LVwG-300941/2/Kl/PP

Linz, 25.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über den Vorlageantrag des Herrn Dipl.Kfm. S. T., x, L., D., gegen die Beschwerdevorent­scheidung des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 29.12.2015, BZ-Pol-78027-2014, sowie die Beschwerde gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 30.09.2015, BZ-Pol-78027-2014, wegen einer Verwaltungs­übertretung nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG)

 

A) zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird dem Vorlageantrag stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

 

 

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

B) den Beschluss gefasst:

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungs­strafverfahren eingestellt.

 

 

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

 

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 30.09.2015, BZ-Pol-78027-2014, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 8.500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 7d Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) verhängt, weil er als iSd § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz zur Vertretung nach außen Berufener der Firma T. Z AG (Arbeitgeberin), x, L., zu verantworten hat, dass bei einer Kontrolle am 12.02.2014 gegen 09.00 Uhr durch Organe der Finanzpolizei des Finanzamtes Grieskirchen Wels am W. Messegelände die Lohnunterlagen nicht in deutscher Sprache bereitgehalten wurden, obwohl jene Unterlagen (Lohnunterlagen), die zur Überprüfung des den Arbeitnehmern E. A., geb. x, S. B., geb. x, M. B., x, E. G., geb. x, I. S. G., geb. x, B. H., x, H. K., x, O. K., geb. x, I. K., x, A. A. K., geb. x, H. M., x, J. M., geb. x, F. O., x, W. K. S., geb. x, E. T., x, D. Y., x und H. Y., geb. x, nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind, in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer am Arbeits(Einsatz)ort bereit zu halten sind. Das Straferkenntnis wurde am 8.10.2015 zugestellt.

 

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde vom 15.10.2015 eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstraf­verfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass offensichtlich die falsche Rechtsgrundlage herangezogen worden sei, da die Strafe je Arbeitnehmer verhängt worden sei, der gegenständliche Sachverhalt sich jedoch vor dem 01.01.2015 ereignet habe und diesbezüglich die Strafe pauschal je Arbeitgeber zu verhängen sei. Während J. und D. T. zwar offiziell zu Vorständen der T. AG berufen seien, sei aufgrund einer internen Aufgabenteilung und Abgrenzung unter den Vorständen nur der Vorstandssprecher und nunmehrige Berufungswerber als operativ Geschäfts­führender und daher als verantwortlicher Beauftragter anzusehen. Auch seien binnen weniger Stunden per E-Mail an die Finanzpolizei die geforderten Unterlagen nachgereicht worden.

 

2. Nach Mitbeteiligung der zuständigen Finanzpolizei am Beschwerdever­fahren hat die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom 29.12.2015, BZ-Pol-78027-2014, der Beschwerde teilweise stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abgeändert, dass die verhängte Geldstrafe auf 500 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 5 Tage reduziert wurde. Begründend wurde im Wesentlichen auf die anzuwendende Rechtslage hinge­wiesen.

 

Dagegen wurde fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht und darin bekräftigt, dass die Urteilsbegründung hinsichtlich Sachverhalt unrichtig sei, weil die fehlenden Lohnunterlagen fristgerecht nachgereicht worden seien und dies auch von der Finanzpolizei schriftlich bestätigt worden sei.

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat den Vorlageantrag und die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt und die Zurückweisung in eventu Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aufgrund der Aktenlage fest steht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG.

 

5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

5.1. Zur Beschwerdevorentscheidung:

Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).

Die Berechnung der Entscheidungsfrist von zwei Monaten richtet sich nach § 32 AVG. Wird die Beschwerdevorentscheidung erst nach zwei Monaten nach Einbringung der Beschwerde erlassen, so ist diese infolge Unzuständigkeit der Behörde mit Rechtswidrigkeit behaftet, sodass diese im Falle der Erhebung eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht (von Amts wegen, vgl. § 27 VwGVG) zu beheben ist (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungs­gerichte, Praxiskommentar, nwv Anmerkung K6 und K7 zu § 14 VwGVG).

Das angefochtene Straferkenntnis vom 30.09.2015 wurde nachweislich am 08.10.2015 zugestellt. Die Beschwerde wurde am 15.10.2015 per E-Mail eingebracht und ist an diesem Tage bei der belangten Behörde eingelangt. Die zweimonatige Entscheidungsfrist gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG endete daher mit 15.12.2015. Die angefochtene Beschwerdevorentscheidung wurde erst nach diesem Zeitpunkt erlassen, nämlich datiert mit 29.12.2015 und tatsächlich zugestellt am 08.01.2016. Zu diesem Zeitpunkt war daher die belangte Behörde nicht mehr zuständig. Es musste daher dem Vorlageantrag dahingehend stattgegeben werden, dass die Beschwerdevorentscheidung mangels Zuständig­keit der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben war.

 

5.2. Zur Beschwerde:

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1.   die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2.   die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1. anlangt, sind entsprechende, d.h. in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2. anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützten, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 und 2 VStG idF BGBl. I. Nr. 33/2013, in Geltung ab 01.07.2013, ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorge­nommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs. 2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amts­handlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen Anforderungen wird aus nachstehenden Gründen nicht entsprochen:

In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15.07.2014 als erster und einziger Verfolgungshandlung innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist wurde dem Beschuldigten als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen und Arbeitgeber vorgeworfen, „dass jene Unterlagen nicht bereitgehalten wurden, die gemäß § 7d Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), die zur Überprüfung des dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind (Lohnunterlagen) in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer/in am Arbeits-/Einsatzort bereitzuhalten sind. Die Übertretung wurde bei einer Kontrolle am 12.02.2014 um 09:00 Uhr im W. M festgestellt.“

Mit diesem Tatvorwurf wurde aber lediglich die bloße paragraphenmäßige Zitierung der Gebotsnorm vorgenommen, eine konkretisierte Umschreibung des Tatvorwurfes dahingehend, welche und wie viele Arbeitnehmer und wo sie beschäftigt wurden und für wen sie beschäftigt wurden, fehlt dem Tatvorwurf. Es ist daher durch diesen völlig unkonkretisierten Tatvorwurf der Beschuldigte außer Stande gesetzt, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und mangels konkreter Tatumstände ist der Beschuldigte auch nicht rechtlich davor geschützt, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Eine entsprechend konkretisierte Umschreibung des Tatverhaltens findet erstmalig erst im angefochtenen Straferkenntnis vom 30.09.2015 statt. Dieses Straferkenntnis erging aber nach Ablauf der einjährigen Verfolgungs­verjährungsfrist. Es war daher der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis wegen eingetretener Verfolgungsverjährung aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Beschwerde Erfolg hatte, entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG.

 

7. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidungen besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Ent­scheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Ilse Klempt