LVwG-700135/4/ER

Linz, 28.06.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde der K S, x, gegen Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 19. Jänner 2016, Pol96-345-2015/Gr, wegen einer Übertretung nach dem Oö. Polizeistrafgesetz

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses aufgehoben und das diesbezügliche Strafverfahren eingestellt.

 

II.      Gemäß § 52 Abs 8 und 9 VwGVG hat die Beschwerdeführerin weder einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens noch zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Im Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) vom 19. Jänner 2016, Pol96-345-2015/Gr, wurde der nunmehrigen Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) vorgeworfen, dass sie am 6. Juli 2015 um 19:15 von der Polizeiinspektion L in L, x, betreten worden sei, als sie ihre Pythonschlange um den Hals trug. Dabei sei festgestellt worden, dass die Bf es verabsäumt habe, bei der Stadtgemeinde L für ihre Schlange eine Bewilligung einzuholen, obwohl das Halten von gefährlichen Tieren nur aufgrund einer Bewilligung der zuständigen Gemeinde zulässig sei. Die Bf habe dadurch § 6 Abs 1 iVm § 10 Abs 2c Oö. Polizeistrafgesetz – Oö. PolStG idgF verletzt.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Bf, in der sie vorbrachte, dass die Schlange nicht ihr gehöre, sondern einem flüchtigen Bekannten, sie habe die Schlange nur kurz mitgenommen und dann sofort wieder zurückgegeben. Den Bekannten habe sie danach nicht mehr gesehen und wisse nur, dass er irgendwo in W wohne.

 

I.3. Mit Schreiben vom 15. Februar 2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Eine Beschwerde-vorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Erkenntnis des Oö. Landesverwaltungsgerichts zu Spruchpunkt 1 vom 22. Februar 2016, LVwG-000132/2/Bi. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass Spruchpunkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses aufzuheben ist, entfiel die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung (§ 44 Abs 2 VwGVG).

 

I.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem entscheidungsrelevanten  S a c h v e r h a l t  aus:

 

Die Bf hatte ihren Hauptwohnsitz zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt im Gemeindegebiet von L. Am 6. Juli 2015 wurde sie von Polizisten der PI L an einem öffentlich zugänglichen Ort im Gemeindegebiet von L mit einer etwa 120 cm langen Pythonschlange um den Hals betreten. Die Bf hatte zu diesem Zeitpunkt keine Bewilligung für das Halten von gefährlichen Tieren inne. Im Zuge dieser Amtshandlung steckte die Bf die Schlange in einen Rucksack und verließ den vorgeworfenen Tatort Richtung F, P.

Fotos von der Schlange wurden nicht angefertigt. Es kann nicht festgestellt werden, um welche Art der Gattung Python es sich beim verfahrensgegenständlichen Tier handelt.

Mit Erkenntnis vom 22. Februar 2016 stellte das Oö. Landesverwaltungsgericht zu GZ LVwG-000132/2/Bi rechtskräftig fest, dass die Bf zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt als Halterin der von ihr um den Hals getragenen Pythonschlange anzusehen ist.

 

 

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich völlig unbestritten und widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem ergänzend beigeschafften Erkenntnis des Oö. Landesverwaltungsgerichts zu GZ LVwG-000132/2/Bi.

Dass nicht festgestellt werden kann, um welche Art der Gattung Python es sich bei der verfahrensgegenständlichen Schlange handelt, ergibt sich einerseits aus dem Akt, aus dem keinerlei Hinweis auf die Art hervorgeht, lediglich die Gattung Python und die zum Tatzeitpunkt aktuelle Länge des Tieres wurden unbestritten festgestellt. Auch die Bf machte keine Angaben zum Tier. Zwar gab sie – entsprechend den Aussagen des einschreitenden Polizeibeamten – im Zuge der Amtshandlung vom 6. Juli 2015 zu, dass die Schlange ihr gehöre, leugnete dies jedoch in sämtlichen späteren Eingaben. Im Zuge der Amtshandlung wurden – entsprechend der telefonischen Auskunft der belangten Behörde – keine Fotos oder sonstige (verbale) Beschreibungen des gegenständlichen Tiers angefertigt, die darauf schließen lassen könnten, zu welcher Art die Pythonschlange zu zählen ist. Zumal die Bf in sämtlichen schriftlichen Eingaben jeglichen Bezug zum Tier bestritt und sich aus dem Akt keinerlei Beweise, die zur Feststellung der Art der gegenständlichen Pythonschlange dienen könnten, ergeben, gelangt das Oö. Landesverwaltungsgericht nach umfassender Beweiswürdigung zum Schluss, dass nicht festgestellt werden kann, um welche Art der Gattung Python es sich beim verfahrensgegenständlichen Tier handelt.

