LVwG-601059/14/Wim/Bb
Linz, 20.07.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Leopold Wimmer über die Beschwerde des Herrn F O, geb. 1933, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. G P, S, E, vom 22. September 2015 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25. August 2015, GZ: VerkR96-7246-2013-Vku, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2016,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20 Euro (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Zu I.
1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (im Folgenden: belangte Behörde) warf Herrn F O (Beschwerdeführer - im Folgenden kurz: Bf) mit Straferkenntnis vom 25. August 2015, GZ VerkR96-7246-2013-Vku, eine Verwaltungsübertretung gemäß §§ 19 Abs. 7 iVm Abs. 6 StVO vor und verhängte gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro, ersatzweise eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 40 Stunden. Weiters wurde dem Bf von der belangten Behörde gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz - VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 Euro auferlegt.
Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde (auszugsweise Wiedergabe):
„Sie haben als Wartepflichtiger durch Einbiegen auf der Kreuzung einem Fahrzeug, das sich im fließenden Verkehr befunden hat nicht den Vorrang gegeben und dieses dadurch zu unvermitteltem Abbremsen und Ablenken genötigt.
Tatort: Gemeinde Ostermiething, Landesstraße Freiland, Ettenauer Landesstraße, Höhe Haus Simling x, L 1007 bei km 2.167.
Tatzeit: 08.08.2013, 13:50 Uhr.
Fahrzeug: Kennzeichen BR-x, PKW, Skoda Fabia, braun.“
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde ua. im Wesentlichen aus, dass aufgrund der Spurenlage und der Sachverständigengutachten feststehe, dass das Einbiegen des Bf nach links unfallkausal war und er bei entsprechender Blicktechnik den vorrangberechtigten Pkw wahrnehmen hätte müssen. Die mit 100 Euro festgesetzte Geldstrafe wurde unter Hinweis auf § 19 VStG, den geschätzten persönlichen Verhältnissen des Bf, seiner bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit und der langen Bearbeitungsdauer begründet.
2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 26. August 2015, richtet sich die vorliegende, durch den Rechtsvertreter des Bf mit Schriftsatz vom 22. September 2015 rechtzeitig erhobene Beschwerde, mit welcher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und die ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens, in eventu die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde begehrt wurde.
Der Bf wendet sich in seinem Rechtsmittel vordergründig gegen die Feststellung, dass er den annähernden Pkw bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmen hätte müssen. Diese Annahme sei mit den Ausführungen des beigezogenen verkehrstechnischen Sachverständigen nicht vereinbar. Die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung habe er mangels subjektiver Vorwerfbarkeit nicht begangen. Nach dem Obersten Gerichtshof liege eine Vorrangverletzung nicht vor, wenn das Fahrzeug im Fließverkehr nicht rechtzeitig wahrgenommen werden könne. Die Vorrangbestimmung des § 19 Abs. 7 StVO setze die Wahrnehmbarkeit des anderen Fahrzeuges voraus, dies gelte insbesondere dann, wenn es dem Wartepflichtigen auch bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit nicht möglich gewesen sei, das Fahrzeug wahrzunehmen.
Trotz Einhaltung sämtlicher Sorgfaltspflichten habe er den herannahenden VW Touran nicht rechtzeitig erkennen können, sodass es zum Zusammenstoß gekommen sei. Vor dem Einfahren in die Vorrangstraße habe er eine entsprechende Blicktechnik (links – rechts – links) angewendet, einem allfälligen auf der Vorrangstraße befindlichen Annäherungsverkehr gehörige Aufmerksamkeit gewidmet und sei dann zügig aus der Hauszufahrt ausgefahren. Im Bereich der Kollision sei auf der L 1007 eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h sowie ein allgemeines Gefahrenzeichen „Gefährliche Hauszufahrten“ verordnet. Der Unfallgegner habe seine Fahrgeschwindigkeit nicht dem Gefahrenzeichen entsprechend angepasst.
3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Vorlageschreiben vom 24. September 2015 unter Anschluss des Verwaltungsstrafaktes mit der GZ VerkR96-7246-2013 zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen.
Mit der Aktenvorlage wurde die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung begründet (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und das Beschwerdevorbringen.
