LVwG-700024/3/Sr/Wu
Linz, 25.02.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
I. Gemäß § 50 VwGVG iVm den §§ 8 Abs. 2 Z. 5a, 17 Abs. 1 Z. 6 und Abs. 4 Oö. SDLG wird der Beschwerde stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.
II. Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG hat die Beschwerdeführerin weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 14. Jänner 2014, GZ Pol96-106-2013, wurde über die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) gemäß § 17 Abs. 1 Z. 6 iVm § 8 Abs. 2 Z. 5a Oö. Sexualdienstleistungsgesetz (Oö. SDLG) eine Geldstrafe in der Höhe von 500,-- Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Stunden verhängt, da die Bf als Bewilligungsinhaberin des Bordell A. entgegen § 8 Abs. 2 Z. 5a Oö. SDLG eine unvollständige Meldung an die zuständige Behörde erstattet habe.
Die Begründung beschränkt sich auf die Wiedergabe des Verfahrensablaufes (beginnend mit dem Hinweis auf die gegen die Bf erlassene Strafverfügung), Darstellung der Gesetzeslage und der „Feststellung“, dass die Bf am 2. und 7. November 2013 (unvollständige) Meldungen an die Marktgemeinde X erstattet habe. Ausführungen zum Verschulden und der Strafbemessung fehlen gänzlich.
2. Das Straferkenntnis wurde der Bf durch Hinterlegung am 23. Jänner 2014 zugestellt. Innerhalb offener Frist hat die Bf mit Schriftsatz vom 31. Jänner 2014 (eingelangt bei der belangten Behörde am 4. Februar 2014) dagegen Beschwerde eingebracht.
Einleitend wies die Bf auf die Einspruchsangaben hin, die sie vollinhaltlich aufrecht halte. Die Wohnanschriften seien nicht nachgewiesen bzw. innerhalb der gesetzlichen Frist nicht durchgeführt worden. Laut dem Polizeibeamten A.G. müsse sie diese nicht extra anführen. Die am 22. September 2013 übermittelte Meldung habe der Polizeibeamte A.G. als übersichtlich und brauchbar bezeichnet und um eine solche Vorgangsweise gebeten. Sie könne sich gegen solche Schikanen nicht mehr zur Wehr setzen und werde ihren Rechtsanwalt damit betrauen.
Erschließbar hat die Bf um Aufhebung des Straferkenntnisses ersucht.
Der Beschwerde wurde der E-Mail Verkehr vom 22. September 2013 mit RevInsp A.G. beigelegt.
Die Meldung vom 22. September 2013 beschränkt sich auf die Bekanntgabe des Vor- und Familiennamens, des Geburtsdatums, Geburtsortes und der Staatsbürgerschaft der Personen, die Sexualdienstleistungen anbahnen bzw. ausüben.
RevInsp A.G. hat mit E-Mail vom 23. September 2013 wie folgt geantwortet:
„Diese Liste ist übersichtlich und sehr brauchbar. Ich bitte in Zukunft um eines solche Vorgehensweise – danke“
3. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 6. Februar 2014 den Verwaltungsstrafakt vorgelegt und auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerde hingewiesen.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsicht in den Vorlageakt und die Schriftsätze der Bf.
4. Auf Grund der Aktenlage und des Vorbringens der Bf steht folgender Sachverhalt fest:
Die Bf ist als Bewilligungsinhaberin der Bar A. in X für die Einhaltung der Bestimmungen des Oö. SDLG verantwortlich.
Am 4. November 2013 übermittelte die Marktgemeinde X die von der Bf am 2. November 2013 vorgenommene Meldung gemäß § 8 Abs. 2 Z. 5 Oö. SDLG.
Nach Einsicht in diese Meldung hat die belangte Behörde ohne weiteres Ermittlungsverfahren die Strafverfügung vom 4. November 2013, GZ Pol96-106-2013, erlassen und der Bf vorgeworfen, dass sie am 2. November 2013 um 23:52 Uhr betreffend XX vor deren Ausübung der Sexualdienstleistung „oder“ vor Aufnahme des Dienstverhältnisses eine unvollständige Meldung gemäß § 8 Abs. 2 Z 5a Oö. SDLG erstattet habe.
