LVwG-750101/6/Sr/Jo
Linz, 17.03.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des xx Staatsangehöriger von Russland, vertreten durch xy beide unbekannten Aufenthalts, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 11. Oktober 2013, AZ: Sich40-42439, betreffend die Erlassung eines auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. §§ 63 Abs. 1 und 3 Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012, wird der Beschwerde teilweise stattgegeben und gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.133 Abs.4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 11. Oktober 2013, AZ: Sich40-42439, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) durch Hinterlegung zugestellt am 16. Oktober 2013, wurde gegen ihn auf Grundlage des § 63 Abs. 1 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der geltenden Fassung (im Folgenden: FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen.
Im angefochtenen Bescheid ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:
2. Gegen den am 16. Oktober 2013 dem Bf durch Hinterlegung zugestellten Bescheid erhob dieser mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2013, bei der belangten Behörde eingelangt am 24. Oktober 2013, rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde (vormals Berufung).
Eingangs werden die Anträge gestellt, die Rechtsmittelbehörde möge
1. den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und damit das gegen den Berufungswerber erlassene Aufenthaltsverbot aufheben;
2. in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen;
3. in eventu die Befristung des Aufenthaltsverbotes von 10 Jahren angemessen herabsetzen;
4. der Berufung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
Begründend führt der Bf Folgendes aus:
3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 zur Entscheidungsfindung vor.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat für den 17. Februar 2014 eine öffentliche Verhandlung anberaumt und hiezu die Parteien und die namhaft gemachte Vertreterin geladen.
Am 5. Februar 2014 erlangte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich davon Kenntnis, dass sowohl der Bf als auch seine Vertreterin nach unbekannt verzogen sind (Mitteilung der Zustellbasis Steyr der Österreichischen Post vom 3. Februar 2014, eingelangt am 5. Februar 2014). Die ZMR-Anfrage ergab, dass sowohl der Bf als auch seine Vertreterin seit dem 9. Dezember 2013 im Bundesgebiet über keine aufrechte Meldung mehr verfügen. Mangels entsprechender Hinweise im Akt konnte weder eine sonstige Abgabestelle noch ein Aufenthaltsort im Bundesgebiet in Erfahrung gebracht werden.
Die öffentliche Verhandlung wurde am 10. Februar 2014 abberaumt.
Weitere ZMR-Anfragen (zuletzt am 4. März 2014) verliefen ebenfalls negativ.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen und geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten I 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt und den Ermittlungsergebnissen (ZMR-Anfragen, EKIS-Abfrage) aus.
II.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist unstrittig.
III.
1.1.1. Gemäß § 125 Abs. 21 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 68/2013, läuft, sofern eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz, gegen die eine Berufung zulässig ist, vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen worden ist, die Berufungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2013 noch und wurde gegen diese Entscheidung nicht bereits bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 Berufung erhoben, so kann gegen diese vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 15. Jänner 2014 Beschwerde beim jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht erhoben werden. Das Landesverwaltungsgericht hat in diesen Fällen dieses Bundesgesetz in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden. Eine gegen eine solche Entscheidung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gilt als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG.
Gemäß Abs. 22 leg. cit. sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei einem Unabhängigen Verwaltungssenat der Länder anhängigen Berufungsverfahren und Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach diesem Bundesgesetz ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.
1.1.2. Es ist sohin gemäß § 125 Abs. 22 FPG zur Beurteilung des vorliegenden Falles das Fremdenpolizeigesetz in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012 heranzuziehen.
1.2. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
2. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.
Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des
§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass sich der Bf zum Zeitpunkt der Erlassung des vorliegenden Bescheides rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Daher sind grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen.
Da eine Aufenthaltsverfestigung gemäß § 64 FPG nicht vorliegt, gelangt § 63 Abs. 1 FPG vollinhaltlich zur Anwendung.
Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte ihrer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bf hinkünftig rechtskonform verhalten wird. Daher ist – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – vor Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu prüfen, ob das Verhalten des Bf aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, in Hinkunft die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden.