Zusätzlich wurde am 12. Juli 2016 an Ort und Stelle in 5121 Ostermiething, Simling x eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der Bf sowie dessen Rechtsvertreterin teilgenommen haben und zum Sachverhalt gehört und befragt wurden.
Als Zeugin wurde die Beifahrerin im Fahrzeug des Bf, Frau M H, wohnhaft in S, O, vernommen. Weiters wurde das Einbiegemanöver des Bf unter polizeilicher Absicherung der Unfallstelle nachgestellt und auf Video aufgezeichnet und durch Anfertigung von Lichtbildern dokumentiert und der Amtssachverständige für Verkehrstechnik Dipl.-HTL-Ing. R H der Abteilung Verkehr des Landes Oberösterreich erstattete im Anschluss ein KFZ-technisches Sachverständigengutachten.
Der als Zeuge geladene Polizeibeamte GI R F von der Polizeiinspektion Ostermiething ist aus Krankheitsgründen zur Verhandlung nicht erschienen. Auch ein Vertreter der belangten Behörde hat an der Verhandlung entschuldigt nicht teilgenommen.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
5.1. Der Bf lenkte am 8. August 2013 gegen 13:50 Uhr den Pkw, Skoda Fabia mit dem Kennzeichen BR-x nach Simling x, 5121 Ostermiething. Er hielt den Pkw in der Hauseinfahrt des dortigen Anwesens von Frau M H und stellte das Fahrzeug parallel zur Einfahrt bzw. zur angrenzenden Ettenauer Landesstraße (L 1007) ab. Nachdem Frau H in den Pkw zugestiegen und sich angeschnallt hatte, setzte der Bf den Pkw wieder in Bewegung, wobei er beabsichtigte die Fahrt Richtung Ostermiething aufzunehmen. Dazu lenkte er das Fahrzeug (aus seiner Sicht) nach links und fuhr bis zum Fahrbandrand der L 1007 vor. Er blickte nach links und rechts. In der Folge begann er mit dem Abbiegemanöver nach links, wobei er zügig wegfuhr, dabei jedoch den sich auf der L 1007 aus Richtung Ostermiething nähernden und in Richtung Ettenau mit einer Geschwindigkeit von max. 80 km/h fahrenden Lenker des Pkw, VW Touran mit dem Kennzeichen TS-x, zum starken und plötzlichen Abbremsen seines Fahrzeuges nötigte und es schließlich auf Höhe des Hauses Simling x zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge kam.
Die Kollision der Fahrzeuge ereignete sich am rechten Fahrstreifen der L 1007 aus Sicht des VW Touran. Beim Verkehrsunfall wurde der Bf verletzt und an den unfallbeteiligten Fahrzeugen entstand Sachschaden.
Zum Vorfallszeitpunkt herrschte Tageslicht und die Fahrbahn war trocken. Die L 1007 verläuft im Bereich der Unfallörtlichkeit in Fahrtrichtung Ettenau in einer langgezogenen Rechtskurve; die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 80 km/h. Die Sichtweite des Bf nach links als auch jene des Unfallgegners betrug jeweils ca. 55 m.
Der Sachverständige für Verkehrstechnik erstattete im Rahmen der Verhandlung im Anschluss an die Nachstellung des damaligen Einbiegemanövers des Bf folgendes Gutachten (auszugsweise Wiedergabe):
„Nach den Ausführungen des Bf hat sich nach den vorliegenden Unterlagen sein Pkw nach dem Anstoß um ca. 200° gedreht. Im Hinblick auf die dokumentierte Endlage würde das bedeuten, dass der Skoda vor dem Wegfahren zur Fahrbahn leicht schräg gestanden ist. Vom Wegfahren des Skoda bis zum Kollisionsort legte der Skoda eine Strecke von etwa 3,5 m zurück. Im Hinblick auf eine Anfahrbeschleunigung des Skoda von 1,2 bis 2 m/Sek. benötigt er bis zur Kollisionsstelle ca. 1,9 bis 2,4 Sek. Dem ankommenden Verkehr muss das Einbiegemanöver des Skoda zumindest dann aufgefallen sein, wenn der Skoda die gedachte Randlinie um etwa 25 cm überfährt. Diese Gefahrenerkennungszeit liegt bei zumindest 0,4 Sek.
