LVwG-350236/2/GS

Linz, 27.06.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Gabriele Saxinger über die Beschwerde der Frau R.H.G., x, L., gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 29. April 2016, GZ: 0097895/2007 SJF ChG, betreffend Persönliche Assistenz nach dem Oö. Chancengleichheitsgesetz (Oö. ChG) – Ablehnung des Antrages auf Stundenerhöhung,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I. Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde teilweise Folge gegeben und ausgesprochen, dass aufgrund des Antrages vom 1. April 2015 auf Stundenerhöhung im Rahmen der Persönlichen Assistenz das Ausmaß von 45 Stunden/Monat nach Maßgabe der angebotenen und tatsächlich verfügbaren Ressourcen zuerkannt wird. Das Mehr­begehren (Differenz auf 60 Stunden/Monat) wird zurückgewiesen.

 

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 29. April 2016, GZ: 0097895/2007 SJF ChG, wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) vom 1. April 2015 auf Stundenerhöhung im Rahmen der Persönlichen Assistenz nach § 13 Oö. ChG von 30 Monatsstunden auf 45 Monatsstunden keine Folge geleistet. Begründend wird dazu ausgeführt, dass im Zuge der Antragstellung beim Sachverständigendienst des Landes Oö. ein Gutachten eingeholt worden sei. Die zuständige Gutachterin, Frau Mag. J.T., käme in ihrem Gutachten zur Ansicht, dass bei der Bf eine Aufstockung der Assistenzstunden notwendig wäre. Um den entsprechenden Bedarf abdecken zu können, wäre ein Ausmaß von 60 Monatsstunden notwendig. Auf Grund der bestehenden Ressourcenlage für die Leistung „Persönliche Assistenz“ sei eine Aufstockung der Stunden zurzeit nicht möglich. Seitens des Landes Oö. werde der Aufstockungswunsch jedoch in Evidenz gehalten. Ergänzend dürfe festgehalten werden, dass auf die Hauptleistung nach Abs. 1 nach Maßgabe der von Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 26 Abs. 3 bestehe, angebotenen und tatsächlich verfügbaren Ressourcen ein Rechtsanspruch bestehe. Auf eine bestimmte Maßnahme im Rahmen einer Leistung nach Abs. 1 bestehe jedoch kein Rechtsanspruch, insbesonders dann, wenn die erforderlichen Ressourcen nicht vorhanden wären.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat die Bf rechtzeitig mit E-Mail vom 10. Mai 2016 Beschwerde (fälschlicherweise als „Widerspruch“ bezeichnet) erhoben und Folgendes vorgebracht:

 

„antrag vom 1.4.2015 von 30 stunden auf 60 stunden ihr zeichen:0097895/2007SJF ChG bearbeitet von:k. p. behörde magistrat linz,soziales,jugend und familie gründe:KEINE RESSOURCEN!

Als ich am 1.4.2015 meine stundenerhöhung einforderte,war es mir bewusst etwas zu warten,nun ist meine krankheit viel schlechter geworden,alleine brausen und anziehen ist nicht mehr drinnen.von meinem becken will ich gar nicht anfangen,ich kann nicht mehr in einem normalen bett liegen,durch meine verletzungen!Meine knie können sich nicht mehr durchbiegen wie normal.ich bin seit kind epi krank und das verschlechtert die linke seite,sie ist fast kraftlos,rechte seite hab ich in der hand einen splitterbruch und noch immer nicht die kraft!

meine frage ist was warum untersucht mich niemand um zum richtigen ergebniss oder einer höheren pflegestufe zu kommen!erschwerend kommt dazu das meine knochen sehr negativ sind.osteoporose sehr hoch!Ohne barrierefreien wc geht gar nix!

Ich hoffe noch immer und war aber über die absage des bescheides schon sehr erschrocken!“

 

 

3. Mit Schreiben vom 11. Mai 2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt dem Oö. Landesverwaltungs­gericht vor, das zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist. Angemerkt wurde im Vorlageschreiben, dass die Gutachterin in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine Stundenaufstockung notwendig sei. Jedoch auf Grund der angespannten Ressourcenlage der Aufstockung derzeit nicht Rechnung getragen werden kann (§ 8 Abs.2 Oö. ChG). Der Mehrbedarf an Assistenzstunden wurden vorgemerkt und bei frei werden von Ressourcen wird das  Ansuchen von Frau G. entsprechend berücksichtigt.

 

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gem. § 24 Abs.4 VwGVG entfallen, da der entscheidungswesentliche Sachverhalt durch das im Akt einliegende Gutachten ausreichend erhoben ist und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtsache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

 

 

II. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Frau G., geb. x, hat am 1. April 2015 einen Antrag auf Änderung des Leistungsumfangs für Leistungen nach dem Oö. Chancengleichheitsgesetz betreffend Persönliche Assistenz von 30 auf 45 Monatsstunden eingebracht.

