:
„Glücksspiel ist ein Thema von europaweitem Interesse, da es die gesellschaftsrechtliche Verantwortung betrifft und von hoher ordnungspolitischer Relevanz ist. Der Spielerschutz steht dabei an erster Stelle. Auch die Europäische Kommission legt in Hinblick auf den Bestand nationaler Monopole erhöhtes Augenmerk auf Spielsuchtprävention (Vertragsverletzungsverfahren in einigen Staaten) und auf Kriminalitätsabwehr.
Mit der umfassenden Änderung des Glücksspielrechts in Österreich soll insbesondere folgenden Zielen Rechnung getragen werden:
- Jugendschutz: Dem Gesetzgeber ist es ein besonderes Anliegen, den Schutz für die Jugend umfassend sicher zu stellen. Jugendschutz soll daher flächendeckend bei allen Glücksspielangeboten durch Bundeskonzessionäre und Landesbewilligungsinhaber an die erste Stelle gereiht und umgesetzt werden (Zugangskontrolle).
- Spielerschutz sowie soziale Sicherheit der Familien und Kinder: Spielsucht darf nicht die soziale Sicherheit der Familien und Kinder gefährden. Spielsucht zerstört auch Familien, indem unkontrolliert viel Zeit mit Glücksspielen zugebracht und mitunter viel Geld verloren wird. Je höher nämlich der Verlust, desto höher ist der Anreiz, noch mehr einzusetzen, um den Verlust wettzumachen. Durch die Festlegung eines Höchstgewinns und einer Mindestdauer für das einzelne Spiel, durch den Einsatz von Warnsystemen und die Vorgabe echter Einsatzlimits soll der Spielsucht Einhalt geboten werden können. Die Verbesserung des Konsumentenschutzes ist damit ein wesentliches Reformanliegen.“
Spielerschutz und Suchtprävention stellen grundsätzlich jeweils Ziele dar, die eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen.
3.3.2.2. Bezüglich der tatsächlichen Umsetzung dieser beiden Ziele ist in dem vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich durchgeführten Ermittlungsverfahren einerseits zutage getreten, dass den einzelnen im Zuge der Erteilung der (insgesamt limitierten) Bewilligungen zum Zug gekommenen Konzessionären jeweils zweckentsprechende, dem Spielerschutz und der Suchtpräventionen dienende Maßnahmen (wie z.B. Mindestdauer pro Spiel, Mindestabstandsregelungen, Zutrittskontrolle, Verbot von bestimmten Spielinhalten, Einsatz- und Gewinnlimits) bescheidmäßig vorgeschrieben wurden, wobei die Kontrolle der Einhaltung dieser Auflagen von den staatlichen Behörden wahrgenommen wird. Dass es insoweit bislang noch zu keinen nennenswerten Beanstandungen gekommen ist, lässt allerdings keine zwingenden Rückschlüsse auf die Effektivität dieser Regelungen zu, weil aus diesem Umstand sowohl abgeleitet werden kann, dass die Konzessionäre bislang sämtliche bescheidmäßigen Vorgaben eingehalten haben, aber auch, dass die entsprechenden Kontrollen bisher nicht mit der gebotenen Stringenz durchgeführt wurden. Zudem wurde beim Bundesministerium für Finanzen eine Stabsstelle für Spielerschutz eingerichtet, die mit anderen Spielerschutzinstitutionen kooperiert[77].
Andererseits ließ sich aber der diesen Spielerschutzmaßnahmen zu Grunde liegende Ausgangspunkt, nämlich ein Quantum von insgesamt 64.000 (verhaltensauffällig bzw. pathologisch) glücksspielsüchtigen Personen in Österreich, nicht verifizieren. Denn diese Zahl entstammt einer vom „Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg“ überwiegend schon im Jahr 2010 erstellten (und nachfolgend im Jahr 2015 konkretisierten) Studie[78], deren primäre Zielsetzung in der Erstellung einer wissenschaftlichen Basis für künftige Glücksspielpräventionsmaßnahmen bestand[79]. Konkret wurde dieser Anteil derart ermittelt, dass in sämtlichen neun Bundesländern (bloß) aus der Menge aller deutsch sprechenden Österreicher der Altersgruppe zwischen 14 und 65 Jahren (insgesamt 5,836.144 weibliche und männliche Staatsbürger) jeweils ca. 700 Personen pro Bundesland ausgewählt und mit diesen eine telefonische Umfrage (als sog. „Repräsentativbefragung“ bezeichnet) durchgeführt wurde; von den sonach insgesamt 6.324 Befragten gaben 27 Personen (≈ 0,43%) an, (nach eigener subjektiver Bewertung entsprechender Testkriterien) ein problematisches Spielverhalten, bzw. 41 Personen (≈ 0,65%) an, ein pathologisches Spielverhalten aufzuweisen; insgesamt 68 Personen qualifizierten sich demnach im Wege einer eigenen subjektiven Einschätzung als „spielverhaltensproblematisch“ bzw. „pathologisch spielsüchtig“, während „die weit überwiegende Mehrzahl der an Glücksspielen teilnehmenden Personen“ – nämlich insgesamt 98,91%, wobei auf 97,23% der Befragten überhaupt keines der insgesamt 10 Kriterien des „diagnostischen und statistischen Manuals psychischer Störungen“ (sog. DSM-IV-Kriterien[80]) zutraf[81] – „keine spielbezogenen Probleme zeigt(e)“[82]. Statistisch hochgerechnet ergäbe dies einerseits eine absolute Zahl von ca. 25.096 bzw. von ca. 37.935 Personen – und damit insgesamt von ca. 63.031 Personen (≈ 1,1% der Gesamtmenge) –, die sich subjektiv als verhaltensauffällige bzw. pathologische Spieler einschätzen, denen andererseits 5,772.530 Personen ohne jegliche Spielprobleme gegenüberstünden.
Seither wird diese bloß statistisch errechnete Gesamtanzahl von „64.000 Spielsüchtigen“ allseits unreflektiert weitertradiert, wie sich dies beispielsweise auch aus den „Factsheets Sucht“[83] des „Instituts Suchtprävention (IS) pro mente Oberösterreich“[84] (aktuell: Version 2.3 vom 2. September 2014, S. 5) ergibt, obwohl sich dort zumindest einerseits die Feststellung findet, dass es sich um „die erste und bisher einzige repräsentative telefonische Befragung der österreichischen Bevölkerung (im Alter von 14 bis 65 Jahren)“ handelte und andererseits kritisch klargestellt wird, dass „der Begriff ‚Abhängigkeit‘ ..... in dieser Allgemeinheit nicht unproblematisch [ist], da er in den verschiedenen Verhaltens- und Suchtbereichen eine jeweils andere Bedeutung besitzt und sich unter diesem Begriff unterschiedlichste Problematiken versammeln. Insbesondere bei Alkohol und Nikotinzahlen zielen die oben angeführten Zahlen eher auf körperliche Abhängigkeit, während die Verhaltenssüchte von Natur aus in rein psychischer Abhängigkeit begründet sind.“ (vgl. S. 4, FN 1). Von einer solchen in Bezug auf Glücksspiel als „rein psychischer Abhängigkeit“ ausgehend kann es daher auch kaum überraschen, dass die Absolutzahl an (pathologisch) Spielsüchtigen (38.000), v.a. aber die vom IS ebenfalls erhobene Anzahl an Kauf- (565.000) und Medikamentensüchtigen (90.000 bis 130.000) beispielsweise die absolute Anzahl an (physisch) Drogenabhängigen (25.000 bis 37.000) überwiegt (vgl. S. 4).
Nicht überzeugend erscheint daher v.a. die dem „Glücksspielbericht 2010-2013“ des Bundesministers für Finanzen zu Grunde liegende Methode, aus einer telefonischen Umfrage mit 6.300 Personen, in der insgesamt bloß 68 Befragte – und noch dazu subjektiv sowie auf Basis von keinesfalls präzisen sowie kaum objektivierbaren Kriterien[85] – ein auffälliges oder sogar pathologisches Spielverhalten angegeben haben, darauf zu schließen, dass es in Österreich nicht nur statistisch-prognostisch, sondern tatsächlich insgesamt 64.000 spielsüchtige Personen in der Altersgruppe zwischen 14 und 65 Jahren geben soll. Vielmehr handelt es sich insoweit bloß um einen fiktiven mathematischen Wert[86], hinsichtlich dessen seit der überwiegend im Jahr 2010 durchgeführten Erhebung lediglich ein weiterer Versuch einer nachfolgenden Verifizierung unternommen wurde, nämlich im Wege der Studie „Glücksspielverhalten und Glücksspielprobleme in Österreich – Ergebnisse der Repräsentativerhebung 2015“ des in Hamburg situierten Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung. Diese mit denselben Methoden durchgeführte Untersuchung gelangte zum Ergebnis, dass „in Österreich aktuell zwischen 27.000 bis etwa 46.000 Personen“ also sogar weniger als 64.000 – „spielsüchtig“ sein dürften (vgl. S. 24 f).
Dazu kommt, dass beispielsweise auch aus dem Jahresbericht 2013 des Vereines „(Wiener) Spielsuchthilfe“ hervorgeht[87], dass dessen Online-Beratungen in diesem Zeitraum lediglich von 411 Personen (gegenüber 359 Personen im Jahr davor) in Anspruch genommen und von dieser Institution im Jahr 2013 insgesamt nur 791 Personen (davon 460 Neufälle) betreut wurden. Dass damit insgesamt lediglich ca. 1% der (vermeintlich) Spielsüchtigen sowie der zu diesen in einer Nahebeziehung stehenden Personen (v.a. Ehe- und Lebenspartner, Eltern, Kinder, etc.) die überwiegend kostenlosen Unterstützungsangebote der Spielsuchthilfe in Anspruch genommen haben sollen, erscheint aber schlechthin nicht nachvollziehbar.
Objektiv besehen vermag sich daher die Zahl von 64.000 spielsüchtigen Personen nicht auf eine nachvollziehbare faktische Untermauerung zu gründen und kann daher auch nicht als erwiesene Tatsache einer gerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden[88]; als erwiesen kann vielmehr bloß angesehen werden, dass sich dieser Studie zufolge insgesamt 68 Personen selbst als spielsüchtig eingeschätzt haben.
Da sonstige diesbezügliche Nachweise weder vorgelegt wurden noch erkennbar sind, geht das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich somit bis zum Beweis des Gegenteils (der den staatlichen Behörden obliegt) davon aus, dass es sich bei der Zahl von 64.000 spielsüchtigen Personen lediglich um eine unbelegte Vermutung handelt.
Vor einem derartigen Hintergrund (also auf einer Basis von bloß 68 Personen, die sich im Zuge eines telefonischen Interviews selbst als pathologisch süchtig bzw. verhaltensauffällig glücksspielend eingeschätzt haben) ist demnach im Ergebnis zu konstatieren, dass die Spielsucht in Österreich – selbst wenn man die Zahl von 64.000 als zutreffend zu Grunde legen würde – weder zum Zeitpunkt der Erlassung der einen maßgeblichen Systemwechsel intendierenden GSpG-Novelle 2010 (BGBl I 73/2010) noch gegenwärtig ein überdurchschnittlich maßgebliches oder gar gesamtgesellschaftlich relevantes Problem darstellt(e), das ein unabdingbar gebotenes und unverzügliches Einschreiten des Gesetzgebers oder der staatlichen Behörden erfordert hätte oder erfordern würde.
Gegenteiliges würde im Übrigen auch dann nicht gelten, wenn man die Zahl von 64.000 spielsüchtigen Personen als tatsächlich zutreffend unterstellt, weil auch diese nicht über einen Anteil von bloß 1,1% der in Betracht gezogenen Bevölkerungsgruppe hinauskommen würde.
Allerdings vermindert sich vor einem derartigen Hintergrund jedenfalls die Plausibilität, dass beginnend mit der GSpG-Novelle BGBl I 73/2010 tatsächlich primär diese Ziele verfolgt werden sollten und sie nicht vielmehr bloß als ein andere Prioritäten rechtfertigender und/oder aus jenen resultierender Nebeneffekt anzusehen sind, ganz erheblich, insbesondere, wenn man in diesem Zusammenhang wiederum die geringe Zahl an feststehenden sachadäquaten Anlassfällen sowie den Umstand in Betracht zieht, dass die Suchthilfe nicht einmal vom Staat, sondern von den Konzessionären (denen zudem auch alle übrigen Kosten der Totalausgliederung aufgebürdet wurden) selbst finanziert wird[89].
Dies gilt im Übrigen selbst dann, wenn man die Schlussfolgerungen des vom Rechtsvertreter der Mitbeteiligten Partei vorgelegten, von Malgorzata Zanki verfassten „Manuskript(s) Suchtprävention“ – wonach die Spielerschutzbestimmungen des GSpG seit 2010 kaum tatsächliche Wirkung entfaltet und vor allem nicht zu einem effektiven Rückgang der Spielsucht geführt haben sollen – als nicht zutreffend unterstellt.
In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass auch die als „Glücksspielverhalten und Glücksspielprobleme in Österreich – Ergebnisse der Repräsentativerhebung 2015“ bezeichnete Studie (im Folgenden kurz: „Glücksspielstudie 2015“[90]) des in Hamburg situierten Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung[91] (ISD) zu der generellen Schlussfolgerung kommt, dass sich das Glücksspielverhalten der österreichischen Bevölkerung im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 nicht maßgeblich verändert hat (S. 16): Speziell bezogen auf Glücksspielgeräte habe sich nämlich gezeigt, dass in diesem Zeitraum das Automatenglücksspiel außerhalb von Casinos nur leicht – nämlich von 1,2% auf 1,0% – gesunken ist und diese Spielform weiterhin in einem auffälligen Missverhältnis zu den beliebtesten Glücksspielarten („Lotto 6 aus 45“: 33,0%; „Joker“: 14,3%; „Euromillionen“: 13,2%; „Rubbellose“: 8,7%) steht (S. 17 f). Im Übrigen erfülle die weit überwiegende Mehrzahl (nämlich 97,2%) aller Befragten keines und 1,7% der Stichprobenteilnehmer bloß ein oder zwei der insgesamt zehn Kriterien des „Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen“ (vgl. S. 12), was einem riskanten Spielverhalten entspreche; ca. 0,5% der Teilnehmer würden durch Glücksspiel bedingte Probleme (= Erfüllung von drei oder vier DSM-IV-Kriterien) und 0,6% ein pathologisches Spielverhalten (= Erfüllung von mindestens fünf DSM-IV-Kriterien) aufweisen, woraus zu schließen sei, dass – zusammengerechnet – (höchstens) „1,1% aller Österreicher/innen (14 bis 65 Jahre) über ein problematisches oder pathologisches Spielverhalten verfügen“ würden, „das sind“ – mathematisch hochgerechnet (!) – „etwa 64.000 Personen“ (S. 23). Dabei könne es sich allerdings „immer nur um eine Schätzung der tatsächlichen Verhältnisse“ handeln; auf Grund dieser sei davon auszugehen, dass – wie auch bereits im Jahr 2009 – „in Österreich aktuell zwischen 27.000 bis etwa 46.000 Personen spielsüchtig“ sein dürften (S. 24 f). Allerdings sei bei jenen Befragten, die an Automaten außerhalb von Casinos – also an solchen, die in Spielhallen, Gaststätten oder Tankstellen aufgestellt sind – spielten, der Anteil an nicht bloß problematischen, sondern sogar pathologischen Spielern (= Erfüllung von drei oder vier DSM-IV-Kriterien) als signifikant hoch, nämlich mit 21,2%, zu qualifizieren, während sich dem gegenüber der Vergleichswert für Automatenglücksspiel in konzessionierten Salons der Casinos Austria AG als eher gering (4,4%) ausnehmen würde (S. 28 f). Unter einer Auswahl von 13 suchtpräventiven Maßnahmen kämen ein Spielverbot unter 18 Jahren (89%), eine spielartübergreifende Sperre (83%) bzw. eine Reduzierung der Werbung (70%) auf die höchsten Akzeptanzwerte, während das staatliche Glücksspielmonopol und ein Alkoholverbot in Spielstätten (jeweils unter 50%) sowohl in der Bevölkerung als auch unter den Spielern selbst auf die geringste Resonanz stoßen würden (S. 30 ff).
Ungeachtet dessen, dass das ISD auch nach der Rechtsordnung jenes Staates, in dem dieses seinen Sitz hat (BRD), nicht als eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, sondern als privater Verein[92] zu qualifizieren ist[93], wurde – sieht man davon ab, dass die im Zeitraum zwischen Jänner und Juni 2015 durchgeführte Befragung nunmehr 10.000 Personen (2009: 6.300 Personen) im Alter zwischen 14 und 65 Jahren im Rahmen einer (allerdings bloß telefonisch erhobenen) Stichprobe erfasste (S. 8 f) – bei der Erstellung der Glücksspielstudie 2015 wieder auf dieselbe Methodik zurückgegriffen, die bereits der Repräsentativerhebung 2009 zu Grunde lag (S. 8 ff). Berücksichtigt man weiters, dass die Glücksspielstudie 2015 selbst zu dem Ergebnis kommt, dass „sich das Glücksspielverhalten der österreichischen Bevölkerung seit dem Jahr 2009 nicht stark verändert“ hat (S. 3 und 16) und geschätzt in Österreich aktuell lediglich „zwischen 27.000 bis etwa 46.000 Personen spielsüchtig“ sein dürften (S. 24 f), bietet dieses Beweismittel für das erkennende Gericht sohin keine Veranlassung dazu, seine bisherige Würdigung der Frage, ob das im GSpG normierte Monopolsystem dem Unionsrecht entspricht (vgl. die oben unter Pkt. I.3.1. angeführten Entscheidungen), einer Revision zu unterziehen.
Dazu trägt insbesondere auch der Umstand bei, dass in der Glücksspielstudie 2015 überwiegend bloß prozentuelle Anteile angeführt, die daraus zu ziehenden Schlüsse hingegen nicht einmal angedeutet, geschweige denn nachvollziehbar begründet und somit die entscheidenden Fragen im Ergebnis vielfach nicht gelöst, sondern offen gelassen werden: So könnte beispielsweise (und stellvertretend für Vieles) aus der Angabe, dass das Automatenglücksspiel außerhalb von Casinos zwischen 2009 und 2015 leicht – nämlich von 1,2% auf 1,0% – gesunken ist, sowohl abgeleitet werden, dass dies als eine positive Konsequenz der verstärkten finanzpolizeilichen Kontrollen angesehen werden muss, aber auch, dass sich diese im Gegenteil wegen des kaum quantifizierbaren Erfolges gesamthaft betrachtet als ineffektiv erwiesen haben. Außerdem haben auch im Rahmen dieser Untersuchung lediglich 1,1% aller Befragten – also absolut besehen: 110 Personen – und zudem nur auf Grund einer Eigeneinschätzung angegeben, „mehr oder weniger stark spielsüchtig“ zu sein, sodass die aus einer bloßen Selbstreflexion abgeleitete Schlussfolgerung, dass „in Österreich aktuell zwischen 27.000 bis etwa 46.000 Personen spielsüchtig“ sein dürften, lediglich ein abstraktes Rechenexempel verkörpert, das jeglicher faktischer Verifizierbarkeit entbehrt.
Und selbst wenn man die in dieser Studie erstellten Prognosen und Schlussfolgerungen als vorbehaltlos zutreffend unterstellen würde, vermag dies nichts daran zu ändern, dass von der darin als „Spielsucht“ apostrophierten Problematik lediglich ein äußerst geringer Bevölkerungsanteil – nämlich bloß 1,1% – betroffen ist.
