LVwG-600945/11/SE
Linz, 20.06.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Sigrid Ellmer über die Beschwerde von Herrn J H, x, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M L, x, vom 7. Mai 2015 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 12. März 2015, GZ. VerkR99-30-2014,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, die Spruchpunkte 1) und 2) des angefochtenen Straferkenntnisses aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich dieser Punkte gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz - VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 12. März 2015, GZ: VerkR96-30-2014, wurde Herr J H, x, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M L, x (in Folge: Beschwerdeführer) in Spruchpunkt 1) und 2) belangt, Verwaltungsübertretungen gemäß § 18 Abs. 4 StVO 1960 und § 16 Abs. 1 lit b StVO 1960 vor und verhängte gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 Geldstrafen in Höhe von 220 Euro und 50 Euro, ersatzweise Freiheitsstrafen in der Dauer von 96 und 48 Stunden. Weiters wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 32 Euro auferlegt.
Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde (auszugsweise Wiedergabe):
„1) Sie haben als Lenker eines Sattelfahrzeuges beim Nachfahren hinter einem Sattelkraftfahrzeug (Fahrzeug mit größeren Längsabmessungen) nicht einen Abstand von 50 m eingehalten, obwohl der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen auf Freilandstraßen nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten hat. Der Abstand betrug nur ca. 20 m.
Tatort: Gemeinde Pucking, Autobahn Freiland, Richtung/Kreuzung: Suben, Nr. A1 bei km 175.000, Pucking, A1/175 Rampe 1 km 0,200 bis Pucking A25 km 0,800.
Tatzeit: 24.09.2013, 16:48 Uhr
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 18 Abs. 4 StVO
2) Sie haben ein Fahrzeug überholt, obwohl der Geschwindigkeitsunterschied des überholenden und des eingeholten Fahrzeuges unter Bedachtnahme auf die geltende Geschwindigkeitsbeschränkung für einen kurzen Überholvorgang zu gering war.
Tatort: Gemeinde Pucking, Autobahn Freiland, Richtung/Kreuzung: Suben, Nr. 25 bei km 0,800, Pucking, A25 Rampe 1 km 0,800 bis km 2,000.
Tatzeit: 24.09.2013, 16:48 Uhr
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 16 Abs. 1 lit. b StVO“
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde u.a. Folgendes aus:
„[...] Sie wurden von Beamten der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Landesverkehrsabteilung, FB 2.4 - Gefahrengut am 24.09.2014 um 16:48 Uhr beobachtet, wie Sie das oben angegebene Sattel Kraftfahrzeug auf der angeführten Strecke gelenkt haben und dabei nur ein Abstand von ca. 20 m zudem vor Ihnen fahrenden Sattelkraftfahrzeug war. Des Weiteren wurden Sie dabei beobachtet, wie sie ein anderes Sattelkraftfahrzeug überholten, obwohl der Geschwindigkeitsunterschied zwischen den beiden Fahrzeugen zu gering war und dadurch der Überholvorgang eine Strecke von 1200 m benötigt hatte.
[...]
Es wurde festgestellt, dass sie den Tiefenabstand auf einer Strecke von 600 m nicht eingehalten haben und nicht ausgegangen werden kann, dass dies nur in Bezug auf das Überholmanöver zustande gekommen ist. Beweis für den Überholvorgang mit zu geringem Geschwindigkeitsunterschied ist durch die benötigte Strecke von 1200 m gegeben.
Laut Amtssachverständigen-Gutachten [...]
Das Gutachten ist für die Behörde schlüssig und nachvollziehbar. Die Aussage von Herrn [...], beobachten des Straßenaufsichtsorgan desLVA OÖ, FB 2.4 ist für die Behörde glaubhaft.
[...]
Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes gelangt die erkennende Behörde zu der Überzeugung, dass Sie die Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen zu verantworten haben und die objektive Tatseite somit als erwiesen anzunehmen ist.
[...]
Da Sie keine Gründe vorgebracht haben, die einer Bestrafung aufgrund der im Spruch geschilderten Verwaltungsübertretungen im Wege stünden, musste die Behörde davon ausgehen, dass Ihr Verschulden gegeben ist. Sie haben die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen somit zumindest fahrlässig begangen, da Sie die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen und dadurch verkannt haben, dass Sie einen tatbildmäßigen Sachverhalt verwirklichten.