 

Die Bf lebt alleine in einer Wohnung in L. Aufgrund der bestehenden Epilepsie ist sie auf die Verwendung eines Handrollstuhles angewiesen. Im Jahre 2011 hat sich Frau G. eine Unterarmfraktur zugezogen. Seither ist das Schieben des Rollstuhls nur mehr erschwert möglich. Lange Strecken (ab 200 Meter) sind nicht mehr zu bewerkstelligen. Auch im Bereich der Grundversorgung ist Unterstützung notwendig. Durch die Dienstleistung „Persönliche Assistenz“ wird die Bf bis dato im Ausmaß von 30 Monatsstunden unterstützt. Da Frau G. keine anderen Betreuungsressourcen zur Verfügung hat, ist es zunehmend schwierig, den benötigten Unterstützungsbedarf mit den bereits genehmigten 30 Monatsstunden abzudecken. Die Bf bezieht Pflegegeld der Stufe 3.

 

Im Zuge des verfahrensgegenständlichen Antrages wurde beim Sachver­ständigendienst des Landes Oberösterreich eine gutachterliche Stellungnahme gemäß § 22 Abs. 3 Oö. ChG aus heil- und sonderpädagogischer Sicht  zur Abklärung der notwendigen Stundenaufstockung der Leistung „Persönliche Assistenz“ eingeholt. In dieser gutachterlichen Stellungnahme vom 22.12.2015, SO-2015-113403/3-TJ, kam die Amtssachverständige Mag. J.T. zur Schlussfolgerung, dass eine Aufstockung der derzeit 30 Monatsstunden auf insgesamt 60 Monatsstunden befürwortet wird, da Frau G. alleine lebt und keinerlei andere Betreuungsressourcen zur Verfügung hat.

 

 

III. Beweiswürdigung

 

Dieser unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akteninhalt, insbesonders aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der Amtssachverständigen.

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Chancengleichheitsgesetz – Oö. ChG, LGBl. Nr. 41/2008 idF LGBl. Nr. 10/2015 ist Ziel dieses Landesgesetzes, Menschen mit Beeinträchtigung insbesondere durch die Vermeidung des Entstehens von Beeinträchtigungen und von Behinderungen und durch die Verringerung von Beeinträchtigungen nachhaltig zu fördern sowie ihnen ein normales Leben und eine umfassende Eingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen, um die Chancengleichheit von Menschen mit Beeinträchtigungen zu erreichen.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 Oö. ChG kommen zur Erreichung des Ziels nach § 1 Abs. 1 Hauptleistungen in Betracht.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 5 kommt als Hauptleistung Persönliche Assistenz (§ 13) in Betracht.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 Oö. ChG besteht auf die Hauptleistungen nach Abs. 1 nach Maßgabe der von Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 26 Abs. 3 besteht, angebotene und tatsächliche verfügbaren Ressourcen ein Rechtsan­spruch. Dies gilt auch für Hauptleistungen, die in Form von Geldleistungen zuerkannt werden. Auf eine bestimmte Maßnahme im Rahmen einer Leistung nach Abs. 1 besteht jedoch kein Rechtsanspruch.

 

Gemäß § 13 Abs. 1 Oö. ChG ist Persönliche Assistenz zu leisten um Menschen mit Beeinträchtigungen je nach Eigenart der Beeinträchtigung und dem Grad der Selbstbestimmungsfähigkeit die erforderliche persönliche Hilfe für ein selbstbe­stimmtes Leben in allen Bereichen des täglichen Lebens zu ermöglichen. Zu diesen Bereichen gehören insbesondere die Sicherstellung der Grundversorgung, hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Mobilität, Freizeitgestaltung und Unterstützung bei der Kommunikation, insbesondere bei Sprach- oder Sinnesbeein­trächtigungen, nicht jedoch medizinische, therapeutische oder solche der Arbeitsbegleitung oder der Arbeitsassistenz.

 

§ 11 der Verordnung der Oö. Landesregierung, mit der der Umfang der Ansprüche der Hauptleistungen gemäß §§ 10 bis 14 Oö. ChG festgelegt wird (Oö. ChG – Hauptleistungsverordnung), LGBl. Nr. 79/2008 idF LGBl. Nr. 73/2015 lautet:

§ 11

Persönliche Assistenz (Trägermodel)

(1) Leistungsempfangende Personen für die Hauptleistung Persönliche Assistenz sind nach Maßgabe der Bestimmungen des Oö. ChG Menschen mit Beeinträchti­gungen gemäß § 2 Oö. ChG, die

1. in der Lage sind, selbstbestimmt über die Art der Hilfeleistung zu entscheiden und

2. in einem eigenen Haushalt alleine, zu zweit oder in Gemeinschaft leben.

