LVwG-601261/7/Wim/Bb
Linz, 26.07.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Leopold Wimmer über die Beschwerde von Frau A M R, geb. x, A, W, vom 22. Februar 2016, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels, vom 8. Februar 2016, GZ VStV/915301480721/2015, betreffend Zurückweisung des Einspruches gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG wegen Verspätung,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG iVm §§ 49 Abs. 1 VStG und 38 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Zu I.
1. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels (im Folgenden: belangte Behörde) wies mit Bescheid vom 9. Februar 2016, GZ VStV/915301480721/2015, den Einspruch von Frau A M R (Beschwerdeführerin - im Folgenden kurz: Bf) vom 7. Jänner 2016 gegen die Strafverfügung vom 16. Dezember 2015, GZ VStV/915301480721/2015, gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet zurück.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde ua. aus, dass der Einspruch erst am 7. Jänner 2016 beim dortigen Amt eingebracht worden sei, sodass dieser als verspätet eingebracht zurückgewiesen habe werden müssen.
2. Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 12. Februar 2016, erhob die Bf mit Schriftsatz vom 22. Februar 2016 innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde, in der sie auf ihr behördliches Vorbringen verwies, wonach sie sich urlaubsbedingt in Polen bei ihrer Mutter bzw. Verwandten aufgehalten habe.
3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Vorlageschreiben vom 24. Februar 2016 unter Anschluss des Verwaltungsstrafaktes mit der GZ VStV/915301480721/2015 zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen.
Mit der Aktenvorlage wurde die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung begründet (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und das Beschwerdevorbringen und Wahrung des Parteiengehörs hinsichtlich der vermutlich verspäteten Rechtsmitteleinbringung und Aufforderung zur Vorlage von Nachweisen.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, da sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und die Bf trotz entsprechender Belehrung in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides keine Verhandlung beantragt hat (§ 44 Abs. 3 Z 4 VwGVG). Zudem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze aus der Aktenlage.
4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Der Bf wurde mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 16. Dezember 2015, GZ VStV/915301480721/2015, die Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 3 lit. a StVO (Parken im Bereich des Vorschriftszeichens „Parken verboten“) am 27. Mai 2015 von 16.43 bis 17.08 Uhr in Wels, am Kaiser-Josef-Platz x vorgeworfen und über sie gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe in Höhe von 40 Euro, im Falle deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 18 Stunden, verhängt.
Diese Strafverfügung wurde nach dem aktenkundigen Zustellnachweis (RSb-Rückschein) am 21. Dezember 2015 beim Postpartner 4603 Wels hinterlegt und zur Abholung bereitgehalten, wobei der Beginn der Abholfrist auf dem Rückschein mit 21. Dezember 2015 vermerkt wurde. Laut RSb-Rückscheinbrief wurde eine Verständigung über die Hinterlegung des Schriftstückes in den Briefkasten eingelegt.
Der gegen diese Strafverfügung von der Bf erhobene Einspruch wurde am 7. Jänner 2016 per E-Mail – somit offensichtlich verspätet – bei der belangten Behörde eingebracht.
Zum nachweislich erfolgten Verspätungsvorhalt der belangten Behörde vom 18. Jänner 2016, GZ VStV/915301480721/2015, äußerte die Bf, bei ihrer Mutter bzw. Verwandten in Polen unterwegs gewesen zu sein.
Auch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat der Bf mit Schreiben vom 15. Juni 2016, GZ LVwG-601261/2/Wim/Bb, nachweislich die offenkundige Verspätung ihres Rechtsmittels zur Kenntnis gebracht und ihr binnen der Frist von einer Woche ab Zustellung die Möglichkeit zur Stellungnahme geboten und aufgefordert, den exakten Zeitraum ihrer behaupteten Ortsabwesenheit und den Aufenthaltsort mitzuteilen und durch Vorlage entsprechender Unterlagen glaubhaft zu machen. Die Bf hat dazu mit Eingabe vom 6. Juli 2016 neuerlich bloß mitgeteilt, zum gegebenen Zeitpunkt bei ihrer Mutter in Polen gewesen zu sein; diese könne dies jederzeit bezeugen.
4.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt des behördlichen Verwaltungsaktes. Insbesondere ergibt sich daraus, dass die Strafverfügung am 21. Dezember 2015 im Wege der Hinterlegung zugestellt wurde (RSb-Rückschein) und eine Reaktion der Bf (Einspruch) erstmals am 7. Jänner 2016 erfolgte.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:
5.1. Gemäß § 49 Abs. 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.
Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird, dann ist die Strafverfügung gemäß § 49 Abs. 3 VStG zu vollstrecken.
§ 17 Abs. 1 ZustG normiert eine Verpflichtung des Zustellers, das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
Der Empfänger ist von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen (§ 17 Abs. 2 ZustG). Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
§ 17 Abs. 3 leg. cit. zufolge ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
Gemäß § 32 Abs. 2 erster Satz AVG (iVm § 24 VStG) enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.