[...]
Die Tat schädigt in erheblichem Maß das Interesse der Verkehrssicherheit und das Interesse anderer Verkehrsteilnehmer. Deshalb ist auch der Unrechtsgehalt der Tat an sich - selbst bei Fehlen sonstige nachteilige Folgen - nicht gering.
Erschwerungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgetreten. Als Milderungsgrund wird Ihnen die bei der Bezirkshauptmannschaft Freistadt aufscheinende verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zuerkannt.
Dass sie im Rahmen der behördlichen Feststellung Ihrer Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse keine Angaben gemacht haben, geht die Behörde, wie angekündigt davon aus, dass sie ein monatliches Einkommen in der Höhe von 1.600,00 Euro beziehen, dass keine Sorgepflichten bestehen und Sie kein für das gegenständliche Verfahren relevantes Vermögen besitzen.
Die verhängte Strafe ist dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat angemessen und war die Verhängung der im Spruch angeführten Geldstrafen vor allem notwendig, um Sie im Sinne der Spezialprävention von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten. [...]“
I. 2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer hinsichtlich Spruchpunkt 1) und 2) innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde (Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses am 24. April 2015).
In seiner Beschwerde führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er mit einem ausreichenden Tiefenabstand nachgefahren sei, dann das Überholmanöver begonnen habe, wozu er vorerst zu den vor ihm fahrenden Lkw aufschließen musste. Die Geschwindigkeitsdifferenz sei ausreichend gewesen. Der einvernommene Polizeibeamte habe nicht mehr sagen können, ob eine Verringerung des Sicherheitsabstandes durch das bevorstehende Überholmanöver erfolgt sei. Er habe nicht erklären können, wie er die Übertretung auf eine Strecke von 600 m festgestellt habe und wie groß die Geschwindigkeit des überholten Fahrzeuges gewesen sei. Ebenfalls sei unklar, wie eine Messdistanz von 1200 m zu Stande gekommen sei. Zu einem Schuldspruch dürfe es nur dann kommen, wenn eindeutige, unwiderlegbare und klare Beweisergebnisse vorliegen, die eine Verwaltungsübertretung auch begründen. Auf Schätzungen und Mutmaßungen beruhende Anzeigen seien daher nicht zu berücksichtigen und außer Betracht zu bleiben.
Es wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
I. 3. Die belangte Behörde legte die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 30. Juni 2015, eingelangt am 13. Juli 2015, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidungsfindung vor (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.
I. 4. Aufgrund des Beschwerdevorbringens holte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu konkret vorgegebenen Beweisthemen ein verkehrstechnisches Gutachten ein.
Der verkehrstechnische Amtssachverständige erstellte nachstehendes Gutachten vom 6. Mai 2016:
„Gutachten :
Rekonstruktion der Sichtverhältnisse aus Sicht der Polizei um den Tiefenabstand der Fahrzeuge feststellen zu können.
Lt. Anzeige fuhren im Bereich der Autobahnrampe A1/A25, zwischen StrKm 0,2 - StrKm 0,8 m zwei Sattelkraftfahrzeuge direkt hintereinander. Dabei wurde lt. Polizeiangaben ein Tiefenabstand von ca. 20 m eingehalten.
Das nachstehende Orthofoto zeigt den gegenständlichen, praktisch ohne Neigung verlaufenden Streckenabschnitt. Es handelt sich aus Sicht der Sattel-KFZ um eine langgezogene Rechtskurve.
Die Breite der Richtungsfahrbahn beträgt etwa 7 m. Wenn das Polizeifahrzeug in Bezug auf die beiden hintereinander fahrenden Sattel-KFZ auf der Überholspur gefahren ist, so ergibt sich bei der Annäherung bzw. Vorbeifahrt in etwa folgende Perspektive, die beispielshaft auf der A1 bei zwei Situationen dokumentiert worden ist.
Bild A Bild B
Bild C Bild D
Die Bilder A/B/C zeigen die gleiche Fahrzeugpaarung – Bild D zeigt andere Fahrzeuge.
Aus Bild C kann eruiert werden, dass der Tiefenabstand der Fahrzeuge etwa 6 – 7 m beträgt. Aus Bild D ergibt sich ein Tiefenabstand von ca. 20 – 24 m.