Der Lenker des VW Touran muss das Einbiegen in die Landstraße erkennen, wenn der Skoda die gedachte Randlinie überfahrt. Der VW Touran kann daher erst 0,4 Sek. nach dem Wegfahren des Skoda reagieren. Bei einer Reaktionszeit von 0,8 Sek. ergibt sich der Bremsbeginn ca. 1,2 Sek. nachdem der Skoda wegfuhr. Wenn der VW Touran eine Geschwindigkeit von ca. 80 km/h einhielt, dann legt er die Sichtstrecke von ca. 55 m in ca. 2,5 Sek. zurück.
Abzüglich der Zeit für die Gefahrenerkennung und der Reaktionszeit bleibt eine Bremszeit von ca. 1,3 Sek. für den VW Touran. Bei einer Notbremsung (8 m/Sek.) kann er dabei eine Geschwindigkeit von ca. 38 km/h abbauen. Im Hinblick auf die gesetzten Rahmenbedingungen wäre daher der Unfall für den Lenker des VW Touran bis zu einer Fahrgeschwindigkeit von 38 km/h vermeidbar gewesen. Über 38 km/h wäre der Unfall nicht mehr vermeidbar gewesen.
Für eine überhöhte Fahrgeschwindigkeit des VW Touran gibt es im Hinblick auf die Aktenunterlagen keine belegbaren Anhaltspunkte. Die Kollisionsstelle liegt im Hinblick auf die Spurenlage auf dem Fahrstreifen des VW Touran. Es ist aus technischer Sicht nicht nachvollziehbar, dass sich die Kollision auf dem Fahrstreifen in Richtung Ostermiething ereignet hat. Aufgrund der Spurenlage, die von der Polizei mit Sprühkreide dokumentiert ist, war die Unfallstelle auf dem Fahrstreifen der direkt neben dem Parkplatz vor dem Haus Simling x liegt. Im Hinblick auf die vorliegenden Sichtverhältnisse ist das Einbiegemanöver des Skoda vom gegenständlichen Privatparkplatz aus als problematisch einzustufen. Beim Lokalaugenschein, der seinerzeit für die BH durchgeführt wurde, wurde ein Video erstellt. Auch beim heutigen Lokalaugenschein wurde die Fahrt des Bf über Video festgehalten. Dabei ist festzustellen, dass man beim zügigen Wegfahren etwa 3 Sek. braucht, bis das Heck des Skoda Fabia den parkplatzseitigen Fahrstreifen zur Gänze freigibt. Die Zeit für einen aus Sicht des VW Touran ankommenden PKW bei 80 km/h beträgt aber weniger als 3 Sek. im Hinblick auf die verfügbare Sichtstrecke, d.h., wenn der ankommende VW Touran mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit gefahren ist. Für eine überhöhte Fahrgeschwindigkeit gibt es keine Anhaltspunkte; so kann die Situation sich so zugetragen haben, dass je nachdem wie zügig der Skoda vom Parkplatz wirklich weggefahren ist, dass er beim Schauen nach links gerade noch kein Fahrzeug gesehen hat, aber kurz darauf das Fahrzeug von links in seinem Blick gewesen ist. Im Hinblick darauf ist noch festzuhalten, dass man, wenn der Skoda bei Ansichtigwerden des von links kommenden VW Touran stehen geblieben wäre, der ankommende Touran die Möglichkeit gehabt hätte, über den Gegenverkehrsstreifen an dem stehenden Fahrzeug vorbeizufahren, da der Skoda mit Sicherheit nicht die Fahrbahnmitte zum Kollisionszeitpunkt überragt hat.“
Zur allgemeinen Fahrordnung des VW Touran erläuterte der Sachverständige, dass wenn man diesem eine Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h und eine Reaktionszeit von 1 Sek. unterstellt, im Zuge einer Notbremsung von einer Anhaltestrecke von 50 bis 52 m auszugehen sei. Bei einer vorliegenden Sichtweite von zumindest 55 m oder etwas mehr hätte daher der VW Touran bei Durchführung einer Notbremsung angehalten werden können und müsse bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h von einem Fahren auf Sicht gesprochen werden. Der Amtssachverständige führte dazu weiters aus:
