LVwG-300986/10/BMa/SH
Linz, 22.07.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Maga. Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde der S K, G G, T, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 11. Februar 2016, SV96-160-2014, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13. Juli 2016
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keine Kosten zum Beschwerdeverfahren zu leisten; die erstinstanzlich angefallenen Kosten sind von der Behörde zu tragen.
III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Zu I:
1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:
Geldstrafe von Euro falls diese uneinbringlich gemäß
ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
730,00 112 Stunden § 111 Abs. 2 ASVG
S K war zur vorgeworfenen Tatzeit Betreiberin des Lokals „F“ in der J R-S in T. Anlässlich der Kontrolle am 08.11.2014 um 19.48 Uhr wurde W H hinter der Theke beim Bedienen von Gästen angetroffen. S K hat das Lokal vor Einlass der Gäste geputzt und dieses um ca. 18.00 Uhr geöffnet. Vor der geplanten Karaoke-Show, die ab 20.00 Uhr begonnen hat, ist sie mit einem Taxi nach Hause gefahren, hat sich geduscht und umgezogen und ist wieder ins Lokal zurückgekommen. Ihre Ankunft im Lokal war ca. zur selben Zeit, als die Kontrolle durch die Finanzpolizei begonnen hat. Während ihrer Abwesenheit hat W H sich um die bereits anwesenden Gäste gekümmert.
Die Bf kennt W H bereits seit ungefähr sieben Jahren und H hat sich, weil er arbeitslos war, häufig im Lokal der Bf aufgehalten. Es hat sich ein freundschaftliches Verhältnis mit H entwickelt und dieser hat ihr gelegentlich beim Tragen von schweren Fässern und dem Austauschen von Glühbirnen im Lokal geholfen. Zur Zeit der Kontrolle hatten K und H noch keinen gemeinsamen Wohnsitz, dieser wurde jedoch ab 29.01.2015 begründet.
Mit diesem Datum hat H seinen Nebenwohnsitz an der Adresse der Bf angemeldet. Obwohl die Bf H in ihrer Beschwerde vom 29. Februar 2016 als Lebensgefährten bezeichnet hatte, hat sie in der mündlichen Verhandlung am 13. Juli 2016 angegeben, dass es sich lediglich um einen langjährigen Freund handle, und nicht um einen Lebensgefährten.
Die Bf hat dem H für seine gelegentlichen Tätigkeiten im Lokal nichts bezahlt. Das Tragen von schweren Fässern oder das Auswechseln von Glühbirnen, oder – wie vorgeworfen – ein kurzes Beaufsichtigen des Lokals - erfolgte nicht regelmäßig, sondern dann, wenn H gesehen hat, dass die Bf diesbezüglich Hilfe benötigt. Er wurde im Lokal auch nicht verköstigt und hat seine Getränke, die er im Lokal konsumiert hat, selbst mitgebracht oder bezahlt.
2.3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.
Gemäß Abs. 2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar
- mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,
- bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,
sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.
Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.
Nach § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.
Als Dienstnehmer iSd ASVG gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hierzu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Nach § 35 Abs. 1 ASVG ist als Dienstgeber derjenige anzusehen, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, wobei gemäß § 35 Abs. 2 ASVG Besonderes für jene nach § 4 Abs. 1 Z 4 und 5 ASVG pflichtversicherte und für nach § 8 Abs. 1 Z 3 lit c ASVG teilversicherte Dienstnehmer, für Heimarbeiter und für nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz überlassene Dienstnehmer gilt. Die dem Dienstgeber gemäß § 33 ASVG vorgeschriebenen Pflichten können nach § 35 Abs. 3 ASVG grundsätzlich auch auf Bevollmächtigte übertragen werden; dennoch hat der Dienstgeber auch in diesem Fall die in § 33 ASVG vorgesehene Meldung selbst zu erstatten, wenn eine der Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 ASVG vorliegt.
2.3.2. Nach ständiger Judikatur des VwGH ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, das heißt arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (VwGH vom 19. Dezember 2012, Zl. 2012/08/0165). Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte.
2.3.3. Die Bf verantwortet sich damit, dass zwischen H und ihr eine langjährige Freundschaft bestanden hat, die schließlich auch zu einer gemeinsamen Wohnsitznahme geführt hat. Dieses Vorbringen wurde durch die Bestätigung der Meldung des W H an der Adresse der Bf belegt. Nachvollziehbar ist auch die Schilderung der Bf, dass sich ihr arbeitsloser Freund in ihrem Lokal aufgehalten hat und ihr bei schweren Tätigkeiten, wie dem Tragen von Getränkefässern oder in technischen Belangen, wie dem Auswechseln von Glühbirnen, unentgeltlich behilflich war. Er hat sich an dem Abend der Kontrolle lediglich ca. eine halbe Stunde, während der Abwesenheit der Bf, die sich umziehen musste, um das bereits geöffnete Lokal gekümmert.
Die Bf hat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung und der Beschwerdeschrift jene spezifische Bindung oder jenes Naheverhältnis zu H dargelegt, die ein für die Erbringung von Freundschafts- oder Gefälligkeitsdiensten nachvollziehbares Motiv bilden.
Zwar wurde die Leistung des H im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit der Bf erbracht, dabei ist jedoch beachtlich, dass das Aufpassen des H auf das Lokal nur deshalb erfolgte, weil die Bf das Lokal kurzfristig verlassen musste, um sich umzuziehen.
Zu der Annahme, dass es sich am 8. November 2014 um keine versicherungspflichtige Tätigkeit des H gehandelt hat, ist auch der zuständige Sozialversicherungsträger gekommen, wurde doch der vorgeschriebene Beitragszuschlag wegen Betretung des H aufgrund der Beschwerde der Bf aufgehoben.
Weil ein tatbestandsmäßiges Verhalten im Sinne der vorgeworfenen Rechtsnorm nicht festgestellt werden konnte, war das bekämpfte erstinstanzliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Zu II:
Bei diesem Verfahrensergebnis hat die Bf gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG und § 66 Abs. 1 VStG iVm § 38 VwGVG weder einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht noch einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde zu tragen.
Zu III:
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere weicht die gegenständliche Entscheidung von der als einheitlich zu beurteilenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Maga. Gerda Bergmayr-Mann