 

 

III. Gemäß § 6 Abs 1 Oö. PolStG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung ist das Halten von gefährlichen Tieren nur auf Grund einer Bewilligung der Gemeinde zulässig. Wer ein gefährliches Tier ohne Bewilligung der Gemeinde hält, begeht eine Verwaltungsübertretung.

 

Gemäß Abs 2 par.cit. sind als gefährliche Tiere solche Tiere anzusehen, von denen nach den Erkenntnissen der Tierkunde auf Grund ihrer wesensmäßig typischen Verhaltensweise angenommen werden kann, dass sie die Sicherheit von Menschen gefährden, wenn sie in unsachgemäßer Verwahrung gehalten werden. Die Landesregierung kann durch Verordnung bestimmte Tierarten, -gattungen oder -familien bezeichnen, die nach diesen Bestimmungen als typisch gefährlich anzusehen sind.

 

Gemäß § 10 Abs 2 lit c leg.cit. sind Verstöße gegen die auf Grund des § 4 erlassenen Verordnungen und Verwaltungsübertretungen gemäß den §§ 5 und 6 von der Bezirkshauptmannschaft, in den Städten mit eigenem Statut vom Bürgermeister, bei Übertretungen nach § 6 mit Geldstrafe bis 3.600 Euro zu bestrafen.

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1. Die Bf hielt – wie bereits rechtskräftig durch das Oö. Landesverwaltungsgericht festgestellt wurde – zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt eine Pythonschlange an einem öffentlich zugänglichen Ort im Gemeindegebiet von L, in dem sie die Schlange zuerst um ihren Hals und dann in einem Rucksack trug. Sie verfügte zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt unbestritten über keine Bewilligung der Gemeinde L zur Haltung von gefährlichen Tieren.

 

IV.2.1. Für die Erfüllung des objektiven Tatbestands des § 6 Abs 1 Oö. PolStG ist jedoch das Halten eines gefährlichen Tiers erforderlich. Zumal von der Oö. Landesregierung bislang keine Verordnung erlassen wurde, die bestimmt, welche Tierarten iSd § 6 Oö. PolStG als gefährlich anzusehen sind, ist die Frage, ob die verfahrensgegenständliche Schlange als gefährliches Tier einzustufen ist, am Maßstab des ersten Satzes des § 6 Abs 2 Oö. PolStG zu prüfen.

 

Zwar ist iSd § 6 Abs 2 Oö. PolStG ex lege nicht erforderlich, dass von dem vorgefundenen Tier eine aktuelle Gefahr ausgeht, es muss aber objektiv die Annahme möglich sein, dass das Tier bei unsachgemäßer Verwahrung aufgrund seiner wesensmäßig typischen Verhaltensweisen die Sicherheit von Menschen gefährdet.

 

Die Wiener Landesregierung hat eine Verordnung erlassen, in der Riesenschlangen (zu denen Pythons zählen, vgl wikipedia) als gefährliche Tiere bezeichnet werden, mit Ausnahme der Abgottschlange, des Hellen Tigerpythons und solchen Riesenschlangen, die im ausgewachsenen Zustand nicht länger als drei Meter werden (§ 3 d. 1. Wiener Tierschutz- und Tierhaltungsverordnung, LGBl Nr 48/1987). Zwar hat diese Verordnung keine Geltung für Oberösterreich, jedoch spricht nichts gegen eine Orientierung an dieser Auflistung im gegenständlichen Verfahren (vgl Rangger, Oberösterreichisches Polizeirecht, Praxiskommentar, S 285).

 

Alleine die 2. Tierhaltungsverordnung zählt 13 unterschiedliche Pythonarten auf, wobei diese Aufzählung sowohl den Bismarck-Zwergpython, der eine Länge von 140 bis 170 cm, als auch den Felsenpython, der eine Länge von bis zu fünf Metern erreichen kann, beinhaltet (zu den Längenangaben vgl wikipedia). Sämtliche Pythonarten sind ungiftig (vgl Anlage 3 der 2. Tierhaltungsverordnung) und erlegen ihre Beute durch Umschlingen (wikipedia).