Diese Feststellung schließt es freilich nicht aus, von staatlicher Seite den Spielerschutz sowie die Suchtprävention dennoch zu einer vorrangige Aufgabe zu erklären, weil es grundsätzlich innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers bzw. der Behörden liegt, im Rahmen der dem Staat insgesamt zur Besorgung zukommenden Aufgaben allenfalls auch solche bevorzugt zu erledigen, hinsichtlich denen objektiv besehen keine zwingende Vordringlichkeit besteht. In diesem Zusammenhang erscheinen – abstrahiert von der Frage ihrer Notwendigkeit – die im GSpG vorgesehenen Maßnahmen (wie z.B. Einrichtung einer Spielerschutzstabsstelle und verpflichtende Zusammenarbeit mit Spielerschutzeinrichtungen, Zutrittssysteme und Zugangskontrolle, Mindestdauer pro Spiel, Verbot bestimmter Spielinhalte, Einsatz- und Gewinnlimits, Verbot parallel laufender Spiele, Abkühlphase, Mindestabstandsregelungen, Schulungskonzepte für Mitarbeiter, etc.) auch weder als prinzipiell ungeeignet noch als unverhältnismäßig, um die zum Regelungszweck des GSpG erklärten Ziele „Spielerschutz und Suchtprävention“ auch tatsächlich zu erreichen.
Allerdings fehlt es bei einer Gesamtbetrachtung der dargestellten Fakten an jeglicher Plausibilität und damit an jeglicher sachlichen Rechtfertigung, weshalb für einen so geringen Bevölkerungsanteil ein derart unverhältnismäßiger legistischer und administrativer Aufwand betrieben werden sollte; dies ganz abgesehen davon, dass konkrete Spielerschutzmaßnahmen erst seit der GSpG-Novelle 2010 – und zwar in offensichtlicher Reaktion auf die einschlägige neuere EuGH-Judikatur (vgl. die zuvor bereits mehrfach angeführten Rs. „Dickinger und Ömer“ sowie „Pfleger“) gesetzlich vorgeschrieben sind.
Im Übrigen lässt sich mangels entsprechender Belege hierfür auch nicht verifizieren, ob – und wenn ja, in welchem Ausmaß – sich diese auch tatsächlich als effizient erweisen.
3.3.3. Kriminalitätsbekämpfung und Kriminalitätsvorbeugung
Diesbezüglich lässt sich dem „Glücksspiel Bericht 2010-2013“ [94] entnehmen (vgl. S. 34 f), dass die Bekämpfung des illegalen Glücksspiels de facto auf mehreren Ebenen erfolgt, indem nach der Neuordnung des Glücksspiels (BGBl I 73/2010) zur Jahresmitte 2010 eine eigenständige „SOKO Glücksspiel“ ins Leben gerufen und diese im Jahr 2013 in die Finanzpolizei übergeführt wurde. Im Rahmen ihrer neuen Kontrolltätigkeit und Befugnisse hat die Finanzverwaltung bis Ende 2013 über 6.000 vorläufige Beschlagnahmen[95] (Glücksspielgeräte und sonstige Eingriffsgegenstände) durchgeführt. Die von der Finanzpolizei vorgenommenen Kontrollen und der dadurch aufrecht erhaltene hohe Verfolgungsdruck führten zu einer Vielzahl von Verwaltungsstrafverfahren, dem seitens illegaler Betreiber allerdings eine „Flucht ins Strafrecht“ gegenübersteht, weil in jenem Bereich kaum Verurteilungen wegen § 168 StGB zu befürchten sind. Dieser Verfolgungsdruck konnte bis zum Sommer 2013 aufrechterhalten werden; nach dem zu diesem Zeitpunkt erfolgten Judikaturwechsel bezüglich der Abgrenzung zwischen § 168 StGB und § 52 Abs. 1 GSpG wurden die Kontrollen im Bereich des Glücksspiels gemeinsam mit der Kriminalpolizei vorgenommen.
Ergänzend dazu heißt es in den Gesetzesmaterialien zur GSpG-Novelle BGBl I 14/2013, mit der die bis dahin maßgebliche Subsidiarität der verwaltungsbehördlichen Strafbestimmung des § 52 Abs. 1 GSpG gegenüber dem gerichtliche strafbaren Tatbestand des § 168 StGB ins Gegenteil verkehrt wurde, u.a. (vgl. die E zur RV, 24 BlgNR, 25. GP, S. 22):
„Die Erfahrungen aus dem bisherigen Vollzug der zuständigen Verwaltungsbehörden zeigen die Wirksamkeit und Effektivität des gewählten Modells. In den Jahren 2010 bis 2012 kam es erstinstanzlich zu 638 Verurteilungen, 1.195 Beschlagnahmen und 164 Einziehungen, die rechtskräftig in zweiter Instanz zu 478 Verurteilungen, 1.125 Beschlagnahmen und 58 Einziehungen führten. Im Jahr 2012 gab es demgegenüber nur zwei gerichtliche Verurteilungen nach § 168 StGB, in beiden Fällen wurde jeweils eine Geldstrafe verhängt, im Jahr 2011 gab es elf gerichtliche Verurteilungen nach § 168, die zu insgesamt sieben Geldstrafen, jeweils einer bedingten und teilbedingten Freiheitsstrafe sowie zu zwei anderen Sanktionen führten (Statistik Austria, Gerichtliche Kriminalstatistik 2011 und 2012). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Umkehr der bisherigen Subsidiaritätsregel zu keiner ‚Entkriminalisierung‘ führt.“.
Schon daraus geht aber jeweils übereinstimmend hervor, dass das illegale Glücksspiel in Österreich weder vor den mit BGBl I 73/2010 begonnenen Modifikationen des GSpG noch seither ein Kriminalitätsproblem der Art bildeten, dass daraus eine zwingende Notwendigkeit resultierte, i.S.d. Judikatur des EuGH vorrangig einen Schutz der Glücksspieler vor Betrug und anderen Straftaten zu gewährleisten (vgl. z.B. EuGH vom 15. September 2011, C-347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 52). Denn bei insgesamt bloß 18 Verurteilungen in einem Zeitraum von drei Jahren[96] kann offenkundig kaum von einem echten Kriminalitätsproblem gesprochen werden.
Gegenteiliges lässt sich auch der vom Bundesministerium für Finanzen im Glücksspielbericht 2010-2013 bezogenen Studie von Judith Köberl und Franz Prettenthaler[97] nicht entnehmen; denn von jenen von diesen Autoren angeführten insgesamt 74 Fällen von Beschaffungskriminalität in den Jahren 2006 und 2007 lassen sich auch nach deren eigenem Vorbringen[98] lediglich 17 als solche qualifizieren, in denen zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit die „Glücksspielsucht als alleiniges Motiv“ für die Begehung schwerer Straftaten (wie Raub, Betrug, Einbruch, etc.) in Betracht kam[99].
Selbst wenn man nämlich diese Zahlen vorbehaltslos als zutreffend unterstellt, ergibt sich schon allein daraus, insbesondere aber in Verbindung mit der durch die GSpG-Novelle BGBl I 13/2014 vorgenommenen Umkehrung der bisherigen Subsidiaritätsregel (vgl. § 52 Abs. 3 GSpG), hinsichtlich der der VfGH in seiner Entscheidung vom 10. März 2015, E 1139/2014, der Sache nach (neuerlich) betont hat, dass das behördliche im Verhältnis zum gerichtlichen Strafrecht mit Blick auf das wesentlich geringere Höchstausmaß einer potentiell drohenden Freiheitsstrafe die deutlich weniger einschneidende Maßnahme darstellt, für das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich, dass das Automatenglücksspiel in Österreich zu keiner Zeit ein echtes sicherheitspolitisches Problem darstellte. Dazu kommt, dass auch der EuGH (vgl. z.B. dessen Urteil vom 31. März 2011, C 347/09 [Dickinger u. Ömer, EU:C:2011:582], RN 84, m.w.N.) unter „Kriminalität“ nicht bloß Verstöße gegen ordnungspolitische und/oder Monopolsicherungsvorschriften, sondern vielmehr erhebliche Eingriffe in die Rechtssphäre anderer Personen, insbesondere der Spieler und deren Angehöriger, versteht.
Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erachtet es daher als erwiesen, dass de facto beide „Systemnovellierungen“ des GSpG (BGBl I 73/2010 und BGBl I 13/2014) keine „Entkriminalisierung“ in jenem Sinne, wie diese vom EuGH gefordert wird, intendiert haben. Denn gesamthaft betrachtet bildete die weitaus überwiegende Anzahl der geahndeten Vergehen (638 Straferkenntnisse, 1.195 Beschlagnahmen und 164 Einziehungen der Verwaltungsstrafbehörden, von denen 478 Straferkenntnisse, 1.125 Beschlagnahmen und 58 Einziehungen im Rechtsmittelweg bestätigt wurden) bloße Ordnungsverstöße, die auf einer Nichtbeachtung von Vorschriften zur Sicherung des Monopolsystems beruhten, nicht aber davon losgelöste echte Fälle von mittlerer und schwerer (insbesondere Beschaffungs-)Kriminalität.
Überdies lässt sich deutlicher als dadurch, dass der Gesetzgeber parallel dazu dem gerichtlich strafbaren Tatbestand – als dem vergleichsweise gravierenderen Delikt – mit der Novelle BGBl I 13/2014 bewusst jeglichen Anwendungsbereich entzogen hat, wohl kaum zum Ausdruck bringen, dass das Glücksspiel für den österreichischen Staat in Wahrheit kein kriminal- und sicherheitspolitisch relevantes Problem darstellt, zumal die Effizienzsteigerung der verwaltungsbehördlichen Strafverfolgung nicht als eine primär-ursprüngliche Notwendigkeit, sondern bloß als eine aus der Einrichtung des Monopolsystems zu dessen weiterer Aufrechterhaltung erforderliche und sohin gleichsam selbst (künstlich) geschaffene bzw. systematisch zwangsläufig resultierende Folgewirkung qualifiziert werden muss (wobei sich in diesem Zusammenhang zudem auch noch die Frage der Verhältnismäßigkeit der damit verbundenen umfassenden [teilweise bereits an der Grenze des rechtsstaatlich noch Vertretbaren liegenden] Eingriffsbefugnisse stellt).
Insgesamt besehen erscheint es daher auf Grund der festgestellten faktischen Gegebenheiten, nämlich der geringen Zahl an sachadäquaten Anlassfällen, nicht als plausibel, dass die Monopolregelung des GSpG tatsächlich der Kriminalitätsbekämpfung und Kriminalitätsvorbeugung, im Besonderen der Hintanhaltung von Betrugsdelikten gegenüber den Spielern selbst und der Eindämmung von Beschaffungskriminalität dient.
3.3.4. Kohärente Reduktion von Spielanreizen, Kanalisierung der Spielgelegenheiten, maßvolle Werbung
Der (zunächst bloß vorläufigen) Überzeugung des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich, dass die Geschäftspolitik der Inhaber bundesrechtlicher Konzessionen (Casinos Austria AG und Österreichische Lotterien GmbH; andere Bewilligungsinhaber für Spielbankenkonzessionen sowie Konzessionäre auf Grund landesrechtlicher Vorschriften müssen in diesem Zusammenhang hingegen vorläufig außer Betracht bleiben, weil sich jene gegenwärtig noch in der „Startphase“ ihrer Unternehmertätigkeit befinden[100]), im Besonderen deren Werbemaßnahmen, grundsätzlich aggressiv darauf ausgerichtet sind, zum Spielen der von den beiden Hauptkonzessionären angebotenen Glücksspielarten zu animieren, geradezu notorisch ist – wie jeder willkürliche Blick in ein zufällig ausgewähltes Print- oder elektronisches Medium, insbesondere jede Konsumation von durch entsprechend aufdringliche Werbeintervalle unterbrochenen Fernseh- und Hörfunkprogrammen zur sog. „Prime-Time“ zeigt –, wurde auch von den Verfahrensparteien nicht entgegengetreten. Im Übrigen ist hierzu auch auf die obigen Feststellungen unter II.2.6. zu verweisen.
Während der sog. „Startphase“ (die insoweit in etwa mit dem ersten Viertel bis ersten Drittel der faktischen Laufzeit der Konzession anzusetzen ist[101]) erweist sich eine expansionistische Geschäfts- und Werbestrategie aus der Sicht des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich im Ergebnis deshalb nicht als unzulässig und damit auch nicht als unionsrechtswidrig, weil eine wesentliche – und vom EuGH auch anerkannte – Stoßrichtung eines Monopolsystems auf diesem bislang noch nicht harmonisierten Sektor darin liegt, die angesprochenen Zielgruppen vom illegalen Glücksspiel hin zu den erlaubten Glücksspielanbietern und -arten zu lenken.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass sich aus den von den Verfahrensparteien vorgelegten Beweismitteln nicht ergeben hat – und für das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich auch sonst nicht feststellbar ist –, dass gegenwärtig bereits gezielte Werbeaktivitäten in der Richtung existieren, dass im vorgenannten Sinn speziell auch das Automatenglücksspiel in legale Bahnen gelenkt wird.
Sollte sich Derartiges allerdings auch nach dem Ende der Startphase – d.h. bis Jahresende 2017[102] – noch nicht deutlich herauskristallisiert haben, so würde sich insoweit aber wohl kaum tatsächlich eine effektive Um- bzw. Hinlenkung zu erlaubten Glücksspielanbietern und ‑arten belegen lassen.
3.3.5. Staatseinnahmen
Bereits in den anlassfallbezogenen Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH wurde auch von der Vertreterin der Bundesregierung selbst gar nicht in Abrede gestellt (wenngleich dort bloß als ein „erfreulicher Nebeneffekt“ bezeichnet), dass die Beibehaltung des Monopolsystems zu einer Sicherung von Staatseinnahmen in einem nicht unerheblichen Ausmaß (von ca. 500 Mio. Euro jährlich) führt[103].
Gleiches lässt sich auch bereits aus den Gesetzesmaterialien zur GSpG-Novelle BGBl 73/2010 ableiten, wenn dort u.a. ausgeführt wird (vgl. 657 BlgNR, 24. GP, insbes. S. 1, S. 3 ff und S. 11 f):
„Automatensalons sowie Automaten in Einzelaufstellung sollen unter strengen Spielerschutzbestimmungen und Aufsichtsregeln in Landeskompetenz bleiben. Sie werden mit einer geteilten Abgabe belegt. ..... Die Automaten und Video Lotterie Terminals (VLT's) werden einer geteilten Abgabe unterworfen und die bisherigen Erlaubnisländer erhalten gesetzlich garantierte Mindesteinnahmen. ..... Es wird ..... davon ausgegangen, dass das Aufkommen inkl. Zuschlag der Länder ..... über 150 Mio. Euro p.a. liegen wird und somit die Mindereinnahmen ..... überkompensiert werden. ..... Die bisherigen 'Erlaubnisländer' erhalten zusätzlich eine Finanzzuweisung des Bundes, wenn ihre Einnahmen aus dem Zuschlag bestimmte Garantiebeträge, die aus den bisherigen Einnahmen aus Vergnügungssteuern abgeleitet wurden, nicht erreichen. ..... Die bisherigen Erlaubnisländer Niederösterreich, Steiermark und Kärnten erhalten eine Bedarfszuweisung des Bundes, wenn ihre Einnahmen aus dem landesgesetzlich geregelten Zuschlag der Länder bestimmte Jahresbeträge, die aus den erwarteten Einnahmen aus der bisherigen Vergnügungssteuer abgeleitet werden, nicht erreichen. Damit werden die Länder auch dagegen abgesichert, dass die Einnahmen nicht den Erwartungen entsprechen. ..... Die Garantiebeträge werden aliquot gekürzt, wenn in einem Land das Höchstausmaß des Zuschlags nicht ausgeschöpft wird, wenn die höchstzulässige Anzahl von Glücksspielautomaten nicht oder nicht ganzjährig erreicht wird, wenn Glücksspielautomaten nicht ganzjährig betrieben werden, oder wenn in den Bewilligungen die Bedingungen für den Spielverlauf unter den Grenzen des § 5 Abs. 5 GSpG bleiben. Bei dieser aliquoten Kürzung wird daher darauf Bedacht genommen, in welchem Umfang, aber auch wie lange in einem Land die bestehenden Möglichkeiten nicht ausgenützt werden."[104]
Schließlich ist auch einer gemeinsamen Pressaussendung der beiden Monopolinhaber „Casinos Austria AG“ und „Österreichische Lotterien GmbH“ vom 8. April 2015 über das Geschäftsjahr 2014 – hinsichtlich der sich objektiv besehen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Richtigkeit dieser Angaben zu bezweifeln wäre – zu entnehmen, dass diese Konzessionäre zu den „Top-5-Steuerzahlern“ in Österreich (2014: insgesamt 552 Mio. Euro) gehören[105].
All dies führt daher zu der Schlussfolgerung, dass allein dem Bund aus dem Glücksspielmonopol jährlich Einnahmen in einer Höhe von mehr als einer halben Milliarde Euro erwachsen. Dies entspricht einem Anteil von 0,4% an den jährlichen Gesamteinnahmen dieser Gebietskörperschaft[106] und stellt sohin keineswegs eine vernachlässigbare oder gar verzichtbare Quote dar. Dazu kommt, dass der Staat das Glücksspielangebot vollständig auslagern („privatisieren“) konnte, wobei die Konzessionäre nicht nur die angeführte hohe Abgabenquote trifft, sondern diese auch die bereits mit der Konzessionserteilung verbunden exorbitant hohen[107] Gebühren zu tragen sowie in der Folge in einem nicht unerheblichen Ausmaß auch aus eigenem die gesetzlichen Spielerschutz- und Suchtpräventionsmaßnahmen zu finanzieren haben.
Stellt man dem die Tatsache gegenüber, dass sowohl Spielerschutz und Suchtprävention als auch Kriminalitätsbekämpfung und ‑vorbeugung – wie zuvor aufgezeigt (vgl. III., 3.3.2. und 3.3.3.) – auf Grund der jeweils geringen Anzahl von Anlassfällen keine vordringlichen Staatsaufgaben verkörpern, so ergibt sich daraus nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich insgesamt, dass die Besorgung dieser Agenden vornehmlich bloß zu dem Zweck erfolgt, um vordergründig den Anforderungen der EuGH-Judikatur, wie diese v.a. in den Rs. „Dickunger u. Ömer“ bzw. „Pfleger“ zum Ausdruck gebracht wurde, Genüge zu tun und zugleich einen Vorwand für die Beibehaltung der Monopolregelung des GSpG zu bilden, während der Primärzweck dieser Konzeption in Wahrheit darin besteht, eine stabile Quote von 0,4% der jährlichen Gesamteinnahmen des Bundes sicherzustellen.
3.3.6. Verhältnismäßigkeit insgesamt sowie einzelner Eingriffsbefugnisse
3.3.6.1. Zur effektiven Hintanhaltung von Beeinträchtigungen des Glücksspielmonopols sind in den §§ 50 ff GSpG umfassende Eingriffsbefugnisse der Finanzbehörden (Finanzämter), vor allem aber auch der ihnen zugeordneten Exekutivorgane (Finanzpolizei) vorgesehen; hierzu zählen neben den weitläufigen Verwaltungsstrafdrohungen (vgl. § 52 Abs. 1 Z. 1 bis Z. 11 GSpG) auch detaillierte Betretungs‑, Einschau-, Informations- und Überprüfungsbefugnisse (§ 50 Abs. 4 GSpG), die Berechtigung zur Vornahme einer vorläufigen und/oder endgültigen Beschlagnahme (§ 53 GSpG) oder Einziehung samt nachfolgender Vernichtung der Eingriffsgegenstände (§ 54 GSpG) sowie die Anordnung einer Betriebsschließung (§ 56a GSpG).
