LVwG-601375/5/SCH/MSt
Linz, 15.06.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Schön über die Beschwerde des Herrn A J, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K R, vom 4. Mai 2016, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 5. April 2016, GZ: VerkR96-534-2016pl, wegen zweier Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 nach öffentlicher mündlicher Beschwerdeverhandlung und Verkündung der Entscheidung am 13. Juni 2016
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und das Straferkenntnis im angefochtenen Umfang bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer als Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren den Betrag von insgesamt 60 Euro (20 % der verhängten Geldstrafen) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Zu I.
1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat gegenüber Herrn A J unter der GZ: VerkR96-534-2016pl Folgendes mit 5. April 2016 datiertes Straferkenntnis erlassen:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:
Taten (einschließlich Ort, Datum und Zeit der Begehung)
1) Sie haben am 07.01.2016 um 22:55 Uhr in A-P, vor dem Haus R nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert, Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl Sie im Verdacht gestanden sind, dass ihr Verhalten als Lenker des angeführten Fahrzeuges, am angeführten Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist. Weiters wurden bei Ihnen deutliche Alkoholisierungsmerkmale wie Alkoholgeruch aus dem Mund, unsicherer Gang, lallende Aussprache usw. festgestellt.
Tatort: Gemeinde A-P, Gemeindestraße Ortsgebiet, R, Eingangsbereich zwischen Gartentürl und Eingang zum Wohnhaus
Tatzeit: 07.01.2016, 22:55 Uhr
Lenkzeit: 7.1.2016 gegen 22.10 Uhr in Attnang-Puchheim in der B
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 99 Abs. 1 lit.b i.V.m. § 5 Abs. 2 2. Satz StVO
2) Sie sind als Lenker des angeführten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.
Tatort: Gemeinde Attnang-Puchheim, Gemeindestraße Ortsgebiet, B, Bahnunterführung.
Tatzeit: 07.012016, 22:10 Uhr.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 4 Abs. 1 lit.a StVO
3) Sie haben es nach dem Verkehrsunfall mit Sachschaden unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen.
Tatort: Gemeinde Attnang-Puchheim, Gemeindestraße Ortsgebiet, B, , Bahnunterführung.
Tatzeit: 07.01.2016, 22:10 Uhr.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 4 Abs. 5 StVO
Fahrzeug: Kennzeichen x, PKW, Volvo XC70 D5 AWD A Geartr, schwarz
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
1600,00 Euro 14 Tage § 99 Abs. 1 lit. b StVO
200,00 Euro 108 Stunden § 99 Abs. 2 lit. a StVO
100,00 Euro 72 Stunden § 99 Abs. 3 lit. b StVO
Allfällige weiter Aussprüche (zB über die Anrechnung der Vorhaft, über den Verfall oder über privatrechtliche Ansprüche):
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
190,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10,00 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100,00 Euro);
0,00 Euro als Ersatz der Barauslagen für -
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 2090,00 Euro.“
2. Gegen die Fakten 2) und 3) dieses Straferkenntnisses hat der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde erhoben.
Diese ist von der belangten Behörde samt Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt worden. Diese war gemäß § 2 VwGVG durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter zu treffen.
Am 13. Juni 2016 ist eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung abgeführt worden, an der der Beschwerdeführer, sein Rechtsvertreter und eine Vertreterin der belangten Behörde teilgenommen haben.
3. Das Landesverwaltungsgericht hat im Hinblick auf die Sachverhalts- und Rechtslage Folgendes erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Fakten 2) und 3) des Straferkenntnisses richtet, sohin Faktum 1) in Rechtskraft erwachsen ist; damit erübrigt sich ein Eingehen auf diesen Tatvorwurf.
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer zu dem oben näher umschriebenen Zeitpunkt beim Passieren einer Bahnunterführung an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden beteiligt war, zumal es mit dem Fahrzeug eines entgegenkommenden Lenkers zu einer Streifung kam. Dabei wurden beide Fahrzeuge erheblich beschädigt. Während der Zweitbeteiligte unmittelbar danach anhielt und, nachdem er das Fahrzeug des Beschwerdeführers nicht mehr erblicken konnte, dann die Meldung bei der Polizei erstattete, entfernte sich der Beschwerdeführer mit seinem PKW ohne anzuhalten sogleich von der Unfallstelle und fuhr zu sich nach Hause. Von dort aus verständigt er dann die Polizei vom Verkehrsunfall, welche allerdings bereits durch den zweitbeteiligten Lenker hievon in Kenntnis war.
Nach der Aktenlage verging zwischen dem Verkehrsunfall und der telefonischen Meldung desselben durch den Beschwerdeführer ein Zeitraum von etwa zehn Minuten. Ein solcher Zeitraum mag nach der allgemeinen Lebenserfahrung als relativ kurz eingestuft werden, in rechtlicher Hinsicht kommt ihm aber eine andere Gewichtung zu.
