LVwG-300887/7/PY/TK
Linz, 06.07.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn H.M., vertreten durch L. Rechtsanwälte, x, S., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 4. November 2015, GZ: SanRB96-1025/11-2015, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2016
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde insofern Folge geben, als von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen und dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 4 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eine Ermahnung erteilt wird und im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses der Beschäftigungsbeginn zu Faktum 1 B.N. mit „22.4.2015, 7.00 Uhr“ statt „12.4.2015, 7.00“ Uhr festgesetzt wird.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 und Abs. 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verfahren.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land (in der Folge: belangte Behörde) vom 4.11.2015, GZ: SanRB96-1025/11-2015, wurden über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 idgF 4 Geldstrafen in Höhe von je 2.180 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen in Höhe von je 48 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 872,-- Euro vorgeschrieben.
Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:
In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen zusammengefasst aus, dass aufgrund des erhobenen Sachverhaltes feststeht, dass die angeführten Personen nicht ordnungsgemäß vor Arbeitsbeginn beim Sozialversicherungsträger angemeldet wurden. Einstellungen, Vorstellrunden, Übergabe von Diensthandys oder Arbeitsausrüstung gehören selbstverständlich zur Arbeitszeit und hätte bzgl. der genannten Personen die Möglichkeit bestanden, diese an den Tagen vor dem ersten Arbeitstag ordnungsgemäß bei der Sozialversicherung anzumelden.
Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass als erschwerend das rechtskräftige Straferkenntnis vom 23.10.2012 wegen Verstoßes gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht gewertet wurde und bei der Strafhöhe auch die Anzahl der nichtgemeldeten Personen insofern gewertet wird, als gemäß VwGH eine Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes Arbeitnehmers gesondert zu bewerten ist.
2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, die in der mündlichen Verhandlung auf die von der belangten Behörde verhängte Strafhöhe mit der Feststellung, dass der Zeitpunkt des Beschäftigungsbeginns von B.N. 22.4.2015 (und nicht wie irrtümlich angegeben 12.4.2015), 07:00 Uhr, lautet.
3. Mit Schreiben vom 9.12.2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor, das zur Entscheidung gemäß § 2 VwGVG durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.
4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
4.1. Aufgrund der nunmehrigen Einschränkung der Beschwerde auf die verhängte Strafhöhe ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und hat das Oö. Landesverwaltungsgericht nunmehr über die in Beschwerde gezogene Strafhöhe zu entscheiden. Der irrtümlich mit 12.4.2015 angegebene Beschäftigungsbeginn von B.N. war auf 22.4.2015 richtigzustellen, zumal auch die am Verfahren beteiligte Organpartei in ihrer Stellungnahme vom 3.11.2015 die Anführungen zum Arbeitsantritt dieses Dienstnehmers per 22.4.2015 als nachvollziehbar und somit glaubwürdig bewertete.
4.2. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Gemäß § 111 Abs. 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
- Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
- Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
- Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
- gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.
§ 111 Abs. 2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar
- mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,
- bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,
sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Nach § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung der Entscheidung so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs. 1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs. 2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens absehen und die Einstellung verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
Anstatt die Einstellung zu verfügen kann die Behörde dem Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilten, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
4.3. Zunächst ist festzuhalten, dass die vorliegenden, um einige Stunden verspätet durchgeführten Anmeldungen der Dienstnehmer des vom Bf vertretenen Unternehmens nicht erst anlässlich einer Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei durchgeführt wurden. Vielmehr beziehen sich die Beanstandungen auf den bereits Monate vor der Kontrolle vom Unternehmen durchgeführten Anmeldevorgang von Dienstnehmer/innen beim zuständigen Sozialversicherungsträger. Aufgrund der Angaben der Bediensteten in den mit ihnen aufgenommenen Personenblätter über ihren Arbeitsbeginn trat hervor, dass sich diese am ersten Tag ihrer Beschäftigung bereits um 7.00 Uhr im vom Bf vertretenen Unternehmen einfanden, jedoch erst zwischen 8.00 Uhr und 10.00 Uhr angemeldet wurden. Aufgrund der gegenständlichen Fallkonstruktion ist daher davon auszugehen, dass zwar objektiv ein Verstoß gegen eine Gebotsnorm vorliegt, zumal die vom Bf angeführten Einschulungszeiten nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes schon als Arbeitszeit zu werten sind (vgl. VwGH vom 4.9.2013, Zl. 2013/08/0156), jedoch nicht von einer typischen Deliktsverwirklichung, wie sie der Gesetzgeber anlässlich der Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz in der Fassung des Sozialrechtsänderungsgesetz 2007, BGBl. I Nr. 37/2007, zur Bekämpfung der Schwarzarbeit im Auge hatte, auszugehen ist (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 77 BlgNr. XXVII. GP, wonach wesentlicher Zweck der – vor Arbeitsantritt zu erfüllenden – Meldepflicht gemäß § 33 ASVG die Bekämpfung der Schwarzarbeit ist). Gegenständlich wurden die Anmeldungen der Dienstnehmer zwar erst kurze Zeit nach Arbeitsbeginn und somit verspätet, aber nicht erst aus Anlass einer Kontrolle durch Organe der Finanzbehörde am Tag des Dienstantrittes durchgeführt, was nicht dem typischen Unrechtsgehalt der Verwaltungsvorschrift entspricht und war damit auch die Pflichtversicherung beginnend mit dem ersten Arbeitstag für die Beschäftigten sichergestellt. Hinzu kommt, dass sich der Bf in der mündlichen Verhandlung geständig und reumütig zeigte und darlegte, dass aufgrund der festgestellten Verstöße das im Unternehmen hinsichtlich der Anmeldung der Dienstnehmer festgelegte System umgehend umgestellt wurde. Im Hinblick auf die angeführte Übertretung der Bestimmungen des ASVG aus dem Jahr 2012 ist festzuhalten, dass der Bf erst im Jahr 2013 die Geschäftsführung im Betrieb übernommen hat, die zuvor bei seinem Bruder lag. Aus dem anlässlich der mündlichen Verhandlung eingeholten Verwaltungsvorstrafenregister des Bf geht hervor, dass die bislang gegen ihn verhängte Strafe wegen Übertretung der Bestimmungen des ASVG aus dem Jahr 2015 – mit einer Ausnahme – zu den gegenständlichen Tatzeitpunkten noch nicht rechtskräftig war. Nach Ansicht des Oö. Landesverwaltungsgerichtes erscheint daher aufgrund der besonderen Fallkonstruktion das Absehen von einer Bestrafung und die Erteilung einer Ermahnung als angemessen und gerechtfertigt, wobei der Bf gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht wird, dass er den Bestimmungen des ASVG künftig größere Aufmerksamkeit zu schenken hat und bei weiteren Verstößen mit empfindlich höheren Strafen zu rechnen ist.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
II. Der Kostenausspruch ist in der angeführten gesetzlichen Bestimmung begründet.
III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Andrea Panny