LVwG-650640/8/ZO
Linz, 23.06.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des Herrn J L, geb. 1968, vertreten durch RA Dr. P N, 4020 Linz, vom 23.5.2016, gegen den Bescheid des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 15.4.2016, GZ: FE-303/2016 wegen der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und sofortiger Verkündung der Entscheidung,
zu Recht e r k a n n t :
I. Die Beschwerde wird abgewiesen und der Beschwerdeführer verpflichtet, sich hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und B bis 20.7.2016 amtsärztlich untersuchen zu lassen.
II. Gegen diese Entscheidung ist keine ordentliche Revision zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Zu I.
1. Mit Bescheid der LPD Oberösterreich vom 15.4.2016, Zl. FE-303/2016, wurde der Mandatsbescheid bezüglich der Aufforderung des Beschwerdeführers, sich zur Feststellung seiner gesundheitlichen Eignung amtsärztlich untersuchen zu lassen, bestätigt.
Dieser Bescheid wurde zusammengefasst damit begründet, dass der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben seit Jahren regelmäßig Marihuana konsumiere. Er leide unter starken Schlafstörungen und die von den Neurologen verschriebenen Psychopharmaka würden nicht ausreichend wirken. Es bestehe der Verdacht der Abhängigkeit bzw. ein problematischer Umgang mit Suchtmitteln.
2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde machte der Beschwerdeführer zusammengefasst Folgendes geltend:
Die Behörde stütze sich auf seine Angaben in einer Einvernahme, bei der er alkoholisiert und substanzbeeinträchtigt gewesen sei. Er habe die Geräte für die Aufzuchtstation erst im Oktober 2014 erworben, weshalb die von der Behörde hochgerechnete Menge nicht stimmen würde. Er konsumiere gelegentlich am Abend Marihuana, um besser einschlafen zu können. Er sei jedoch nicht suchtmittelabhängig und habe auch noch nie in einem durch Suchtmittel beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt.
3. Die LPD Oberösterreich hat die Beschwerde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergab sich dessen Zuständigkeit, wobei es durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden hat (§ 2 VwGVG).
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Verwaltungsbehörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt sowie das Urteil des LG Linz vom 7.6.2016, Zl. 39 Hv 65/16y-8. Auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung am 21.6.2016 durchgeführt, an dieser nahm der Beschwerdeführer teil, die Behörde war entschuldigt.
4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hat lt. rechtskräftigem Gerichtsurteil im Zeitraum von Mitte 2013 bis Februar 2016 Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge vorwiegend für seinen persönlichen Bedarf erzeugt, wobei er an Suchtmittel gewöhnt war, indem er in seiner Wohnung mit einer Indoor-Aufzuchtanlage in fünf Anbauzyklen zumindest 1.285,6 Gramm Cannabiskraut (Reinheitsgehalt 6,68 % THCA und 0,51 % Delta-9-THC) produzierte. Er leidet nach seinen eigenen Angaben unter starken Schlafstörungen und konsumierte das von ihm erzeugte Cannabiskraut, um besser einschlafen zu können.
Nach den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung hat er die Aufzuchtanlage erst im Oktober 2014 erworben und erst seit dieser Zeit Cannabiskraut konsumiert, wobei er einräumte, dies an den meisten Tagen gemacht zu haben. Nach seinen Angaben hat er den Konsum sofort nach der Polizeianzeige eingestellt. Er habe zwar ein paar Tage an Schlafstörungen gelitten, inzwischen habe er jedoch diesbezüglich keinerlei Probleme und nehme auch keine Medikamente ein. Er legte einen negativen Harnbefund vom 15.6.2016 vor. Bezüglich sonstiger Beschwerden verwies er auf einen Bandscheibenvorfall im Jahr 2007, welcher damals mit starken Taubheitsgefühlen in der rechten Körperhälfte verbunden gewesen sei. In der Zwischenzeit hätten sich diese Beschwerden weitgehend gelegt, er habe noch leichte Einschränkungen der Beweglichkeit beim Drehen des Oberkörpers und Kopfes nach rechts und könne keine schweren Gewichte heben.