Das in § 4 Abs. 1 lit.a StVO 1960 normierte Anhaltegebot verlangt von einem Fahrzeuglenker nach einem Verkehrsunfall das sofortige Anhalten. Damit ist natürlich eine weitere Fahrtdauer von einigen Minuten bis zum Wohnhaus eines Unfalllenkers nicht mehr als der erwähnten Bestimmung entsprechend anzusehen. Der Begriff „sofort“ ist also wörtlich zu nehmen in dem Sinne, dass das Anhalten gleich oder im nächsten Augenblick zu erfolgen hat. Selbst wenn man den Beschwerdeführer konzertiert, dass ein Anhalten in einer Bahnunterführung der Verkehrssicherheit abträglich sein könnte, hätte er jedenfalls dann einige Meter nach der Unterführung stehen bleiben müssen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dieser Frage eine restriktive Judikatur entwickelt, so wurde beispielsweise ein Anhalten in relativ geringer Entfernung, nämlich 40 Meter, nach dem Unfallsort schon nicht mehr als sofortiges Anhalten qualifiziert (VwGH 19.2.1982, 81/02/0267).
In diesem Sinne kann also bei der vom Beschwerdeführer gewählten Vorgangsweise, also gleich weiterzufahren bis zu seinem Wohnhaus, schon gar nicht mehr von einer Entsprechung dieser Bestimmung gesprochen werden.
Nicht nachzuvollziehen ist die Rechtfertigung des Beschwerdeführers hiefür, nämlich dass er um seine Sicherheit besorgt gewesen wäre, wenn er auf einer öffentlichen Verkehrsfläche in Attnang-Puchheim um etwa 22:00 Uhr sein Fahrzeug angehalten hätte. Auf die Mutmaßungen des Beschwerdeführers im Hinblick auf einen möglichen Angriff auf seine Person durch die Insassen des zweitbeteiligten Fahrzeuges soll hier mangels Relevanz nicht eingegangen werden. Maßstab hat hier generell der gesetzestreue Bürger zu sein und kann es nicht darauf ankommen, sich selbst von Verpflichtungen aufgrund jeglicher objektiver Grundlage entbehrender Besorgnisse um die eigene Person zu dispensieren.
Diese Ausführungen gelten im Großen und Ganzen auch im Hinblick auf die Übertretung gemäß § 4 Abs. 1 lit.c StVO 1960. Hier verwendet der Gesetzgeber zwar nicht das Wort sofort, sondern den Begriff „ohne unnötigen Aufschub“, im Ergebnis wird aber auch dieser Bestimmung dann nicht entsprochen, wenn man sich von der Unfallstelle entfernt, nach Hause fährt und etwa zehn Minuten nach dem Unfall dann die Polizei verständigt.
Der Verwaltungsgerichtshof konzertiert in seiner Judikatur einem beteiligten Unfalllenker vor der Meldung des Verkehrsunfalles lediglich, dass am Unfallort notwendige Absicherungsmaßnahmen durchgeführt werden verbunden mit einem allfälligen vergeblichen Versuch eines Identitätsnachweises (VwGH 12.11.1970, 1771/69). In diesem Sinne hat der Beschwerdeführer somit auch die Nichteinhaltung der gesetzlich geforderten Meldepflicht eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden zu vertreten.
Schließlich ist es auch keine rechtliche Kategorie, ob der Beschwerdeführer durch sein Zutun, nämlich in Form einer – verspäteten - Meldung, es den Polizeiorganen erst ermöglicht hat, ihn auszuforschen, was bei einem gänzlichen Unterbleiben der Meldung wohl nicht möglich gewesen wäre. Derartige retrospektive Erwägungen können an einer einmal gegebenen Sachverhaltslage nichts mehr ändern.
Auch kann es nicht darauf ankommen, ob eine gesetzliche Meldepflicht einzuhalten ist oder nicht, dass jemand ein Mobiltelefon bei sich hat. Ist dies nicht der Fall, muss sich der Fahrzeuglenker eben bemühen, auf eine andere Art und Weise die Polizeidienststelle vom Unfall zu verständigen.
4. Zur Strafbemessung:
Hier wird vorweg auf die Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis verwiesen.
Die von der belangten Behörde verhängten Geldstrafen in der Höhe von 200 Euro bzw. 100 Euro bewegen sich noch im unteren Bereich der jeweiligen Strafrahmen, die bis 2.180 Euro bzw. 726 Euro reichen. Sie können daher schon aus diesem Grund nicht als überhöht angesehen werden.
Der Schutzzweck des § 4 StVO 1960 besteht bekanntermaßen darin, zum einen die Ursachen des Unfalles möglichst umfänglich aufklären zu können, aber auch einem Geschädigten die Möglichkeit zu eröffnen, Kenntnis davon zu erlangen, mit wem er sich hinsichtlich der Schadensregulierung auseinanderzusetzen haben wird. Solche Übertretungen dürfen daher nicht als „Bagatelldelikte“ abgetan werden.
Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kam dem Beschwerdeführer nicht mehr zugute, Erschwerungsgründe lagen nicht vor.
Die belangte Behörde hat bei der Strafbemessung zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt, dass er letztendlich die Meldung des Verkehrsunfalles, wenn auch verspätet, doch durchgeführt hatte.
Auf seine persönlichen Verhältnisse war nicht weiter einzugehen, da der von der Behörde angenommenen Einkommenssituation, wie im Straferkenntnis dargelegt, nicht entgegengetreten wurde.
Zu II.
Die Entscheidung über den Verfahrenskostenbeitrag ist in den zitierten gesetzlichen Bestimmungen begründet.
Zu III.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. S c h ö n