LVwG-500203/5/Kü/TO

Linz, 14.07.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Thomas Kühberger über die Beschwerde des Herrn Mag. K J, x, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21.12.2015, GZ: , wegen Übertretung des Immissionsschutzgesetzes-Luft (IG-L) nach Durch­führung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die verletzte Rechtsvorschrift „§ 30 Abs. 1 Z 4 IG-L, BGBl. Nr. 115/1997 idF BGBl. I Nr. 77/2010 iVm § 4 Abs. 1 der Verordnung des Landes­hauptmannes von Oberösterreich, mit dem eine immissions­abhängige Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der Ax W angeordnet wird, LGBl. Nr. 101/2008 idF LGBl. Nr. 30/2012“ zu lauten hat.

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 72 € zu tragen.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.             1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21.12.2015, GZ: UR96-11397-2015, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 30 Abs. 1 Immis­sionsschutzgesetz-Luft (IG-L) iVm § 4 Abs. 1 der Verordnung des Landeshaupt­mannes von Oberösterreich, mit dem eine immissionsabhängige Geschwindig­keitsbeschränkung für eine Teilstrecke der Ax W angeordnet wird, gemäß § 30 Abs. 1 Z 4 IG-L eine Geldstrafe in der Höhe von 360 Euro, im Falle der Unein­bringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 56 Stunden, verhängt, weil er als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen x im Sanierungsgebiet auf der Ax W am 30.12.2014, um 09:19 Uhr, bei km x in Fahrtrichtung W die erlaubte festgelegte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 54 km/h überschritten hat. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde zu seinen Gunsten abgezogen.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in der eine öffentliche mündliche Verhandlung beantragt wurde und Folgendes (wortwörtlich wiedergegeben) vorgebracht wird:

„Mir wird im Spruch des angefochtenen Bescheides angelastet, ich hätte § 4 Abs 1 der Verordnung des Landeshauptmanns von Oberösterreich, mit der eine immissions­abhängige Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der Ax W angeordnet wird, LGBl 2008/101 „idgF", also „in der geltenden Fassung" missachtet. Der angefochtene Bescheid ist am 21.12.2015 beschlossen und mir gegenüber am 23.12.2015 erlassen worden. Zu beiden dieser Zeitpunkte war die geltende Fassung der genannten Verord­nung jene nach LGBl 2015/3, die ausweislich ihres Art II am 1.2.2015 in Kraft getreten ist.

 

Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird als Tatzeit der 30.12.2014 angeführt, also ein Zeitpunkt, der vor Inkrafttreten der Verordnung LGBl 2015/3 gelegen ist.

Nun hat aber gerade die Novelle LGBl 2015/3 eine wesentliche Änderung der Verordnung LGBl 2008/101 (idF LGBI 2012/30) bewirkt: Mit LGBI 2015/3 wurde durch § 3 Abs 4 der zur Erreichung des Ziels dieser Verordnung dienende Schwellenwert von bisher 30 µg/m3 auf 16 µg/m3 deutlich reduziert.

Anders gewendet: Während zu der im angefochtenen Bescheid angegebenen Tatzeit der Schwellenwert für die Rechtmäßigkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkung noch hoch war, ist er ca 2 Monate später deutlich reduziert worden.

Für die Verfolgung meiner Rechte ist aber die richtige rechtliche Grundlage des ange­fochtenen Bescheides essentiell: Wurde die Geschwindigkeitsbeschränkung nach § 4 der Verordnung LGBl 2008/101 nun idF LGBl 2012/30 oder schon - wie der angefochtene Bescheid nahe zu legen scheint - mit dem niedrigeren, zur Tatzeit noch nicht geltenden Schwellenwert nach LGBl 2015/3 erlassen?

 

Gemäß § 24 VStG iVm § 59 Abs 1 AVG hat der Spruch eines Bescheides die ange­wendeten Gesetzesbestimmungen anzuführen. Der Verpflichtung nach § 50 Abs 1 AVG wird hingegen durch den Hinweis auf die angewendete gesetzliche Bestimmung „in der geltenden Fassung" insbesondere dann nicht Genüge getan, wenn die Rechtslage vielfach geändert worden ist, weil dadurch die Verfolgung meiner Rechte wesentlich erschwert wird (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 59 Rz 71).