 

(2) Die Persönliches Assistenz endet jedenfalls mit dem Eintritt in eine Wohnform nach § 12 Oö. ChG. Die Leistung kann ab dem 16. Lebensjahr beantragt werden.

 

(3) Der individuelle Hilfebedarf des Menschen mit Beeinträchtigungen wird aufgrund des im Rahmen der Assistenzkonferenz jeweils anzuwendenden Erhebungsbogens „Ermittlung des Hilfebedarfs“ und nach Maßgabe des vereinbarten Ausmaßes der Inanspruchnahme der Maßnahme ermittelt.

 

(4) Vor Beginn der Maßnahmen wird abgeklärt, ob der Mensch mit Beeinträchtigungen über den im Sinn des Abs. 1 notwendigen Grad der Selbstbestimmungsfähigkeit verfügt und welche Formen der Persönlichen Assistenz (Trägermodell oder Auftraggebermodell gemäß § 11a) die geeignete ist. Das Ergebnis der Aufklärung dient der zuständigen Behörde als wesentliche Grundlage für die Entscheidung über die Leistungsgewährung.

 

(5) Das maximal mögliche Stundenausmaß beträgt 250 Stunden/Monat.

 

(6) Die Persönliche Assistenz kann täglich, rund um die Uhr, in Anspruch genommen werden, wobei das maximale Ausmaß der Inanspruchnahme pro Person den festgelegten Gesamtaufwand pro Monat (im Jahresdurchschnitt) nicht überschreiten darf. Leistungen im Freizeitbereich können höchstens in einem Ausmaß von monatlich 20 Stunden in Anspruch genommen werden.

 

(7) Bei gleichzeitiger Inanspruchnahme der Hauptleistung Persönliche Assistenz mit der Hauptleistung mobile Betreuung und Hilfe ist dies in vollem Umfang beim maximal möglichen Stundenausmaß zu berücksichtigen.

 

(8) Die Hauptleistung Persönliche Assistenz kann nicht gewährt werden, wenn gleichzeitig die Hauptleistung Wohnen nach § 12 Oö. ChG in Anspruch genommen wird, sofern es sich nicht um die Unterstützung eines geplanten Auszugs aus einer solchen Wohneinrichtung handelt.

 

(9) Menschen mit Beeinträchtigungen, die Persönliche Assistenz in Anspruch nehmen wollen, sind verpflichtet, vor Beginn der Leistung einen Einführungskurs zu besuchen.

 

 

In der Beschwerde beantragt die Bf, das Stundenausmaß der Hauptleistung “Persönliche Assistenz“ von 30 Stunden/Monat auf 60 Stunden/Monat zu erhöhen. Dazu wird festgestellt, dass die Bf mit Antrag vom 1. April 2015 die Änderung im Leistungsumfang von 30 Stunden auf 45 Stunden beantragt hat.

 

Gem. § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Somit ist die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes auf „die Sache“ beschränkt. Diesem Verfahren liegt der Antrag der Bf vom 1. April 2015 auf Änderung des Leistungsumfanges (von 30 auf 45 Stunden) zu Grunde. „Sache“, über die das Oö. LVwG zu entscheiden hat, ist demnach dieser Antrag der Bf. Aus diesem Grund war das über die beantragten 45 Stunden hinausreichende Beschwerdebegehren zurückzuweisen. Der beantragten Erhöhung des Stundenausmaßes auf 45 Stunden/Monat war Folge zu geben, da im schlüssigen Sachverständigengutachten jedenfalls ein erhöhter Hilfebedarf festgestellt wurde.

 

Der Beschwerde konnte daher teilweise Folge gegeben werden, wobei der Rechtsanspruch auf diese Leistung unter Bezugnahme auf § 8 Abs. 2 Oö. ChG in Höhe der angebotenen und tatsächlich verfügbaren Ressourcen festzulegen war.

Zur Anmerkung im Vorlageschreiben der belangten Behörde, dass der Mehrbedarf an Assistenzstunden vorgemerkt wurde und bei Freiwerden von Ressourcen das Ansuchen von Frau G. entsprechend berücksichtigt wird, wird festgehalten, dass diese automatische Berücksichtigung bei der von der belangten Behörde getroffenen Entscheidung (Abweisung der Beschwerde) rechtlich nicht möglich wäre. In diesem Fall bedürfte es dazu eines Neuantrages.

 

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Gabriele Saxinger