Abgesehen davon, dass sich diese weit reichenden und jeweils ohne vorangehende richterliche Kontrolle teilweise massive Grundrechtsbeeinträchtigungen ermöglichenden einfachgesetzlichen Ermächtigungen bei Anlegung eines durchschnittlichen Maßstabes auch als verfassungsrechtlich höchst bedenklich erweisen – so z.B. im Hinblick auf den durch das Gesetz zum Schutze des Hausrechts, RGBl 88/1862 i.d.g.F. BGBl 422/1974 (im Folgenden: HausRG), seit über 150 Jahren garantierten rechtsstaatlichen Standard –, mag es in diesem Zusammenhang allenfalls als noch vertretbar erscheinen, eine nach nationalem Verfassungsrecht bestehende, nämlich durch das öffentliche Interesse an der Wahrung des Monopols bzw. der Sicherung entsprechender Staatseinnahmen sachlich zu rechtfertigende politische Gestaltungsbefugnis des einfachen Gesetzgebers zur Erlassung derartiger Eingriffsbefugnisse anzunehmen. Allerdings sind die Kriterien, anhand der die Verhältnismäßigkeit einer mitgliedstaatlichen Monopolregelung im Lichte des Art. 56 AEUV zu beurteilen ist, nicht mit jenen gleichzusetzen, anhand denen die Verfassungsmäßigkeit, im Besonderen die Gleichheitskonformität (bzw. sachpolitische Rechtfertigung) dieser Vorschriften zu beurteilen ist. Oder anders gewendet: Wäre Österreich kein Mitgliedstaat der Europäischen Union, könnten sich die Bestimmungen der §§ 50 ff GSpG im Lichte des nationalen Verfassungsrechts allenfalls auch als unbedenklich erweisen (und wäre diese Frage zudem autonom von den innerstaatlichen Organen zu entscheiden). So aber begegnen diese – wie dem Urteil des EuGH vom 30. April 2014, C‑390/12 (Pfleger, EU:C:2014:281), RN 57 ff, zu entnehmen ist – jedenfalls gravierenden Bedenken im Hinblick auf die Garantien der Art. 15 bis 17 EGRC (Berufsfreiheit, unternehmerische Freiheit, Eigentum), aber auch in Bezug auf die Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 7 EGRC) und den Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 EGRC): Denn die in Art. 52 Abs. 1 EGRC normierte Wesensgehaltssperre stellt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich sicher, dass jener Standard an staatlichen Eingriffsmodalitäten, der mit der EGRC im Zusammenhang mit der Sanktionierung von Verstößen gegen Unionsrecht generell festgelegt ist und insbesondere in den Art. 47 ff EGRC zum Ausdruck kommt, stets gewahrt bleiben muss. Selbst unter der Annahme, dass die im GSpG positivierte Monopolregelung als abstraktes System betrachtet mit dem Unionsrecht vereinbar wäre, würden sich daher jedenfalls die in den §§ 50 ff GSpG normierten Eingriffsbefugnisse als unverhältnismäßig erweisen, weil die mit diesen intendierte faktische Effizienz zum Zweck der Abwehr von Monopolbeeinträchtigungen – v.a. im Hinblick auf die gänzlich fehlende Bindung an vorangehende richterliche Ermächtigungen[108] – in ihrer Gesamtheit betrachtet jedenfalls überschießend ist und somit auch nicht dem in Art. 52 Abs. 1 EGRC normierten Kriterium des Gemeinwohls dient.
3.3.6.2. Von diesen Eingriffsbefugnissen abgesehen ließe sich zudem vor dem Hintergrund, dass die konsequenteste (freilich nicht nur mit einem gänzlichen Verzicht auf staatliche Einnahmen, sondern demgegenüber sogar mit einem hohen Kostenaufwand für eine effiziente Kontrolle verbundene) Maßnahme eines absoluten Verbots des Glücksspiels vom Bundesgesetzgeber nicht (bzw. bloß von einigen Landesgesetzgebern) gewählt wurde, eine Feststellung dahin, dass das im GSpG verankerte System der Monopolregelung dem Gebot der Kohärenz der Zielerreichung entspricht, aber ohnehin nur dann treffen, wenn sich zuvor zweifelsfrei annehmen lässt, dass einerseits Spielerschutz und Suchtprävention sowie Kriminalitätsvorbeugung und -bekämpfung vom Gesetzgeber tatsächlich als Primärziele beabsichtigt waren und andererseits diese Ziele von der vollziehenden Gewalt seither sowohl tatsächlich als auch konsequent umgesetzt wurden. Beides war bzw. ist jedoch – wie zuvor unter III.3.3.2. und 3.3.3. ausgeführt – jeweils nicht der Fall; nach Überzeugung des erkennenden Richters des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich bilden Spielerschutz, Suchprävention, Kriminalitätsbekämpfung und Kriminalitätsvorbeugung nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der mit der GSpG-Novelle 2010 begonnene Systemwechsel gegenwärtig noch in (bzw. am Ende) der sog. „Startphase“ befindet, lediglich Nebenziele, denen im Verhältnis zu den beiden Hauptzielen der Sicherung der Staatseinnahmen einerseits und der effizienten Aufrechterhaltung und Durchsetzung des Monopolsystems andererseits bloß untergeordnete Bedeutung zukommt.
3.3.6.3. Selbst wenn dies nicht zutreffen würde, ließe sich aber auch kein stichhaltiges Argument dafür finden – und wurden hierfür insbesondere auch seitens der belangten Behörde und der Amtspartei keine entsprechenden Beweismittel vorgelegt –, dass die mit der GSpG-Novelle beabsichtigten Ziele (Spielerschutz, Kriminalitätsbekämpfung und Sucht- sowie Kriminalitätsvorbeugung) lediglich durch das vom Bundesgesetzgeber konkret gewählte, extrem eingriffsintensive (nämlich nur noch durch ein gänzliches Verbot zu übertreffende) Monopolsystem und nicht gleichermaßen effektiv auch durch weniger einschneidende Maßnahmen – wie beispielsweise durch ein Konzessionssystem, das zwar in analoger Weise wie das derzeit bestehende sowohl umfassende (allerdings keine faktisch unüberwindbaren – und damit wiederum auf eine Monopolisierung hinauslaufenden – Hürden, wie etwa ein Stamm- oder Grundkapital von mindestens 22 Millionen Euro [vgl. § 21 Abs. 2 Z. 3 GSpG], errichtende) Spielerschutz-, Zugangs-, Schulungsmaßen etc. zu Lasten der Bewilligungsinhaber als auch rigorose staatliche Kontrollmaßnahmen vorsieht, zugleich aber darauf verzichtet, die Anzahl der zu vergebenden Konzessionen (im Sinne einer Bedarfsprüfung) zahlenmäßig zu beschränken – erreicht werden kann.
Somit erweisen sich im Ergebnis sowohl das Monopolsystem als solches als auch die zu dessen Aufrechterhaltung normierten (v.a. richtervorbehaltslos exekutiv‑)behördlichen Eingriffsermächtigungen als unverhältnismäßig und sohin nicht mit Art. 56 AEUV vereinbar.
3.4. Dieser Standpunkt erfährt auch durch Argumente, die in den von der Amtspartei und von der belangten Behörde bezeichneten, ein anderes Ergebnis präferierenden gerichtlichen Entscheidungen dargelegt werden, keine Modifikation:
Denn zunächst ist hervorzuheben, dass die diesen Urteilen zu Grunde liegende sog. „Beweiswürdigung“ jeweils durchgängig dem Muster folgt, die in diversen Studien (primär: des ISD) und in den Gesetzesmaterialien aufgestellten Behauptungen und Prognosen vorbehaltlos und ohne eigenständige inhaltliche Prüfung sowie nachfolgende argumentative Auseinandersetzung mit diesen als zutreffend zu unterstellen, davon ausgehend – in diametralem Gegensatz zu den vom EuGH gestellten Anforderungen – die Last zum Beweis des Gegenteils (nämlich: der Unionsrechtswidrigkeit des im GSpG verankerten Monopolsystems) auf den (vermeintlich widerrechtlich) in dieses Monopol Eingreifenden zu verschieben und sodann, soweit dessen Beweisanträge überhaupt ernsthaft in Verhandlung genommen werden, zu dem Ergebnis zu kommen, dass die von diesem behauptete Unionsrechtswidrigkeit zumindest nicht zweifelsfrei erwiesen werden konnte (symptomatisch etwa statt vieler LG Linz vom 9. Februar 2016, 38 Cg 141/15w-12).
Weiters ist darauf hinzuweisen, dass mittlerweile in gleicher Weise auch zahlreiche Entscheidungen anderer Gerichte existieren, die – wenngleich mit modifizierter Schwerpunktsetzung – entweder Bedenken gegen die Unionsrechtskonformität des im GSpG normierten Monopolsystems haben (vgl. z.B. LVwG Niederösterreich vom 21. Jänner 2016, LVwG-S-478/001-2014, und vom 2. Dezember 2015, LVwG-BN-14-0212) oder dezidiert davon ausgehen, dass dieses unionsrechtswidrig ist (vgl. z.B. LVwG Vorarlberg vom 21. März 2016, LVwG-1-059/R11-2015, und LG Graz vom 20. April 2016, 10 Cg 22/16w, sowie vom selben Tag, 10 Cg 21/16y).
3.4.1. In diesem Sinne hat auch der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom 30. März 2016, 4 Ob 31/16m u.a., mit dem beim VfGH gemäß Art. 140 Abs. 1 B‑VG ein Antrag auf Aufhebung der Monopolbestimmungen des GSpG eingebracht wurde, explizit festgestellt (vgl. S. 31 f): „Aus der vom Senat angenommen Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols folgt daher, dass die in Fallgestaltungen, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, weiter anzuwendenden Bestimmungen des Glücksspielrechts eine gegen Art. 7 B‑VG verstoßende Inländerdiskriminierung bewirken.“ (Hervorhebung nicht im Original).
Begründend wurde dazu – zusammengefasst – ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die unionsrechtliche Zulässigkeit des im GSpG normierten Monopolsystems nicht allein von Zielsetzungen des Gesetzgebers, sondern auch von der tatsächlichen Wirkung der gesetzlichen Regelungen abhängig sei. Hinsichtlich der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Spielausgaben, die prinzipiell einen Rechtfertigungsgrund für einen nationalrechtlichen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit bildet, und damit im Zusammenhang stehenden zulässigen Werbemaßnahmen der Konzessionsinhaber komme der Kohärenz der im GSpG getroffenen Regelung große Bedeutung zu: Für den Fall, dass die Eignung dieser Norm bejaht wird, beurteile der EuGH in einem zweiten Schritt deren Erforderlichkeit (Notwendigkeit) und gegebenenfalls in einem dritten Schritt die Angemessenheit der Beschränkung; eine nationale Regelung sei nach Ansicht des EuGH dann unionsrechtswidrig, wenn diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen.
Vor diesem Hintergrund sei zu konstatieren, dass nach den Feststellungen der unterinstanzlichen Gerichte die Österreichische Lotterien GmbH als Inhaberin aller in § 14 GSpG vorgesehenen Lotterienkonzessionen jährlich zwischen 40 und 50 Mio. Euro in Werbemaßnahmen investiere und damit unter den Top-Acht-Investoren bei Werbeausgaben in Österreich rangiere, wobei auf diese Weise gesamthaft besehen ein sehr breites Publikum angesprochen worden sei. Ähnliches gelte auch für die Casinos Austria AG als Inhaberin aller in § 21 GSpG vorgesehenen Spielbankkonzessionen. Im Ergebnis resultiere daraus, dass diese Werbung nicht ausschließlich dazu diene, Verbraucher zu den kontrollierten Spielnetzwerken zu lenken, sondern auch den Zweck verfolge, insbesondere jene Personen zur aktiven Teilnahme am Spiel anzuregen, die bis dato nicht ohne weiteres zu spielen bereit sind. Im Übrigen werde den Spielen ein positives Image zugeschrieben; weiters versuche diese Werbung, die Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften zu erhöhen, wobei zudem bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht gestellt werden. Dadurch würden insbesondere neue Zielgruppen zum Spielen angeregt und die Werbung schließlich auch laufend inhaltlich ausgedehnt. Im Sinne der Judikatur des EuGH liege sohin keine maßvolle Werbung vor, die sich bloß darauf beschränkt, Verbraucher zu den kontrollierten Spielernetzwerken zu lenken; in dieses Bild füge sich auch der Umstand, dass § 56 Abs. 1 GSpG eine Überprüfung des unionsrechtlich gebotenen Maßstabs bei Werbeauftritten im Weg einer Klage von Mitbewerbern oder klagebefugten Verbänden nach dem UWG ausschließt.
Daher fehle dem Glücksspielmonopol die unionsrechtlich erforderliche Rechtfertigung.
Davon ausgehend führe die Unionsrechtswidrigkeit des GSpG objektiv besehen auch insofern zu einer Inländerdiskriminierung, als einerseits ein ausländischer Anbieter, der in seinem Heimatstaat erlaubterweise – nämlich v.a. auf Grund einer unter vergleichsweise weniger rigiden Voraussetzungen erlangten Bewilligung – Ausspielungen veranstaltet, hierzu infolge der durch die Dienstleistungsfreiheit bewirkten Verdrängung der Monopolbestimmungen des GSpG auch in Österreich berechtigt ist, während Gleiches einem Inländer deshalb verwehrt bleibt, weil bei reinen Inlandssachverhalten die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV und somit auch die im Verhältnis dazu bestehende Unionsrechtswidrigkeit bzw. die daraus resultierende Verdrängungswirkung bezüglich der Monopolregelung des GSpG so lange nicht zum Tragen kommt, bis Letztere durch eine Aufhebung seitens des VfGH beseitigt ist.
3.4.2. Demgegenüber kommt der Verwaltungsgerichtshof in seinem im Verhältnis zum eben dargestellten Gesetzesprüfungsantrag des OGH (vom 30. März 2016) zeitlich früher datierten, de facto jedoch später erlassenen, nämlich (zwar bereits am 15. April 2016 auf der Homepage des VwGH veröffentlichen, aber) erst am 18. April 2016 den Verfahrensbeteiligten zugestellten Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, zwar zu dem Ergebnis, dass eine Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG nicht zu erkennen sei (RN 123), weil die mit diesem Gesetz angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität sowie der Verhinderung von kriminellen Handlungen gegenüber Spielern in kohärenter und systematischer Weise verfolgt würden und diese Ziele nicht bloß als Vorwand für die Beibehaltung der Monopolregelung bzw. einer Einnahmenmaximierung angesehen werden könnten. Dass vom Staat – bei Verfolgung gerechtfertigter Ziele im Sinne von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses – im Zusammenhang mit dem Glücksspiel hohe Einnahmen erzielt werden, mache die Regelungen des GSpG nicht unionsrechtwidrig, denn es sei zu berücksichtigen, dass sowohl die Maßnahmen des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung und der Kriminalitätsbekämpfung sowie die Aufsicht über die Glücksspielkonzessionäre und Bewilligungsinhaber und auch die medizinischen Behandlungskosten von Spielsüchtigen sowie Fürsorgeunterstützungen für Spielsüchtige und deren Familien hohe finanzielle Kosten verursachen würden. Daher sei es auch unter diesen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn neben der Verfolgung von legitimen Zielen zur Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch entsprechende Einnahmen aus Abgaben im Zusammenhang mit Glücksspiel durch den Staat lukriert werden, wobei im Übrigen gerade die vom LVwG OÖ geforderte Vergabe von Konzessionen und Bewilligungen in unbeschränkter Anzahl eine Erhöhung der vom Staat lukrierten Abgaben ermöglichen würde (RN 122).
3.4.2.1. Im Einzelnen muss in diesem Zusammenhang jedoch Folgendes ins Kalkül gezogen werden:
3.4.2.1.1. Rechtssystematisch besehen beruht die Begründung des VwGH, dass die Monopolregelung des GSpG tatsächlich dem Spielerschutz und der Kriminalitätsbekämpfung dient, im Wesentlichen auf drei Argumentationssträngen, nämlich auf einer Darstellung der historischen Entwicklung des Glücksspielrechts in Österreich (RN 68 bis 77) und der in (zahlreichen) Regierungsvorlagen (seit dem Jahr 1989) zu den einzelnen Novellierungen des GSpG angeführten Absichten und Prognosen (RN 78 bis RN 106) sowie auf den Feststellungen des Glücksspielberichts 2010-2013 des Bundesministeriums für Finanzen.
Davon ausgehend gelangte der VwGH – auf Basis der vom LVwG OÖ getroffenen und im Revisionsverfahren nicht bekämpften Feststellungen – zu dem Ergebnis, dass durch die im GSpG vorgesehenen Bestimmungen die angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität sowie der Verhinderung von kriminellen Handlungen gegenüber Spielern in kohärenter und systematischer Weise verfolgt würden (RN 119); diese Ziele könnten nicht bloß als Vorwand für die Beibehaltung der Monopolregelung bzw. einer Einnahmenmaximierung angesehen werden (RN 122), weshalb auch keine Unionsrechtswidrigkeit zu erkennen sei (RN 123).
Da es zur Fällung einer Sachentscheidung im vorliegenden Fall ausgehend von dem vom LVwG OÖ festgestellten Sachverhalt, der im Revisionsverfahren nicht bestritten wurde, keiner weiteren Ermittlungen bedurfte, habe der VwGH gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in der Sache selbst entscheiden können, sodass die Beschwerde des Beschuldigten als unbegründet abzuweisen gewesen sei (RN 127).
3.4.2.1.2. Damit stellt sich jedoch die Frage, ob auf diese Weise im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 EGRC ein auch in jeder Hinsicht grundrechtskonformes Ergebnis erzielt wurde:
3.4.2.1.2.1. Vorweg ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass der EuGH in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertritt, dass jedes Gericht die Frage der Vereinbarkeit von innerstaatlichem Recht mit Unionsrecht eigenständig und ohne Bindung an die Rechtsauffassung anderer nationaler Gerichte zu beurteilen hat (vgl. z.B. zuletzt EuGH vom 5. April 2016, C‑689/13, m.w.N.).
Insbesondere bedeutet dies einerseits, dass in diesem Zusammenhang auftretende Zweifelsfragen im Wege eines Vorlageantrages an den EuGH – ohne vorangehende Befassung eines nach nationalem Recht exklusiv zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung zuständigen Gerichts – zu klären sind (vgl. EuGH vom 11. September 2014, C‑112/13), und andererseits, dass bei Nichtbestehen solcher Zweifel nationale Normen, die eine allgemeine Bindungswirkung an die Rechtsmeinung übergeordneter Instanzen festlegen, insoweit nicht zum Tragen kommen (vgl. EuGH vom 15. Oktober 2015, C‑581/14).
3.4.2.1.2.2. Den Ausgangspunkt für die eingangs aufgeworfene Fragestellung bildet die Bestimmung des § 42 Abs. 4 VwGG. Danach kann der VwGH (im Sinne einer Ermessensentscheidung) dann auch in der Sache selbst entscheiden, wenn 1.) diese entscheidungsreif ist und 2.) eine Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt; wird das Ermessen in diesem Sinne ausgeübt, dann hat der VwGH den maßgeblichen Sachverhalt (selbst) festzustellen.
Im Übrigen, d.h. im Regelfall, hat der VwGH hingegen (im Sinne einer Rechtsentscheidung) gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG (von gegenständlich nicht maßgeblichen Ausnahmekonstellationen abgesehen) das angefochtene Erkenntnis auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts im Rahmen der geltend gemachten Revisionspunkte zu überprüfen.
Ergänzend hält der VwGH in diesem Zusammenhang in ständiger Judikatur fest, dass er im Revisionsverfahren zur Überprüfung der Beweiswürdigung der Verwaltungsgerichte nicht berufen ist (vgl. statt vieler z.B. VwGH v. 13. Oktober 2015, Ra 2015/03/0075, m.w.N.).