Die Länge einer Leitlinie beträgt auf Autobahnen ca. 6 m die Länge des Zwischenraumes beträgt ca.12 m. Über die Länge des Leitlinien bzw. über die Zwischenräume kann ein Tiefenabstand eingegrenzt werden.
Im Hinblick auf die Längen der Bodenmarkierungen erscheint es günstig zu sein die geschätzten Abstände - ohne Fotodokumentation - auf ein Vielfaches von 6 m zu beurteilen.
Die gegenständliche Einstufung des Abstandes von ca. 20 m, ist im Sinne des Beschuldigten dann nachvollziehbar, wenn sich zwischen der Front und dem Heck der Fahrzeuge 1 Zwischenabstand und 2 Leitlinien befunden haben oder 1 Leitlinie + 1 ganzer sowie 1/2 Zwischenraum befunden hat, wie nachstehend in den linken Bildern dargestellt.
Linienlänge ca. 24 m Linienlänge ca. 50 m
Linienlänge ca. 24 m Linienlänge ca. 50 m
Fahrgeschwindigkeit des „ Überholers „ und Geschwindigkeitsunterschied der Fahrzeuge :
Aus den Aktunterlagen geht hervor, dass der gesamte Überholvorgang, der auf der A25, Richtung Suben erfolgte, ca. 1200 m in Anspruch genommen hat. Der Überholvorgang erfolgte lt. Akt um 16:48 Uhr.
Lt. vorliegender polizeilciher Auswertung des digitalen Kontrollgerätes betrug die aufgezeichnete Fahrgeschwindigkeit zum Zeitpunkt des Überholvorganges , konstant, 89 km/h.
Im Hinblick auf die Richtlinie EWG 3821/85 – Pkt f / Ziff 3 ist festzuhalten,dass die Uhrzeit des Kontrollgerätes eine Aufzeichnungstoleranz pro Tag von +/- 2 min und pro 7 Tage von +/-10 min haben darf. Die Fahrgeschwindigkeit wird mit einer Toleranz von +/- 6 Km/h aufgezeichnet.
Ob diese Toleranzen zum tragen kommen oder ob eine bessere Aufzeichnungsgenauigkeit vorliegt kann ohne relativ aufwendige Nachmessungen mit dem Fahrzeug nicht beurteilt werden.
Der Polizist hätte im Zuge der Anhaltung die angezeigte Uhrzeit des Kontrollgerätes mit der tatsächlichen Uhrzeit vergleichen können.
Möglicherweise lag keine nenneswerte Zeitdifferenz vor - zumindest findet sich kein Hinweis auf eine maßgebliche Zeitdifferenz der Aufzeichnungen des Kontrollgerätes.
Im Hinblick auf die ausgelesene Fahrgeschwindigkeit von 89 km/h liegt die tatsächliche Fahrgeschwindigtkeit im Bereich von 83 Km/h bis 95 km/h.
Wenn der Geschwindigkeitsbegrenzer nicht manipuliert gewesen ist,dann kann auf ebener Fahrbahn eine Fahrgeschwindigkeit von max. 95 km/h nicht überschritten werden.
Die Fahrgeschwindigkeit des „ Überholers „ liegt daher zwischen 83 Km/h bis 95 km/h.
Die gesamte Überholstrecke betrug lt. Akt ca. 1200 m. Wenn das Überholmanöver aus einem Tiefenabstand von ca. 20 m aus begann, die fahrzeuglänge ca. 16 m betrugen und der abstand vor dem Einscheren ca. 5 m betrug, so beträgt der Relativweg des „ Überholers “ etwa 57 m
( = 20m + 16m + 16m + 5m ).
Bei einer aufgezeichneten Geschwindigkeit von 89 km/h ergibt sich in Bezug auf die Aufzeichnungstoleranz eine Geschwindigkeitsbereich von 83 km/h bis 95 km/h.
Daraus berechnet sich die Relativgeschwinidgkeit der Fahrzeuge mit ca. 4 km/h bis 5 Km/h.
D.h der maximale Geschwinidgkeitsunterschied der beiden Sattel-KFZ lag daher bei ca.5 km/h.
Hätte der Gechwindigkeitsunterschied der Fahrzeuge zumindest 10 km/h betragen, so wäre die Überholstrecke ca. 490 m – ca. 560 m lang. – Überholzeit ca. 21 s
Hätte der Geschwindigkeistunterschied zumindest 20 Km/h betragen so ergibt sich eine Überholstrecke von ca. 240 m bis ca. 280 m- Überholzeit ca. 11 s.