 

Dadurch wird der angefochtene Bescheid mit einem Verfahrensmangel belastet; er ist auch rechtserheblich, weil aus dem Bescheid nicht eindeutig hervorgeht, dass ich im Ergebnis nicht rückwirkend bestraft worden bin.

 

Mangelhafte Sachverhaltsfeststellung

Wie schon oben, festgehalten, ist die Geschwindigkeitsbeschränkung iSd § 4 Abs 1 der Verordnung des Landeshauptmanns von Oberösterreich, mit der eine immissions­abhängige Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der Ax W angeordnet wird, nicht durchgehend verordnet, sondern von der Luftgüte abhängig. Letztere kann sich kurzfristig ändern, was auch durch § 4 Abs 2 leg cit in der Form anerkannt wird, dass die Luftschadstoffe halbstündlich zu messen sind. Abhängig von dieser Messung wird mittels Verkehrsbeeinflussungsanlage die Geschwindigkeitsbeschränkung kundgemacht.

 

Für die Rechtmäßigkeit der Geschwindigkeitsbeschränkung und die Rechtsmäßigkeit ihrer Kundmachung kommt es also wesentlich auf die unbedingte Funktionsfähigkeit von Luftmessstelle und Verkehrsbeeinflussungsanlage an. Dass bei diesen Anlagen technische Gebrechen auftreten können, wird von § 4 Abs 4 leg cit auch ausdrücklich anerkannt: Für diesen Fall gelten besondere Vorschriften.

 

Der von der belangten Behörde ermittelte Sachverhalt erweist sich im angefochtenen Bescheid an dieser Stelle höchst lückenhaft; es wurden keinerlei Feststellungen getroffen, ob sowohl Luftmessstelle als auch Verkehrsbeeinflussungsanlage zur vorgeworfenen Tat­zeit einwandfrei funktioniert haben. Die Behörde hat - anders als bei dem zur Geschwin­digkeitsmessung eingesetzten Radargerät - nicht erhoben, ob die Luftmessstelle ent­sprechend geeicht war.

 

Auch der Einwand, über § 4 Abs 4 leg cit wird eine Geschwindigkeitsbeschränkung selbst für den Fall angeordnet, dass die Luftmessstelle defekt ist, verfängt nicht: Mir als mit Straferkenntnis Bestraftem wird der Rechtsschutz erheblich verkürzt, wenn nicht fest­gestellt ist, ob die mir vorgeworfene Geschwindigkeitsbeschränkung nach § 4 Abs 2 oder nach § 4 Abs 4 leg cit verfügt worden ist: So erscheint es höchst fraglich, ob eine Regelung nach § 4 Abs 4 vor dem Hintergrund des Sachlichkeitsgebotes verfassungs­rechtlichen Bestand hat, scheint die Bestimmung doch anzuordnen, dass auch bei tech­nischem Totalversagen eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h auf Auto­bahnen (entgegen dem Grundsatz des § 20 Abs 2 StVO) verordnet ist. Mir ist aber ein Gang zum VfGH zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs 4 der genannten V verwehrt, wenn der angefochtene Bescheid nicht erkennen lässt, ob er auf Grund von § 4 Abs 2 oder § 4 Abs 4 der V erlassen worden ist.

 

Außerdem hat die Frage, ob die Luftmessstelle einwandfrei funktioniert hat oder nicht, auch Auswirkungen auf das Strafausmaß: War die Messstelle funktionsunfähig und hat dadurch eine Geschwindigkeitsbeschränkung bedingt, obwohl die Schwellwerte gar nicht erreicht waren und wäre folglich eine solche Beschränkung objektiv gar nicht erforderlich gewesen, so wird auch das „Schutzgut Luft" objektiv gar nicht verletzt. Eine Strafe müsste daher deutlich geringer ausfallen.

Insgesamt zeigt sich, dass die belangte Behörde durch ihre mangelhafte Feststellung des Sachverhaltes die Offizialmaxime verletzt hat. Der Sachverhalt ist in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig. Die Verwaltungssache war nicht spruchreif und es hätte der belangte Bescheid nicht erlassen werden dürfen.

 

Verfahrensmangel: keine Gewährung von Parteiengehör

Das Parteiengehör zählt zu den elementaren Prozessrechten. § 24 VStG iVm §§ 37, 45 Abs 3 AVG sind Ausdruck dieser Rechte.