Rechtsdogmatisch besehen scheint sich somit insgesamt zu ergeben, dass der VwGH dann, wenn er die Sachverhaltsfeststellungen des VwG unbeanstandet lässt, eine andersartige Würdigung dieser solcherart feststehenden Beweis- und Faktenlage nur dann vornehmen darf, wenn und soweit dies auf Grund eigenständig-modifizierter Sachverhaltsfeststellungen entsprechend indiziert und gerechtfertigt ist. Bedingt wird diese einfachgesetzlich-innerstaatliche Konzeption, wonach eine darüber hinaus gehende Umdeutung bzw. Umkehrung der Beweiswürdigung grundsätzlich nicht in Betracht kommt, durch die verfassungsrechtlich-supranationale Garantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK (bzw. Art. 47 EGRC): Denn der in dieser Bestimmung (jeweils) garantierte Grundsatz des fairen (insbesondere unmittelbar-kontradiktorischen) gerichtlichen Verfahrens würde zweifelsfrei verletzt, wenn die in einem Art. 6 Abs. 1 EMRK entsprechenden (und in diesem Sinne „gerichtlichen“) Verfahren gewonnene (Sachverhaltsfeststellung und/oder) Beweiswürdigung durch eine solche, die in einem den Ansprüchen dieser Garantie nicht bzw. nicht in vollem Umfang gerecht werdenden (und in diesem Sinne „nicht-gerichtlichen“) Verfahren vorgenommen wurde, ersetzt werden würde.
Im vorliegenden Fall hat der VwGH weder selbst eine öffentliche Verhandlung durchgeführt noch sonst eigenständige Sachverhaltsfeststellungen getroffen; vielmehr wird im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, mehrfach betont, dass diese Entscheidung auf den vom LVwG OÖ vorgenommenen und von den Verfahrensparteien nicht bestrittenen Sachverhaltsfeststellungen fußt (vgl. insbesondere RN 119 und 127).
Wenn davon ausgehend die in den Erläuterungen zu den Novellierungen des GSpG angeführten Maßnahmen und Zielsetzungen des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung – bei denen es sich rechtlich besehen nicht um Tatsachenfeststellungen, sondern lediglich um Absichtserklärungen bzw. Rechtsmeinungen von Ministerialbeamten handelt – entgegen der diesbezüglich vom LVwG OÖ vorgenommenen Würdigung ohne nähere Begründung[109] und vor allem ohne entsprechenden Nachweis hierfür durch staatliche Behörden durchgehend so gewertet werden, als ob diese auch bereits faktisch effizient sein und damit dem vom EuGH geforderten Kohärenzgebot entsprechen würden, dann scheint dies im Ergebnis ebenso zu einer Modifikation bzw. Substitution der untergerichtlichen Beweiswürdigung zu führen wie der Umstand der vorbehaltlosen Heranziehung des Glücksspielberichts 2010-2013 des Bundesministeriums für Finanzen, wenn zudem auf die übrigen, der Entscheidung des LVwG OÖ zu Grunde gelegten Beweismittel (wie z.B. die Studie des Zentrums für interdisziplinäre Suchtgiftforschung, die Untersuchung „Kleines Glücksspiel – großes Leid?“ von J. Köberl und F. Prettenthaler und die Belege zur Frage einer nicht bloß maßvollen Werbung) entweder überhaupt nicht eingegangen wird oder bloß eine kursorische Auseinandersetzung mit den darauf fußenden Gegenargumenten erfolgt[110].
3.4.2.1.2.3. Einerseits erkennt der EuGH in ständiger Rechtsprechung jedem Gericht die Kompetenz zu bzw. verpflichtet er dieses, aus eigenem – und ungeachtet allenfalls entgegenstehender Entscheidungen nationaler Höchstgerichte – innerstaatliche Rechtsvorschriften, die dem EU-Recht widersprechen, unangewendet zu lassen (vgl. z.B. EuGH vom 15. Oktober 2015, C‑581/14 = EuGRZ 2015, 660 ff).
Andererseits liegt auf der Hand, dass bei der praktischen Handhabung einer derartigen Maxime unschwer – und zudem über einen längeren Zeitraum andauernde – Situationen entstehen können, in denen zu ein und derselben Rechtsfrage widersprüchliche gerichtliche Entscheidungen und damit erhebliche Rechtsunsicherheiten existieren, bis die Vereinbarkeit bzw. Unvereinbarkeit der nationalen Normen mit dem Unionsrecht vom hierfür letztkompetenten EuGH verbindlich entschieden ist.
Hält man die Institutionalisierung bzw. das Bestehen einer gleichermaßen zentralen wie exklusiven Zuständigkeit eines nationalen Gerichts (in diesem Sinne z.B. jüngst wieder das [deutsche] Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 15. Dezember 2015, 2 BvR 2735/14, RN 43 = EuGRZ 2016, 33 ff) zur (Vor‑)Prüfung der Unionsrechtskompatibilität für damit unvereinbar, so scheint aber mit der vom EuGH propagierten Maxime unter einem auch ein nationales Rechtsmittelsystem gefordert zu sein, nach dem jeweils auch den übergeordneten Instanzen die Qualität eines Gerichtes i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 EGRC zukommen muss. In diesem Sinne sind daher wohl auch die RN 52 bis 55 des bereits mehrfach angeführten EuGH-Urteils vom 30. April 2014, C‑390/12 (Pfleger) zu verstehen, wonach „das“ – im Sinne von: jedes – „nationale Gericht eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen“ muss, „unter denen eine restriktive Regelung, wie sie in den Ausgangsverfahren in Rede steht, erlassen worden ist und durchgeführt wird. Im vorliegenden Fall haben die nationalen Behörden nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nicht nachgewiesen, dass die Kriminalität und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellten. Das Gericht scheint ferner anzunehmen, dass das wahre Ziel der fraglichen restriktiven Regelung nicht in der Kriminalitätsbekämpfung und dem Spielerschutz liegt, sondern in einer bloßen Maximierung der Staatseinnahmen, obwohl der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass das Ziel, die Einnahmen der Staatskasse zu maximieren, für sich allein eine solche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nicht rechtfertigen kann ..... Diese Regelung erscheine, so das Gericht, jedenfalls unverhältnismäßig, da sie nicht geeignet sei, die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geforderte Kohärenz zu garantieren, und über das hinausgehe, was zur Erreichung der angeführten Ziele erforderlich sei. Sollte das vorlegende Gericht bei dieser Auffassung bleiben, müsste es zu dem Ergebnis kommen, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist.“
Dies bedeutet insbesondere, dass auch die übergeordneten Gerichte – um den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. des Art. 47 EGRC zu entsprechen – entweder jeweils selbst ein faires, insbesondere unmittelbar-kontradiktorisches Verfahren durchführen oder sich – bei einer nur kassatorischen Entscheidungsbefugnis – bloß auf die Entscheidung der Rechtsfrage beschränken müssen.
Unvereinbar mit einem derartigen System erschiene jedenfalls, dass ohne eigenständige Sachverhaltsfeststellungen und/oder ohne Durchführung eines in jeder Beziehung dem Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 EGRC entsprechenden Verfahrens eine Modifikation der Beweiswürdigung des unterinstanzlichen Gerichtes vorgenommen wird. Denn summarisch betrachtet läge dann nämlich kein den Ansprüchen dieser europarechtlichen Grundrechtsgewährleistungen genügendes faires, insbesondere kontradiktorisches Verfahren mehr vor. Hinzu kommt, dass gerade in Bezug auf Strafverfahren – und damit auch für solche nach dem GSpG – auch die Garantie des Art. 2 erster Satz des 7.ZPMRK (Rechtsmittel in Strafsachen) ersichtlich von einer derartigen Grundkonzeption getragen zu sein scheint[111].
Im Übrigen geht es dem EuGH – wie aus dessen vorzitierter Judikatur deutlich wird – nicht primär darum, dass der Gesetzgeber bloß ein in sich schlüssiges Ziel-Mittel-Schema bzw. ein systemtheoretisch widerspruchsfreies Formalkonzept von Eingriffsbefugnissen schafft, sondern auch und vor allem darum, dass Letztere sowohl faktisch effizient sind als auch hinsichtlich sämtlicher seiner Facetten – und nicht bloß in Teilbereichen – den aus Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. aus Art. 47 EGRC resultierenden rechtsstaatlichen Anforderungen genügen.
Durch die im GSpG zum Schutz der Konzessionsinhaber im Einzelnen sowie in ihrer Gesamtheit normierten behördlichen Eingriffsinstrumentarien (Betretungsrecht, Auskunftspflicht, Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, Beschlagnahme, Einziehung, Verwaltungsstrafe, Verfall, Betriebsschließung) werden jedoch die potentiellen Interessenten einseitig mit nicht bloß geringfügigen, sondern massiv nachteiligen Rechtsbeeinträchtigungen belastet, hinsichtlich welcher ein Rechtsschutz ausnahmslos stets erst ex post möglich und dieser vor dem Hintergrund einer prinzipiellen Beweislastumkehr zudem de facto sowie vor allem auch deshalb nicht strukturell effizient i.S.d. Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 EMRK erscheint, weil mit den Verwaltungsgerichten formal zwar Gerichte institutionalisiert wurden, diese jedoch nach den Grundsätzen eines Behördenverfahrens zu agieren haben.
Insgesamt führt dies dazu, dass ein potentieller Interessent nicht selten bereits finanziell schwer beeinträchtigt – wenn nicht de facto sogar gänzlich ausgebootet – ist, noch bevor die Frage der Unionsrechtskompatibilität des GSpG-Monopols überhaupt letztverbindlich geklärt wurde.
Angesichts der weitgehenden Wertneutralität der österreichischen Verfassung mag die Ansicht, dass die – teilweise über jene der in der für das gerichtliche Strafverfahren maßgeblichen StPO normierten hinausreichenden – Eingriffsbefugnisse des GSpG keinen formalverfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (und zwecks Erhöhung der faktischen Effizienz der Maßnahmen zur Hintanhaltung von Eingriffen in die Monopolstellung der Konzessionäre eine vergleichsweise Minimierung des Rechtsschutzstandards, wie er im behördlichen und verwaltungsgerichtlichen gegenüber dem strafgerichtlichen Verfahren zweifelsfrei besteht, hingenommen werden muss), allenfalls vertretbar erscheinen; den aus den materiellrechtlich-rechtsstaatlichen Garantien der EMRK bzw. der EGRC resultierenden Anforderungen, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dürfte eine solche Massierung von Eingriffsbefugnissen angesichts dessen, dass sich der Spielerschutz allseits unbestritten bloß auf einen kaum wahrnehmbaren Bruchteil der Gesamtbevölkerung bezieht[112], aber weder in ihrer Gesamtheit noch singulär betrachtet genügen.
3.4.2.1.3. Und selbst wenn alle zuvor aufgezeigten Bedenken nicht durchschlagen würden, ist schließlich noch zu beachten, dass das mit einem Konzessionssystem unter Beschränkung der Anzahl der zu vergebenden Konzessionen betreffend Lotterien und Spielbanken sowie mit einem (reinen) Bewilligungssystem unter Beschränkung der Anzahl der zu vergebenden Bewilligungen betreffend Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten kombinierte Glücksspielmonopol des Bundes eine vergleichsweise gravierendere Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV nach sich zieht als ein Konzessionssystem, mit dem dieselben Restriktionen, jedoch keine zahlenmäßigen Beschränkungen der zu vergebenden Konzessionen einhergehen.
3.4.2.1.3.1. In diesem Zusammenhang zeigt die Vielzahl der insbesondere beim LVwG OÖ anhängigen Verfahren, dass sich das sog. „illegale“ Automatenglücksspiel auf überschaubar wenige interessierte Anbieter beschränkt. Würden diese einem Konzessionsverfahren unterworfen, das keine unüberwindliche Hürden (wie v.a. illusorisch hohe Haftungsbeträge) vorsieht, sondern einen fairen Zugang ermöglicht, dann wären diese für die Behörden jedenfalls wesentlich leichter und effizienter zu kontrollieren als in der derzeit vorherrschenden „Untergrund“-Praxis.
3.4.2.1.3.2. Freilich ließe sich auch bei einem solcherart ausgestalteten Zugangssystem eine widerrechtliche Automatenaufstellung nicht völlig verhindern. Insofern würde sich die Situation aber nicht wesentlich abweichend von anderen Bereichen darstellen, in denen eine unternehmerische Tätigkeit ebenfalls erst nach vorangehender behördlicher Erlaubniserteilung zulässig ist (wie z.B. Prostitution). So besehen ist aber keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar, weshalb gerade im Bereich des Glücksspielrechts mit den „normalen“ behördlichen Eingriffsbefugnissen, wie diese im FinStrG und/oder in der BAO vorgesehen sind, nicht auch hier das Auslangen gefunden werden kann (es sei denn, dass wiederum auf die Intention abgestellt wird, dass den Inhabern „legaler“ Konzessionen gleichsam zum Ausgleich für ihre hohen Abgabenverpflichtungen – und die damit verbundene Sicherstellung einer erheblichen staatlichen Einnahmenquote – eine in jeder Weise ungestörte Ausübung ihrer Bewilligungen gewährleistet sein muss).
3.4.2.1.3.3. Ein Effekt dahin, dass dadurch, dass nicht bloß eine limitierte Anzahl, sondern jeder Bewerber, der die im GSpG normierten strengen Spielerschutzanforderungen erfüllt, die beantragte Konzession erhält, das System insgesamt gefährdet wäre oder gar gänzlich wirkungslos würde, ist somit nicht wirklich ersichtlich, zumal ja auch zu bedenken ist, dass auch unter der Ägide des bestehenden Systems der zur Bekämpfung des vermeintlich illegalen Glücksspiels erforderliche logistische Aufwand durchaus nicht unbeträchtlich ist.
Ebenso wenig wären damit – wie der VwGH meint – zwingend (vergleichsweise) noch höhere Staatseinnahmen verbunden.
Zweifelsfrei würde sich aber ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit jedenfalls als verhältnismäßig weniger gravierend erweisen, wenn dieser derart vorgenommen würde, dass
* die Anzahl der zu vergebenden Konzessionen nicht zahlenmäßig beschränkt ist
* jedem Interessenten eine reelle Möglichkeit zukommt, eine derartige Bewilligung zum Betrieb von Spielautomaten zu erhalten
* die Aspekte des Spielerschutzes durch strenge Auflagen an die Bewilligungsinhaber sichergestellt werden und
* Übertretungen der diesbezüglichen Ordnungsvorschriften der gerichtlichen Strafverfolgung überantwortet werden oder sonst zumindest die behördlichen Eingriffsbefugnisse an eine vorangehende richterliche Ermächtigung gebunden werden.
3.4.2.2. Im Hinblick auf die ihm nach dem Beschluss des EuGH vom 15. Oktober 2015, C‑581/14 (= EuGRZ 2015, 660 ff) zukommende Verpflichtung sieht sich daher das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich aus allen diesen Gründen auch aus den vom VwGH in seinem Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, ins Treffen geführten Argumenten nicht dazu veranlasst, nunmehr von der Unionsrechtskonformität der im GSpG normierten Monopolregelung und den darauf basierenden Eingriffsbefugnissen auszugehen.
3.4.2.3. Dazu kommt im Übrigen noch, dass der VwGH selbst mit Erkenntnis vom 5. April 2016, Ra 2015/17/0063, die (eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis wegen einer Übertretung des GSpG abweisende) Entscheidung eines LVwG aufgehoben hat, wobei es in diesem VwGH-Erkenntnis wörtlich heißt:
„Das Landesverwaltungsgericht ist vom Vorliegen eines rein nationalen Sachverhalts ausgegangen, ohne auf das Vorbringen des Revisionswerbers einzugehen, wonach die ‚Aufstellerin‘ der Glücksspielgeräte eine ungarische Gesellschaft sei und der Revisionswerber als deren ‚Supporter‘ sich auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten berufen könne. Um beurteilen zu können, ob ein rechtlich relevanter Auslandsbezug vorliegt, wären unter Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens Feststellungen zu diesem Vorbringen, also insbesondere dazu, welche Rolle der ungarischen Gesellschaft im Zusammenhang mit der Veranstaltung der verbotenen Ausspielungen zukam, zu treffen gewesen. Auf die Frage, ob die ungarische Gesellschaft in einem EU-Staat über eine Konzession zum Betrieb der Glücksspielgeräte verfügte, kommt es – entgegen den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis – nicht an, weil der Glücksspielbereich im Rahmen der Europäischen Union nicht harmonisiert ist ..... Indem das Landesverwaltungsgericht Tirol die Rechtslage verkannt und hierzu keine Feststellungen getroffen hat, auf Grund derer hätte beurteilt werden können, ob das Unionsrecht im Revisionsfall anzuwenden ist, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.“
Gleichartiges wurde in der Folge beispielsweise auch in den Entscheidungen vom 20. Juni 2016, Ra 2015/09/0080, und vom selben Tag, Ra 2015/09/0087, ausgesprochen.
Derartige Feststellungen können jedoch nur dann von rechtserheblichem Interesse sein, wenn für den Fall, dass sich ein entsprechender Auslandsbezug ergibt, jene Bestimmungen des GSpG, die die Durchführung von Ausspielungen an die Notwendigkeit einer entsprechenden Konzession binden, wegen Unionsrechtswidrigkeit unangewendet zu bleiben haben; wäre das GSpG hingegen ohnedies unionsrechtskonform, bedarf es solcher Feststellungen nicht.
Insgesamt folgt daraus, dass der VwGH in dieser Entscheidung implizit von der Unionsrechtswidrigkeit des GSpG-Monopols ausgeht, weil ansonsten eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit (und nicht bloß wegen eines ergebnisrelevanten Verfahrensfehlers[113]) keinen Sinn ergeben hätte.
Damit setzt sich diese – zeitlich später und in nahezu identischer personeller Besetzung ergangene – Entscheidung aber in einen Widerspruch zu dem zuvor dargestellten Erkenntnis des VwGH vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, sodass gesamthaft betrachtet die Haltung des VwGH zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit des GSpG (zumindest vorerst) weiterhin als uneinheitlich zu qualifizieren ist (und es zur endgültigen Klärung der Frage, ob das GSpG-Monopol nach Ansicht des VwGH als unionsrechtskonform anzusehen ist oder nicht, wohl eines verstärkten Senates i.S.d. § 13 Abs. 1 Z. 2 VwGG bedürfte).
3.4.3. Gesamtwürdigung
3.4.3.1. Um den Anforderungen des Art. 56 AEUV zu entsprechen, müsste insgesamt besehen mindestens einer der in der Judikatur des EuGH anerkannten, einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit rechtfertigenden zwingenden Gründe des Allgemeininteresses (Spielerschutz, Kriminalitätsbekämpfung, effektive und systematische Verringerung der Anreize und Gelegenheiten zum Spiel o.Ä.) jene Ziele, die in ungerechtfertigter Weise mit den Eingriffsbefugnissen einhergehen, tatsächlich und eindeutig überwiegen.