Im Hinblick auf eine Fahrgeschwindigkeit des „ Überholers “ von zumindest 83 km/h ( bis 95 km/h), ist festzuhalten,das die zulässige Fahrgeschwindigkeit auf Autobahnen von 80 km/h überschritten worden ist.
Aus technsicher Sicht gesehen wäre bei einem Geschwindigkeitsunterschied von zumindest
10 km/h die erforderliche Überholstrecke bzw. die Überholzeit mehr als halbiert worden.
Sollte der Überholte während er überholt worden ist noch maximal beschleunigt haben, so resultiert daraus eine wesentliche Verlängerung der erforderlichen Überholstrecke, da die zu erwartende Restbeschleunigung der beteiligten Fahrzeuge sehr gering ist.
In diesem Fall wäre für es für den „ Überholer “ nach ca. 10 - ca.15 s erkennbar, dass kein ausreichender Geschwindigkeistunterschied erreichbar ist und im Zuge des Überholvorganges nur wenig Weg gegenüber dem zu Überholenden aufgeholt wird. Nach dem erkennen dieser Situation hätte wahrscheinlich dei Möglichkeit bestanden den Überholvorgang abzubrechen und sich wieder hinter dem zu überholen beabsichtigten Fahrzeug einzureihen.
Die relevanten Sichtverhältnisse des „ Überholers “ sind auf der Autobahn über den Rückspiegel wahrzunehmen. Im Hinblick die vorgeschriebenen Außenspiegel bei Sattel-KFZ, hätte der „Überholer “ den nachfolgenden Verkehr einwandfrei wahrnehmen können um beurteilen zu können, ob ein Spurwechsel möglich ist.
Der Tiefenabstand kann im Zuge eines geplanten Überholmanövers so weit verkürzt werden,dass ein Ausschervorgang ohne Berührung des zu Überholenden noch möglich ist.
Je nach umsetztbarer Querbeschleunigung und erforderlichen Spurversatz liegt der kleinste Tiefenabstand vor Überholbeginn bei ca. 5 – ca.6 m.
Bei einem Tiefenabstand von 5 m – 6 m kann ein Auffahrunfall im Fall einer Abbremsung des „Vordermanns “ praktisch nicht verhindert werden. Der Sekundenabstand liegtz.B. bei 6 m Tiefenabstand und 90 km/h bei 0,24 s. Bei aufmerksamer Fahrweise wird von einer Reaktionzeit von 0,8 s ausgegangen.“
I. 5. Am 17. Mai 2016 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter sowie der verkehrstechnische Amtssachverständige teilnahmen. Die belangte Behörde war entschuldigt.
Es wurde der amtshandelnde Polizeibeamte einvernommen. Er gab auf Befragung durch die erkennende Richterin, den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers und den Amtssachverständigen auszugweise nachstehendes an:
„Ich kann mich noch am Rande an die Amtshandlung vom 24. September 2013 erinnern. Mit einem Dienstauto, Mercedes Sprinter, fuhr ich mit einem Kollegen zum Tatzeitpunkt am Tatort. Ob ich das Fahrzeug gelenkt habe oder mein Kollege, kann ich heute nicht mehr sagen. [...]
Die Schätzungen des Tiefenabstandes und der Länge des Überholmanövers erfolgten auf Grund der Straßenmarkierungen. Die Straßenmarkierungen sind auf der rechten Seite angebracht. Von dort konnte ich sie ablesen. Ich konnte den Abstand abschätzen, weil ich genug Einsicht hatte. Wir haben festgestellt, dass der Abstand nicht gepasst hat.
[...] Wir sind schräg versetzt hinter dem gegenständlichen Fahrzeug gefahren.
Auf der linken Spur sind wir ca. 8 – 10 m hinter dem LKW des Beschwerdeführers nachgefahren. Bei der Rampe A1 auf A25 bei km 0,200 habe ich festgestellt, dass der Tiefenabstand zum vorherfahrenden Sattelfahrzeug zu gering ist. Aufgrund der Bodenmarkierungen - die Leitlinien sind 6 m und die Zwischenräume ca. 12 m lang – konnte ich abschätzen, dass es ca. 20 m sind, wobei wir bei dieser Schätzung immer großzügig sind. Bei km 0,800 hat der Beschwerdeführer mit dem Überholmanöver begonnen und ist ausgeschert.
