LVwG-750331/6/MB/CH
Linz, 08.08.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des M A, vertreten durch W R Rechtsanwälte GmbH, R, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 1. Dezember 2015, GZ. Pol18-22314, mit dem im Namen des Landeshauptmanns als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung der Antrag auf Erteilung eines Verlängerungs- und Zweckänderungsantrags „Rot-Weiß-Rot -Karte plus" abgewiesen wurde
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 27 Abs. 1 NAG 2005 idgF wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Rot-weiß-rot – Karte plus“, befristet für die Dauer von zwölf Monaten, erteilt.
II. Gemäß § 20 Abs. 2 NAG 2005 idgF wird festgestellt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet im Zeitraum zwischen Ablauf der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels mit 5. August 2015 und Beginn der Gültigkeitsdauer des verlängerten Aufenthaltstitels gemäß Spruchpunkt I rechtmäßig war.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Insgesamt betrachtet überwiegen die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Wohles Österreichs und eines geordneten Fremdenwesens Ihre privaten Interessen an der Niederlassung in Österreich. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden."
2. Dagegen erhob der Bf (im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung) mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2015 Beschwerde, in welcher er begründend im Wesentlichen Nachfolgendes ausführt:
3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde samt Beilagen mit dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 15. Februar 2016 zur Entscheidung übermittelt. Darin merkte sie an, dass die angeführte Lebensgefährtin K H, geb. x, österr. StA., noch mit K I, geb. x, kenianischer StA., verheiratet ist, laut Aktenlage der belangten Behörde jedoch seit 2008 getrennt lebe. Es sei darüber hinaus bis dato noch keine Einstellungszusage eines möglichen Arbeitgebers vorgelegt worden.
4. Mit Schreiben vom 10. Mai 2016 forderte das Landesverwaltungsgericht OÖ den Bf dazu auf, binnen einer Frist von 2 Wochen ergänzende Beweismittel zur Klärung der Wohnsituation, der zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel und des Bestehens eines Krankenversicherungsschutzes vorzulegen.
Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2016 teilte der Bf mit, dass er seit 13. April 2016 als Hilfsarbeiter bei der G GmbH, F Straße 17, R, beschäftigt sei und im Monat April 2016 Euro 695,41 ins Verdienen gebracht habe. Der Bruttolohn betrage Euro 1.402,00 und der Bf sei aufgrund dieses Beschäftigungsverhältnisses auch krankenversichert. Er sei unter der Adresse J, S gemeldet. Mieterin der gegenständlichen Wohnung sei Frau H K; es beteilige sich der Bf vereinbarungsgemäß an den monatlichen Miet- und Betriebskosten mit einem Betrag in Höhe von Euro 300,00 monatlich. Dem Schriftsatz angeschlossen waren der anteilige Lohnzettel für April 2016 und ein Auszug aus dem System der Sozialversicherungsträger für die O aus dem die Meldung des Bf durch seinen Arbeitgeber bei der O dokumentiert.
II.
1. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, die Schriftsätze des Bf und die von diesem nachträglich vorgelegten Dokumente (Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Monat April 2016; Bestätigung über die Anmeldung des Bf bei der O durch die GK GmbH vom 12. April 2016) sowie durch Einholung eines aktuellen Auszuges aus dem Melderegister. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung im Wesentlichen von dem unter dem Punkt I. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus. Ergänzend waren folgende Feststellungen zu treffen:
Der Bf besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Zuletzt wurde ihm der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“, gültig von 6. August 2014 bis 5. August 2015, ausgefolgt. Die eheliche Gemeinschaft mit der österreichischen Staatsangehörigen P B, geb. x ist nicht mehr aufrecht. Der Bf ist seit 3. August 2015 unter der Adresse J, in S polizeilich mit Hauptwohnsitz gemeldet. Hauptmieterin dieser Wohnung ist Frau H K, geb. am x. Die Wohnung ist ca. 79,93 m2 groß. Die Gesamtmiete beträgt monatlich Euro 524,93 brutto. Der Bf leistet aufgrund einer mündlichen Vereinbarung Euro 300,00 monatlich an seine Lebensgefährtin. Der Bf ist seit 13. April 2016 als Hilfsarbeiter bei der G GmbH, F Straße 17, R als Hilfsarbeiter beschäftigt und krankenversichert. Der Bruttolohn beträgt Euro 1.402,00.
3. Diese Feststellungen ergeben sich widerspruchsfrei aus dem Verwaltungsakt, bzw hinsichtlich der Unterkunft des Bf aus dem vom Landesverwaltungsgericht im Ermittlungsverfahren eingeholten Auszug aus dem Melderegister und dem vom Bf vorgelegten Mietvertrag. Die Feststellungen hinsichtlich der Beschäftigung des Bf konnten aufgrund der Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Monat April 2016 sowie der Bestätigung über die Anmeldung des Bf bei der O durch die G GmbH vom 12. April 2016 getroffen werden.
III.