In Pkt II des angefochtenen Bescheides stellt die belangte Behörde fest, dass die Geschwindigkeitsmessung „durch ein ... ordnungsgemäß geeichtes Radar" erfolgt sei. In der Beweiswürdigung führt sie dazu aus: ,,[D]as verwendete Radargerät war laut dem vorliegenden Eichschein nach den Vorschriften des Eich- und Vermessungsgesetzes ordnungsgemäß geeicht."

 

Nun kommt gerade bei einer mit einem Radargerät erfolgten Geschwindigkeitsmessung der ordnungsgemäßen Funktionsfähigkeit des Radargeräts höchste Bedeutung zu, weil es - wie hier - das einzige Beweismittel ist, auf das sich die belangte Behörde im ange­fochtenen Bescheid stützen kann.

 

Die belangte Behörde hat offenbar ausschließlich aus „dem vorliegenden Eichschein" - es werden im angefochtenen Bescheid weder Datum noch Aussteller genannt - auf die Funktionsfähigkeit des Radargerätes geschlossen. Damit wird „der vorliegende Eich­schein" zu einem Beweismittel, zu dem die belangte Behörde mir Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen hätte müssen (§ 45 Abs 3 AVG).

 

Das Gebot des Parteiengehörs erschöpft sich konsequenterweise auch nicht in einer bloßen Verpflichtung, den Parteien die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis zu bringen, sondern umfasst darüber hinaus auch noch das Recht der Partei, Gelegenheit zu erhalten, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Der Entscheidung einer Verwaltungsbehörde dürfen daher nur jene - der Partei bekannt gemachten - Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Partei auch äußern konnte (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45 Rz 30).

 

Indem die belangte Behörde einen Eichschein als Beweismittel herangezogen hat, hätte sie mir Gelegenheit einräumen müssen, dazu Stellung zu nehmen, zB dazu, ob die letzte Eichung des Radargeräts nicht schon zu lange zurück liegt (der angefochtene Bescheid enthält hierzu keine Feststellungen) und daher die Eichung keinen hinreichenden Beweis für die Funktionsfähigkeit des Radargeräts darstellt.

 

Dieser Verfahrensmangel ist auch insofern wesentlich, als die richtige Würdigung des Eichscheines und damit der Funktionsfähigkeit des Radargerätes zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte führen können.

 

Fehlerhafte Ermessensausübung

In ihren Erwägungen (Pkt V des angefochtenen Bescheides) führt die belangte Behörde (ua) aus: „Im Hinblick auf die Strafbemessung war zu berücksichtigen, dass Geschwin­digkeitsüberschreitungen immer wieder die Ursache von Verkehrsunfällen darstellen, weshalb Gründe der Spezial- und Generalprävention eine wesentliche Bedeutung haben. Im vorliegenden Fall war das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung und damit der Gefährdung der Schutzinteressen der verletzten Norm zu würdigen und die Strafe so zu bemessen, dass Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abgehalten werden."

Dabei übersieht die belangte Behörde, dass der Tatvorwurf - Überschreitung einer Geschwindigkeitsbeschränkung nach IG-L - nicht beinhaltet, ich hätte ein Tatbild etwa nach § 20 StVO verwirklicht.

 

Auch ergibt sich aus der Verordnung des Landeshauptmanns von Oberösterreich, mit der eine immissionsabhängige Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der Ax W angeordnet wird, ein ganz klares Bild vom Normzweck. § 1 leg cit lautet: „Die durch den Verkehr verursachten Stickstoffdioxidemissionen entlang der Ax W im Bereich der Städte A, L und E sowie der M A und S sollen verringert und somit die Luftqualität verbessert werden. Diese Verbesserung dient dem dauerhaften Schutz der Gesundheit der Menschen, des Tier- und Pflanzenbestands, ihrer Lebensgemeinschaften, Lebensräume und deren Wechselbeziehungen sowie der Kultur- und Sachgüter vor schädlichen Luft­schadstoffen sowie dem Schutz der Menschen vor unzumutbar belästigenden Luftschad­stoffen."

 

Im angefochtenen Bescheid wird die Höhe der mir auferlegten Geldstrafe mit einem gravierenden Verstoß gegen die Verkehrssicherheit begründet. Abgesehen davon, dass sich im angefochtenen Bescheid hierzu keine Feststellungen finden, verkennt die belangte Behörde mit einer solchen Würdigung völlig den telos der mir vorgeworfenen Verwaltungsübertretung: Das IG-L und die V des LH von Oberösterreich schützen die Luftqualität, nicht die Verkehrssicherheit.

