LVwG-550781/10/Wg

Linz, 26.04.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde der Mag. B B, x, G, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 8. Jänner 2016, GZ: Wa10-2016/06-2015/Wa, betreffend Vorschreibung iSd § 21a Wasserrechtsgesetz (WRG) den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I.            Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid der Bezirks-hauptmannschaft Gmunden, vom 8. Jänner 2016, GZ: Wa10-2016/06-2015/Wa, wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an die Bezirkshauptmannschaft Gmunden zurückver-wiesen.

 

II.         Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.1.      Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden (im Folgenden: belangte Behörde) verpflichtete die Beschwerdeführerin (Bf) als Wasserberechtigte der Abwasser­beseitigungsanlage, Postzahl x, mit Bescheid vom 8. Jänner 2016, GZ: Wa10-2016/06-2015/Wa, „in Anpassung an den Stand der Technik“ gemäß § 21a des Wasserrechtsgesetzes (WRG) bis längstens 31. Dezember 2016 folgende Maß­nahmen zu setzen:

-      Errichtung einer flüssigkeitsdichten Senkgrube oder

-      Errichtung einer vollbiologischen Kleinkläranlage mit anschließender Ablei­tung in ein offenes Gerinne. Die vollbiologische Kleinkläranlage kann ent­weder in Form einer Belebtschlamm-Anlage oder eines bepflanzten Boden­körpers (errichtet werden)

-      Herstellung eines Anschlusses an die öffentliche Kanalisation

 

1.2.      Dagegen erhob die Bf Beschwerde. Das Landesverwaltungsgericht Ober­österreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde. Mitbeteiligte Partei (mP) und belangte Behörde wurden ange­hört. Es wurden keine Verhandlungsanträge gestellt.

 

2.           Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. September 1972, GZ: Wa-730-1972, wurde Ing. F und G Z die wasserrechtliche Bewilligung zur Versickerung (Ver­rieselung) der mechanisch gereinigten Abwässer des Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. x, KG G, (x) bis zur Möglichkeit eines Anschlusses an die öffentliche Ortskanalisation mit zentraler Abwasserreinigung bzw. bis 2062 erteilt. Die Abwasserreinigung erfolgt über eine sog. „Drei-Kammer-Faulanlage“. Das Wasserrecht ist unter der Postzahl x im Wasserbuch des Bezirkes G einge­tragen. Wasserberechtigte ist mittlerweile die Beschwerdeführerin (Bf) als Rechtsnachfolgerin der Ehegatten Z. Laut Wasserbuchbescheid 1974 (GZ: WA-1739/1-1974) wurde die Kleinkläranlage für sechs Personen, die ständig im Haus wohnen, bewilligt (150 l pro Person, gesamt 900 m3 pro Tag). Derzeit wohnt die Bf alleine im Wohnhaus auf Grst. Nr. x, KG G (Beschwerdevorbringen, Bewilli­gungsbescheid).

 

Die Entsorgung der häuslichen Abwässer des gegenständlichen Objektes in eine Drei-Kammer-Faulanlage mit anschließender Versickerung/Verrieselung ent­spricht grundsätzlich (z.B. auf Grund der fehlenden biologischen Stufe) nicht mehr dem heutigen Stand der Technik und ist gemäß der derzeitigen Gesetzes­lage nicht bewilligungsfähig. Die gegenständliche Anlage befindet sich in der Rahmenverfügung zum Schutze des Trinkwasservorkommens im A. Es handelt sich dabei um die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 25. Jänner 1984, betreffend die Erlassung einer wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung zum Schutze der Trinkwasservorkommen im A, BGBl Nr 78/1984. § 4 Abs 1 dieser Rahmenverfügung lautet: „Die Errichtung und der Betrieb von Abwasseranlagen haben so zu erfolgen, daß ein möglichst hoher Anteil der anfallenden Schmutzstoffe erfaßt wird und diese einer weitgehenden Reinigung zugeführt werden können. Die Abläufe aus landwirtschaftlichen Tier­haltungen und Siloabwässer sind zur Gänze einer landwirtschaftlichen Verwer­tung zuzuführen. Die Einleitung von Abwässern in das Widmungsgebiet ist zu vermeiden.“ Diese Umstände sind die tragenden Begründungselemente des bekämpften Bescheides. Es wurden bislang von Seiten der Behörde keine Gutachten eingeholt. (bekämpfter Bescheid, Rahmenverfügung vom 25. Jänner 1984, Stellungnahme des W P vom 18. März 2016, ON 4 des ver­waltungsgerichtlichen Aktes)