Im fristgerecht eingebrachten Einspruch gegen die Strafverfügungen vom 4. November 2013 (Pol96-106-2013, Pol96-102-2013 und Pol96-105-2013) brachte die Bf vor, dass die Mädchen beim Besuch angemeldet worden seien und erst 5 Tage später mit ihren Sachen gekommen und die Aufenthaltsberechtigung nachgereicht hätten.
Auf Grund des Einspruches forderte die belangte Behörde nach Hinweis auf die beabsichtigte Erlassung eines Straferkenntnisses die Bf zur Stellungnahme auf. Nach Bezugnahme auf die Strafverfügung und die Einspruchsangaben stellte die belangte Behörde zwar auf die Ergänzungen im E-Mail vom 7. November 2013 an die Marktgemeinde X (Bekanntgabe des Aufenthaltstitels) ab, erachtete die weitere Meldung wiederum als unvollständig und hielt abschließend fest, dass die Meldung am 2. November 2013 zwingend notwendige Daten nicht enthalten habe.
Die Bf gab keine Stellungnahme ab.
Aus dem Vorlageakt geht hervor, dass die Bf unbescholten ist (ONr. 3).
Die Bf verfügt über kein Vermögen, hat keine Sorgepflichten. Das monatliche Nettoeinkommen beträgt ca. 800 Euro.
Ob bzw. ab wann XX im Bordell A. Sexualdienstleistungen ausgeübt „oder“ ein Dienstverhältnis aufgenommen hat wurde nicht ermittelt und fand auch keinen Eingang in behördliche Feststellungen. Ein solcher Zeitpunkt kann auch nicht festgestellt werden.
Die Meldungen am 2. und 7. November 2013 entsprechen nicht den gesetzlichen Vorgaben.
II.
Die Bf hat glaubwürdige und nachvollziehbare Angaben gemacht.
III.
1. § 8 Oö. SDLG regelt die Verantwortung und Pflichten beim Bordellbetrieb.
Gemäß Abs. 1 leg. cit. ist die Bewilligungsinhaberin bzw. der Bewilligungsinhaber für die Einhaltung der Bestimmungen dieses Landesgesetzes, der auf dessen Grundlage ergangenen Verordnungen und Bescheide verantwortlich.
Nach Abs. 2 Z. 5 lit. a leg. cit. ist die Bewilligungsinhaberin bzw. der Bewilligungsinhaber insbesondere verpflichtet, den Behörden (§ 14) die Personen, die im Bordell die Sexualdienstleistungen anbahnen oder ausüben, und die im Bordell beschäftigten sonstigen Dienstnehmerinnen bzw. Dienstnehmer schriftlich vor Ausübung der Sexualdienstleistung oder vor Aufnahme des Dienstverhältnisses die gesetzlich vorgesehen Daten bekannt zu geben.
Gemäß § 14 Abs. 1 leg. cit. sind die nach diesem Landesgesetz zu besorgenden Angelegenheiten solche des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde.
Nach § 17 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Bewilligungsinhaberin bzw. Bewilligungsinhaber gegen § 8 verstößt.
Gemäß Abs. 2 ist der Versuch strafbar.
Nach Abs. 4 sind Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 Z. 3 bis 9 mit Geldstrafe bis 5.000 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis 10.000 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen.
2.1. Bei der Bar A. handelt es sich um einen Bordellbetrieb. Die Bf ist als Bewilligungsinhaberin verpflichtet, der Gemeinde die Daten jener Personen bekannt zu geben, die im Bordell Sexualdienstleistungen anbahnen bzw. ausüben. Die schriftliche Bekanntgabe hat vor Ausübung der Sexualdienstleistung zu erfolgen.
2.2.1. Gemäß § 44a des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991 (WV) hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1. die als erwiesen angenommene Tat;
2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;
3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;
4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;
5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten."
