LVwG-410685/6/Gf/Mu
Linz, 29.06.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Grof über die Beschwerde des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 14. April 2015, Zl. Pol96-352-2012 (Mitbeteiligte Partei: S E, vertreten durch RA Mag. G G), wegen Einstellung eines auf Grund des Verdachtes einer Übertretung des Glücksspielgesetzes eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens
z u R e c h t e r k a n n t :
I. Die Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Vorgängiges Behörden- und Verwaltungsgerichtsverfahren
1. Mit Anzeige des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding vom 3. Mai 2012, Zl. 041-00403-18-2012, wurde der belangten Behörde bekannt gegeben, dass es die Mitbeteiligte Partei – wie im Zuge einer am 26. April 2012 in einem Betrieb in x von Sicherheitsorganen durchgeführten Kontrolle festgestellt worden sei – als Außenvertretungsbefugte einer GmbH geduldet habe, dass in deren Lokal fünf Glücksspielautomaten ohne erforderliche Konzession aufgestellt gewesen seien; dadurch habe sie die Durchführung verbotener Ausspielungen ermöglicht und diese potentiellen Interessenten mit dem Vorsatz, für sich selbst daraus fortgesetzt Einnahmen zu erzielen, unternehmerisch zugänglich gemacht und sohin eine Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 drittes Tatbild des Glücksspielgesetzes, BGBl 620/1989 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 76/2011 (im Folgenden: GSpG) begangen.
2. Hierauf wurde gegen die Mitbeteiligte Partei zwar ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, dieses jedoch letztlich mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 14. April 2015, Zl. Pol96-352-2012, gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.
Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Rechtslage eine behördliche Bestrafung zu unterbleiben gehabt habe, wenn und soweit die einem Beschuldigten angelastete Tat einen gerichtlich strafbaren Tatbestand erfüllte. Letzteres habe hier v.a. deshalb zugetroffen, weil sämtliche Geräte mit einer „Automatik-Start“-Taste ausgestattet und sohin Serienspiele möglich gewesen seien. Zudem sei im gegenständlichen Fall das gerichtliche Strafverfahren bereits rechtskräftig – nämlich durch Einstellung seitens der Staatsanwaltschaft – erledigt worden.
3. Gegen diesen dem Finanzamt Braunau-Ried-Schärding am 15. April 2015 zugestellten Bescheid richtet sich die am 28. April 2015 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich.
Darin wird unter Wiedergabe höchstgerichtlicher Entscheidungen ausgeführt, dass seit der GSpG-Novelle BGBl I 13/2014 ein expliziter Vorrang der behördlichen gegenüber der gerichtlichen Strafbarkeit bestehe, wobei diese Umkehrung der Subsidiarität für einen Beschuldigten im Sinne des § 1 Abs. 2 VStG jedenfalls günstiger sei.
Daher wird beantragt, über die Mitbeteiligte Partei eine Strafe zu verhängen.
4. In weiterer Folge hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich mit Beschluss vom 9. September 2015, LVwG-410685/2/Gf/Mu, das Beschwerdeverfahren gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bis zum Einlangen des Erkenntnisses oder Beschlusses des VwGH in einer dg. zu Zl. Ro 2015/17/0022 anhängigen gleichartigen („führenden“) Rechtssache ausgesetzt und dies dem VwGH mit Schreiben vom 14. September 2015 mitgeteilt.