 

Fest steht: Die früher bei Kleinkläranlagen übliche Methode der Versickerung bzw. Ableitung der häuslichen Abwässer nach Vorklärung über eine Drei-Kam­mer-Faulanlage bringt (je ständigem Bewohner bzw. EW) nur eine geringe Reini­gungsleistung. Mit einer ordnungsgemäß gewarteten Drei-Kammer-Faulanlage kann durch die bloße mechanische Vorreinigung die Reinigungsleistung mit etwa 30 % angesetzt werden. Hingegen kann bei einer ordnungsgemäß betriebenen vollbiologischen Kleinkläranlage eine Reinigungsleistung von ca. 90 % erreicht werden (Stellungnahme des W P vom 12. April 2016, ON 6 des verwaltungs­gerichtlichen Aktes).

 

Durch den permanenten Eintrag von bloß mechanisch gereinigtem Abwasser über die ggst. Drei-Kammer-Faulanlage ist aus wasserwirtschaftlicher Sicht von einem unzureichenden Abbau aller grundwassergefährdenden Stoffe auszugehen. Gemäß dem Orthofoto im WISmap (Quelle Doris) des Landes Oberösterreich befindet sich im Nahbereich der Drei-Kammer-Faulanlage eine Wasserversor­gungsanlage mit Schutzgebiet sowie im Bereich der Liegenschaft „x“ eine Mess­stelle des Laborbusses des Landes Oberösterreich. Im Rahmen einer Messung des Laborbusses des Landes Oberösterreich wurden bei einem Brunnen, im Bereich der Liegenschaft x, massive Grenzwertüberschreitungen u.a. bei fäkal­coliformen Bakterien gemessen. Daraus ergibt sich, dass Auswirkungen auf zumindest eine konkrete Wasserversorgungsanlage – vorweg ohne nähere sach­verständige Beurteilung – zwar nicht feststehen, aber auch nicht ausgeschlossen werden können (Stellungnahme des W P vom 12. April 2016, ON 6 des verwal­tungsgerichtlichen Aktes).

 

Das konkrete Ausmaß der Grundwasserbelastung der ggst. Drei-Kammer-Faul­anlage (Inhaltsstoffe, Keime, Ausdehnung der Schadstofffahne etc.) steht nicht fest. Zur Klärung, in welchem Ausmaß im konkreten Einzelfall bzw. unter Beachtung der Summenwirkung mit anderen noch vorhandenen Drei-Kammer-Faulanlagen mit Versickerung ins Grundwasser eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen gegeben ist, sind aus Sicht der mP ergänzende Erhebungen, Messungen und Untersuchungen (Fachbereiche Hydrologie und Grundwasser­chemie) erforderlich. Auch aus Sicht der mP steht der maßgebliche Sachverhalt nicht fest und zwar weder das konkrete Ausmaß der Grundwasserbelastung der ggst. Drei-Kammer-Faulanlage, noch deren allfällige Bedeutung im Zusammen­hang mit einer Summenwirkung. Ohne nähere Untersuchungsergebnisse kann die durch den permanenten Eintrag mechanisch vorgereinigter Abwässer von lediglich einem ständigen Bewohner hervorgerufene kleinräumige Grundwasser­belastung zwar nicht quantifiziert werden, ist sie nach Einschätzung der mP aber eher kleinräumig bzw. örtlich begrenzt. (Stellungnahmen des W P vom 12. April 2016 und vom 25. April 2016, ON 6 und 9 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