Ich habe nicht bemerkt, dass das zu überholende Sattelfahrzeug die Geschwindigkeit erhöht hat. In diesem Bereich fahren die Kraftfahrzeuge bzw. Sattelfahrzeuge immer Höchstgeschwindigkeit, weil es dort auch möglich ist.
Es wird die Uhrzeit von der Übertretung und die Uhrzeit des Tachoausdruckes verglichen. Dabei gibt es höchstens einen Zeitunterschied von 1 Minute. Es kann ausgeschlossen werden, dass eine Zeitdifferenz von 10 bis 20 Minuten war.
Ich weiß heute nicht mehr, wie lange wir hinter dem Beschwerdeführer nachgefahren sind. Warum wir links gefahren sind, kann ich heute nicht mehr sagen.
[...]
An den Fahrzeugverkehr am rechten Fahrstreifen kann ich mich nicht mehr ganz genau erinnern. Ich weiß, dass vor dem Beschwerdeführer ein Sattelfahrzeug fuhr, aber welche Fahrzeuge hinter dem Beschwerdeführer noch waren, kann ich heute nicht mehr sagen.
Ich vermute, dass wir mit der gleichen Geschwindigkeit wie der Beschwerdeführer gefahren sind, weil wir ja daneben herfuhren. Ich kann aber heute nicht mehr die konkrete Geschwindigkeit nennen. Nachdem der Beschwerdeführer den Überholvorgang begonnen hat, haben wir unsere Geschwindigkeit verringern müssen, in dem Ausmaß, dass ein ausreichender Sicherheitsabstand auch bei uns vorlag. [...] Ich weiß es nicht mehr, um wieviel km/h der Beschwerdeführer schneller geworden ist beim Überholvorgang. Wir sind in einem Abstand von ungefähr 30 m hinter dem Beschwerdeführer nachgefahren. Wir haben die Länge des Überholmanövers von der Kilometrierung und nicht von der Zeit her abgeschätzt.
Bei der Angabe der Straßenkilometrierung ist das so gemeint, dass der Beschwerdeführer bei dieser Kilometrierung war. Die Straßenkilometrierung können wir auch aus 30 m erkennen.
Heute weiß ich nicht mehr, in welchem Abstand sich der Beschwerdeführer nach dem Überholmanöver zum überholenden Sattelfahrzeug eingereiht hat.
Die Straßenkilometrierung konnten wir nach dem Ende des Überholmanövers des Beschwerdeführers sehen, weil wir eine Sichtbreite von ca. 8 m zwischen den Sattelfahrzeugen hatten.
Die normale Straßenkilometrierung ist alle 500 m und bei der Rampe 200 m angebracht.
Ich habe alles beobachtet. [...].“
Der Amtssachverständige gab aufgrund der Aussagen des Zeugen folgendes ergänzendes Gutachten ab:
„Wenn man davon ausgeht, dass der Beobachtungsstandpunkt des Polizeibeamten in der Art war, dass er sich in Bezug auf des Heck des Sattelauflegers ca. 8 – 10 m hinter ihm befunden hat und das zu beobachtende Fahrzeug auf der rechten Fahrspur gefahren ist und das Polizeifahrzeug auf der linken Fahrspur, so ergibt sich bei dieser Betrachtungsweise ein Beobachtungswinkel in der Größenordnung von 6 – 7 Grad.
Wenn man davon ausgeht, dass die beiden Fahrzeuge nicht dieselbe Fahrlinie gehabt haben besteht die Möglichkeit, dass der hintere Sattel, das Fahrzeug des Beschwerdeführers zum Teil oder ganz das Heck des vor ihm fahrenden Sattels abgedeckt hat. In dieser Konstellation, die Fahrtrichtung war Richtung Westen und im Hinblick auf den Sonnenstand ist daher zu erwarten, dass im Hinblick auf die Uhrzeit die Sonne schon eher von vorne kommt, d. h. die Schattenbildung der Fahrzeuge gestaltet sich in der Art, dass die Schatten nicht quer zur Fahrbahn verlaufen sondern eher im Fahrtrichtung verlaufen. In dieser Konstellation ist die Einschätzung eines Tiefenabstandes sehr schwierig.