 

Die Strafbemessung der belangten Behörde ist wegen ihrer Begründung mit einem massiven Verkennen der Rechtslage, ja schon fast mit Willkür gleichzusetzen. Der ange­fochtene Bescheid ist somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.“

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Beschwerde mit Schreiben vom 08.03.2016 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Dieses entscheidet gemäß § 2 VwGVG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

4. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Akteneinsicht und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.06.2016, an der eine Vertreterin der belangten Behörde teilgenommen hat. Der Bf war entschuldigt und ist nicht erschienen.

Aufgrund des Beschwerdevorbringens hinsichtlich Stickstoffoxid-Konzentration hat die belangte Behörde beim Amt der OÖ. Landesregierung, Direktion Umwelt und Wasserwirtschaft, Abteilung Umweltschutz die Messergebnisse an der Mess­stelle E-K für den 30.12.2014, in der Zeit von 8:00 und 10:00 angefordert. Zudem wurde von der A eine Auswertung der IG-L Schaltungen am 30.12.2014 angefordert.

 

4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem Sachverhalt aus:

Der Bf hat mit dem auf ihn zugelassenen PKW, mit dem Kennzeichen x, am 30.12.2014, um 09:19 Uhr in der Gemeinde A auf der Ax bei km x in Fahrt­richtung W, die in diesem Bereich mittels Verkehrsbeeinflussungsanlage durch Verkehrszeichen mit dem Zusatzhinweis „IG-L“ ausgewiesene Höchstgeschwin­digkeit von 100 km/h unter Berücksichtigung der in Betracht kommenden Mess­toleranz um 54 km/h überschritten. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte durch ein stationäres Radar, Messgerät x (Tag der Eichung lt. Eichschein vom 06.05.2013 war der 10.04.2013).

 

4.2. Der Bf hat mit seiner Eingabe vom 07.10.2015 Einspruch gegen Straf­verfügung vom 23.09.2015 erhoben und vorgebracht, dass er „mit Entschieden­heit bestreitet das gegenständliche Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen x zur Tatzeit am 30.12.2014 um 9:19 Uhr gelenkt zu haben. Verwunderlich erscheint auch, dass diesbezüglich keine Halterauskunft durchgeführt wurde.“

Mit Schreiben vom 08.10.2015 (laut Zustellschein vom Bf persönlich übernom­men am 09.10.2015) wurde mit der Aufforderung zur Rechtfertigung das Radar­foto, eine Ablichtung seines Führerscheinfotos aus dem Führerscheinregister sowie die unbeantwortete Lenkerauskunft (lt. Zustellschein am 02.04.2015 von einem/r Mitarbeiter/in des Bf übernommen) übermittelt.

 

Der in § 25 VStG normierte Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens befreit den Beschuldigten nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen (VwGH 27.3.1991, 90/10/0215; s auch § 41 Abs. 1 Z 2 und § 42 Abs. 1 Z 2). Die Mitwirkungspflicht hat insbesondere dort Bedeu­tung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann (z.B. VwGH 14.12.2012, 2010/09/0160 [Umstände, die der Privatsphäre der Partei zuzuordnen sind]), und erfordert es, dass der Beschuldigte seine Ver­antwortung nicht darauf beschränken kann, die ihm zur Kenntnis gelangten Erhe­bungsergebnisse für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkrete Behaup­tungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten (VwGH 25.9.1981, 81/02/0050; 20.9.1999, 98/21/0137; 22.3.2012, 2011/09/0004; insb. zu Ungehorsamsdelikten, bei denen es Sache des Beschuldigten ist, initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht, vgl. VwGH 15.10.1987, 87/02/0080). So löst etwa das bloße globale Bestreiten des Beschuldigten, ohne nähere Konkretisierung und Stellung von Beweisanträgen, keine weitere Ermittlungspflicht aus (VwGH 27.1.1987, 84/10/0219; 20.9.1999, 98/21/0137).