Angesichts dieses Prüfungsmaßstabes ergibt sich nach Überzeugung des erkennenden Richters des LVwG OÖ allerdings, dass das in den §§ 3 ff GSpG normierte System des Glücksspielmonopols deshalb in Art. 56 AEUV keine Deckung findet und somit dem Unionsrecht widerspricht, weil dieses einerseits tatsächlich nicht auf einem durch die Rechtsprechung des EuGH anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses – wie etwa dem Verbraucherschutz (in Form des Spielerschutzes und der Suchtvorbeugung) oder der Kriminalitätsbekämpfung und der Kriminalitäts-, insbesondere Betrugsprävention, oder der effektiven und systematischen Verringerung der Anreize und Gelegenheiten zum Spiel – basiert, sondern de facto primär der Sicherung einer verlässlich kalkulierbaren Quote an Staatseinnahmen (in Höhe von 0,4% der jährlichen Gesamteinnahmen des Bundes) dient sowie andererseits – und unabhängig davon – auch die konkrete Ausgestaltung des Monopolsystems (Privatisierung durch Übertragung der zwar sowohl strengen Antrittsvoraussetzungen als auch einer rigiden staatlichen Kontrolle unterliegenden Ausübungsbefugnisse nicht auf eine unbeschränkte, sondern – im Sinne einer Bedarfsprüfung – auf eine bloß limitierte Anzahl von Konzessionären) und die den staatlichen Behörden zur Abwehr von Beeinträchtigungen dieses Monopols gesetzlich übertragenen Eingriffsermächtigungen (Betretungs-, Einschau-, Informations- und Überprüfungsrechte; vorläufige und/oder endgültige Beschlagnahme, Einziehung und nachfolgende Vernichtung der Eingriffsgegenstände; Verwaltungsstrafe; Betriebsschließung) insbesondere mangels der gänzlich fehlenden Bindung an eine vorhergehende richterliche Ermächtigung jeweils unverhältnismäßig sind.
Denn:
* Dass in Österreich 64.000 Personen spielsüchtig sind, hat sich als eine bloße Mutmaßung erwiesen;
* Gleiches gilt für die nicht näher verifizierbare Behauptung, dass in Österreich eine dazu affine Kriminalität vorherrscht;
* Selbst wenn man die diesbezüglich ins Treffen geführten, statistisch hochgerechneten Zahlen als vorbehaltlos zutreffend unterstellen würde, ließe sich angesichts deren Geringfügigkeit keine sachliche Rechtfertigung für den gegenwärtig zu konstatierenden legistischen und administrativen Aufwand finden;
* Und selbst wenn eine solche bestünde, würde sich dennoch das konkret institutionalisierte System schon als solches als unverhältnismäßig erweisen, weil sich die Intentionen eines effizienten Spielerschutzes und einer effizienten Kriminalitätsvorbeugung jedenfalls auch im Wege einer zahlenmäßig nicht beschränkten Konzessionsvergabe erreichen ließen;
* Schließlich lässt sich auch keine sachliche Rechtfertigung dafür finden, weshalb über die bspw. bereits im FinStrG und in der BAO enthaltenen Berechtigungen hinaus im GSpG behördliche Maßnahmen vorgesehen und auch tatsächlich erforderlich sind, die bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem die Unionsrechtskompatibilität des im GSpG normierten Monopolsystems noch gar nicht verbindlich festgestellt ist, jeweils ohne eine vorangehende richterliche Ermächtigung massive Eingriffe in die Grundrechtssphäre von potentiellen Interessenten für eine Konzession – wie z.B. Beschlagnahmen, Verwaltungsstrafen, Verfall, Einziehungen, Betriebsschließungen – ermöglichen.
3.4.3.2. Mit diesem Resultat soll keineswegs eine – erst recht keine vollständigen – Liberalisierung des Glücksspielmarktes propagiert werden; weil aber Österreich ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist, muss aus rechtlicher Sicht nachdrücklich betont werden, dass sich jegliche Beschränkung des Glücksspielangebotes – insbesondere in Gestalt eines (Quasi‑)Monopolsystems – stets nur im Rahmen der von EuGH-Judikatur abgesteckten Grenzen des Art. 56 AEUV bewegen kann.
3.5. Entscheidung
Widerspricht eine innerstaatliche Regelung dem Unionsrecht, so hat diese nach ständiger Rechtsprechung des EuGH faktisch unangewendet zu bleiben. Dieser Grundsatz ist – zumal in Österreich auch nach mittlerweile mehr als 20-jähriger Mitgliedschaft zur Europäischen Union noch immer keine spezifischen prozessualen Regelungen hinsichtlich einer spezifischen Kompetenz eines innerstaatlichen Organs zur national-verbindlichen Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit sowie einer damit im Zusammenhang stehenden allfälligen übergangsweisen Weitergeltung[114] unionsrechtswidriger Normen bestehen – von jedem staatlichen Organ auf jeder Ebene des Verfahrens unmittelbar zu beachten[115].
Konkret bedeutet dies insbesondere, „dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine Regelung im Glücksspielbereich nicht zu Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art. 56 AEUV nicht vereinbar ist“ (vgl. EuGH vom 30. April 2014, C‑390/12 [Pfleger, EU:C:2014:281], RN 64, m.w.N.).
Daraus resultiert für den vorliegenden Fall, dass die Bestrafung der Mitbeteiligten Partei wegen des Verdachtes einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG ausgeschlossen ist, weil sich diese Eingriffsnorm rechtssystematisch als eine auf der Glücksspielmonopolregelung des GSpG fußende und mit dieser in einem untrennbaren Zusammenhang stehende Bestimmung darstellt.
Aus allen diesen Gründen war daher die vorliegende Beschwerde gemäß § 50 VwGVG abzuweisen.
IV.
Revision an den Verwaltungsgerichtshof
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine im innerstaatlichen Recht wurzelnde Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.
Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.
Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich
Dr. G r o f
LVwG-411506/5/Gf/Mu vom 8. August 2016
Erkenntnis
Normen:
Art. 18 AEUV
Art. 56 AEUV
Art. 267 AEUV
Art. 6 Abs. 1 EMRK
Art. 21 EGRC
Art. 47 EGRC
§ 3 GSpG
§ 86a VfGG
Rechtssätze:
Grundsätzlich wie LVwG-410600 vom 24.6.2015; darüber hinaus:
* Aus dieser jüngeren Judikatur des EuGH geht deutlich hervor, dass die frühere Grenzziehung zwischen der Anwendbarkeit der unionsrechtlichen Grundfreiheiten einerseits und der Zuständigkeit des EuGH in Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV zunehmend aufgelöst wird. Unionsrecht, insbesondere die im AEUV normierten Grundfreiheiten und die Garantien der EGRC, kommt bzw. kommen daher nicht nur in Fällen mit einem unmittelbaren Auslandsbezug zum Tragen: Vielmehr reicht auf der einen Seite ein auch nur hypothetischer Auslandsbezug hin, dann nämlich, wenn sich – so der EuGH – „keineswegs ausschließen“ lässt, dass auch im Ausland ansässige Unternehmer ein Interesse an der Erlangung einer durch nationale Rechtsvorschriften eingeschränkten Erlaubniserteilung haben könnten (vgl. EuGH vom 30. Juni 2016, C 464/15, RN 22; vom 13. Februar 2014, C‑367/12, RN 10; und vom 19. Juli 2012, C‑470/11, RN 20). Wenngleich man in diesem Zusammenhang auch die Auffassung vertreten könnte, dass Ausländer, die bloß hypothetisch von einer unionsrechtswidrigen nationalen Regelung betroffen sind, deshalb solange nicht als schutzwürdig erscheinen, als sie noch keine konkreten, ihrer Rechtsverfolgung dienenden Prozesshandlungen gesetzt haben, entspricht es jedoch der Formulierung des Art. 18 AEUV und des Art. 21 Abs. 2 EGRC (vgl. jeweils: „ist verboten“ [und nicht etwa: „hat ein Recht darauf“]) und der Judikatur des EuGH, wonach alle Gerichte die effektive Umsetzung des Unionsrechts mit den ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln sicherzustellen haben (vgl. z.B. EuGH vom 15. Oktober 2015, C 581/14, RN 32, m.w.N.), jedenfalls eher, dass das Verbot der Nichtdiskriminierung alle staatlichen Organe unmittelbar dazu verpflichtet, entsprechende Verstöße schon ex officio aufzugreifen. Und auf der anderen Seite ist selbst dann, wenn nicht einmal ein hypothetischer Auslandsbezug vorliegt (arg. „außerdem“ bzw. „im Übrigen“), zu beachten, ob durch nationales Recht angeordnet ist, dass inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zukommen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden: Trifft dies zu, dann erlangt das Unionsrecht offenbar – gleichsam über „Vermittlung“ des Diskriminierungsverbotes des Art. 18 Abs. 1 AEUV – auch in rein innerstaatlichen Fällen Geltung, um eine sog. „umgekehrte Diskriminierung“ zu vermeiden, die darin besteht, dass für einen Ausländer, wenn er eine Genehmigung beantragen würde, eine unionsrechtswidrige nationale Schrankenregelung nicht anzuwenden wäre, während diese dem gegenüber für einen Inländer in rein innerstaatlichen Sachverhalten zum Tragen käme – jedoch nur deshalb, weil de facto kein Auslandsbezug vorliegt, und gerade darin liegt ebenfalls eine Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit i.S.d. Art. 18 AEUV bzw. des Art. 21 Abs. 2 EGRC;
* Zusammengefasst geht der EuGH hinsichtlich des Problemdreiecks „Prüfung der Unionsrechtskompatibilität und Anwendbarkeit nationaler Normen – „Vereinbarkeit mit nationalem Verfassungsrecht – nationaler Instanzenzug“ offenbar von einem durch folgende Eckpunkte gekennzeichneten Konzept aus:
1. Die Letztkompetenz zur Beurteilung, ob eine nationale Rechtsvorschrift mit dem Unionsrecht vereinbar ist, kommt ausschließlich dem EuGH zu.
2. Davon ausgehend hat jedes nationale Gericht, soweit dieses Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Norm mit dem Unionsrecht hegt, einen Vorlageantrag gemäß Art. 267 AEUV an den EuGH zu stellen, und zwar
2.1. ex ante: ohne zuvor ein nach nationalem Recht allenfalls exklusiv zur Normenkontrolle berufenes Höchstgericht zu befassen sowie
2.2. ex post: ohne diesbezüglich an die Rechtsauffassung eines anderen (allenfalls auch instanzenmäßig übergeordneten) innerstaatlichen Gerichts gebunden zu sein.
3. Nationalen Gerichten kommt – ungeachtet ihrer Stellung im Instanzenzug – keine Kompetenz zur bindenden Auslegung des Unionsrechts zu; deren allfällige (Letzt‑)Kompetenz zur Prüfung der Vereinbarkeit innerstaatlicher Gesetze mit der Verfassung (VfGH) und/oder von Individualakten mit verfassungs- bzw. einfachgesetzlichen Bestimmungen (VfGH, VwGH, OGH) steht damit vielmehr in keinerlei Zusammenhang, sondern ist völlig getrennt von der (bzw. parallel zur) Frage der Unionsrechtskompatibilität nationaler Normen zu betrachten.
4. Allenfalls kann eine (allerdings nicht rechtlich-formale, sondern lediglich) faktische Bindungswirkung anderer Gerichte dadurch erreicht werden, dass der Entscheidung ein EMRK-konformes Verfahren vorausgeht und diese inhaltlich überzeugend begründet wird. Ein durch Prinzipien wie Bindung an den Sachverhalt, Neuerungsverbot, bloß kassatorische Entscheidung etc. gekennzeichnetes Verfahrenssystem entspricht jedoch nicht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK an ein faires Verfahren.
5. Die (verfassungs-)gesetzliche Institutionalisierung einer zentralen Kompetenz zugunsten eines bestimmten nationalen (Höchst-)Gerichts zur Prüfung der Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht wäre unionsrechtswidrig .
6. Im Falle von einander widersprechenden Entscheidungen inner-staatlicher Gerichte wäre – unter der Voraussetzung, dass diese Ergebnisse jeweils in einem EMRK-konformen Verfahren erzielt wurden (was nicht vorbehaltlos zutrifft, wenn der EuGH auf die faktische Kohärenz der nationalen Norm abstellt, das innerstaatliche Gericht jedoch an Verfahrensprinzipien wie oben unter 4. angeführt gebunden ist) – von einem dieser Gerichte neuerlich ein Vorlageantrag zu stellen.
7. Angesichts dessen, dass vom zuständigen Gericht in der Regel jeweils umgehend für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts in Bezug auf eine unionsrechtswidrige Inländerdiskriminierung (bzw. „umgekehrte Diskriminierung“) zu sorgen ist, ist daher in Fällen, in denen die Unionsrechtswidrigkeit offensichtlich auch zu einer Verfassungswidrigkeit führt, das unionsrechtswidrige nationale Recht im konkreten Einzelfall auch dann nicht anzuwenden, wenn eine entsprechende Feststellung des VfGH noch nicht vorliegt (vgl. dazu näher LVwG OÖ vom 12. Juli 2016, LVwG-050057, S. 30).
Im Ergebnis soll also nach der Vorstellung des EuGH offenbar an die Stelle eines durch „Führungsabhängigkeit und unreflektierte Verantwortungsdelegation nach oben“ geprägten Systems – zumindest im Bereich der (unabhängigen) Gerichtsbarkeit – ein solches treten, das durch „eigenverantwortliche Entscheidungskompetenz und inhaltliche Überzeugung der Begründung“ gekennzeichnet ist;
* Bei unionsrechtskonformer Interpretation hindert § 86a VfGG das LVwG OÖ durch den Beschluss des VfGH vom 2. Juli 2016, E 945/2016 u.a. (= BGBl I 57/2016, ausgegeben am 12. Juli 2016), nicht daran, im vorliegenden Fall eine Sachentscheidung zu treffen: Denn nach § 86a Abs. 3 Z. 1 lit. a VfGG tritt zwar mit Ablauf des Tages der Kundmachung eines derartigen Beschlusses – d.i. hier: seit dem 13. Juli 2016 – grundsätzlich die Wirkung ein, dass von den Verwaltungsgerichten nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden dürfen, „die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können“ (und nicht umgekehrt: „durch die das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden kann“!) oder die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten. Da jedoch einerseits eine Feststellung des VfGH dahin, ob das im GSpG normierte Monopolsystem mit der österreichischen Verfassung vereinbar ist oder nicht, keine Auswirkung für die Beurteilung der Unionsrechtskompatibilität dieser nationalen Regelung hat und andererseits die letztere Frage vom LVwG OÖ eigenständig und ohne Bindung an die Rechtsansicht anderer Gerichte zu beurteilen ist (vgl. EuGH vom 30. April 2014, C-390/12, RN 55 ff, und vom 15. Oktober 2015, C 581/14, RN 32, m.w.N.), kann sohin dessen Entscheidung – zumindest, soweit es die unionsrechtliche Frage betrifft – durch das Erkenntnis des VfGH nicht beeinflusst werden. Allgemein folgt sohin, dass die Bestimmung des § 86a VfGG auf unionsrechtliche Fragen nicht anzuwenden ist;
* Einerseits erkennt der EuGH in ständiger Rechtsprechung jedem Gericht die Kompetenz zu bzw. verpflichtet er dieses, aus eigenem – und ungeachtet allenfalls entgegenstehender Entscheidungen nationaler Höchstgerichte – innerstaatliche Rechtsvorschriften, die dem EU-Recht widersprechen, unangewendet zu lassen. Andererseits liegt auf der Hand, dass bei der praktischen Handhabung einer derartigen Maxime unschwer – und zudem über einen längeren Zeitraum andauernde – Situationen entstehen können, in denen zu ein und derselben Rechtsfrage widersprüchliche gerichtliche Entscheidungen und damit erhebliche Rechtsunsicherheiten existieren, bis die Vereinbarkeit bzw. Unvereinbarkeit der nationalen Normen mit dem Unionsrecht vom hierfür letztkompetenten EuGH verbindlich entschieden ist. Hält man die Institutionalisierung bzw. das Bestehen einer gleichermaßen zentralen wie exklusiven Zuständigkeit eines nationalen Gerichts zur (Vor‑)Prüfung der Unionsrechtskompatibilität für damit unvereinbar, so scheint aber mit der vom EuGH propagierten Maxime unter einem auch ein nationales Rechtsmittelsystem gefordert zu sein, nach dem jeweils auch den übergeordneten Instanzen die Qualität eines Gerichtes i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 EGRC zukommen muss. In diesem Sinne sind daher wohl auch die RN 52 bis 55 des EuGH-Urteils vom 30. April 2014, C‑390/12 (Pfleger) zu verstehen, wonach „das“ – im Sinne von: jedes – „nationale Gericht eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen“ muss, „unter denen eine restriktive Regelung, wie sie in den Ausgangsverfahren in Rede steht, erlassen worden ist und durchgeführt wird“. Dies bedeutet insbesondere, dass auch die übergeordneten Gerichte – um den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. des Art. 47 EGRC zu entsprechen – entweder jeweils selbst ein faires, insbesondere unmittelbar-kontradiktorisches Verfahren durchführen oder sich – bei einer nur kassatorischen Entscheidungsbefugnis – bloß auf die Entscheidung der Rechtsfrage beschränken müssen. Unvereinbar mit einem derartigen System erschiene jedenfalls, dass ohne eigenständige Sachverhaltsfeststellungen und/oder ohne Durchführung eines in jeder Beziehung dem Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 EGRC entsprechenden Verfahrens eine Modifikation der Beweiswürdigung des unterinstanzlichen Gerichtes vorgenommen wird. Denn summarisch betrachtet läge dann nämlich kein den Ansprüchen dieser europarechtlichen Grundrechtsgewährleistungen genügendes faires, insbesondere kontradiktorisches Verfahren mehr vor;
* Zweifelsfrei würde sich ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit jedenfalls als verhältnismäßig weniger gravierend erweisen, wenn dieser derart vorgenommen würde, dass
· die Anzahl der zu vergebenden Konzessionen nicht zahlenmäßig beschränkt ist
· jedem Interessenten eine reelle Möglichkeit zukommt, eine derartige Bewilligung zum Betrieb von Spielautomaten zu erhalten
· die Aspekte des Spielerschutzes durch strenge Auflagen an die Bewilligungsinhaber sichergestellt werden und
· Übertretungen der diesbezüglichen Ordnungsvorschriften der gerichtlichen Strafverfolgung überantwortet werden oder sonst zumindest die behördlichen Eingriffsbefugnisse an eine vorangehende richterliche Ermächtigung gebunden werden.