 

IV.2.2. Um die wesensmäßig typischen Verhaltensweisen eines Tieres beurteilen zu können, ist es gerade bei einer Gattung, die zahlreiche unterschiedliche Arten aufweist, erforderlich, die verfahrensgegenständliche Art zu kennen, zumal die unterschiedlichen Arten unterschiedliche wesensmäßig typische Verhaltensweisen aufweisen können.

Zumal sich aber weder aus dem angefochtenen Straferkenntnis noch dem Verwaltungsakt ein Hinweis darauf ergibt, zu welcher Art der umfangreichen Gattung Python das verfahrensgegenständliche Tier gehört und somit etwa Schlüsse auf dessen Länge im ausgewachsenen Zustand gezogen werden können, woraus auf eine wesensmäßig typische Verhaltensweise geschlossen werden könnte (nämlich zB ob ein Mensch (Kind) der Größe nach ins Beuteschema des Tiers passt und von ihm daher eine Gefahr für die Sicherheit von Menschen ausgehen könnte), oder ob aufgrund des Körperbaus und der Muskulatur des Tieres überhaupt eine Gefährdung für einen Menschen entstehen könnte, kann nicht festgestellt werden, ob es sich beim verfahrensgegenständlichen Tier um ein gefährliches Tier iSd § 6 Oö. PolStG handelt.

 

Die einschreitenden Polizeibeamten haben vom gegenständlichen Tier keine Fotos angefertigt oder sonstige Hinweise vermerkt, die auf die Art der Schlange Rückschlüsse zulassen würden. Es wurde lediglich die Gattung und die Länge der Schlage bei Betretung festgestellt, wobei – in Anlehnung an die Verordnung der Wiener Landesregierung – allein deshalb noch nicht von einem gefährlichen Tier ausgegangen werden kann. Hinweise darauf, ob das Tier bereits ausgewachsen war, oder welche Länge es im ausgewachsenen Zustand erreichen könnte, gibt es nicht.

 

Auch aus den Eingaben der Bf lässt sich kein derartiger Hinweis ableiten, sie hat weder im Zuge der Amtshandlung noch in ihren späteren Eingaben nähere Angaben zum Tier gemacht. Zwar hat sie – den Angaben des einschreitenden Polizeibeamten zufolge – im Zuge der Amtshandlung zugegeben, dass das Tier ihr gehöre, sowohl im Einspruch zur Strafverfügung als auch in der Beschwerde hat sie dies jedoch bestritten und angegeben, den Eigentümer nur flüchtig zu kennen. Zumal die Bf mangels fotografischer Dokumentation des Tieres die einzige Person ist, die nähere Auskünfte über das verfahrensgegenständliche Tier geben könnte, jedoch bereits mehrfach jeden Bezug zum Tier bestritten hat und im Strafverfahren als Beschuldigte nicht zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet werden kann, lässt sich die Art des verfahrensgegenständlichen Tieres – und damit einhergehend seine potenzielle Gefährlichkeit – nicht mehr mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Gewissheit feststellen.

 

Dennoch ging die belangte Behörde von der Erfüllung des objektiven Tatbestands aus und verhängte über die Bf eine Verwaltungsstrafe gemäß § 6 Abs 1 iVm § 10 Abs 2 lit c Oö. PolStG.

 

IV.3. Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann (...).

 

Im Verwaltungsstrafverfahren gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“ (Fister in Lewisch/Fister/ Weilguni, VStG § 25 Rz 10). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, darf der Grundsatz „in dubio pro reo" nur angewendet werden, wenn nach Durchführung des Beweisverfahrens Zweifel an der Verwirklichung des Tatbildes durch den Beschuldigten bleiben (statt vieler: VwGH 15.11.2000, 2000/03/0237).

Wie oben ausführlich dargestellt, konnte im vorliegenden Fall das für die Feststellung der Gefährlichkeit des verfahrensgegenständlichen Tieres erforderliche Tatsachensubstrat nicht festgestellt werden. Zumal der Bf im Spruchpunkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses die bewilligungslose Haltung von einem gefährlichen Tier zur Last gelegt wurde und die Gefährlichkeit des Tieres nicht festgestellt werden konnte, konnte die vorgeworfene Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht nicht erwiesen werden.

 

 

V. Das Strafverfahren hinsichtlich Spruchpunkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses war daher im Ergebnis gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen und Spruchpunkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses aufzuheben. Bei diesem Ergebnis war der Bf weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens noch zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorzuschreiben.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Elisabeth Reitter