LVwG-300999/4/KLi/PP
Linz, 10.06.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Lidauer über die Beschwerde vom 30. März 2016 der S. GmbH & Co KG, X, H., vertreten durch die B. Rechtsanwaltskanzlei, x, L., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 10. März 2016, GZ: SanRB96-1000-4-2016, samt Berichtigungsbescheid vom 15. März 2016, GZ: SanRB96-1000-4-2016, wegen Sicherheitsleistung nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. März 2016, GZ: SanRB96-1000-4-2016, wurde aufgrund des Antrages der Abgabenbehörde (Finanzpolizei Team 43 für das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr) vom 10. März 2016 auf die Erlegung einer Sicherheit gemäß § 7m Abs. 2 AVRAG iHv 4.000 Euro durch die Firma S. A. GmbH & Co KG, H., X (wegen des begründeten Verdachts einer Verwaltungsübertretung nach § 7b Abs. 8 Z 1 AVRAG, § 7b Abs. 8 Z 3 AVRAG sowie § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG wurde durch die Finanzpolizei Team 43 am 10. März 2016 ein Zahlungsstopp gemäß § 7m Abs. 1 AVRAG verfügt hinsichtlich der offenen Forderungen der Firma N. T. d.o.o., x, S, gegenüber der Firma S. A. GmbH & Co KG, H., X), eingelangt bei der belangten Behörde am 10. März 2016 von dieser als Behörde der mittelbaren Bundesverwaltung dem oben näher bezeichneten Antrag der Finanzpolizei Team 43 für das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr vom 10. März 2016 auf die Erlegung einer Sicherheit (aus dem noch zu leistenden Werklohn) stattgegeben. Der Firma S. A. GmbH & Co KG wurde aufgetragen, eine Sicherheit bis zum 30. März 2016 iHv 4.000 Euro (aus dem noch zu leistenden Werklohn) gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG zu erlegen. Ferner wurde ausgesprochen, dass die belangte Behörde nach Erlegung der Sicherheit diese für frei zu erklären habe, wenn das Verfahren gegen die Firma N. T. d.o.o. eingestellt werde oder die verhängte Strafe vollzogen worden sein solle oder nicht binnen eines Jahres der Verfall ausgesprochen werden würde (§ 7m Abs. 8 AVRAG).
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass im Zuge
Die Beschwerdeführerin stelle sohin die Anträge, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge in der Sache selbst erkennen und den angefochtenen Bescheid aufheben, den erlegten Betrag von 4.000 Euro für frei erklären und der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land auftragen, den Betrag unverzüglich an die Beschwerdeführerin auszuzahlen, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Verwaltungssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zurückverweisen.
Gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG kann, wenn der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vorliegt und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, die Bezirksverwaltungsbehörde dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Mit Erlassung dieses Bescheides fällt der Zahlungsstopp weg. Die Sicherheitsleistung darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe (§ 7m Abs. 6 AVRAG).
V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hierzu erwogen:
V.1. Zum Bescheidadressat:
V.1.1. Zunächst steht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und aufgrund der Verhandlungsergebnisse vom 25. Mai 2016 fest, dass Vertragspartnerin des s. Unternehmens nicht die Beschwerdeführerin ist, sondern die S. A. GmbH (also auch nicht die im ursprünglichen Bescheid genannte S. A. GmbH & Co KG).
V.1.2. Schon aus diesem Grund war daher der Beschwerde Folge zu geben, zumal sich diese an einen falschen Bescheidadressaten richtet.
V.2. Zur Sicherheitsleistung:
V.2.1. Wie aus der Sachverhaltsdarstellung im Zusammenhang mit den Erhebungen der Finanzpolizei hervorgeht, bestand ein begründeter Verdacht von Verwaltungsübertretungen des s. Unternehmens nach den § 7b Abs. 8 Z 1 1. Fall AVRAG, § 7b Abs. 8 Z 3 AVRAG sowie § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG. Gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG kann in dem Fall, dass der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den Bestimmungen des AVRAG vorliegt und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers bzw. der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, eine Sicherheitsleistung aufgetragen werden.