2.2.2. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Bw angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den vorgeworfenen Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg. 11.466 A/1984 verst. Sen.; 11.894 A/1985 verst. Sen.). Im Spruch sind somit zum einen alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind, und zum anderen die Tathandlungen, durch die der Tatbestand verwirklicht wurde, zu beschreiben.
Eine nähere Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht, ebenso wie die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes, nicht aus (vgl. VwGH 13.1.1982, 81/03/0203; VwSlg 11.069 A/1983; VwGH 15.2.1983, 81/11/0122; vgl auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] VStG § 44a Anm. 2).
Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn
a. im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und
b. der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] VStG § 44a Anm. 2; VwGH 03.10.1985, 85/02/0053).
2.2.3. Im konkreten Fall ist nun zu überprüfen, ob die Tatbestandselemente des § 8 im Spruch entsprechend konkretisiert zum Ausdruck kommen.
Der Spruch beschränkt sich im Wesentlichen auf die Wiedergabe des Gesetzestextes.
Der Vorwurf im Spruch zielt darauf, dass die Bf am 2. November 2013 die gesetzlich gebotene Meldung an die Gemeinde unterlassen hat.
Der am 7. November 2013 nachgereichte Datensatz (Bekanntgabe des Aufenthaltstitels), der zutreffend noch immer nicht zu einer vollständigen Meldung nach § 8 Abs. 2 Z. 5a Oö. SDLG geführt hat, schien der belangten Behörde nicht beachtenswert, da die Meldung bereits am 2. November 2013 nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat.
Zu Recht geht die belangte Behörde davon aus, dass die gesetzlich vorgesehenen Daten vor Ausübung der Sexualdienstleistung oder Aufnahme eines Dienstverhältnisses von der Bewilligungsinhaberin bzw. dem Bewilligungsinhaber oder der verantwortlichen Person schriftlich bekannt gegeben werden müssen.
Daraus folgt aber, dass die Meldung nach § 8 Abs. 2 Z. 5a Oö. SDLG bis unmittelbar vor Ausübung der Sexualdienstleistung oder Aufnahme eines Dienstverhältnisses sanktionslos erbracht werden kann. Meldungen, die irgendwann unvollständig erstattet werden, führen - wie im vorliegenden Fall - ohne Bezugnahme auf die tatsächliche Ausübung der Sexualdienstleistung oder Aufnahme eines Dienstverhältnisses der genannten Person noch nicht zur Strafbarkeit.
Ob die von der Bf mit unvollständigem Datensatz bekanntgegebene Person im genannten Bordell zu einem bestimmten Zeitpunkt / in einem bestimmten Zeitraum Sexualdienstleistungen erbracht hat, ist dem Spruch in der vorliegenden Ausgestaltung nicht zu entnehmen. Die Ausübung der Sexualdienstleistung oder die Aufnahme eines Dienstverhältnisses stellt aber ein wesentliches Tatbestandsmerkmal dar.
Ungeachtet des Vorbringens der Bf hat die belangte Behörde keine Feststellungen im Hinblick auf eine Tätigkeit von XX im Bordell A. getroffen. Anzumerken ist, dass auch dem gesamten Vorlageakt kein Hinweis auf eine Beschäftigungsaufnahme von XX – in welcher Form auch immer – entnommen werden kann.
2.2.4. Die Bf wurde bei dieser Umschreibung im Spruch nicht in die Lage versetzt, auf einen konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen „Tatvorwurf“ zu widerlegen Es liegt somit ein Verstoß gegen § 44a VStG vor.
Unabhängig davon, dass ein wesentliches Tatbestandsmerkmal fehlt, ist anzumerken, dass schon auf Grund der Ergänzungen der Meldung am 7. November 2013 die im Spruch ausgeführte Tatanlastung verfehlt ist.
Hinsichtlich der Strafhöhe ist anzumerken, dass die belangte Behörde Ausführungen zur Strafzumessung schlichtweg unterlassen hat. Es ist daher nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar, wie die belangte Behörde zur festgesetzten Strafhöhe gekommen ist.
3. Aus den genannten Gründen war der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Stierschneider