Seitens der Gemeinde G wurde der mP mitgeteilt, dass im Bereich F (Süd) die Planung einer Ortskanalisation noch im Jahr 2016 erfolgen wird und eine ent­sprechende Projektsrealisierung in den nächsten Jahren vorgesehen ist. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass ein Senkgrubenbetrieb bis zur Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Kanalisation möglich wäre (Stellungnahme des W P vom 18. März 2016, ON 4 des verwaltungsgerichtlichen Aktes)

 

3.     Beweiswürdigung:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in der bezeichneten Angele­genheit Stellungnahmen des W P (ON 4, 6 und 9 des verwaltungsgerichtlichen Aktes) eingeholt. Diese Stellungnahmen sind für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich schlüssig und werden daher den Feststellungen zu Grunde gelegt.

 

Für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich steht fest, dass die ggst. Drei-Kammer-Faulanlage – würde sie heute zur Bewilligung eingereicht – nicht mehr bewilligt würde. Fraglich war vor allem, ob und welche Belastungen von der ggst. Anlage derzeit tatsächlich auf das Grundwasser einwirken und ob Auswirkungen auf Wasserversorgungsanlagen bestehen. Für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich steht auf Grund der schlüssigen Ausführungen des W P fest, dass im häuslichen Abwasser Stickstoff-, Phosphor- und Kohlenstoffverbindungen sowie fäkalspezifische Bakterien, wie auch zusätzliche parasitäre bzw. pathogene Keime und Viren anfallen. Es können auch eine Vielzahl von schwer abbaubaren chemischen Stoffen, Medikamentenrückstände etc. anfallen. Es handelt sich dabei um allgemeine Erfahrungswerte. Das konkrete Ausmaß der Grundwasser­belastung der ggst. Drei-Kammer-Faulanlage steht aber nicht fest. Auch zur Summenwirkung mit anderen Drei-Kammer-Faulanlagen konnten keine kon­kreten Feststellungen getroffen werden (vgl Stellungnahmen der mP vom 12. April 2016 ON 6 und vom 25. April 2016 ON 9)

 

 

4.     Rechtliche Beurteilung:

 

4.1.      Eine mündliche Verhandlung war nicht erforderlich, weil bereits nach der Aktenlage feststeht, dass der Bescheid zu beheben ist (§ 24 VwGVG).

4.2.      Zu den Voraussetzungen einer Maßnahme nach § 21a WRG:

 

§ 21a WRG lautet unter der Überschrift „Abänderung von Bewilligungen“:

 

„(1) Ergibt sich nach Erteilung der Bewilligung insbesondere unter Beachtung der Ergebnisse der Bestandsaufnahme (§ 55d), dass öffentliche Interessen (§ 105) trotz Ein­haltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auf­lagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sind, hat die Behörde vorbehaltlich § 52 Abs. 2 zweiter Satz die nach dem nunmehrigen Stand der Technik (§ 12a) zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzliche Auflagen vorzuschrei­ben, Anpassungsziele festzulegen und die Vorlage entsprechender Projektsunterlagen über die Anpassung aufzutragen. Art und Ausmaß der Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer einzuschränken oder die Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer zu untersagen.

 

(2) Für die Erfüllung von Anordnungen nach Abs. 1 sowie für die Planung der erforder­lichen Anpassungsmaßnahmen und die Vorlage von diesbezüglichen Projektsunterlagen sind von der Behörde jeweils angemessene Fristen einzuräumen; hinsichtlich des notwendigen Inhalts der Projektsunterlagen gilt § 103. Diese Fristen sind zu verlängern, wenn der Verpflichtete nachweist, daß ihm die Einhaltung der Frist ohne sein Verschulden unmöglich ist. Ein rechtzeitig eingebrachter Verlängerungsantrag hemmt den Ablauf der Frist. Bei fruchtlosem Ablauf der Frist findet § 27 Abs. 4 sinngemäß Anwendung.