Im Rechtsmittel ist keinerlei Reue erkennbar. Mangels Ortsanwesenheit konnte sich der zuständige Richter auch kein persönliches Bild vom Bf machen. Abstellend auf das Vorbringen des Bf ist erkennbar, dass er sein kriminelles Verhalten abschwächen will und so beispielsweise auf eine Unbescholtenheit hinweist. Diese liege vor, wenn man von der einzigen Verurteilung absehe. Unabhängig davon betrachtet der Bf den Tatunwert als gering, da er „nur als Beteiligter“ verurteilt worden ist. Ebenso schätzt der Bf seine Verurteilung zu einem Jahr nicht als besonders aussagekräftig ein, da „lediglich“ eine unbedingte Freiheitsstrafe von zwei Monaten verhängt worden ist. Die im Bescheid dargestellten Anzeigen erachtet der Bf überhaupt als irrelevant und keinesfalls aussagekräftig, da es diesbezüglich bis dato zu keiner Verurteilung gekommen ist. Abschließend sieht er sich durch die verhängte Strafe als geläutert an, ohne diese Aussage auch nur ansatzweise zu erörtern. Zusammenfassend könne von einer kriminellen Neigung oder einer Gefährlichkeit, wie sie die belangte Behörde vermutet, nicht ausgegangen werden.
Dass er sich in Hinkunft rechtskonform verhalten wolle und daher keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, ist dem Vorbringen nicht zu entnehmen.
Der Bf wurde während seines langjährigen, überwiegend rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich einmal rechtskräftig verurteilt. Bedeutsam dabei ist, dass die strafbaren Handlungen, Verbrechen und Vergehen, vom Bf in einem Zeitraum von mehreren Monaten gesetzt wurden. Durch dieses Verhalten kommt nicht nur die kriminelle Energie zum Ausdruck. Nachdem dem Bf der subsidiäre Schutz nicht mehr zugekommen ist, wurde sein weiterer Aufenthalt legalisiert, indem besonderes Augenmerk auf seine familiäre Situation gelegt und eine Ausweisung auf Dauer für unzulässig erachtet wurde. Mangels einer Beschäftigung fing das soziale Netz den Bf auf und er erhielt Unterstützung in Form von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Überbrückungshilfe. Besonders befremdlich ist daher, dass der Bf gerade in diesem Zeitraum die oben beschriebenen Straftaten begangen hat. Dieses Verhalten lässt einen Einblick in die negative Einstellung des Bf gegenüber seinem Gastland erkennen.
Die Verstöße gegen das StGB wiegen schwer, da hier nicht von Fällen der "Kleinkriminalität" gesprochen werden kann.
Die offen zu Tage getretene negative Einstellung des Bf und seine Straftaten lassen nicht den Schluss zu, dass sich der Bf in der Zukunft rechtskonform verhalten werde.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich folgt daher der belangten Behörde dass der weitere Aufenthalt des Bf im Inland eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt.
In diesem Sinn ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bf fraglos gerechtfertigt. Bei der Beurteilung des Falls ist auch auf § 61 FPG bzw. Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen.
4. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.
Es ist eingangs festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen und zu erhalten. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind. Eine diesbezügliche Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der Kriterien des § 61 FPG führt dennoch nicht zum Ergebnis, dass der Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben des Bf unrechtmäßig wäre.
Der Bf befindet sich seit dem Juli 2004 im Bundesgebiet. Die Aufenthaltsdauer beträgt daher etwas weniger als zehn Jahre. Dass dieser Aufenthalt nicht rechtmäßig gewesen wäre, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.
Es steht außer Zweifel, dass der Bf durch seinen Aufenthalt in Österreich seit dem Jahr 2004 und seiner Deutschkenntnisse ein nicht unerhebliches Maß an Integration erworben hat und ein Aufenthaltsverbot in das Recht des Bf auf Familien- und Privatleben eingreift.
Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Familien- und Privatlebens dar. Wie sich u.a. aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Fremden alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen.
Im diesem Sinne geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren, fast durchgehender erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit sowie weiterer Integrationsschritte das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl. etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).
Der Bf unterschreitet die vom Gerichtshof judizierte Schwelle von zehn Jahren knapp. Mangels gegenteiliger Hinweise in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur ist davon auszugehen, dass die dargestellte Rechtsauffassung nur dann zur Anwendung gelangt, wenn der betroffene Fremde neben den genannten Kriterien unbescholten ist. Dies ist jedoch auf Grund der vorliegenden Verurteilungen des Bf nicht der Fall.
Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Zudem ist festzuhalten, dass der Bf während seines Aufenthaltes im Inland nicht nennenswert gearbeitet und im Jahr vor seinem Untertauchen im Dezember 2013 überwiegend soziale Leistungen empfangen hat. Er kann ausschließlich auf gute Kenntnisse der deutschen Sprache verweisen.