„Diese theoretische Betrachtung geht davon aus, dass optimal gebremst wurde und kein Bremsweg verschenkt wurde. Die Praxis zeigt, dass oft bei erkennender Gefahr die Bremsung zwar rasch eingeleitet wird, aber nicht eine Vollbremsung eingeleitet wird, die sich dann erst im Zuge der Näherung an das Fahrzeug ergibt. Das ist auch ein Grund, warum Bremsassistenten eingeführt werden, um dann sofort, wenn auf die Bremse gestiegen wird, die volle Bremsleistung abzurufen. Es ist eine mögliche Erklärung, dass zwar sofort gebremst wurde ohne Reaktionsverzug, aber die Notbremsung nicht von Haus aus eingeleitet wurde, sondern erst von einer starken Abbremsung in eine Notbremsung übergegangen wurde und dieser Wegverlust aufgrund der nicht sofort aktivierten Notbremsung führt dann zu einem längeren Bremsweg und letztlich dann zur Kollision. Unabhängig von der Länge der Bremsstrecke, die sich dadurch verlängert, dass die Notbremsung nicht vom ersten Moment an aktiviert ist, ergibt sich die Problematik der Gefahrenerkennung. Es ist zweifelsfrei festzuhalten, dass die Gefahrenerkennung erst dann anzunehmen ist, wenn der Skoda die gedachte Randlinie zumindest 25 cm überragt hat. Daraus ergibt sich auch ein vertretbarer Reaktionsverzug von etwa 0,3 bis 0,4 Sek. Nur weil das Fahrzeug sich im Bereich der Fahrbahnränder aufhält, muss er noch keine Notbremsung einleiten. Erst dann, wenn er erkennt, dass sich das Fahrzeug in Bewegung setzt und dazu ist eine zusätzliche Reaktionszeit in der Größenordnung von 0,3 bis 0,4 Sek. anzusetzen.“
Über Befragen, ob das Einbiegemanöver mittels Einweiser für den Bf vorteilig gewesen wäre, hielt der Sachverständige wie nachstehend fest:
„Wenn sich der Einweiser bei dem Leitpflock positioniert, der in Fahrtrichtung Tittmoning vor dem besagten Parkplatz gegenüberliegend sich befindet, ist zu sagen, dass sich dadurch die Sichtweite um mindestens 100 m vergrößert. Die zur Verfügung stehende Sichtweite für den Einweiser wäre daher in Bezug auf die Ausfahrt oder den Standort des Skoda statt den ca. 55 m dann bei 150 m oder etwas mehr gewesen. Wenn man vom Standort des potentiellen Einweisers ausgeht und die von dort zu betrachtende Sichtweite berücksichtigt, ist festzustellen, dass bei diesen Sichtweiten, die der Einweiser überwachen kann, das Einbiegemanöver des Skoda als sehr unbedenklich einzustufen ist, da selbst bei etwas zögerlicher Ausfahrt leicht der Bereich der Fahrspur Richtung Tittmoning geräumt werden kann. Daher ist aus technischer Sicht ein gefahrloses Ausfahren zu bewerkstelligen.“
Über Einwand des Bf, dass der Unfallgegner ein Automatikfahrzeug fuhr und eine Beinprothese hat, führte der Sachverständige aus, dass dadurch keine Verschlechterung des Bremsverhaltens zu erwarten ist und derart umgebaute Fahrzeuge aus technischer Sicht mit Standardfahrzeugen und Standardbremsen gleichzusetzen seien.
Der Bf verfügt über ein durchschnittliches monatliches Einkommen, hat kein Vermögen und ist sorgepflichtig. Er ist verwaltungsstrafrechtlich bislang unbescholten.
5.2. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem behördlichen Verfahrensakt und als Ergebnis der öffentlichen mündlichen Verhandlung, die am 12. Juli 2015 an der Unfallörtlichkeit auf Höhe Simling x in Ostermiething stattfand.