(2) Die Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltstitels beginnt mit dem Ausstellungsdatum, die Gültigkeitsdauer eines verlängerten Aufenthaltstitels mit dem auf den letzten Tag des letzten Aufenthaltstitels folgenden Tag, wenn seither nicht mehr als sechs Monate vergangen sind. Der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitraum zwischen Ablauf des letzten Aufenthaltstitels und Beginn der Gültigkeitsdauer des verlängerten Aufenthaltstitels ist gleichzeitig mit dessen Erteilung von Amts wegen gebührenfrei mit Bescheid festzustellen.
2.1. Familienangehörige mit einem Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5 und 8 NAG haben gemäß § 27 Abs. 1 NAG ein eigenständiges Niederlassungsrecht. Einem Familienangehörigen ist ein Aufenthaltstitel auszustellen, dessen Aufenthaltszweck jedenfalls dem bisherigen Aufenthaltszweck entspricht, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 NAG vorliegt und die Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 NAG erfüllt werden.
Der Bf verfügte über einen zuletzt bis 5. August 2015 gültigen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger" gemäß § 8 Abs 1 Z. 8 NAG. Dem Bf kommt daher ein eigenständiges Niederlassungsrecht zu und ihm ist der beantragte Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte Plus" zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 und Abs. 2 NAG erfüllt sind. Die Frage, ob es sich bei der Beziehung des Bf zu H K um eine vom Schutzbereich des Art 8 EMRK erfasste Beziehung handelt, wie dies in der Beschwerde behauptet wird, ist nur dann zu beachtlich, wenn ein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z. 3, 5 oder 6 NAG vorliegt oder es an einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 bis 6 NAG mangelt (§ 11 Abs. 3 NAG).
2.2. Der Aufenthaltstitel darf demnach nicht erteilt werden, wenn ein Erteilungshindernis nach § 11 Abs. 1 NAG vorliegt. Darüber hinaus darf der Aufenthaltstitel gemäß § 11 Abs. 2 NAG nur erteilt werden, wenn dies nicht öffentlichen Interessen widerspricht (Z. 1), der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine hinsichtlich der Familiengröße ortsübliche Unterkunft nachweist (Z. 2), der Fremde über eine alle Risken abdeckende und leistungspflichtige Krankenversicherung verfügt (Z. 3), der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte (Z. 4) und die Erteilung des Aufenthaltstitels die Beziehung der Republik Österreich zu anderen Völkerrechtssubjekten nicht wesentlich beinträchtigen würde (Z. 5).
Im konkreten Beschwerdefall ergibt sich zunächst kein Hinweis auf das Vorliegen eines Erteilungshindernisses nach § 11 Abs. 1 NAG. Auch in Bezug auf öffentliche Interessen gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG und die internationalen Beziehungen der Republik Österreich § 11 Abs. 2 Z. 5 NAG ergeben sich keinerlei Bedenken.
Im Rahmen der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z. 2 und 3 NAG erfüllt werden, ist eine Prognose zu treffen (vgl VwGH 9.9.2014, Ro 2014/22/0032). Gemäß § 11 Abs. 2 Z. 2 NAG hat der Bf einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachzuweisen, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird. Da der Bf nunmehr getrennt von seiner Ehefrau lebt, ist die aufgrund mündlicher Vereinbarung gegen Leistung eines Entgelts bestehende Wohnmöglichkeit zusammen mit der Lebensgefährtin in einer ca. 80 m² großen Wohnung als ortsüblich und iSd § 11 MRG aufrecht anzusehen. Zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft iSd § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden gemäß § 11 Abs. 5 leg cit dann, wenn der Fremde feste, regelmäßige Einkünfte hat, die ihm in Österreich eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/2015 entsprechen. Dieser beträgt für den alleinstehenden Bf EUR 882,78. Im Gegensatz zum Verfahren vor der belangten Behörde, kann der Bf nunmehr ein monatliches Einkommen in Höhe von EUR 1.402,00 brutto vorweisen. Obwohl dem Aufwendungen für die Unterkunft in Höhe von EUR 300,00 gegenüber stehen (wobei gemäß § 11 Abs. 5 dritter Satz NAG iVm § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG ein Betrag bis zu EUR 282,06 unberücksichtigt bleibt) weist der Bf damit ausreichende Unterhaltsmittel nach. Da mit der nunmehr vom Bf ausgeübten Erwerbstätigkeit eine Pflichtversicherung gegeben ist, ist ein darüberhinausgehender Nachweis über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz nicht notwendig (vgl § 7 Abs. 1 Z. 6 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 451/2005 idgF).
2.3. Dem Bf war daher gemäß § 27 Abs. 1 NAG der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte Plus“ für 12 Monate (§ 20 Abs. 1 NAG) zu erteilen.
3. Der Spruchpunkt II gründet sich auf § 20 Abs. 2 NAG, weil seit dem Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels mit Ablauf des 5. August 2015 mehr als sechs Monate vergangen sind (§ 20 Abs. 1 Satz 1 leg. cit.). Es war daher die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers seither bis zum Beginn der Gültigkeit des nunmehr erteilten Aufenthaltstitels von Amts wegen gleichzeitig mit der Ausstellung des Aufenthaltstitels (gebührenfrei) festzustellen (Satz 2 leg. cit.).
IV.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Dr. Markus Brandstetter