 

Zudem darf auf das VwGH-Erkenntnis vom 20.09.1996, ZI. 96/17/0320, verwie­sen werden, wonach die Verwaltungsbehörden, wenn der Beschuldigte seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, berechtigt sind, diesen Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung ins Kalkül zu ziehen (Hinweis: E 6.12.1985, 85/18/0051). In diesem Zusammenhang ist der Verwaltungsgerichtshof daher der Beweiswürdigung von Behörden, die daraus den Schluss gezogen haben, dass der Beschuldigte das Kfz selbst gelenkt habe oder dieses selbst an einem bestimmten Ort abgestellt habe, nicht entgegengetreten, wenn der Betroffene nicht Umstände aufgezeigt hat, die die Schlüssigkeit dieser Sachverhaltsfest­stellung in Zweifel zu ziehen geeignet waren.

 

Dem Bf wurde im Verfahren vor der belangten Behörde ausreichend Gelegenheit gegeben sich zum Sachverhalt zu äußern. Der Bf hat allerdings außer allgemein gehaltenen Schutzbehauptungen und widersprüchlichen Aussagen nichts zum Sachverhalt vorgebracht. Diese Vorgehensweise erweckt den Eindruck, dass der Bf ausschließlich eine Verzögerung des Verfahrens bezwecken wollte. Insgesamt war daher der Sachverhalt wie im Punkt 4.1. festzustellen.

 

 

II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

1. Gemäß § 30 Abs. 1 Z 4 IG-L begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, wer einer gemäß §§ 14 und 16 Abs. 1 Z 4 erlassenen und entsprechend kundgemachten Anordnung gemäß § 10 zuwiderhandelt.

 

Mit Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 31.10.2008, LGBl. Nr. 101/2008, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung LGBl. Nr. 30/2012, wurde eine solche Anordnung (immissionsabhängige Geschwindig­keitsbeschränkung für eine Teilstrecke der Ax-W) grundsätzlich erlassen. Die Kundmachung dieser Anordnung erfolge - § 14 Abs. 6c IG-L iVm § 5 Abs. 1 dieser Verordnung entsprechend - mit einem Verkehrsbeeinflussungssystem.

 

2. Zum Beschwerdevorbringen, dass der von der belangten Behörde ermittelte Sachverhalt sich als höchst lückenhaft erweise, da keinerlei Feststel­lungen getroffen worden wären, ob sowohl Luftmessstelle als auch Verkehrsbe­einflussungsanlage zur vorgeworfenen Tatzeit einwandfrei funktioniert hätten, darf auf die im Akt einliegende Auswertung der Schaltzeiten durch die A verwie­sen werden, die die Tempo 100 – Beschränkung am 30.12.2014 ab 09:10 Uhr ausweist.

 

Weiters darf auf die Stellungnahme des Amtes der . Landesregierung, Direk­tion Umwelt und Wasserwirtschaft, Abteilung Umweltschutz vom 17.02.2016 ver­wiesen werden. Daraus ist ersichtlich, dass am 30.12.2014 an der Messstelle E-K an der Ax zwischen 08.00 und 10:00 Uhr folgende Stickstoffoxid-Konzentrationen gemessen wurden:

 

Datum

von

bis

Stickstoffdioxid (µg/m3)

Di 30.12.2014

08:00

08:30

57

Di 30.12.2014

08:30

09:00

73

Di 30.12.2014

09:00

09:30

52

Di 30.12.2014

09:30

10:00

42

Di 30.12.2014

10:00

10:30

33

 

 

Der Grenzwert des IG-L (inklusive Toleranzmarge) beträgt 35 µg/m3 als Jahres­mittelwert. Der Schwellenwert für die Tempo 100-Beschränkung war an der Ax zu diesem Zeitpunkt 30 µg/m3 als Beitrag der PKW-ähnlichen Fahrzeuge zur Stickstoffdioxid-Immission (Verordnung des Landeshauptmanns von Oberöster­reich, mit der eine immissionsabhängige Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der Ax-W angeordnet wird, LGBl. Nr. 101/2008 idF LGBl. Nr. 30/2012).

 

Dem Einwand hinsichtlich der Verletzung des Parteiengehörs ist entgegenzuhal­ten, dass der Bf es vorgezogen, hat nicht an der mündlichen Verhandlung teilzu­nehmen. Für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich steht im konkreten Fall damit als erwiesen fest, dass der Bf zur vorgeworfenen Tatzeit die erlaubte Geschwindigkeit überschritten hat. Insofern ist dem Bf daher die Verwaltungs­übertretung in objektiver Hinsicht anzulasten.