In freier Beweiswürdigung folgt das OÖ. Landesverwaltungsgericht im Ergebnis den fachlichen Darstellungen und gutachtlichen Erläuterungen des beigezogenen Amtssachverständigen für Verkehrstechnik. Daraus ergibt sich letztlich klar und deutlich, dass der Bf bei einem nochmaligen Blick nach links vor dem Wegfahren vom Fahrbahnrand den aus Richtung links kommenden VW Touran wahrnehmen hätte müssen und der Lenker dieses Fahrzeuges sein Fahrzeug abgebremst hat.
Das erkennende Gericht erachtet das Sachverständigengutachten als schlüssig und nachvollziehbar. Der Bf hat gegen dessen Inhalt keinen Einwand erhoben; dieses ist daher als beweiskräftig anzusehen und kann der Entscheidung zu Grunde gelegt werden.
Das angenommene Blickverhalten des Bf ergibt sich aus einer Gesamtschau seiner Aussagen. Während der Bf anlässlich seiner Ersteinvernahme als auch im behördlichen Verfahren angab, vor dem Einbiegen in die L 1007 nach links und rechts geblickt zu haben und anschließend eingebogen zu sein, behauptet er nunmehr im Beschwerdeverfahren sich durch „Links-Rechts-Links-Blick“ vergewissert zu haben, dass kein Fahrzeug kommt und sei dann im ersten Gang zügig links weggefahren, als es dann plötzlich zum Zusammenstoß kam. Das gegnerische Fahrzeug habe er nicht kommen sehen. Auf die Frage, warum er sich keines Einweisers bedient habe, erläuterte der Bf, dass auch seine Beifahrerin beim Hinausfahren nach rechts geschaut habe. Normalerweise stehe aber Frau H auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite, um ihm bei freier Fahrbahn Zeichen zu geben.
So sind die Erstangaben auch nach allgemeiner Lebenserfahrung immer glaubwürdiger als spätere Aussagen, zumal ja auch die Erinnerung noch frischer ist. Auch die Beifahrerin hat immer das angenommene Blickverhalten angegeben. So gab Frau M H als Zeugin zu Protokoll, dass sie vor dem Einbiegevorgang nach rechts und der Bf nach links und rechts geschaut habe. Dann sei der Bf zügig abgebogen und plötzlich habe es gekracht.
Überdies deckt sich das angenommene Blickverhalten auch mit den Ausführungen des Amtssachverständigen, wonach bei einem nochmaligen Linksblick vor dem Einbiegemanöver die Kollision verhindert hätte werden können.
6. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:
6.1. Gemäß § 19 Abs. 6 StVO haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dgl. kommen.
Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), darf gemäß § 19 Abs. 7 StVO durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.
6.2. Der Bf beabsichtigte am 8. August 2013 um 13:50 Uhr mit seinem Pkw, Kennzeichen BR-x aus der Einfahrt des Hauses Simling Nr. x nach links in die L 1007 Richtung Ostermiething einzubiegen und war somit nach § 19 Abs. 6 StVO gegenüber dem im Fließverkehr auf der L 1007 fahrenden vorrangberechtigten Pkw, VW Touran, gelenkt von M B, welcher sich der Einfahrt Simling x aus Richtung Ostermiething näherte, wartepflichtig.
Durch das Linkseinbiegemanöver auf die L 1007 hat der Bf aber den Vorrang des im fließenden Verkehr befindlichen VW Touran nicht beachtet, sodass der Unfallgegner sein Fahrzeug abbremsen musste und es schließlich zu einer Kollision der Fahrzeuge kam.
Bereits die Veranlassung zu einer mittleren Betriebsbremsung entspricht einer Nötigung zum unvermittelten Bremsen und damit einer Vorrangverletzung. (OGH 17. Februar 2010, 2 Ob 138/09x).
Der Bf hat sohin den Tatbestand des § 19 Abs. 7 iVm Abs. 6 StVO objektiv verwirklicht.
Richtig ist, dass die Vorrangbestimmungen die Wahrnehmbarkeit des anderen Fahrzeuges voraussetzen. Dazu genügt es jedoch, dass es dem Wartepflichtigen bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit möglich war, das andere Fahrzeug wahrzunehmen (vgl. dazu z. B. OGH 10. September 1985, 2OB41/85).