* Um den Anforderungen des Art. 56 AEUV zu entsprechen, müsste insgesamt besehen mindestens einer der in der Judikatur des EuGH anerkannten, einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit rechtfertigenden zwingenden Gründe des Allgemeininteresses (Spielerschutz, Kriminalitätsbekämpfung, effektive und systematische Verringerung der Anreize und Gelegenheiten zum Spiel o.Ä.) jene Ziele, die in ungerechtfertigter Weise mit den Eingriffsbefugnissen einhergehen, tatsächlich und eindeutig überwiegen. Angesichts dieses Prüfungsmaßstabes ergibt sich allerdings, dass das in den §§ 3 ff GSpG normierte System des Glücksspielmonopols deshalb in Art. 56 AEUV keine Deckung findet und somit dem Unionsrecht widerspricht, weil dieses einerseits tatsächlich nicht auf einem durch die Rechtsprechung des EuGH anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses – wie etwa dem Verbraucherschutz (in Form des Spielerschutzes und der Suchtvorbeugung) oder der Kriminalitätsbekämpfung und der Kriminalitäts-, insbesondere Betrugsprävention, oder der effektiven und systematischen Verringerung der Anreize und Gelegenheiten zum Spiel – basiert, sondern de facto primär der Sicherung einer verlässlich kalkulierbaren Quote an Staatseinnahmen (in Höhe von 0,4% der jährlichen Gesamteinnahmen des Bundes) dient sowie andererseits – und unabhängig davon – auch die konkrete Ausgestaltung des Monopolsystems (Privatisierung durch Übertragung der Ausübungsbefugnisse im Sinne einer Bedarfsprüfung auf eine bloß limitierte Anzahl von Konzessionären) und die den staatlichen Behörden zur Abwehr von Beeinträchtigungen dieses Monopols gesetzlich übertragenen Eingriffsermächtigungen (Betretungs-, Einschau-, Informations- und Überprüfungsrechte; vorläufige und/oder endgültige Beschlagnahme, Einziehung und nachfolgende Vernichtung der Eingriffsgegenstände; Verwaltungsstrafe; Betriebsschließung) insbesondere mangels der gänzlich fehlenden Bindung an eine vorhergehende richterliche Ermächtigung jeweils unverhältnismäßig sind. Denn:
· Dass in Österreich 64.000 Personen spielsüchtig sind, hat sich als eine bloße Mutmaßung erwiesen;
· Gleiches gilt für die nicht näher verifizierbare Behauptung, dass in Österreich eine dazu affine Kriminalität vorherrscht;
· Selbst wenn man die diesbezüglich ins Treffen geführten, statistisch hochgerechneten Zahlen als vorbehaltlos zutreffend unterstellen würde, ließe sich angesichts deren Geringfügigkeit keine sachliche Rechtfertigung für den gegenwärtig zu konstatierenden legistischen und administrativen Aufwand finden;
· Und selbst wenn eine solche bestünde, würde sich dennoch das konkret institutionalisierte System schon als solches als unverhältnismäßig erweisen, weil sich die Intentionen eines effizienten Spielerschutzes und einer effizienten Kriminalitätsvorbeugung jedenfalls auch im Wege einer zahlenmäßig nicht beschränkten Konzessionsvergabe erreichen ließen;
· Schließlich lässt sich auch keine sachliche Rechtfertigung dafür finden, weshalb über die bspw. bereits im FinStrG und in der BAO enthaltenen Berechtigungen hinaus im GSpG behördliche Maß-nahmen vorgesehen und auch tatsächlich erforderlich sind, die bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem die Unionsrechtskompatibilität des im GSpG normierten Monopolsystems noch gar nicht verbindlich festgestellt ist, jeweils ohne eine vorangehende richterliche Ermächtigung massive Eingriffe in die Grundrechtssphäre von potentiellen Interessenten für eine Konzession – wie z.B. Beschlagnahmen, Verwaltungsstrafen, Verfall, Einziehungen, Betriebsschließungen – ermöglichen.
* Daraus resultiert für den vorliegenden Fall, dass die Bestrafung der Mitbeteiligten Partei wegen des Verdachtes einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG ausgeschlossen ist, weil sich diese Eingriffsnorm rechtssystematisch als eine auf der Glücksspielmonopolregelung des GSpG fußende und mit dieser in einem untrennbaren Zusammenhang stehende Bestimmung darstellt. Die vom Finanzamt gegen den Einstellungsbescheid vom erhobene Amtsbeschwerde war daher abzuweisen.
Beschlagwortung:
Unionsrecht – mittelbarer und hypothetischer Auslandsbezug, umgekehrte Diskriminierung; Unionsrechtskompatibilität – Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht – nationaler Instanzenzug; Kriterien der EuGH-Rechtsprechung: Letztkompetenz des EuGH, Vorlageantrag, keine Bindung an die Rechtsmeinung anderer nationaler Gerichte; eigenverantwortliche Entscheidungskompetenz und inhaltliche Überzeugung der Begründung; keine absolute Sperrwirkung des § 86a VfGG; Unionsrechtswidrigkeit des GSpG-Monopolsystems wegen Hauptzielsetzung der Erhöhung von Staatseinnahmen und wegen Unverhältnismäßigkeit
[1] S.a. www.bmf.gv.at/steuern/gluecksspiel-spielerschutz/in-oesterreich/Gluecksspiel-Bericht-2010-2013.html
[2] Hinsichtlich der verbleibenden 31% Problemspieler – immerhin nahezu ein Drittel – finden sich in diesem Bericht keine Angaben.
[3] Internetadresse: www.zis-hamburg.de
[4] Internetadresse: www.suchtvorbeugung.net
[5] Internetadresse: http://sdw.wien/ueber-uns/suchtpraevention/institut-fuer-suchtpraevention/
[6] Die Studie des ZIS kommt zu davon abweichenden Werten, wobei deren Autor in diesem Zusammenhang selbst bemerkt (vgl. Sven Buth, Repräsentativbefragung der Bevölkerung, in: Jens Kalke u.a. [Hrsg.], Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich, Lambertus-Verlag, Freiburg i. Br. 2011, S. 162): „Trotz komplexer Verfahren der Stichprobenauswahl und den Möglichkeiten einer nachträglichen Gewichtung stellen die Ergebnisse von Repräsentativbefragungen immer nur eine Schätzung der tatsächlichen Verhältnisse dar. Die in der oberen Tabelle 6.8 abgetragenen Anteile problematischen und pathologischen Spielens sind somit als (Punkt‑)Schätzungen der wahren Problemprävalenzen zu begreifen. Statistisch lässt sich ein Intervall berechnen, in welchem sich mit einer zuvor definierten Sicherheit – meistens 95 Prozent oder 99 Prozent – der wahre Wert befinden muss. Der obere und untere Wert dieses so genannten Konfidenzintervalls ist in Bezug auf das Ausmaß der vorhandenen Spielprobleme in Tabelle 6.9 dargestellt. Ein problematisches Spielverhalten zeigen demnach in Österreich zwischen 0,27 Prozent und 0,59 Prozent der Bevölkerung. Hochgerechnet auf die in Österreich lebenden Personen im Alter von 14 bis 65 Jahren sind dies zwischen 15.700 und 34.500 Betroffene. Das Konfidenzintervall des Anteils des Spielsüchtigen variiert zwischen 0,46 Prozent und 0,86 Prozent. Absolut zeigen somit zwischen 26.900 und 50.200 ÖsterreicherInnen ein pathologisches Spielverhalten“ (Hervorhebungen nicht im Original), sodass demnach das Gesamtintervall an problematischen und pathologischen Spielern zwischen 42.600 und 84.700 Personen läge und die Zahl von 64.000 somit einen ungefähren Mittelwert zwischen den vordefinierten Sicherheitsgrenzen verkörpert.
[7] Abrufbar unter: http://www.praevention.at/seiten/index.php/nav.5/view.26/level.2/
[8] Internetadresse: www.praevention.at/seiten/index.php/nav.2/view.2/level.1/
[9] Vgl. dazu insbesondere auch Institut Suchprävention (IS) pro mente Oberösterreich, Factsheet Sucht - Abhängigkeit und Substanzkonsum, Version 2.3 vom 2. September 2014, S. 3: „Die Begriffe Abhängigkeit, Sucht, problematischer Konsum, Missbrauch, aktueller Konsum, Lebenszeitprävalenz des Konsums, Lebenszeitprävalenz der Abhängigkeit beziehen sich auf jeweils unterschiedliche Sachverhalte und es ist wichtig sich im Umgang mit epidemiologischen Prävalenzzahlen die Differenz der Begriffe ins Gedächtnis zu rufen. ..... Wie alle statistischen Materialien sind auch die hier vorgestellten Zahlen selbst kein Spiegel der Realität. Sie sind vielmehr durch Konstruktionsprozesse entstanden und im Umgang damit ist Vorsicht geboten. ..... Der bekannte Spruch: ‚Vertraue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast‘, bezieht sich auf diese Abstraktionsleistung bei der Erstellung von Statistiken. Statistiken entstehen auf dem Boden von gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Konventionen und Erzählungen und oft genug wird man auf Zahlentraditionen stoßen, deren rationale Begründung ausgedünnt, wenn nicht verloren ist. ..... Ebenso ist vor dem Rückschluss von statistischen Wahrscheinlichkeiten auf Kausalitäten zu warnen. Wahrscheinlichkeiten beziehen sich auf konstruierte gesellschaftliche Gruppen bei denen bestimmte Merkmale gehäuft beobachtet werden können. Wahrscheinlichkeiten beziffern die Häufigkeit eines Ereignisses in einer fiktiven Kohorte, in einer Grundgesamtheit. Wahrscheinlichkeiten beziehen sich jedoch per definitionem nicht auf eine konkrete Person, sondern auf einen konstruierten Kasus (einen Idealtypus); ..... . Der Schluss auf kausale Merkmale (Wahrscheinlichkeiten) der aggregierten Gruppe begründet kein Kausalmodell im Sinne der Newton‘schen Physik.“
[10] Vgl. auch: https://service.bmf.gv.at/budget/akthh/2014/201412FH_ug16.htm
[11] Abrufbar unter: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150408_OTS0039
[12] Vgl. 657 und 784BlgNR 24. GP zu BGBl I 73/2010; 981 und 1026 BlgNR 24. GP zu BGBl I 111/2010; 1212 und 1320 BlgNR 24. GP zu BGBl I 76/2011; 1726 und 1757 BlgNR 24. GP zu BGBl 50/2012; 1960 und 1977 BlgNR 24. GP zu BGBl I 112/2012; 2196 und 2233 zu 70/2013; 24 und 31 BlgNR 25. GP zu BGBl I 13/2014; sowie 360 und 432 BlgNR 25.GP zu BGBl I 105/2014.
[13] Vgl. https://www.bmf.gv.at/steuern/gluecksspiel-spielerschutz/in-oesterreich/Gluecksspiel-Bericht-2010-2013.html
[14] Vgl. nachfolgend III-131 BlgNR, 25. GP („Auswirkungen des Glücksspielgesetzes 2010-2014 – Evaluierungsbericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 60 Abs. 25 Z 5 GSpG“ vom November 2014, im Folgenden auch kurz: Evaluierungsbericht).
[15] Der Glücksspielbericht 2010-2013 erfasst lediglich „den Zeitraum der Jahre 2010 bis einschließlich 2013“ (vgl. dessen S. 2), der Evaluierungsbericht 2010-2014 hingegen darüber hinaus auch „überwiegend die Situation bis zum 3. Quartal 2014“ (vgl. dessen S. 4), wobei offen bleibt, ob diese Formulierung als „einschließlich“ oder „exklusive“ des 3. Quartals 2014 zu verstehen ist.
[16] Internetadresse: https://www.bmf.gv.at/steuern/gluecksspiel-spielerschutz/hilfsangebote/spielerschutz-hilfsangebote.html
[17] Vgl. näher zudem III-131 BlgNR, 25. GP („Auswirkungen des Glücksspielgesetzes 2010-2014 – Evaluierungsbericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 60 Abs. 25 Z 5 GSpG“, November 2014), S. 34 ff.
[18] Explizit hat der VwGH in diesem Erkenntnis ausgeführt: „Der Unabhängige Verwaltungssenat traf weder Feststellungen dazu, ob im konkreten Fall überhaupt ein Unionsrechtsbezug gegeben war, sodass Unionsrecht unmittelbar anwendbar wäre, noch, ob die Monopolregelung, insbesondere hinsichtlich ihrer tatsächlichen Wirkung, den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht. Wäre das Unionsrecht im konkreten Fall nicht anwenbar, hätte sich der Unabhängige Verwaltungssenat mit den aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung des § 52 GSpG wegen Inländerdiskriminierung auseinanderzusetzen gehabt ..... Der Unabhängige Verwaltungssenat ist durch das Unterlassen geeigneter Feststellungen seiner Pflicht, die Anwendbarkeit von Unionsrecht im gegenständlichen Fall einerseits und die anzuwendenden Bestimmungen des Glückspielgesetzes hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit Unionsrecht andererseits von Amts wegen zu beurteilen, nicht in gesetzmäßiger Weise nachgekommen.“
[19] Vgl. https://service.bmf.gv.at/budget/akthh/2014/201412FH_ug16.htm.
[20] Siehe insbesondere nochmals Institut Suchprävention pro mente Oberösterreich, Factsheet Sucht – Abhängigkeit und Substanzkonsum, Version 2.3 vom 2. September 2014, S. 3: „Wie alle statistischen Materialien sind auch die hier vorgestellten Zahlen selbst kein Spiegel der Realität. Sie sind vielmehr durch Konstruktionsprozesse entstanden und im Umgang damit ist Vorsicht geboten. ..... Wahrscheinlichkeiten beziehen sich auf konstruierte gesellschaftliche Gruppen, bei denen bestimmte Merkmale gehäuft beobachtet werden können. Wahrscheinlichkeiten beziffern die Häufigkeit eines Ereignisses in einer fiktiven Kohorte, in einer Grundgesamtheit. ..... Wahrscheinlichkeiten beziehen sich jedoch per definitionem nicht auf eine konkrete Person, sondern auf einen konstruierten Kasus (einen Idealtypus); ..... . Der Schluss auf kausale Merkmale (Wahrscheinlichkeiten) der aggregierten Gruppe begründet kein Kausalmodell im Sinne der Newton‘schen Physik.“
[21] Wenn der VwGH in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 2015, Zl. Ro 2014/17/0121, anführt, dass er die vom LVwG OÖ in dessen Erkenntnis vom 30. April 2014, LVwG-410287/4/Gf/Rt, vertretene Rechtsansicht, dass gegen die Geltung des Amtswegigkeitsprinzips in einem gerichtlichen Strafverfahren verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 90 Abs. 2 B-VG, Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 EGRC bestehen, nicht nachvollziehen könne, so ist zwar zuzugestehen, dass in der hg. Entscheidung nicht dezidiert zum Ausdruck gebracht wurde, dass das Amtswegigkeitsprinzip im des Anwendungsbereich des Verwaltungs(straf-)verfahrens den Charakter eines Inquisitionsprinzips annimmt und daher auch synonym in diesem Sinn zu verstehen ist; allerdings wird diese Ansicht der Sache nach einhellig (wenngleich gelegentlich euphemistisch umschrieben) schon seit dem Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze vertreten (vgl. z.B. A. Langer, Verwaltungs-Strafrecht und Strafverfahren [1926], 25; E.C. Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, Bd. II [1954], S. 3), sodass dem LVwG OÖ eine gesonderte Betonung dieses Umstandes entbehrlich erschien. Dessen ungeachtet dürfte es keinem Zweifel unterliegen, dass die Fortgeltung der Inquisitionsmaxime auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (allenfalls mit Art. 90 Abs. 2 B‑VG [so der VwGH im Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/17/0121], jedenfalls aber) nicht mit den europäischen Grundrechtsgewährleistungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. des Art. 47 EGRC vereinbar ist.
[22] Vgl. jüngst auch BVerfG vom 16.12.2014, 1 BvR 2142/11 (= EuGRZ 2015, 239 ff), zur Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter bei Missachtung der Letztentscheidungskompetenz.
[23] Vgl. näher den Evaluierungsbericht 2010-2014 des BMF, III-131 BlgNR, 25. GP, S. 37 ff.
[24] Vgl. Arthur Schroers und Christoph Lagemann, in: Jens Kalke – Sven Buth – Moritz Rosenkranz – Christian Schütze – Harald Oechsler – Uwe Verthein, Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich – Empirische Erkenntnisse zum Spielverhalten der Bevölkerung und zur Prävention der Glücksspielsucht, Lambertus-Verlag, Freiburg i.Br., 2011, S. 16.
[25] Vgl. Arthur Schroers und Christoph Lagemann, in: Jens Kalke – Sven Buth – Moritz Rosenkranz – Christian Schütze – Harald Oechsler – Uwe Verthein, Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich – Empirische Erkenntnisse zum Spielverhalten der Bevölkerung und zur Prävention der Glücksspielsucht, Lambertus-Verlag, Freiburg i.Br., 2011, S. 12.
[26] Vgl. dazu auch den Jahresbericht 2013 des Vereines „(Wiener) Spielsuchthilfe“ (downloadbar unter: http://www.spielsuchthilfe.at/pdf/spielsuchthilfe-jahresbericht-2013.pdf), S. 74 f .
[27] Dass die Anzahl der pathologisch Spielsüchtigen jene der bloß verhaltensauffälligen Spieler überwiegt, ist kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass (vgl. dazu Sven Buth, in: Kalke u.a., Glücksspiel und Spielerschutz, S. 161) eine Verhaltensauffälligkeit vorliegt, wenn 3 oder 4 von insgesamt 10 DSM-IV-Kriterien erfüllt sind, ein pathologisches Spielverhalten aber bereits dann gegeben ist, wenn von den verbleibenden 6 DSM-IV-Kriterien bloß 1 weiteres hinzutritt, sodass insgesamt 5 DSM-IV-Kriterien erfüllt sind.
[28] Vgl. Sven Buth, in: Jens Kalke – Sven Buth – Moritz Rosenkranz – Christian Schütze – Harald Oechsler – Uwe Verthein, Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich – Empirische Erkenntnisse zum Spielverhalten der Bevölkerung und zur Prävention der Glücksspielsucht, Lambertus-Verlag, Freiburg i.Br., 2011, S. 161.
[29] Abrufbar unter: http://www.praevention.at/seiten/index.php/nav.5/view.26/level.2/
[30] Internetadresse: www.praevention.at/seiten/index.php/nav.2/view.2/level.1/
[31] Vgl. Sven Buth, in: Jens Kalke – Sven Buth – Moritz Rosenkranz – Christian Schütze – Harald Oechsler – Uwe Verthein, Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich – Empirische Erkenntnisse zum Spielverhalten der Bevölkerung und zur Prävention der Glücksspielsucht, Lambertus-Verlag, Freiburg i.Br., 2011, S. 143 f.
[32] Auch der Autor der im Glücksspielbericht 2010-2013 des BMF bezogenen Studie bemerkt in diesem Zusammenhang selbst (vgl. Sven Buth, Repräsentativbefragung der Bevölkerung, in: Jens Kalke u.a. [Hrsg.], Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich, Lambertus-Verlag, Freiburg i. Br. 2011, S. 162): „Trotz komplexer Verfahren der Stichprobenauswahl und den Möglichkeiten einer nachträglichen Gewichtung stellen die Ergebnisse von Repräsentativbefragungen immer nur eine Schätzung der tatsächlichen Verhältnisse dar. Die in der oberen Tabelle 6.8 abgetragenen Anteile problematischen und pathologischen Spielens sind somit als (Punkt‑)Schätzungen der wahren Problemprävalenzen zu begreifen. Statistisch lässt sich ein Intervall berechnen, in welchem sich mit einer zuvor definierten Sicherheit – meistens 95 Prozent oder 99 Prozent – der wahre Wert befinden muss. Der obere und untere Wert dieses so genannten Konfidenzintervalls ist in Bezug auf das Ausmaß der vorhandenen Spielprobleme in Tabelle 6.9 dargestellt. Ein problematisches Spielverhalten zeigen demnach in Österreich zwischen 0,27 Prozent und 0,59 Prozent der Bevölkerung. Hochgerechnet auf die in Österreich lebenden Personen im Alter von 14 bis 65 Jahren sind dies zwischen 15.700 und 34.500 Betroffene. Das Konfidenzintervall des Anteils des Spielsüchtigen variiert zwischen 0,46 Prozent und 0,86 Prozent. Absolut zeigen somit zwischen 26.900 und 50.200 ÖsterreicherInnen ein pathologisches Spielverhalten“ (Hervorhebungen nicht im Original), sodass demnach das Gesamtintervall an problematischen und pathologischen Spielern zwischen 42.600 und 84.700 Personen läge und die Zahl von 64.000 somit einen ungefähren Mittelwert zwischen – allerdings zuvor autonom definierten – Sicherheitsgrenzen verkörpert.
[33] Downloadbar unter: http://www.spielsuchthilfe.at/pdf/spielsuchthilfe-jahresbericht-2013.pdf; vgl. insbesondere S. 21 f. und S. 31 f.