5. Mit Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, hat der VwGH (nicht bloß mit einer kassatorischen, sondern) im Wege einer Entscheidung in der Sache selbst ausgesprochen, dass eine Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG nicht zu erkennen ist (RN 123), weil die mit diesem Gesetz angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität sowie der Verhinderung von kriminellen Handlungen gegenüber Spielern in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden und diese Ziele nicht bloß als Vorwand für die Beibehaltung der Monopolregelung bzw. einer Einnahmenmaximierung angesehen werden können. Dass vom Staat – bei Verfolgung gerechtfertigter Ziele im Sinne von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses – im Zusammenhang mit dem Glücksspiel hohe Einnahmen erzielt werden, macht die Regelungen des GSpG nicht unionsrechtwidrig, denn es ist zu berücksichtigen, dass sowohl die Maßnahmen des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung und der Kriminalitätsbekämpfung sowie die Aufsicht über die Glücksspielkonzessionäre und Bewilligungsinhaber und auch die medizinischen Behandlungskosten von Spielsüchtigen sowie Fürsorgeunterstützungen für Spielsüchtige und deren Familien hohe finanzielle Kosten verursachen. Daher ist es auch unter diesen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn neben der Verfolgung von legitimen Zielen zur Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch entsprechende Einnahmen aus Abgaben im Zusammenhang mit Glücksspiel durch den Staat lukriert werden, wobei im Übrigen gerade die vom LVwG OÖ geforderte Vergabe von Konzessionen und Bewilligungen in unbeschränkter Anzahl eine Erhöhung der vom Staat lukrierten Abgaben ermöglichen würde (RN 122).
6. Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich die Mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom 23. Juni 2016, LVwG-410685/4/Gf/Mu, dazu aufgefordert, bekanntzugeben, ob der von der belangten Behörde bescheidmäßig festgestellte Sachverhalt auch vom LVwG OÖ seiner im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu treffenden Entscheidung als unbestritten zu Grunde gelegt werden kann sowie bejahendenfalls, ob auf die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung verzichtet wird.
6. Dementsprechend hat der Rechtsvertreter der Mitbeteiligten Partei mit Schreiben vom 24. Juni 2016 mitgeteilt, dass auf die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung verzichtet wird.
II.
Fortgesetztes Verfahren – Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung
1. Zu den von der Mitbeteiligten Partei vorgelegten sowie vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich ergänzend erhobenen Beweisen wurde bereits im hg. Verfahren LVwG-410287/42/Gf/Mu ausführlich Stellung genommen (und zwar mit dem Ergebnis, dass sich das im GSpG geregelte Glücksspielmonopol nach hg. Ansicht als unionsrechtswidrig erweist – siehe BEILAGE).
2. Davon ausgehend konnte auf Grund des von der Mitbeteiligten Partei abgegebenen Verzichts von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen und der von der belangten Behörde ermittelte und dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte Sachverhalt als auch für diese Entscheidung zutreffend festgestellt werden.
III.
Fortgesetztes Verfahren – Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsgerichte verpflichtet, dann, wenn der VwGH einer Revision stattgegeben hat, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Eine vergleichbar ausdrückliche Anordnung enthält § 34 Abs. 3 VwGVG zwar nicht; allerdings ergibt sich aus der Zielrichtung dieser Bestimmung in Verbindung mit Art. 133 Abs. 4 B‑VG, wonach das Abweichen von der Rechtsprechung des VwGH explizit einen Revisionsgrund bildet, im Ergebnis eine dem § 63 Abs. 1 vergleichbare quasi-Bindungswirkung.
2. Aus verfahrensökonomischen Gründen ist daher die vom VwGH in dessen Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, wonach das im GSpG normierte Monopolsystem nicht als unionsrechtswidrig anzusehen ist, dem fortgesetzten Verfahren zu Grunde zu legen.
3.1. Gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG beging u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und war von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, der zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen veranstaltete, organisierte, unternehmerisch zugänglich machte oder sich als Unternehmer daran beteiligte.
3.2. Im gegenständlichen Fall haben die einschreitenden Organe der Finanzpolizei im Zuge ihrer Kontrolle am 26. April 2012 festgestellt, dass im verfahrensgegenständlichen, von der GmbH der Mitbeteiligten Partei betriebenen Lokal fünf Glücksspielgeräte jeweils betriebsbereit aufgestellt waren; über eine für die Durchführung solcher Ausspielungen erforderliche Konzession verfügte die GmbH der Mitbeteiligten Partei nicht.