5.2. Die verfahrensgegenständliche Strafverfügung der belangten Behörde vom 16. Dezember 2015, GZ 915301480721/2015, wurde gemäß dem entsprechenden Zustellnachweis durch Hinterlegung zugestellt und erstmals am 21. Dezember 2015 beim Postpartner 4603 Wels zur Abholung bereitgehalten. Im Briefkasten an der Abgabestelle wurde eine schriftliche Hinterlegungsanzeige zurückgelassen.
Was das Vorbringen der Bf, sich in Polen bei ihrer Mutter aufgehalten zu haben, anlangt, so hat sie damit zwar Ortsabwesenheit behauptet, jedoch innerhalb der ihr gewährten Fristen dazu keine näheren Angaben gemacht noch entsprechende Unterlagen bzw. Nachweise zur Glaubhaftmachung ihrer Behauptung vorgelegt. Aus ihrem Vorbringen lassen sich jedenfalls ein Nachweis über den Beginn und die Dauer der Ortsabwesenheit von der Abgabestelle sowie ein konkreter Aufenthaltsort nicht ableiten.
Durch die bloße Behauptung, ortsabwesend gewesen zu sein, wird eine Unwirksamkeit der durch Hinterlegung erfolgten Zustellung (noch) nicht dargetan. Vielmehr bedarf es hiezu eines konkreten, mit geeigneten Beweismitteln belegten Vorbringens, das klare Aussagen über den Umstand und die Dauer der Abwesenheit von der Abgabestelle enthält (vgl. dazu VwGH 24. März 2004, 2004/04/0033 uvm.).
Wenn auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz der Amtswegigkeit gilt, so befreit dieser Grundsatz den Beschuldigten nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen (VwGH 27. März 1991, 90/10/0215 u.a.). Die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten im Strafverfahren erfordert es, seine Verantwortung nicht darauf zu beschränken, die ihm vorgehaltenen konkreten Erhebungsergebnisse für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten. Unterlässt der Betreffende dies, so bedeutet es keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Beweiserhebungen durchführt (VwGH 4. September 1995, 94/10/0099).
Im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes wäre es an der Bf gelegen, entsprechend der Einladung durch die belangte Behörde und das OÖ. Landesverwaltungsgericht Nachweise, Belege und dergleichen für einen angeblichen Aufenthalt in Polen und dessen Dauer, von sich aus zur Glaubhaftmachung der behaupteten Ortsabwesenheit vorzulegen bzw. konkrete Beweise anzubieten. Die Behauptung einer Ortsabwesenheit ohne Beibringung von zweckdienlichen Beweismitteln reicht zur Glaubhaftmachung nicht aus. Die Angaben der Bf sind nicht ausreichend darzutun, dass sie im Zeitpunkt der Zustellung (Hinterlegung) der Strafverfügung und im Hinterlegungszeitraum ortsabwesend gewesen ist.
An der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges - Hinterlegung der Strafverfügung nach einem Zustellversuch - bestehen damit keine Zweifel. Nach der Beweislage sind keinerlei Anhaltspunkte für Zustellmängel gegeben. Der Zustellnachweis als öffentliche Urkunde erbringt den vollen Beweis, dass der Zustellvorgang vorschriftsmäßig erfolgt ist.
Die Strafverfügung gilt daher mit 21. Dezember 2015 als rechtswirksam zugestellt und es begann mit diesem Tag die zweiwöchige Einspruchsfrist des § 49 Abs. 1 VStG zu laufen und endete sohin gemäß § 32 Abs. 2 AVG iVm § 24 VStG am 4. Jänner 2016 (Montag, kein Feiertag). Der Einspruch hätte daher spätestens am 4. Jänner 2016 zur Post gegeben oder in anderer Weise bei der belangten Behörde eingebracht werden müssen. Tatsächlich wurde der Einspruch jedoch erst am 7. Jänner 2016 per E-Mail eingebracht. Der Einspruch erweist sich sohin als verspätet und dessen Zurückweisung durch die belangte Behörde als rechtmäßig.
Das Fristversäumnis hat zur Folge, dass die in Rede stehende Strafverfügung mit dem ungenützten Ablauf der Einspruchsfrist in Rechtskraft erwachsen und damit inhaltlich keiner weiteren Erörterung zugänglich ist. Es war dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich demnach verwehrt, auf ein Sachvorbringen der Bf einzugehen.
Die Einspruchsfrist gemäß § 49 Abs. 1 VStG ist eine durch Gesetz festgesetzte Frist, deren Verkürzung oder Verlängerung einer Behörde oder einem Gericht nicht zusteht.
In Anbetracht der Bedeutung von Rechtsmitteln trifft jede Partei in Bezug auf Fristeinhaltung eine erhöhte Sorgfaltspflicht (VwGH 19. Dezember 1996, 95/11/0187).
Zu II.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Für die Bf ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung gemäß § 25a Abs.4 VwGG ex lege ausgeschlossen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Leopold W i m m e r