 

(3) Die Behörde darf Maßnahmen nach Abs. 1 nicht vorschreiben, wenn diese Maß­nahmen unverhältnismäßig sind. Dabei gelten folgende Grundsätze:

a) der mit der Erfüllung dieser Maßnahmen verbundene Aufwand darf nicht außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen, wobei insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Wasserbenutzung ausgehenden Auswirkungen und Beeinträch­tigungen sowie die Nutzungsdauer, die Wirtschaftlichkeit und die technische Besonderheit der Wasserbenutzung zu berücksichtigen sind;

b) bei Eingriffen in bestehende Rechte ist nur das jeweils gelindeste noch zum Ziele führende Mittel zu wählen;

c) verschiedene Eingriffe können nacheinander vorgeschrieben werden.

d) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 82/2003)

 

(4) Liegt ein genehmigter Sanierungsplan (§ 92) oder ein Sanierungsprogramm (§ 33d) vor, so dürfen Maßnahmen nach Abs. 1 darüber nicht hinausgehen.

 

(5) Die Abs. 1 bis 4 finden auf sonstige Anlagen und Bewilligungen nach den Bestim­mungen dieses Bundesgesetzes sinngemäß Anwendung.“

 

Die Bf bringt vor, es sei für sie nicht nachvollziehbar, warum die bis 2062 genehmigte Kläranlage schlagartig nicht mehr den gesetzlichen Bestimmungen entspreche.

 

Einzuräumen ist, dass § 21a Abs 1 WRG keine Handhabe für einen absoluten Schutz öffentlicher Interessen bietet. Durch die Verwendung des Wortes "hinreichend" hat der Gesetzgeber klargestellt, dass nicht jede Beeinträchtigung öffentlicher Interessen - unabhängig von ihren Auswirkungen - zur Anwendung des § 21a WRG berechtigt. Maßstab für das Tatbestandsmerkmal "hinreichend" sind die Auswirkungen, die im konkreten Einzelfall mit der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen verbunden sind (VwGH 11. Juli 1996, GZ 93/07/0180).

 

Die „hinreichende Beeinträchtigung des Grundwassers“ iSd § 21a Abs 1 WRG muss feststehen (§ 45 Abs 2 AVG).

 

Die Behörde führte in ihrer Stellungnahme vom 21. April 2016 aus: „Wie den Ausführungen des W P zu entnehmen ist, ist durch den permanenten Eintrag von bloß mechanisch gereinigtem Abwasser über die gegenständliche 3-Kammer Faulanlage aus wasserwirtschaftlicher Sicht von einem völlig unzureichendem Abbau aller grundwasser­gefährdenden Stoffe auszugehen. Weiters wird in der Stellungnahme ausgeführt, dass das konkrete Ausmaß der Grundwasserbelastung nur im Rahmen von sehr aufwändigen Messungen vor Ort geklärt werden könnte. Das Vorhaben liegt im Bereich der Rahmen­verfügung zum Schutz des Trinkwasservorkommens im A. Diese untersagt jedwede Beeinträchtigung und Gefährdung der Nutzbarkeit der Gewässer. § 4 Z. 1 der Verordnung fordert für die Errichtung und den Betrieb einer Abwasseranlage die Erfassung eines möglichst hohen Anteiles der anfallenden Schmutzstoffe. Dies ist bei einer Reinigungs­leistung der Anlage von max. 30% jedenfalls nicht gegeben. Die Anlage entspricht darüber hinaus zweifelsfrei bei weitem nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik. Der Behörde ist bewusst, dass die Beurteilung der konkreten Beeinträchtigung die Einbe­ziehung der Immissionsseite bedarf. Eine solche Einbeziehung erfordert jedoch nicht un­bedingt jene aufwändigen Ermittlungen, die das Planungsorgan angesprochen hat. Das Planungsorgan spricht in diesem Zusammenhang auch nur vom Ausmaß der Belastung bzw. einer solchen über der Geringfügigkeitsgrenze. Eine solche Grenze ist jedoch im vorliegenden Fall aufgrund der Situierung der Anlage im Bereich der Rahmenverfügung zum Schutz des Trinkwasservorkommens im A unseres Erachtens irrelevant. Dass das Grundwasser grundsätzlich durch die Anlage beeinträchtigt wird, ist nach dem natür­lichen Lauf der Dinge als gegeben anzunehmen. Die Durchführung von aufwändigen Untersuchungen, welche am Ergebnis nichts zu ändern vermögen, ist im vorliegenden Fall jedenfalls entbehrlich.“