Es wurde vom Sachverständigen im Zuge einer anderen Fahrt ein Beispiel mitgefilmt und heute auch vorgeführt. Daraus ist zu erkennen, dass dabei eine genaue Taxierung des Tiefenabstandes zwischen den beiden Fahrzeugen sehr, sehr schwierig ist. Es ist um eine gute Beobachtungsposition zu erlangen und den Tiefenabstand der Fahrzeug gut taxieren zu können, auf alle Fälle notwendig, dass die Beobachtung und die Einschätzung des Tiefenabstandes erst dann stattfindet, wenn sich das Polizeifahrzeug in etwa auf Höhe des Sattelzugfahrzeuges befindet. Und nicht etwa 16 m dahinter.
Im Hinblick auf die Schilderungen und auch die fotografische Darstellung an einem anderen Beispielsfall ist daher festzuhalten, dass aus dieser Position der Tiefenabstand sehr schwer eingeschätzt werden kann. Im Hinblick auf die Ausgangsposition, die der Polizist heute schildert, ist es sehr schwer nachvollziehbar, den Tiefenabstand auf eine Größenordnung von 20 m einzugrenzen, da zum einen der Blickwinkel sehr spitz ist und zum anderen die Schattenbildung, die wahrscheinlich maßgeblich für die Abstandsbeurteilung ist, konkret war die Fahrtrichtung nach Westen und die Sonne in diesem Fall eigentlich mehr oder weniger von vorne gekommen ist, sodass sich quer zur Fahrtrichtung kaum ein Schattenbild abgezeichnet hat.
Wenn man von der Voraussetzung ausgeht, dass sich kein Schattenbild auf der Fahrbahn abgezeichnet hat und die Fahrlinie versetzt war, sodass man davon ausgehen muss, dass das Fahrzeug des Beschwerdeführers das Heck des vorausfahrenden Sattels verdeckt hat, so war also das Ende des vorausfahrenden Sattels nicht erkennbar und daher ist eine Einstufung in Bezug auf den eingehaltenen Nachfahrabstand aus dieser Blickperspektive nicht nachvollziehbar bzw. kann dann nicht nachvollzogen werden, dass der Tiefenabstand die Größenordnung von 20 m gehabt hat, daher das Heck des vorausfahrenden Fahrzeuges vom Standpunkt des Polizisten nicht einsehbar gewesen ist.
Unter Zugrundelegung der Ausführungen der Rechtsvertretung ist folgendes festzuhalten:
Der Sachverständige zeigt eine Situation, wo man, wenn man sich auf Höhe der Führerkabine des Sattelkraftfahrzeuges befindet, man in die Lücke zwischen zwei hintereinander fahrenden Sattelkraftfahrzeugen hineinsieht und dadurch die Möglichkeit besteht, in dieser Situation die Kilometrierung am rechten Fahrbahnrand neben dem Pannenstreifen zu erkennen. Legt man die Ausführungen des Polizeibeamten zu Grunde der angibt, dass er in etwa 30 m dahinter gefahren ist ergibt sich eine Situation, dass das gerade überholte Sattelkraftfahrzeug die Sicht auf den rechten Pannenstreifen und damit auf die Kilometrierung im Bereich des rechten Pannenstreifens komplett verdeckt. In dieser Beobachtungssituation ist es nicht nachvollziehbar die Kilometrierung vom Überholstreifen aus feststellen zu können.“
Der Beschwerdeführer gab an, dass der einvernommene Polizist bei der gegenständlichen Amtshandlung der Beifahrer war.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers führte zusammengefasst aus, dass der Amtssachverständige bestätige, dass die Version des Zeugen technisch nicht nachvollziehbar sei. Von seiner Sitzposition aus habe er weder den Tiefenabstand noch die Kilometrierung auf der rechten Seite wahrnehmen können. Überdies sei die Kilometrierung nur alle 500 m angebracht, woraus nicht ableitbar sei. bei welcher Kilometrierung der Überholvorgang begonnen und dann beendet wurde. Es wurde um die Stattgabe der Beschwerde ersucht.
II. 1. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt, das eingeholte verkehrstechnische Gutachten vom 6. Mai 2016 und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2016, in der der amtshandelnde Polizist einvernommen wurde und der verkehrstechnische Amtssachverständige ein ergänzendes Gutachten abgab.