V.2.2. Im vorliegenden Fall liegt ein begründeter Verdacht von Verwaltungsübertretungen gemäß § 7b Abs. 8 Z 1 1. Fall AVRAG, § 7b Abs. 8 Z 3 AVRAG sowie § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG vor. Jedoch ist die kumulative weitere Voraussetzung erforderlich, dass aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Auftragnehmers oder Überlassers liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde. Diese Voraussetzung ist hingegen nicht gegeben.
V.2.3. Im Grunde der Verlautbarung des Bundeskanzleramtes auf der Internetseite „BKA-Wiki – Internationale Rechtshilfe“, welche umfassende Informationen zur internationalen Rechtshilfe in Verwaltungs(straf)sachen zur Verfügung stellt, ist eine Strafverfolgung und Strafvollstreckung hinsichtlich S. uneingeschränkt möglich. S. ist dem Rahmenbeschluss 2005/20014/JI beigetreten und hat ihn umgesetzt. Es fehlt daher die zitierte kumulativ erforderliche Voraussetzung einer/eines unmöglichen bzw. wesentlich erschwerten Strafverfolgung bzw. Strafvollzuges.
Im Gegensatz zu der vorläufigen Sicherheit nach § 7l AVRAG und einem Zahlungsstopp nach § 7m AVRAG als vorläufige Sofortmaßnahmen ohne ein behördliches Verfahren und ohne Bescheidform setzt die Sicherheitsleistung durch die Behörde – wenn auch in eingeschränktem Ausmaß – ein Verfahren voraus (z.B. Erhebungen über Höhe und Fälligkeit des Werklohnes/Überlassungsentgeltes gemäß § 7m Abs. 6 AVRAG). In diesem Zusammenhang ist es der Behörde auch möglich und zumutbar, zu erheben, ob eine Strafverfolgung oder ein Strafvollzug möglich oder erschwert sein wird; dies insbesondere im Hinblick auf die oben angeführte, allgemein zugängliche Information zur internationalen Rechtshilfe.
Treten daher zum Merkmal des ausländischen Lohnsitzes/Sitzes des Auftragnehmers/Überlassers keine zusätzlichen (bestimmten) Tatsachen für eine wesentliche Erschwernis hervor, ist daher die Annahme einer/s unmöglichen oder wesentlich erschwerten Strafverfolgung/Strafvollzuges nicht gerechtfertigt (vgl. auch die analog heranzuziehende Judikatur des VwGH zu § 37 Abs. 1 Z 2 lit.a. VStG bzw. § 37a Abs. 1 Z 2 lit.a VStG).
V.2.4. Mangels dieser Voraussetzung durfte daher die Bezirksverwaltungsbehörde keinen bescheidmäßigen Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung erteilen. Auch aus diesem Grunde war daher der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.
V.3. Zur Höhe der Sicherheitsleistung:
V.3.1. Darüber hinaus hat sich schon aus dem Akteninhalt bzw. aus den Erhebungen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ergeben, dass der offene Werklohn lediglich 390 Euro betragen hat.
V.3.2. Falls überhaupt hätte daher die Sicherheitsleistung lediglich nur mit 390 Euro, nicht aber mit 4.000 Euro festgesetzt werden dürfen.
V.4. Zum Freiwerden der Sicherheitsleistung:
Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 7m Abs. 8 AVRAG hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Sicherheit für frei zu erklären (und nicht das Verwaltungsgericht). Aus den angeführten Gründen wird die Behörde gemäß § 7m Abs. 8 AVRAG die von der Beschwerdeführerin erlegte Sicherheit von 4.000 Euro für frei zu erklären haben.
V.5. Zusammenfassung:
Zusammengefasst war daher spruchgemäß zu entscheiden, der Beschwerde Folge geben und der angefochtene Bescheid samt angefochtenem Berichtigungsbescheid aufzuheben.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Lidauer