 

 

3. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Ver­waltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwal-tungsgerichtshofes hat der Bf initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die „Glaubhaftmachung" nicht.

 

Vom Bf wurde im Rahmen seiner Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches Zweifel an seinem schuldhaften Verhalten bewirken könnte. Auf Grund der ord­nungsgemäß mittels Verkehrsbeeinflussungssystem kundgemachten Geschwin­digkeitsbeschränkung von 100 km/h mit dem Zusatz „IG-L“ musste dies auch für den Bf erkennbar gewesen sein. Auf Grund des Umstandes, dass der Bf diese Ge­schwindigkeitsbeschränkung jedoch missachtet hat, ist zumindest vom fahrlässi­gen Verhalten des Bf auszugehen. Dem Bf ist daher die gegenständliche Verwal­tungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht vorwerfbar.

 

Entgegen dem Beschwerdevorbringen des Bf, wonach er Zweifel an der Richtig­keit der Luftmesswerte hege, da ihm für die Messstelle E-K kein Eichschein vor­gelegt wurden wäre, unterliegt die Lustmessstelle E-K nicht der Eichpflicht gemäß Maß- und Eichgesetz (MEG).

 

An der Messstelle E-K wird die Konzentration bestimmter Luftschadstoffe gemes­sen. Die Errichtung und der Betrieb dieser Messstellen richten sich nach den Vor­gaben der IG-L-Messkonzeptverordnung 2012. Gemäß der Auskunft des Amts der Oö. Landeregierung, Direktion Umwelt und Wasserwirtschaft, Abteilung Um­weltschutz, unterliegt die Messstelle E-K einem mehrstufigen Qualitätsmanage­mentsystem auf Basis des Akkreditierungsgesetzes, der Norm EN 14211, des Immissionsschutzgesetz-Luft und der EU-Richtlinie 2008/50/EG.

In den §§ 8 bis 13 MEG werden nicht einzelne Messgerätearten genannt, sondern werden diejenigen Messgrößen aufgezählt, deren Bestimmung zur Eichpflicht des dabei verwendeten Gerätes führt. Luftschadstoffe sind in den genannten Bestim­mungen nicht enthalten, weshalb eine Eichpflicht eines derartigen Messgerätes nach den Bestimmungen des MEG nicht anzunehmen ist. Mit dem Einwand des fehlenden Eichscheins für die genannte Messstelle ist für den Bf daher nichts zu gewinnen.

 

4. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjeni­gen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwie­weit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungs-gründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander ab­zuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermes­sensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsver­folgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüf­barkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs. 1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs. 2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjek­tiver Umstände.

Der Gesetzgeber hat in den §§ 10 und 14 IG-L die Landeshauptleute verpflichtet, zur Sicherung der Ziele der Luftreinhaltung u.a. Geschwindigkeitsbeschränkung­en für Kraftfahrzeuge zu verordnen. Diese Geschwindigkeitsbeschränkung stellt nach dem geltenden Maßnahmenprogramm gemäß § 9a IG-L (und auch im Ver­gleich mit anderen Bundesländern) das gelindeste Mittel dar, das zur Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffoxid führt.

 

Insgesamt ist zur Strafbemessung festzuhalten, dass die gravierende Geschwin­digkeitsüberschreitung als straferschwerend zu werten ist. Darüber hinaus ver­deutlicht das Verhalten des Bf, dass er offensichtlich festgelegten Höchstge­schwindigkeiten – sei es aus Umweltschutzgründen oder auch Verkehrssicher­heitsgründen – gleichgültig gegenübersteht. Daher ist auch der Grad des Ver­schuldens als erschwerend zu werten. Der erkennende Richter gelangt zur An­sicht, dass eine Reduzierung der verhängten Geldstrafe aufgrund der Straf­erschwerungsgründe, denen keine Milderungsgründe gegenüberstehen, und zu­dem allein schon aus generalpräventiven Überlegungen im gegenständlichen Fall nicht geboten ist. Auch im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen, der eine Höchststrafe von 2.180 Euro vorsieht, erscheint die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe jedenfalls tat- und schuldangemessen, weshalb diese ins­gesamt zu bestätigen war.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtspre­chung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichts­hof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwer­de bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Thomas Kühberger