Der Beschwerdeführer ist seit vielen Jahren im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen AM und B. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er in einem durch Suchtmittel beeinträchtigen Zustand ein Fahrzeug gelenkt hat.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht hierüber erwogen:
5.1. Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
Gemäß § 14 Abs.1 FSG-GV darf Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht soweit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, soweit nicht Abs.4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.
Gemäß § 14 Abs.5 FSG-GV ist Personen, die Alkohol, Sucht- oder Arzneimittel abhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.
5.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH berührt ein geringfügiger Suchtmittelkonsum ohne Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges die gesundheitliche Eignung (noch) nicht. Erst dann, wenn der Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet ist oder wenn die Gefahr besteht, dass die betreffende Person nicht in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen beeinträchtigt ist, liegt ein Grund vor, die gesundheitliche Eignung begründet in Zweifel zu ziehen (2005/11/0191, vom 13.12.2005 u.a.).
Ein Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs. 4 FSG ist nach der Rechtsprechung des VwGH nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung bzw. im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung durch das Landesverwaltungsgericht (noch immer) begründete Bedenken an der gesundheitlichen Eignung bestehen (VwGH v. 27.9.2007, 2006/11/0143, u.a.).
Im gegenständlichen Fall hat die Verwaltungsbehörde zutreffend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben über mehrere Jahre hinweg regelmäßig Cannabiskraut konsumiert hat. Cannabiskraut hat zwar ein deutlich niedrigeres Suchtpotential als viele andere Suchtmittel, wegen der langen Dauer des Konsums und deren Menge (rechnerisch ergibt sich ein durchschnittlicher Konsum von mehr als einem Gramm pro Tag) erscheint der Verdacht dennoch begründet, dass der Beschwerdeführer von Suchtmitteln abhängig ist. Auch wenn man die nunmehrigen Angaben des Beschwerdeführers zu Grunde legt, hat er doch ca. 1,5 Jahre regelmäßig Cannabiskraut konsumiert, weshalb der Verdacht eines gehäuften Missbrauches jedenfalls begründet ist. Daran ändert auch der einmalige negative Harnbefund nichts, weil der Beschwerdeführer den Zeitpunkt der Harnabgabe selbst bestimmt hat. Es ist bekannt, dass nach einer mehrwöchigen Abstinenz im Harn keine Cannabisprodukte bzw. deren Abbauprodukte mehr festgestellt werden können, weshalb dieser Harntest nur eine Abstinenz von wenigen Wochen belegt.
Ob bzw. in welchem Ausmaß sich dieser Suchtmittelkonsum auf die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraft-fahrzeugen auswirkt, hat das amtsärztliche Gutachten, gestützt auf die in § 14 Abs.1 bzw. Abs.5 FSG-GV angeführten fachärztlichen Stellungnahmen zu beurteilen. Soweit der Beschwerdeführer das Cannabiskraut als Ersatz für andere ärztlich verordnete Medikamente verwendete, ist er darauf hinzuweisen, dass die angeführten Bestimmungen auf Arzneimittelabhängigkeit bzw. –Missbrauch in gleicher Weise anzuwenden sind. Selbst wenn der Beschwerdeführer seit Februar 2016 keine Suchtmittel und auch keine entsprechenden Medikamente mehr konsumiert haben sollte, ist dieser Zeitraum im Hinblick auf den vorangegangenen mehr als einjährigen regelmäßigen Konsum zu kurz, um die Bedenken an seiner gesundheitlichen Eignung zu zerstreuen.
Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Kosten der Untersuchung bzw. allfälliger fachärztlicher Stellungnahmen wendet, ist er auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH 22. März 2002, 2001/11/0137) hinzuweisen, wonach der Antragsteller die zur Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde auf eigene Kosten beizubringen hat. Dies gilt auch für fachärztliche Stellungnahmen.
Die Frist für die amtsärztliche Untersuchung war entsprechend neu festzusetzen, wobei ein Monat ab Verkündung der Entscheidung ausreichend erscheint, damit sich der Beschwerdeführer amtsärztlich untersuchen lassen kann.
Zu II.:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der oben dargestellten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Prüfung der gesundheitlichen Eignung bei Suchtmittelkonsumenten ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung des gegenständlichen Falles vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Gottfried Zöbl