Seine Integration wird freilich durch die von ihm begangenen Vergehen und Verbrechen nach dem StGB, durch die er zu erkennen gegeben hat, die im Gastland geltende Rechtsordnung nicht zu akzeptieren, deutlich relativiert und wesentlich erschüttert.
Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Maßnahme in Verbindung mit einer Rückkehr in sein Heimatland ist festzuhalten, dass der Bf dreiviertel seines Lebens in seiner Heimat verbracht hat.
Der Bf hat seine gesamte Ausbildung im Heimatland genossen, er wurde dort sozialisiert und ist mit der Kultur, den Gebräuchen usw. vertraut. Der zehnjährige Aufenthalt in Österreich ändert daran nichts. Wie dem Vorlageakt zu entnehmen ist, wurde das Vorbringen des Bf nicht als asylrelevant angesehen und eine Verfolgungsgefahr im Herkunftsland nicht erkannt. Die ursprüngliche subsidiäre Schutzgewährung ist nicht mehr gegeben. Eine anschließende Aufenthaltsberechtigung wurde dem Bf nur aus familiären Gründen zuerkannt.
In der Beschwerdeschrift hat der Bf Bezug auf die weiterhin bestehende Aufenthaltsberechtigung seiner Familienmitglieder und die Notwendigkeit seines weiteren Aufenthaltes genommen. Wie schon die Ausführungen der belangten Behörde zur Beschäftigungssituation des Bf zeigen, kommt der Bf schon bisher nicht seiner Unterhaltsverpflichtung nach und war diese auf umfassende soziale Leistungen angewiesen.
Im Hinblick auf das strafrechtlich relevante Verhalten steht nur die Außerlandesbringung des Bf an. Vergleichsweise hat der EGMR (Berisha gegen die Schweiz, Urteil vom 30. Juli 2013, Kammer II, Bsw.Nr. 948/12) sogar die Ausweisung von Kindern ohne deren Eltern dann für verhältnismäßig erachtet, wenn sowohl ausreichende kulturelle und sprachliche Verbindungen zum Heimatland bestehen und auch weitere Familienangehörige vor Ort leben.
Bedeutsam ist im vorliegenden Fall, dass sowohl der Bf als auch seine gesamte Familie nach Erlassung des angefochtenen Bescheides (bedingt durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung war dieser nach Zustellung durchsetzbar) sich in die Illegalität begeben haben und deren Aufenthaltsort seit Dezember 2013 nicht mehr feststellbar ist.
5. Aufgrund der getroffenen Feststellungen und Ausführungen gilt es nunmehr in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Interesse des Bf am Verbleib im Inland mit dem öffentlichen Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuwägen.
Beim Bf handelt es sich um eine Person, die sich zwar jahrelang rechtskonform verhalten hat. Nach dieser langen Zeit des Wohlverhaltens hat er ohne erkennbaren Grund in einem Zeitraum, in dem er umfassende öffentliche Unterstützung erhalten hat, vorsätzlich gegen das StGB verstoßen und ein Verbrechen und zahlreiche Vergehen begangen. Auf Grund der besonderen Fallkonstellation steht für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich außer Zweifel, dass der Verbleib des Bf im Inland erheblich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.
Der erkennende Richter folgt daher der Ansicht der belangten Behörde, dass das Verhalten des Bf auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine schwerwiegende Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Verhinderung von Straftaten bildet.
Hinsichtlich der Dauer des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes finden sich im angefochtenen Bescheid keine Ausführungen.
Aufgrund der wiederholt zu Tage getretenen kriminellen Energie, der erkennbaren Uneinsichtigkeit, der massiven Schädigung der Rechte Dritter, des Versuches, sich den Lebensunterhalt durch kriminelle Tätigkeiten im Gastland zu erfüllen, kann derzeit von einer günstigen Zukunftsprognose nicht ausgegangen werden und bedarf es daher eines mehrjährigen Aufenthaltsverbotes. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde war auf Grund der besonderen familiären Situation ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot als ausreichend angesehen.
6. Auf eine Übersetzung des Spruchs bzw. der Rechtsmittelbelehrung konnte in Hinblick auf § 59 Abs. 1 FPG verzichtet werden, da der Bf der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Stierschneider