II. 2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer ist hat am 24. September 2014, um 16:48 Uhr in der Gemeinde Pucking, Autobahn Freiland, Richtung/Kreuzung: Suben, Nr. A1 bei km 175.000, Puckiing, A1/175 Rampe 1 km 0,200 bis Pucking A25 km 0,800, mit einem Sattelkraftfahrzeug einem anderen Sattelfahrzeug nachgefahren. Im Bereich Richtung/Kreuzung: Suben, Nr. 25 bei km 0,800, Pucking, A25 km 0,800 bis km 2,000, überholte der Beschwerdeführer das vor ihm fahrende Sattelfahrzeug.
Das Dienstauto der Polizei fuhr auf der linken Spur 8 – 10 m schräg versetzt hinter dem Beschwerdeführer in Richtung Wels. Nachdem der Beschwerdeführer den Überholvorgang eingeleitet hatte, wurde die Geschwindigkeit beim Dienstfahrzeug in dem Ausmaß verringert, dass ein ausreichender Sicherheitsabstand gegeben war. Der Abstand zwischen dem Sattelfahrzeug des Beschwerdeführers und des Dienstautos betrug ca. 30 m.
Die Schätzung des Tiefenabstandes und der Länge des Überholmanövers erfolgte ausschließlich durch Ablesen der Straßenkilometrierung. Die Straßenkilometrierung ist auf der Autobahn in einem Abstand von 500 m und bei der Rampe von 200 m angebracht.
II. 3. Der tatsächliche Tiefenabstand zwischen dem Sattelfahrzeug des Beschwerdeführers und des voran fahrenden Sattelfahrzeuges sowie die tatsächliche Länge des Überholmanövers kann nicht festgestellt werden.
Das eingeholte verkehrstechnische Gutachten vom 6. Mai 2016 sowie das im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17. Mai 2016 erstellte, ergänzende verkehrstechnische Gutachten sind schlüssig und vollständig aufgebaut sowie für Dritte nachvollziehbar, weshalb das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich diese seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde legt.
Daraus ergibt sich, dass aufgrund der vom Zeugen glaubwürdig beschriebenen Position des Dienstfahrzeuges beim Nachfahren des Sattelfahrzeuges (sh. oben) des Beschwerdeführers das Abschätzen eines Tiefenabstandes von 20 m und der Länge des Überholmanövers von 1200 m alleine durch Ablesen der Straßenkilometrierung nicht nachvollziehbar ist, insbesondere deshalb nicht, weil die Sicht der Polizeibeamten auf die Straßenkilometrierungen nicht ausreichend war. Somit kann auch nicht festgestellt werden, dass der Geschwindigkeitsunterschied beim Überholvorgang des Beschwerdeführers mit seinem Sattelfahrzeug zu gering war.
III. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
III. 1. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
Die maßgeblichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl. Nr. 159/1960, in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung lauten:
„§ 16 Überholverbote.
(1) Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen:
[...]
b) wenn der Unterschied der Geschwindigkeiten des überholenden und des eingeholten Fahrzeuges unter Bedachtnahme auf allenfalls geltende Geschwindigkeitsbeschränkungen für einen kurzen Überholvorgang zu gering ist,
[...]
§ 18. Hintereinanderfahren.
(1) Der Lenker eines Fahrzeuges hat stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.
[...]
(4) Der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen (Lastfahrzeuge, Kraftwagenzüge, Omnibusse u. dgl.) hat auf Freilandstraßen nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten.
§ 99. Strafbestimmungen.
[...]
(3) lit. a) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2c oder 4 zu bestrafen ist.
[...]“
II. 2. Da mangels Feststellbarkeit nicht erwiesen ist, dass der Beschwerdeführer mit seinem Sattelfahrzeug einen Tiefenabstand von weniger als 50 m eingehalten hat und auch nicht erwiesen ist, dass der Geschwindigkeitsunterschied des Sattelfahrzeuges des Beschwerdeführers und des eingeholten Sattelfahrzeuges zu gering war, ist weder der objektive Tatbestand des § 16 Abs. 1 lit.b StVO 1960 noch der objektive Tatbestand des § 18 Abs. 4 leg. cit. erfüllt.
Es war daher der Beschwerde Folge zu geben, und das angefochtene Straferkenntnis in den Spruchpunkten 1) und 2) aufzuheben.
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag.a Sigrid Ellmer