Wie der Amtssachverständige gutachtlich schlüssig und gut nachvollziehbar dargelegt hat, hätte der Bf jedenfalls den von links kommenden vorrangberechtigten Pkw wahrnehmen müssen, sofern er nach einem „Links-Rechts-Blick“ nochmals nach links gesehen hätte. Ob der Bf das gegnerische Fahrzeug tatsächlich bemerkt hat oder nicht bzw. welche Blicktechnik er vor dem Abbiegevorgang angewendet hat, kann sohin dahingestellt bleiben. Es wird dem Bf keinesfalls unterstellt, dass er bewusst losgefahren und den Vorrang missachtet hat, sondern ist wohl von einem offensichtlichen Übersehen des VW Touran auszugehen.
Ein Blick auf die höchstgerichtliche Judikatur zeigt, dass der im Nachrang befindliche Verkehrsteilnehmer in eine den Vorrang gewährende Straße nur dann einfahren darf, wenn er durch gehörige Beobachtung des vorrangigen Verkehrs in dessen tatsächlicher Gestaltung sich die Gewissheit verschafft hat, dies ohne Gefährdung oder auch nur Behinderung eines im Vorrang befindlichen Verkehrsteilnehmers unternehmen zu können. Die Bevorrangten dürfen jedenfalls nicht zu einem unvermittelten Bremsen oder Ablenken gezwungen werden. Ein benachrangter Verkehrsteilnehmer muss seiner Wartepflicht so lange genügen, bis er die volle Sicherheit gewonnen hat, bei seiner Weiterfahrt keine bevorrangten Verkehrsteilnehmer in der im § 19 Abs. 7 StVO beschriebenen Weise zu behindern. Im Zweifel muss der Wartepflichtige den Vorrang bis zur Klärung der Verkehrslage wahren (ZVR 1984/338, 1983/69, 1974/44, OGH 6.11.1979, 2 Ob 104/79 ua).
Solange der Kreuzungsbereich unübersichtlich ist, muss der Wartepflichtige mit dem jederzeitigen Erscheinen eines Pkws in der bevorrangten Straße rechnen und darf daher nur mit einer solchen Geschwindigkeit fahren, die es ihm tatsächlich erlaubt, jederzeit sein Fahrzeug anzuhalten (Hinweis VwGH 23. Oktober 1974, 0534/74, 16. März 1978, 0822/77).
Wer aus einem Grundstück auf eine Straße einfährt, hat bei der Erfüllung der Wartepflicht ein besonders hohes Maß an Sorgfalt anzuwenden. Diese erhöhte Sorgfaltspflicht endet nicht schon mit Beginn des Einfahrens (OGH 25. Mai 1979, 8Ob52/79). Der aus einer Hauseinfahrt oder Grundstückseinfahrt kommende Kraftfahrzeuglenker muss seine Fahrweise unter allen Umständen darauf einrichten, dass er selbst Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang, die sich nicht vorschriftsmäßig verhalten, weder zum unvermittelten Bremsen noch zum Ablenken ihres Fahrzeuges nötigt (z. B. OGH 12. Juni 1969, 2Ob155/69, VwGH 22. Jänner 1982, 81/02/0285 ).
Der Sachverständige hat das Einbiegemanöver aus der Hauseinfahrt im Hinblick auf die Sichtverhältnisse (Sichtweite) als problematisch eingestuft. Der Bf hätte sich daher, um ein gefahrloses und unbedenkliches Ausfahren sicherzustellen, allenfalls eines Einweisers bedienen müssen. § 13 Abs. 3 StVO normiert, dass, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, sich der Lenker beim Einfahren in Häuser oder Grundstücke und beim Ausfahren aus Häusern oder Grundstücken von einer geeigneten Person einweisen zu lassen hat.