 

Die mP führte in ihrer Stellungnahme vom 25. April 2016 aus: Auch aus Sicht des W P steht der maßgebliche Sachverhalt nicht fest und zwar weder das konkrete Ausmaß der Grundwasserbelastung der ggst. 3-Kammer-Faulanlage, noch deren allfällige Bedeu­tung im Zusammenhang mit einer Summenwirkung. Wie bereits in der Stellungnahme WPLO-2016-7098/5-Hf mitgeteilt, wäre das konkrete Ausmaß der Grundwasserbelastung der ggst. 3 Kammer-Faulanlage nur schwer bzw. nur mit einem unverhältnismäßig hohem Aufwand erhebbar und wäre die Aussagekraft begrenzt. Ohne nähere Unter­suchungsergebnisse kann die durch den permanenten Eintrag mechanisch vorgereinigter Abwässer von lediglich einem ständigen Bewohner hervorgerufene kleinräumige Grund­wasserbelastung zwar nicht quantifiziert werden, ist sie nach unserer Einschätzung aber eher kleinräumig bzw. örtlich begrenzt. Wie bereits in der oben genannten Stellung­nahme mitgeteilt, ist bei der größeren Anzahl an hier noch bestehenden 3-Kammer-Faul­anlagen mit Versickerung ins Grundwasser allerdings von einer großflächigen Belastung des Grundwasservorkommens im A auszugehen, die diametral im Widerspruch zu den Zielsetzungen der wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung steht. Eine in diesem Zusammenhang durchgeführte Recherche im Wasserinformationssystem des Landes hat ergeben, dass bei den umliegenden Messstellen des Laborbusses Trinkwassergrenz­wertüberschreitungen festgestellt wurden. Diese können (in Summe) durch die (noch) bestehenden 3-Kammer-Faulanlagen mit Versickerung verursacht worden sein. Dies wäre im öffentlichen Interesse jedenfalls abzuklären. Somit ist es im gegenständlichen Fall aus Sicht des W P erforderlich und begründet, dass noch ergänzend ermittelt wird, ob im Zusammenhang mit einer Summenwirkung eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen zu befürchten ist und somit ein Verfahren gemäß § 21a WRG 1959 erforderlich ist. Eine Behebung des gegenständlichen Bescheides sollte aus unserer Sicht nicht dazu führen, dass notwendige ergänzende Ermittlungen zur Anwendbarkeit des oben angeführten § 21a nicht mehr durchgeführt werden (können), zumal das LVwG ja selbst davon aus­geht, dass der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht und die Summenwirkung beachtlich sein kann.“

 

4.3.       „Non liquet“, Anwendung des § 28 Abs 3 VwGVG:

 