Auf Grund dieser – auch von der Mitbeteiligten Partei selbst gar nicht in Zweifel gezogenen – Tatsachen steht sohin fest, dass sie durch die Aufstellung dieser Glücksspielgeräte in ihrem Lokal verbotene Ausspielungen i.S.d. § 52 Abs. 1 Z. 1 drittes Tatbild GSpG unternehmerisch zugänglich gemacht hat.
3.3. Allerdings wurde im vorliegenden Fall gegen die Mitbeteiligte Partei bereits ein gerichtliches Strafverfahren wegen des Verdachtes einer Übertretung des § 168 StGB durchgeführt und dieses mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Feldkirch vom 4. April 2013, Zl. 928 83 BAZ 323/13s-1, gemäß § 190 Z. 2 StPO eingestellt.
Hierbei handelt es sich um eine rechtskräftige, weil mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht weiter bekämpfbare Erledigung des gerichtlichen Strafverfahrens.
Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seit seinem Urteil vom 10. Februar 2009, 14939/03 (Zolotukhin), in nunmehr ständiger Rechtsprechung betont, verstößt nicht nur eine neuerliche Bestrafung, sondern bereits die weitere Verfolgung gegen die Garantie des Art. 4 des 7.ZPMRK, wenn sich das parallel bzw. später geführte Strafverfahren auf substantiell denselben Sachverhalt („same facts or substantially the same facts“), der dem rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren zu Grunde lag, bezieht (s.a. jüngst EGMR vom 12. April 2016, 32106/08 [Dungveckis], RN 41 und 42, m.w.N.); auf die Qualifikation der Tatbestände nach nationalem Recht kommt es dem gegenüber nicht an (vgl. in diesem Sinne nunmehr zuletzt wohl auch VwGH vom 15. April 2016, Ra 2015/02/0226).
Weil – wie sich aus dem an die Staatsanwaltschaft Linz gerichteten Schreiben des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 11. März 2013, Zl. Pol96-352-2012, ergibt – dem gerichtlichen und dem hier gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren ein und derselbe, nämlich der im Zuge der finanzpolizeilichen Kontrolle am 26. April 2012 festgestellte Sachverhalt, zu Grunde lag, war schon aus diesem Grund eine weitere Verfolgung der Mitbeteiligten Partei im Lichte des Art. 4 des 7.ZPMRK unzulässig.
Davon abgesehen trifft auch der Beschwerdevorwurf der Amtspartei, dass die belangte Behörde eine eigenständige Beurteilung dahin, ob die Mitbeteiligte Partei ein gerichtliches – und damit einen Verwaltungsstraftatbestand ausschließendes – Delikt verwirklicht hat, unterlassen hätte, nicht zu. Denn sowohl aus deren Aussetzungsbescheid vom 11. März 2013, Zl. Pol96-352-2012 (vgl. S. 4), als auch aus dem angefochtenen Bescheid vom 14. April 2015, Zl. Pol96-352-2012 (vgl. S. 8), geht jeweils explizit hervor, dass die Behörde gegenständlich eine Verletzung des § 168 StGB vor allem auch deshalb als gegeben erachtete, weil sämtliche Eingriffsgeräte über eine „Automatik-Start“-Taste verfügten, sodass mit diesen Serienspiele veranlasst werden konnten.
4. Aus allen diesen Gründen war daher die gegenständliche Amtsbeschwerde gemäß § 50 VwGVG abzuweisen.
IV.
Revision an den Verwaltungsgerichtshof
Gegen dieses Erkenntnis ist insoweit eine ordentliche Revision zulässig, als bisher – soweit ersichtlich – eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Beschwerde einer Amtspartei, die sich gegen solche Teilaspekte der von ihr erstatteten Anzeige wendet, über die mit dem angefochtenen Straferkenntnis nicht formell abgesprochen wurde, zurück- oder abzuweisen ist, fehlt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.
Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.
Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich
Dr. G r o f