[34] Vgl. dazu insbesondere auch die Feststellung des Instituts „Suchprävention pro mente Oberösterreich“ im Factsheet Sucht - Abhängigkeit und Substanzkonsum, Version 2.3 vom 2. September 2014, S. 3 (Hervorhebungen nicht im Original): „Die Begriffe Abhängigkeit, Sucht, problematischer Konsum, Missbrauch, aktueller Konsum, Lebenszeitprävalenz des Konsums, Lebenszeitprävalenz der Abhängigkeit beziehen sich auf jeweils unterschiedliche Sachverhalte und es ist wichtig sich im Umgang mit epidemiologischen Prävalenzzahlen die Differenz der Begriffe ins Gedächtnis zu rufen. ..... Wie alle statistischen Materialien sind auch die hier vorgestellten Zahlen selbst kein Spiegel der Realität. Sie sind vielmehr durch Konstruktionsprozesse entstanden und im Umgang damit ist Vorsicht geboten. ..... Der bekannte Spruch: ‚Vertraue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast‘, bezieht sich auf diese Abstraktionsleistung bei der Erstellung von Statistiken. Statistiken entstehen auf dem Boden von gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Konventionen und Erzählungen und oft genug wird man auf Zahlentraditionen stoßen, deren rationale Begründung ausgedünnt, wenn nicht verloren ist. ..... Ebenso ist vor dem Rückschluss von statistischen Wahrscheinlichkeiten auf Kausalitäten zu warnen. Wahrscheinlichkeiten beziehen sich auf konstruierte gesellschaftliche Gruppen bei denen bestimmte Merkmale gehäuft beobachtet werden können. Wahrscheinlichkeiten beziffern die Häufigkeit eines Ereignisses in einer fiktiven Kohorte, in einer Grundgesamtheit. Wahrscheinlichkeiten beziehen sich jedoch per definitionem nicht auf eine konkrete Person, sondern auf einen konstruierten Kasus (einen Idealtypus); ..... . Der Schluss auf kausale Merkmale (Wahrscheinlichkeiten) der aggregierten Gruppe begründet kein Kausalmodell im Sinne der Newton‘schen Physik.“
[35] Vgl. dazu z.B. den „Jahresbericht 2013“ des Vereines „(Wiener) Spielsuchthilfe“, S. 4 (downloadbar unter: http://www.spielsuchthilfe.at/pdf/spielsuchthilfe-jahresbericht-2013.pdf); Gegenteiliges geht auch aus dem Evaluierungsbericht 2010-2014 des BMF (III-131 BlgNR, 25. GP) nicht hervor.
[36] Vgl. https://www.bmf.gv.at/steuern/gluecksspiel-spielerschutz/in-oesterreich/Gluecksspiel-Bericht-2010-2013.html
[37] Und im Jahr 2014 weitere 625 (vgl. den Evaluierungsbericht 2010-2014, III-131 BlgNR, 25. GP, S. 43).
[38] Nämlich: 5 Verurteilungen im Jahr 2013 (vgl. Statistik Austria, Gerichtliche Kriminalstatistik, Wien 2014, S. 59), 2 Verurteilungen im Jahr 2012 (vgl. Statistik Austria, Gerichtliche Kriminalstatistik, Wien 2013, S. 63) und 11 Verurteilungen im Jahr 2011 (vgl. Statistik Austria, Gerichtliche Kriminalstatistik, Wien 2013, S. 112, jeweils unter www.statistik.at/web_de/services/publikationen/6/index.html?id=6&listid=6&detail=625 downloadbar).
[39] Vgl. Judith Köberl – Franz Prettenthaler, Kleines Glücksspiel – Großes Leid: Empirische Untersuchungen zu den sozialen Kosten des Glücksspiels in der Steiermark (Schriftenreihe des Institutes für Technologie- und Regionalpolitik der Joanneum Research, Bd. 10), Leykam-Verlag, Graz 2009.
[40] Vgl. Judith Köberl – Franz Prettenthaler, Kleines Glücksspiel – Großes Leid: Empirische Untersuchungen zu den sozialen Kosten des Glücksspiels in der Steiermark (Schriftenreihe des Institutes für Technologie- und Regionalpolitik der Joanneum Research, Bd. 10), Leykam-Verlag, Graz 2009, S. 108 ff (insbes. S. 112) und S. 172.
[41] Selbst wenn man noch jene Fälle, in denen Glücksspielsucht auch als Teilmotiv fungierte (vgl. Judith Köberl – Franz Prettenthaler, Kleines Glücksspiel – Großes Leid: Empirische Untersuchungen zu den sozialen Kosten des Glücksspiels in der Steiermark [Schriftenreihe des Institutes für Technologie- und Regionalpolitik der Joanneum Research, Bd. 10], Leykam-Verlag, Graz 2009, S. 112) hinzurechnet, ergibt dies insgesamt bloß 25 Fälle von glücksspielmotivierter Beschaffungskriminalität im Sprengel des OLG Graz in einem Zeitraum von 18 Monaten (Gesamtjahr 2006 und erstes Halbjahr 2007); statistisch hochgerechnet würde dies in allen 4 OLG-Sprengeln – und damit österreichweit – eine (fiktive) Anzahl von lediglich 66,7 Fällen jährlicher Beschaffungskriminalität ergeben.
[42] Vgl. den Evaluierungsbericht 2010-2014 des BMF, III-131 BlgNR, 25. GP, S. 25 ff, insbesondere 27 f.
[43] Also zwischen drei bis und fünf Jahren; vgl. allgemein Wirtschaftskammern Österreichs – Gründerservice (Hrsg.), Das verflixte dritte Jahr und weitere praktische Tipps für die Nachgründungsphase, Wien 2015 (downloadbar unter https://www.gruenderservice.at/Content.Node/gruenden/Broschueren/verflixte3jahr_2015.pdf), S. 7.
[44] Vgl. auch: https://service.bmf.gv.at/budget/akthh/2014/201412FH_ug16.htm.
[45] Siehe zur Novelle BGBl I 111/2010 auch 981 BlgNR, 24. GP, insbes. S. 148 ("Die Höhe der Gebühren in Zu-sammenhang mit der Antragstellung und der Konzessionserteilung ergeben sich aus der Notwendigkeit zur Durchführung aufwändiger Konzessionierungsverfahren. ..... Zudem besteht auf Grund der Ertragskraft der glücksspielrechtlichen Konzessionen ein hohes Interesse der Konzessionswerber an der Erteilung einer Konzession, in deren Licht die Höhe der Gebühren keinesfalls unangemessen ist.").
[46] Abrufbar unter: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150408_OTS0039.
[47] In den Jahren 2010 bis 2013 beliefen sich die Einnahmen des Bundes im Jahresdurchschnitt auf ca. 121,411 Milliarden Euro (vgl. Statistik Austria, Gebarungsübersichten 2013 [2014], S. 18 [downloadbar unter: www.statistik.at/web_de/services/publikationen/19/index.html), sodass der aus den Glücksspielabgaben resultierende Anteil ca. 0,4% der Gesamteinnahmen beträgt.
[48] Gebühren von 10.000 Euro für die Antragstellung und von 100.000 Euro im Falle der Erteilung einer Konzession, wie diese in § 59a Abs. 1 Z. 1 und 2 GSpG vorgesehen sind, finden in der gesamten übrigen Rechtsordnung – soweit ersichtlich – keine adäquate Entsprechung.
[49] Zum weder in der EGRC noch in der EMRK explizit positivierten, in Verbindung mit einzelnen Grundrechtsgewährleistungen jedoch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleiteten sog. „Richtervorbehalt“ vgl. im Zusammenhang mit Art. 7 EGRC z.B. EuGH vom 8. April 2014, C-293/12 (Digital Rights Ireland, EU:C:2014:238), RN 62, im Zusammenhang mit Art. 8 EMRK bspw. EGMR vom 2. September 2010, 35623/05, RN 71, bzw. vom 25. März 1998, 23224/94, RN 72, sowie im Zusammenhang mit § 3 HausRG etwa VfSlg 6553/1971, S. 737 f (m.w.N.); zum Begriff vgl. näher W. Berka, Die Grundrechte, Wien 1999, RN 257, und J. Hengstschläger – D. Leeb, Grundrechte, 2. Aufl., Wien 2013, RN 1/56.
[50] Prinzipiell ablehnend EuGH vom 8. September 2010, C-409/06 (Winner Wetten, EU:C:2010:503), RN 69.
[51] Vgl. jüngst EuGH vom 11. September 2014, C-112/13 (EU:C:2014:2195), RN 36, und vom 4. Juni 2015, C-5/14 (Kernkraftwerke Lippe-Ems; EU:C:2015:354), RN 32.
[52] Abrufbar unter: www.isd-hamburg.de/dl/Repraesentativbefragung_2015_Bericht_final.pdf.
[53] Projektleitung: Jens Kalke und Friedrich Martin Wurst; weitere Mitglieder des Projektteams: Sven Buth und Natasha Thon.
[54] Vgl. näher: www.isd-hamburg.de.
[55] Wodurch der Aspekt einer Neutralität und Unabhängigkeit dieser Institution schon von vornherein relativiert wird (vgl. insbesondere S. 7 dieser Studie: „Unterstützt wurde die Untersuchung von der Casinos Austria AG und der Österreichische Lotterien GmbH, die durch eine finanzielle Förderung an die Gesellschaft zur Erforschung nicht stoffgebundener Abhängigkeiten [GES] die Realisierung dieser Studie möglich gemacht haben. Die GES ist Zuwendungsgeber und Vertragspartner für das ISD. Ein der GES zugeordneter Beirat hat die Untersuchung inhaltlich begleitet.“ [Hervorhebungen nicht im Original]).
[56] Vgl. z.B. (Hervorhebungen jeweils nicht im Original) RN 98 („Der Verwaltungsgerichtshof hegt sohin insgesamt keine Zweifel daran, dass mit der Einführung der Regelung über die Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten in § 5 GSpG eine Verbesserung des Spielerschutzes beabsichtigt und erreicht wurde.“), RN 117 („Durch die Festlegung eines normativen Rahmens und einer damit einhergehenden strikten behördlichen Kontrolle wird Sorge dafür getragen, dass die Ziele tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden.“) und RN 122 („Es wurde bereits dargelegt, dass im GSpG die angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität sowie der Verhinderung von kriminellen Handlungen gegenüber Spielern in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden. Diese Ziele können nicht bloß als Vorwand für die Beibehaltung der Monopolregelung bzw. einer Einnahmenmaximierung angesehen werden.“).
[57] Symptomatisch dafür etwa RN 108, wo aus dem Umstand, „dass Spielsucht und Kriminalität ..... in Österreich im betrachteten Zeitraum seit 2010 keine überdurchschnittlich maßgeblichen oder gesamtgesellschaftlich relevanten Probleme darstellten“ der Schluss gezogen wird, dass dieser Effekt nur daraus resultieren könne, dass „die Beschränkung der Möglichkeit der Teilnahme an Glücksspielen durch ein Monopolsystem, das mit einem Konzessionssystem kombiniert wurde, bereits seit langer Zeit (beginnend im 18. Jahrhundert) bestand“, wodurch „eindrucksvoll belegt“ wird, „dass das vom österreichischen Gesetzgeber seit langer Zeit gewählte System zur Beschränkung der Möglichkeiten, in Österreich an Glücksspielen teilzunehmen, die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele des Spielerschutzes, sowie der Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspielen erreichte.“. Auf den daraus resultierenden Widerspruch zur Argumentation in RN 78 (vgl. ebenso RN 99, RN 103 und 106), wo der VwGH jeweils selbst davon ausgeht, dass illegales Glücksspiel ein permanentes Problem verkörpert, dem durch ständige Novellierungen des GSpG begegnet werden muss („So wird in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, es hätten sich in der Zeit vor dieser Novelle illegale Automatenkasinos ausgebreitet, die in keinerlei Hinsicht Schutz für das Spielerpublikum böten: Weder könne der Bund die illegal aufgestellten Glücksspielautomaten beaufsichtigen, noch hätten die Betreiber oder Aufsteller eine Verantwortung gegenüber dem Spieler. Schon zum Schutz des Spielerpublikums seien rasch durchgreifende Maßnahmen erforderlich [vgl ErläutRV 17. GP, BlgNr 1067, 21].“), und in RN 109 („Die zentralen Probleme in Österreich im Bereich des Glücksspieles in den letzten Jahren lagen nicht primär im Anstieg der Anzahl der Spielsüchtigen und der Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspielen, sondern vielmehr darin, dass die von Anbietern, die über keine Konzession oder Bewilligung verfügten, bereitgestellten Gelegenheiten an zahlreichen [neuen] Glücksspielen auch über neue Technologien [Online-Glücksspiel] teilzunehmen, stark zunahmen; mit anderen Worten: Man war mit einer immensen Ausweitung des illegalen Glücksspiels konfrontiert. Dieser Umstand ist schon aus den vom Landesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den nach dem GSpG erfolgten Bestrafungen, Beschlagnahmen und Einziehungen ersichtlich.“; Hervorhebungen jeweils nicht im Original) sei hingewiesen.
[58] Vgl. in diesem Sinne Ch. Grabenwarter – K. Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. (2016), 571, RN 171.
[59] Auch wenn die hochgerechnete Zahl von 64.000 Spielsüchtigen Personen als vorbehaltlos zutreffend unterstellt wird, entspricht dies lediglich einem Anteil von ca. 1/133 an der österreichischen Gesamtbevölkerung.
[60] Vgl. z.B. VwGH vom 20. Oktober 2015, Ra 2014/09/0028, m.w.N.; s.a. P. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit (1983), 173.
[61] Vgl. www.bmf.gv.at/steuern/gluecksspiel-spielerschutz/in-oesterreich/Gluecksspiel-Bericht-2010-2013.html.
[62] Vgl. in diesem Sinne auch die parlamentarische Anfragebeantwortung des Bundesministeriums für Inneres vom 21. November 2014, 2405/AB zu 2559/J (25. GP).
[63] Vgl. www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/III/III_00131/fname_380250.pdf
[64] Abrufbar unter: www.isd-hamburg.de/dl/Repraesentativbefragung_2015_Bericht_final.pdf.
[65] Projektleitung: Jens Kalke und Friedrich Martin Wurst; weitere Mitglieder des Projektteams: Sven Buth und Natasha Thon.
[66] Vgl. näher: www.isd-hamburg.de.
[67] Wodurch der Aspekt einer Neutralität und Unabhängigkeit dieser Institution schon von vornherein relativiert wird (vgl. insbesondere S. 7 dieser Studie: „Unterstützt wurde die Untersuchung von der Casinos Austria AG und der Österreichische Lotterien GmbH, die durch eine finanzielle Förderung an die Gesellschaft zur Erforschung nicht stoffgebundener Abhängigkeiten [GES] die Realisierung dieser Studie möglich gemacht haben. Die GES ist Zuwendungsgeber und Vertragspartner für das ISD. Ein der GES zugeordneter Beirat hat die Untersuchung inhaltlich begleitet.“ [Hervorhebungen nicht im Original]).
[68] Vgl. www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150408_OTS0039.
[69] Vgl. auch https://service.bmf.gv.at/budget/akthh/2014/201412FH_ug16.htm.
[70] Wobei in diesem Zusammenhang nicht nur eine große Reichweite garantierende Medien – v.a. TV, Rundfunk (vgl. z.B. „Ö3-Glückskeks“), e‑papers, Internet (vgl. z.B. „Damentag in allen Casinos: ..... Für nur 23 Euro erhalten Sie Begrüßungsjetons im Wert von 25 Euro und Ihr Gewinnticket für die Verlosung des Tagespreises“, www.casinos.at/de/casinos-austria/eventkalender?edui=4&estx=damentag), Printmedien (vgl. z.B. „Lotterien-Tag: Österreichs Lotterien öffnen Türen zum Tiergarten Schönbrunn: ..... Wer mit einer Spielquittung oder einem Los der Österreichischen Lotterien zu einem der drei Eingänge kommt, erhält freien Eintritt .....“, Der Standard vom 21. Juli 2014, S. 17; Stadt-Blatt Innsbruck vom 18. März 2015 mit aufgeklebtem 10-Euro-Gutschein-Jeton für das Casino Innsbruck) und Social Medias (vgl. z.B. „Jackpot Cafe – Mega-Million-Jackpot – Täglich ab 11:00 Uhr – Keine Bekleidungsvorschriften – Spielen ab 1 Cent – vom 1. bis 14. April 2016“ via facebook) –, sondern auch alle anderen Formen von Werbeträgern – wie eine Garnitur der Wiener U-Bahn oder Plakatwände, aber auch Lokalzeitungen (vgl. z.B. „Lotterien-Tag im Kunsthistorischen Museum – mit dem Lottoschein am Freitag, dem 31. Oktober, kostenlos zu Diego Velazquez“, Neue Vorarlberger Tageszeitung vom 30. Oktober 2014, S. 33) und weniger auflagenstarke Printmedien (vgl. z.B. „Mit Anteilsschein mehr Chancen zu gewinnen – Neu bei Lotto und EuroMillionen: Geringer Einsatz, eine Vielzahl an Tipps und somit erhöhte Gewinnchancen“, Katholisches Kirchenblatt Vorarlberg vom 16. Dezember 2014, S. 22) benützt werden.
[71] Siehe insbesondere nochmals Institut Suchprävention pro mente Oberösterreich, Factsheet Sucht – Abhängigkeit und Substanzkonsum, Version 2.3 vom 2. September 2014, S. 3: „Wie alle statistischen Materialien sind auch die hier vorgestellten Zahlen selbst kein Spiegel der Realität. Sie sind vielmehr durch Konstruktionsprozesse entstanden und im Umgang damit ist Vorsicht geboten. ..... Wahrscheinlichkeiten beziehen sich auf konstruierte gesellschaftliche Gruppen, bei denen bestimmte Merkmale gehäuft beobachtet werden können. Wahrscheinlichkeiten beziffern die Häufigkeit eines Ereignisses in einer fiktiven Kohorte, in einer Grundgesamtheit. ..... Wahrscheinlichkeiten beziehen sich jedoch per definitionem nicht auf eine konkrete Person, sondern auf einen konstruierten Kasus (einen Idealtypus); ..... . Der Schluss auf kausale Merkmale (Wahrscheinlichkeiten) der aggregierten Gruppe begründet kein Kausalmodell im Sinne der Newton‘schen Physik.“
[72] Wenn der VwGH in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 2015, Ro 2014/17/0121, anführt, dass er die vom LVwG OÖ in dessen Erkenntnis vom 30. April 2014, LVwG-410287/4/Gf/Rt, vertretene Rechtsansicht, dass gegen die Geltung des Amtswegigkeitsprinzips in einem gerichtlichen Strafverfahren verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 90 Abs. 2 B-VG, Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 EGRC bestehen, nicht nachvollziehen könne, so ist zwar zuzugestehen, dass in der hg. Entscheidung nicht dezidiert zum Ausdruck gebracht wurde, dass das Amtswegigkeitsprinzip im des Anwendungsbereich des Verwaltungs(straf-)verfahrens den Charakter eines Inquisitionsprinzips annimmt und daher auch synonym in diesem Sinn zu verstehen ist; allerdings wird diese Ansicht der Sache nach einhellig (wenngleich gelegentlich euphemistisch umschrieben) schon seit dem Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze vertreten (vgl. z.B. A. Langer, Verwaltungs-Strafrecht und Strafverfahren [1926], 25; Ernst C. Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, Bd. II [1954], S. 3), sodass dem LVwG OÖ eine gesonderte Betonung dieses Umstandes entbehrlich erschien. Dessen ungeachtet dürfte es keinem Zweifel unterliegen, dass die Fortgeltung der Inquisitionsmaxime auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (allenfalls mit Art. 90 Abs. 2 B‑VG [so der VwGH im Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/17/0121], jedenfalls aber) nicht mit den europäischen Grundrechtsgewährleistungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. des Art. 47 EGRC vereinbar ist.
[73] Vgl. jüngst auch BVerfG vom 16.12.2014, 1 BvR 2142/11 (= EuGRZ 2015, 239 ff), zur Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter bei Missachtung der Letztentscheidungskompetenz.
[74] Bedenklich insoweit BVerfG vom 16.12.2014, 1 BvR 2142/11 (= EuGRZ 2015, 239 ff), RN 43; eine derartige Auffassung lässt sich nur mit der Behauptung des Bestehens eines sog. „integrationsfesten Verfassungskerns“ begründen.