Nach der Rsp des VwGH ist für die Annahme einer Tatsache als erwiesen (vgl. § 45 Abs 2 AVG) keine „absolute Sicherheit“ erforderlich, sondern es genügt, wenn eine Möglichkeit gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit (Thienel 3 168f: an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit) oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Die erforderliche Überzeugung der Behörde kann sowohl durch unmittelbare als auch durch mittelbare Beweise herbeigeführt werden (§ 46 Rz 3f). Lässt sich eine Tatsache nicht feststellen („non liquet“ [Fasching Rz 878]; „Beweisnotstand“ [VwGH 20. 4. 1995, 93/09/0408]), dann hat die Behörde grundsätzlich von deren Nichtvorliegen auszugehen (VwGH 16. 6. 1992, 92/08/0062; 29. 6. 2000, 2000/07/0024; siehe auch § 39 Rz 14). Das bedeutet aber nicht, dass vom bloßen Misslingen eines Nachweises auf das Erwiesensein des Gegenteils geschlossen werden kann (vgl. VwGH 20. 9. 1995, 93/13/0006; ferner VwGH 26. 2. 1986, 84/03/0388). Allerdings gilt nach Ansicht des VwGH für den im AVG nicht geregelten Fall, dass eine Beweisführung nicht möglich ist, als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation (z.B. der bewilligungslosen Errichtung eines Brunnens) keine Vorteile gezogen werden dürfen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 45 Rz 2 (Stand 1.1.2014, rdb.at))

 

Bei Beurteilung von anlagenspezifischen Emissionen ist zudem folgende Beweis­regel zu beachten: Nach der Judikatur ist es in dem Fall, dass eine Messung am entscheidenden Immissionspunkt möglich ist, - von Ausnahmefällen abgesehen – unzulässig, die dort zu erwartenden Immissionen aus den Ergebnissen einer Messung an einem anderen Ort zu prognostizieren. Auf dem Boden dieser Recht­sprechung ist der Durchführung von Messungen - soweit diese möglich sind – grundsätzlich der Vorrang vor Berechnungen einzuräumen. "Grundsätzlich" be­deutet, dass diese Verpflichtung nicht allgemein besteht, sobald eine Messung (technisch) möglich ist, allerdings kann nur in Ausnahmefällen davon abgesehen werden. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist auf sachverständiger Grundlage fallbezogen in schlüssiger Weise darzulegen (vgl. VwGH vom 26. November 2015, GZ 2012/07/0027)

 

Es mag sein, dass die ggst. Anlage nicht mehr dem Stand der Technik entspricht und – wie mP und belangte Behörde ausführen – in Hinblick auf die erwähnte Rahmenverfügung nicht mehr bewilligungsfähig wäre. Durch den permanenten Eintrag von bloß mechanisch gereinigtem Abwasser über die ggst. Drei-Kammer-Faulanlage ist aus wasserwirtschaftlicher Sicht von einem unzureichenden Abbau aller grundwassergefährdenden Stoffe auszugehen. Das konkrete Ausmaß der Grundwasserbelastung der ggst. Drei-Kammer-Faulanlage (Inhaltsstoffe, Keime, Ausdehnung der Schadstofffahne etc) steht aber nicht fest.

 

Im ggst. Fall liegt eine Messung des Messbusses betr. einer „im Nahbereich der Liegenschaft x“ befindlichen Wasserversorgungsanlage vor, wobei aber nicht feststeht, dass die ggst. Anlage für die Verkeimung ursächlich war. Es kann allenfalls vermutet werden, dass hier ein Zusammenhang besteht. So bringt auch die Bf vor, es werde von Landwirten Mist und Gülle auf die Wiesen, die ihre Grundstücke umgeben ausgeführt.

 

Zusammengefasst steht weder das konkrete Ausmaß der Grundwasserbelastung der ggst. Drei-Kammer-Faulanlage noch deren allfällige Bedeutung im Zusam­menhang mit einer Summenwirkung allfälliger weiterer Abwasserreinigungs­anlagen fest. Damit ist nicht klar („non liquet“) und steht nicht fest, ob tatsäch­lich eine „hinreichende“ Beeinträchtigung iSd § 21a WRG vorliegt. Ob ein Aus­nahmefall vorliegt, in dem von einer Messung Abstand genommen werden kann, wurde bislang nicht auf sachverständiger Grundlage fallbezogen dargelegt. Es wurden keine Gutachten eingeholt. Erst nach Vorliegen aller ergänzenden Beur­teilungen und Unterlagen kann seitens des W P – auch zur Summenwirkung – eine abschließende Beurteilung angegeben werden.