Angesichts der Feststellungen im KFZ-technischen Gutachten und der einschlägigen Judikatur der Höchstgerichte gehen die Beschwerdevorbringen im Hinblick auf ein Fehlverhalten des gegnerischen Fahrzeuges bzw. dessen Nichtwahrnehmbarkeit für den Bf ins Leere. Es ist dem Bf damit nicht gelungen darzutun, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Mangelndes Verschulden (§ 5 Abs. 2 VStG) konnte er mit seiner Verantwortung nicht glaubhaft machen und ließ sich auch aus dem Sachverhalt nicht schließen. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG iVm § 38 VwGVG ist daher von fahrlässigem Verhalten auszugehen und somit auch die subjektive Tatseite der Übertretung zu bejahen.
6.3. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG iVm § 38 VwGVG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG iVm § 38 VwGVG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die gesetzliche Höchststrafe für die gegenständliche Übertretung beträgt gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 726 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe bis zu zwei Wochen.
Die Behörde ging bei der Bemessung der Strafe von einem durchschnittlichen monatlichen Einkommen des Bf, keinem Vermögen und Sorgepflichten aus. Der Bf hat diesen Bemessungsgrundlagen nicht widersprochen, weshalb von diesen Grundlagen auch im Beschwerdeverfahren ausgegangen werden konnte.
Nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist dann mit einer Einschätzung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorzugehen, wenn der Beschuldigte im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens Angaben über diese Umstände verweigert. Er hat es in diesem Fall seiner unterlassenen Mitwirkung zuzuschreiben, sollte die Behörde über diese Einschätzung zu seinem Nachteil Umstände unberücksichtigt gelassen haben, die ohne seine Mitwirkung der Behörde nicht zur Kenntnis gelangen konnten (VwGH 22. April 1992, 92/03/001, 21. Jänner 2012, 2009/05/0123).
Strafmildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit des Bf und die lange Verfahrensdauer gewertet, Straferschwerungsgründe wurden nicht festgestellt.
Vorrangverletzungen stellen besonders gravierende Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung dar. Ein derartiges Fehlverhalten ist oftmals Ursache für Verkehrsunfälle mit schwerwiegenden Folgen, sodass der Unrechtsgehalt solcher Delikte keinesfalls unerheblich ist.
Vor diesem Hintergrund kann das OÖ. Landesverwaltungsgericht nicht finden, dass die Behörde den ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die verhängte Geldstrafe in Höhe von 100 Euro erscheint unter Berücksichtigung der erwähnten Milderungsgründe durchaus tat- und schuldangemessen und aus spezialpräventiver Sicht in der festgesetzten Höhe erforderlich, um den Bf künftig zu besonderer Aufmerksamkeit und Vorsicht beim Ausfahren aus Haus- und Grundstückseinfahrten zu veranlassen und darauf hinzuweisen, dass die Beachtung und Einhaltung der Vorrangregeln im Interesse der Sicherheit im Straßenverkehr von wesentlicher Bedeutung sind. Auch aus dem Blickwinkel der Generalprävention steht dieser Strafzumessung nichts entgegen.
Die Geldstrafe wurde an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens angesiedelt und beträgt 13,7 % der möglichen Höchststrafe. Im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen von bis zu 726 Euro (§ 99 Abs. 3 lit. a StVO) kann die behördlich festgesetzte Geldstrafe daher nicht als überhöht angesehen werden. Eine Herabsetzung der Strafe ist daher nicht angebracht.
Auf die finanziellen Verhältnisse der Bf brauchte nicht weiter eingegangen zu werden, da vom Bf als Halter eines Kraftfahrzeuges und Teilnehmer am Straßenverkehr auch erwartet werden muss, dass er zur Bezahlung der Verwaltungsstrafe in der hier vorliegenden Höhe unter Annahme eines durchschnittlichen Einkommens ohne weiteres in der Lage ist.
Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde in angemessenem Verhältnis zur verhängten Geldstrafe mit 40 Stunden festgesetzt.
Zu II.
Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist Abs. 2 leg. cit. zufolge für das Beschwerdeverfahren mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen.
In diesem Sinne war dem Bf für das Beschwerdeverfahren daher ein Betrag in der Höhe von 20 Euro vorzuschreiben.
Zu III.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Für den Bf ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung gemäß § 25a Abs.4 VwGG ex lege ausgeschlossen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Leopold W i m m e r