[75] Vgl. z.B. EuGH vom 30. Juni 2016, C-634/15 (Sokoll-Seebacher II, EU:C:2016:510), RN 19; wird die Stellung eines Vorlageantrages ohne zureichende Begründung unterlassen, liegt – gewissermaßen als Ausgleich dafür, dass das Unionsrecht keine Individualbeschwerdebefugnis an den EuGH kennt – eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK vor (vgl. jüngst EGMR vom 23. Mai 2016, 17502/07, RN 109 ff).
[76] Zu – eng beschränkten – Ausnahmekonstellationen vgl. jüngst EuGH vom 28. Juli 2016, C-379/15 (Association France Nature Environnment, EU:C:2016/603), RN 40 ff.
[77] Vgl. näher den Evaluierungsbericht 2010-2014 des BMF, III-131 BlgNR, 25. GP, S. 37 ff.
[78] Vgl. Arthur Schroers und Christoph Lagemann, in: Jens Kalke – Sven Buth – Moritz Rosenkranz – Christian Schütze – Harald Oechsler – Uwe Verthein, Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich – Empirische Erkenntnisse zum Spielverhalten der Bevölkerung und zur Prävention der Glücksspielsucht, Lambertus-Verlag, Freiburg i.Br., 2011, S. 16.
[79] Vgl. Arthur Schroers und Christoph Lagemann, in: Jens Kalke – Sven Buth – Moritz Rosenkranz – Christian Schütze – Harald Oechsler – Uwe Verthein, Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich – Empirische Erkenntnisse zum Spielverhalten der Bevölkerung und zur Prävention der Glücksspielsucht, Lambertus-Verlag, Freiburg i.Br., 2011, S. 12.
[80] Vgl. dazu auch den Jahresbericht 2013 des Vereines „(Wiener) Spielsuchthilfe“ (downloadbar unter: http://www.spielsuchthilfe.at/pdf/spielsuchthilfe-jahresbericht-2013.pdf), S. 74 f .
[81] Dass die Anzahl der pathologisch Spielsüchtigen jene der bloß verhaltensauffälligen Spieler überwiegt, ist kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass (vgl. dazu Sven Buth, in: Kalke u.a., Glücksspiel und Spielerschutz, S. 161) eine Verhaltensauffälligkeit vorliegt, wenn 3 oder 4 von insgesamt 10 DSM-IV-Kriterien erfüllt sind, ein pathologisches Spielverhalten aber bereits dann gegeben ist, wenn von den verbleibenden 6 DSM-IV-Kriterien bloß 1 weiteres hinzutritt, sodass insgesamt 5 DSM-IV-Kriterien erfüllt sind.
[82] Vgl. Sven Buth, in: Jens Kalke – Sven Buth – Moritz Rosenkranz – Christian Schütze – Harald Oechsler – Uwe Verthein, Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich – Empirische Erkenntnisse zum Spielverhalten der Bevölkerung und zur Prävention der Glücksspielsucht, Lambertus-Verlag, Freiburg i.Br., 2011, S. 161.
[83] Abrufbar unter: http://www.praevention.at/seiten/index.php/nav.5/view.26/level.2/
[84] Internetadresse: www.praevention.at/seiten/index.php/nav.2/view.2/level.1/
[85] Vgl. Sven Buth, in: Jens Kalke – Sven Buth – Moritz Rosenkranz – Christian Schütze – Harald Oechsler – Uwe Verthein, Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich – Empirische Erkenntnisse zum Spielverhalten der Bevölkerung und zur Prävention der Glücksspielsucht, Lambertus-Verlag, Freiburg i.Br., 2011, S. 143 f.
[86] Auch der Autor der im Glücksspielbericht 2010-2013 des BMF bezogenen Studie bemerkt in diesem Zusammenhang selbst (vgl. Sven Buth, Repräsentativbefragung der Bevölkerung, in: Jens Kalke u.a. [Hrsg.], Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich, Lambertus-Verlag, Freiburg i. Br. 2011, S. 162): „Trotz komplexer Verfahren der Stichprobenauswahl und den Möglichkeiten einer nachträglichen Gewichtung stellen die Ergebnisse von Repräsentativbefragungen immer nur eine Schätzung der tatsächlichen Verhältnisse dar. Die in der oberen Tabelle 6.8 abgetragenen Anteile problematischen und pathologischen Spielens sind somit als (Punkt‑)Schätzungen der wahren Problemprävalenzen zu begreifen. Statistisch lässt sich ein Intervall berechnen, in welchem sich mit einer zuvor definierten Sicherheit – meistens 95 Prozent oder 99 Prozent – der wahre Wert befinden muss. Der obere und untere Wert dieses so genannten Konfidenzintervalls ist in Bezug auf das Ausmaß der vorhandenen Spielprobleme in Tabelle 6.9 dargestellt. Ein problematisches Spielverhalten zeigen demnach in Österreich zwischen 0,27 Prozent und 0,59 Prozent der Bevölkerung. Hochgerechnet auf die in Österreich lebenden Personen im Alter von 14 bis 65 Jahren sind dies zwischen 15.700 und 34.500 Betroffene. Das Konfidenzintervall des Anteils des Spielsüchtigen variiert zwischen 0,46 Prozent und 0,86 Prozent. Absolut zeigen somit zwischen 26.900 und 50.200 ÖsterreicherInnen ein pathologisches Spielverhalten“ (Hervorhebungen nicht im Original), sodass demnach das Gesamtintervall an problematischen und pathologischen Spielern zwischen 42.600 und 84.700 Personen läge und die Zahl von 64.000 somit einen ungefähren Mittelwert zwischen – allerdings zuvor autonom definierten – Sicherheitsgrenzen verkörpert.
[87] Downloadbar unter: http://www.spielsuchthilfe.at/pdf/spielsuchthilfe-jahresbericht-2013.pdf; vgl. insbesondere S. 21 f. und S. 31 f.
[88] Vgl. dazu insbesondere auch die Feststellung des Instituts „Suchprävention pro mente Oberösterreich“ im Factsheet Sucht - Abhängigkeit und Substanzkonsum, Version 2.3 vom 2. September 2014, S. 3 (Hervorhebungen nicht im Original): „Die Begriffe Abhängigkeit, Sucht, problematischer Konsum, Missbrauch, aktueller Konsum, Lebenszeitprävalenz des Konsums, Lebenszeitprävalenz der Abhängigkeit beziehen sich auf jeweils unterschiedliche Sachverhalte und es ist wichtig sich im Umgang mit epidemiologischen Prävalenzzahlen die Differenz der Begriffe ins Gedächtnis zu rufen. ..... Wie alle statistischen Materialien sind auch die hier vorgestellten Zahlen selbst kein Spiegel der Realität. Sie sind vielmehr durch Konstruktionsprozesse entstanden und im Umgang damit ist Vorsicht geboten. ..... Der bekannte Spruch: ‚Vertraue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast‘, bezieht sich auf diese Abstraktionsleistung bei der Erstellung von Statistiken. Statistiken entstehen auf dem Boden von gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Konventionen und Erzählungen und oft genug wird man auf Zahlentraditionen stoßen, deren rationale Begründung ausgedünnt, wenn nicht verloren ist. ..... Ebenso ist vor dem Rückschluss von statistischen Wahrscheinlichkeiten auf Kausalitäten zu warnen. Wahrscheinlichkeiten beziehen sich auf konstruierte gesellschaftliche Gruppen bei denen bestimmte Merkmale gehäuft beobachtet werden können. Wahrscheinlichkeiten beziffern die Häufigkeit eines Ereignisses in einer fiktiven Kohorte, in einer Grundgesamtheit. Wahrscheinlichkeiten beziehen sich jedoch per definitionem nicht auf eine konkrete Person, sondern auf einen konstruierten Kasus (einen Idealtypus); ..... . Der Schluss auf kausale Merkmale (Wahrscheinlichkeiten) der aggregierten Gruppe begründet kein Kausalmodell im Sinne der Newton‘schen Physik.“
[89] Vgl. dazu z.B. den „Jahresbericht 2013“ des Vereines „(Wiener) Spielsuchthilfe“, S. 4 (downloadbar unter: http://www.spielsuchthilfe.at/pdf/spielsuchthilfe-jahresbericht-2013.pdf); Gegenteiliges geht auch aus dem Evaluierungsbericht 2010-2014 des BMF (III-131 BlgNR, 25. GP) nicht hervor.
[90] Abrufbar unter: www.isd-hamburg.de/dl/Repraesentativbefragung_2015_Bericht_final.pdf.
[91] Projektleitung: Jens Kalke und Friedrich Martin Wurst; weitere Mitglieder des Projektteams: Sven Buth und Natasha Thon.
[92] Vgl. näher: www.isd-hamburg.de.
[93] Wodurch der Aspekt einer Neutralität und Unabhängigkeit dieser Institution schon von vornherein relativiert wird (vgl. insbesondere S. 7 dieser Studie: „Unterstützt wurde die Untersuchung von der Casinos Austria AG und der Österreichische Lotterien GmbH, die durch eine finanzielle Förderung an die Gesellschaft zur Erforschung nicht stoffgebundener Abhängigkeiten [GES] die Realisierung dieser Studie möglich gemacht haben. Die GES ist Zuwendungsgeber und Vertragspartner für das ISD. Ein der GES zugeordneter Beirat hat die Untersuchung inhaltlich begleitet.“ [Hervorhebungen nicht im Original]).
[94] Vgl. https://www.bmf.gv.at/steuern/gluecksspiel-spielerschutz/in-oesterreich/Gluecksspiel-Bericht-2010-2013.html
[95] Und im Jahr 2014 weitere 625 (vgl. den Evaluierungsbericht 2010-2014, III-131 BlgNR, 25. GP, S. 43).
[96] Nämlich: 5 Verurteilungen im Jahr 2013 (vgl. Statistik Austria, Gerichtliche Kriminalstatistik, Wien 2014, S. 59), 2 Verurteilungen im Jahr 2012 (vgl. Statistik Austria, Gerichtliche Kriminalstatistik, Wien 2013, S. 63) und 11 Verurteilungen im Jahr 2011 (vgl. Statistik Austria, Gerichtliche Kriminalstatistik, Wien 2013, S. 112, jeweils unter www.statistik.at/web_de/services/publikationen/6/index.html?id=6&listid=6&detail=625 downloadbar).
[97] Vgl. Judith Köberl – Franz Prettenthaler, Kleines Glücksspiel – Großes Leid: Empirische Untersuchungen zu den sozialen Kosten des Glücksspiels in der Steiermark (Schriftenreihe des Institutes für Technologie- und Regionalpolitik der Joanneum Research, Bd. 10), Leykam-Verlag, Graz 2009.
[98] Vgl. Judith Köberl – Franz Prettenthaler, Kleines Glücksspiel – Großes Leid: Empirische Untersuchungen zu den sozialen Kosten des Glücksspiels in der Steiermark (Schriftenreihe des Institutes für Technologie- und Regionalpolitik der Joanneum Research, Bd. 10), Leykam-Verlag, Graz 2009, S. 108 ff (insbes. S. 112) und S. 172.
[99] Selbst wenn man noch jene Fälle, in denen Glücksspielsucht auch als Teilmotiv fungierte (vgl. Judith Köberl – Franz Prettenthaler, Kleines Glücksspiel – Großes Leid: Empirische Untersuchungen zu den sozialen Kosten des Glücksspiels in der Steiermark [Schriftenreihe des Institutes für Technologie- und Regionalpolitik der Joanneum Research, Bd. 10], Leykam-Verlag, Graz 2009, S. 112) hinzurechnet, ergibt dies insgesamt bloß 25 Fälle von glücksspielmotivierter Beschaffungskriminalität im Sprengel des OLG Graz in einem Zeitraum von 18 Monaten (Gesamtjahr 2006 und erstes Halbjahr 2007); statistisch hochgerechnet würde dies in allen 4 OLG-Sprengeln – und damit österreichweit – eine (fiktive) Anzahl von lediglich 66,7 Fällen jährlicher Beschaffungskriminalität ergeben.
[100] Vgl. den Evaluierungsbericht 2010-2014 des BMF, III-131 BlgNR, 25. GP, S. 25 ff, insbesondere 27 f.
[101] Also zwischen drei bis und fünf Jahren; vgl. allgemein Wirtschaftskammern Österreichs – Gründerservice (Hrsg.), Das verflixte dritte Jahr und weitere praktische Tipps für die Nachgründungsphase, Wien 2015 (downloadbar unter https://www.gruenderservice.at/Content.Node/gruenden/Broschueren/verflixte3jahr_2015.pdf), S. 7.
[102] Im Bundesland Oberösterreich wurden die Konzessionen für die sog. „Landesausspielungen“ im Jahr 2013 rechtskräftig vergeben; vgl. im Übrigen auch FN 101.
[103] Vgl. auch: https://service.bmf.gv.at/budget/akthh/2014/201412FH_ug16.htm.
[104] Siehe zur Novelle BGBl I 111/2010 auch 981 BlgNR, 24. GP, insbes. S. 148 ("Die Höhe der Gebühren in Zu-sammenhang mit der Antragstellung und der Konzessionserteilung ergeben sich aus der Notwendigkeit zur Durchführung aufwändiger Konzessionierungsverfahren. ..... Zudem besteht auf Grund der Ertragskraft der glücksspielrechtlichen Konzessionen ein hohes Interesse der Konzessionswerber an der Erteilung einer Konzession, in deren Licht die Höhe der Gebühren keinesfalls unangemessen ist.").
[105] Abrufbar unter: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150408_OTS0039.
[106] In den Jahren 2010 bis 2013 beliefen sich die Einnahmen des Bundes im Jahresdurchschnitt auf ca. 121,411 Milliarden Euro (vgl. Statistik Austria, Gebarungsübersichten 2013 [2014], S. 18 [downloadbar unter: www.statistik.at/web_de/services/publikationen/19/index.html), sodass der aus den Glücksspielabgaben resultierende Anteil ca. 0,4% der Gesamteinnahmen beträgt.
[107] Gebühren von 10.000 Euro für die Antragstellung und von 100.000 Euro im Falle der Erteilung einer Konzession, wie diese in § 59a Abs. 1 Z. 1 und 2 GSpG vorgesehen sind, finden in der gesamten übrigen Rechtsordnung – soweit ersichtlich – keine adäquate Entsprechung.
[108] Zum weder in der EGRC noch in der EMRK explizit positivierten, in Verbindung mit einzelnen Grundrechtsgewährleistungen jedoch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleiteten sog. „Richtervorbehalt“ vgl. im Zusammenhang mit Art. 7 EGRC z.B. EuGH vom 8. April 2014, C-293/12 (Digital Rights Ireland, EU:C:2014:238), RN 62, im Zusammenhang mit Art. 8 EMRK bspw. EGMR vom 2. September 2010, 35623/05, RN 71, bzw. vom 25. März 1998, 23224/94, RN 72, sowie im Zusammenhang mit § 3 HausRG etwa VfSlg 6553/1971, S. 737 f (m.w.N.); zum Begriff vgl. näher W. Berka, Die Grundrechte, Wien 1999, RN 257, und J. Hengstschläger – D. Leeb, Grundrechte, 2. Aufl., Wien 2013, RN 1/56.
[109] Vgl. z.B. (Hervorhebungen jeweils nicht im Original) RN 98 („Der Verwaltungsgerichtshof hegt sohin insgesamt keine Zweifel daran, dass mit der Einführung der Regelung über die Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten in § 5 GSpG eine Verbesserung des Spielerschutzes beabsichtigt und erreicht wurde.“), RN 117 („Durch die Festlegung eines normativen Rahmens und einer damit einhergehenden strikten behördlichen Kontrolle wird Sorge dafür getragen, dass die Ziele tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden.“) und RN 122 („Es wurde bereits dargelegt, dass im GSpG die angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität sowie der Verhinderung von kriminellen Handlungen gegenüber Spielern in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden. Diese Ziele können nicht bloß als Vorwand für die Beibehaltung der Monopolregelung bzw. einer Einnahmenmaximierung angesehen werden.“).
[110] Symptomatisch dafür etwa RN 108, wo aus dem Umstand, „dass Spielsucht und Kriminalität ..... in Österreich im betrachteten Zeitraum seit 2010 keine überdurchschnittlich maßgeblichen oder gesamtgesellschaftlich relevanten Probleme darstellten“ der Schluss gezogen wird, dass dieser Effekt nur daraus resultieren könne, dass „die Beschränkung der Möglichkeit der Teilnahme an Glücksspielen durch ein Monopolsystem, das mit einem Konzessionssystem kombiniert wurde, bereits seit langer Zeit (beginnend im 18. Jahrhundert) bestand“, wodurch „eindrucksvoll belegt“ wird, „dass das vom österreichischen Gesetzgeber seit langer Zeit gewählte System zur Beschränkung der Möglichkeiten, in Österreich an Glücksspielen teilzunehmen, die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele des Spielerschutzes, sowie der Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspielen erreichte.“. Auf den daraus resultierenden Widerspruch zur Argumentation in RN 78 (vgl. ebenso RN 99, RN 103 und 106), wo der VwGH jeweils selbst davon ausgeht, dass illegales Glücksspiel ein permanentes Problem verkörpert, dem durch ständige Novellierungen des GSpG begegnet werden muss („So wird in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, es hätten sich in der Zeit vor dieser Novelle illegale Automatenkasinos ausgebreitet, die in keinerlei Hinsicht Schutz für das Spielerpublikum böten: Weder könne der Bund die illegal aufgestellten Glücksspielautomaten beaufsichtigen, noch hätten die Betreiber oder Aufsteller eine Verantwortung gegenüber dem Spieler. Schon zum Schutz des Spielerpublikums seien rasch durchgreifende Maßnahmen erforderlich [vgl ErläutRV 17. GP, BlgNr 1067, 21].“), und in RN 109 („Die zentralen Probleme in Österreich im Bereich des Glücksspieles in den letzten Jahren lagen nicht primär im Anstieg der Anzahl der Spielsüchtigen und der Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspielen, sondern vielmehr darin, dass die von Anbietern, die über keine Konzession oder Bewilligung verfügten, bereitgestellten Gelegenheiten an zahlreichen [neuen] Glücksspielen auch über neue Technologien [Online-Glücksspiel] teilzunehmen, stark zunahmen; mit anderen Worten: Man war mit einer immensen Ausweitung des illegalen Glücksspiels konfrontiert. Dieser Umstand ist schon aus den vom Landesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den nach dem GSpG erfolgten Bestrafungen, Beschlagnahmen und Einziehungen ersichtlich.“; Hervorhebungen jeweils nicht im Original) sei hingewiesen.
[111] Vgl. in diesem Sinne Ch. Grabenwarter – K. Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. (2016), 571, RN 171.
[112] Selbst wenn man die hochgerechnete Zahl von 64.000 spielsüchtigen Personen als vorbehaltlos zutreffend unterstellen würde, entspräche dies lediglich einem Anteil von ca. 1/133 an der österreichischen Gesamtbevölkerung.
[113] Vgl. z.B. VwGH vom 20. Oktober 2015, Ra 2014/09/0028, m.w.N.; s.a. P. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit (1983), 173.
[114] Prinzipiell ablehnend EuGH vom 8. September 2010, C-409/06 (Winner Wetten, EU:C:2010:503), RN 69.
[115] Vgl. jüngst EuGH vom 11. September 2014, C-112/13 (EU:C:2014:2195), RN 36, und vom 4. Juni 2015, C-5/14 (Kernkraftwerke Lippe-Ems; EU:C:2015:354), RN 32.
Beachte:
Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.
VwGH vom 21. April 2017, Zl.: Ra 2016/17/0290-6