 

Derzeit steht nicht fest, dass die Voraussetzungen für eine Maßnahme nach § 21a Abs 1 WRG vorliegen würden. Der maßgebliche Sachverhalt (§ 28 Abs 2 Z 1 VwGVG) steht nicht fest und hat sich eine Ermittlungslücke ergeben, die die Behebung und Zurückverweisung des Bescheides gemäß § 28 Abs 3 VwGVG nach sich zieht (VwGH 21.08.2014, Ro 2014/11/0060). Es steht der mP frei, bei der Behörde die Fortsetzung des Verfahrens anzuregen und zu präzisieren, welche ergänzenden Beurteilungen und Unterlagen noch einzuholen sind. Dabei wäre – wie auch die Bf einwendet – zu prüfen, wann für die Bf die Anschlussmöglichkeit an den geplanten Abwasserkanal der Gemeinde besteht und ob der mit einem Senkgrubenbetrieb bis zu diesem Zeitpunkt verbundene Aufwand nicht außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg iSd § 21a Abs 3 lit a WRG steht.

 

Abgesehen davon müssen sich die Anordnungen iSd § 21a WRG auf die bewilligte Wassernutzung (im ggst. Fall: die Einwirkung auf das Grundwasser) beziehen. Sofern nur eine davon abweichende Entsorgungsmöglichkeit – wie beispielsweise ein Senkgrubenbetrieb oder eine Ableitung in ein Gerinne – in Betracht kommt, impliziert dies die dauerhafte Untersagung der Versickerung iSd § 21a Abs 1 letzter Satz WRG.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren folgende Rechtsfragen zu lösen waren, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grund­sätzliche Bedeutung zukommt:

-              Ist die Behörde – ohne Vornahme einer Messung der konkreten Grund­wasserbelastung und Einholung eines Gutachtens – berechtigt, von einer hin­reichenden Beeinträchtigung des Grundwassers iSd § 21a WRG durch eine bewil­ligte Drei-Kammer-Faulanlage auszugehen, wenn der Konsens nur teilweise aus­genutzt wird und die Anlage nach dem heutigen Stand der Technik und in Hin­blick auf eine Rahmenverfügung nicht mehr bewilligt werden könnte?

-              Ist die Summenwirkung mit anderen Abwasserreinigungsanlagen zu berücksichtigen? Setzt in diesem Zusammenhang das Verfahren iSd § 21a WRG voraus, dass in einer (wasserwirtschaftlichen) Planungsmaßnahme ein entsprech­ender Arbeitsschwerpunkt festgelegt wird (vgl. die zur Verhältnismäßigkeitsprü­fung iSd § 21a WRG wohl übertragbaren Ausführungen in Kopp/Schenke, Verwal­tungsgerichtsordnung 18. Auflage 2012 § 114 RN 19, vgl. VfGH vom 24. September 2008, G G271/07; V97/07 u.a., und vom 22.06.2006, B229/05 u.a., EGMR vom 21. April 2016 im Fall I ua, Application no. 46577/15)?

-              Ist, wenn die verhältnismäßige Alternative iSd § 21a Abs 1 WRG in einer alternativen – bewilligungspflichtigen - Entsorgung wie z.B. Einleitung in ein Gerinne besteht, ein Sanierungsprojekt anzuordnen oder die bewilligte Einwir­kung auf das Grundwasser (dauerhaft) zu untersagen?

-              Kommt auch in verwaltungspolizeilichen Verfahren, die bei Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen an sich ohne Bescheid formlos eingestellt werden, die Behebung und Zurückverweisung zur Erlassung eines „neuen Bescheides“ gemäß § 28 Abs 3 VwGVG in Betracht, sofern einer Amtspartei wie dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan gemäß § 55 Abs 5 WRG gegen die Einstellung ein Beschwerderecht zustehen würde?

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwer­de bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Wolfgang Weigl