LVwG-601237/20/FP
Linz, 21.06.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde von K M, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Nietzschestraße 33, 4021 Linz vom 4. Dezember 2015, GZ: VStV/915301275641/2015, wegen zweier Übertretungen der StVO, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungs-strafverfahren gem. § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Straferkenntnis vom 4. Dezember 2015 verhängte die belangte Behörde zwei Strafen in Höhe von 60 (I.) und 80 Euro (II.) über den Beschwerdeführer (Bf) und warf ihm vor, (I.) am Tattag um 11:33 Uhr sein KFZ auf der Autobahn A1 (StrKm 236.721) in Seewalchen gelenkt und die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 21 km/h überschritten zu haben.
(II.) Zudem sei der Bf zwischen 11.34 Uhr und 11:35 Uhr zwischen StrKm 237,7 und 240,5 in Seewalchen und Berg als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen x nicht so weit rechts gefahren, wie ihm das unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre. Der Bf habe ohne Grund den mittleren (zweiten) Fahrstreifen benutzt.
Die belangte Behörde begründete auf das wesentliche zusammengefasst dahingehend, dass die Messung mittels geeichten Messgerätes vorgenommen worden und durch die dienstliche Wahrnehmung des anzeigenden Organes der Straßenaufsicht, sowie das behördliche Ermittlungsverfahren eindeutig erwiesen sei.
Der Bf habe keine konkreten Anhaltspunkte im Hinblick auf eine Fehlerhaftigkeit der Messung vorgebracht, weshalb keine Ermittlungspflicht der Behörde ausgelöst worden sei.
Hinsichtlich des Vorwurfes nach § 7 Abs 1 StVO habe der Bf keine Äußerungen gegen die dienstliche Wahrnehmung getätigt.
Durch den schlüssigen und ausführlichen Inhalt der Anzeige gehe die belangte Behörde ohne Zweifel davon aus, dass der die zur Last gelegte Tat objektiv verwirklicht habe.
Im Hinblick auf die subjektive Tatseite habe der Bf kein Vorbringen erstattet. Erschwerend wirke eine Vorstrafe.
I.2. Gegen das am 26. Jänner 2016 zugestellte Straferkenntnis erhob der Bf mit ausführlichem Schreiben vom 31. Jänner 2016 rechtzeitig Beschwerde und brachte, neben allgemeinem Protest über die Amtshandlung, auf das für das ggst. Verfahren Wesentliche zusammengefasst, vor, er zweifle die richtige Handhabung der durchgeführten Messung an. Die vorab durchzuführende Zieleingangsmessung sowie Zielerfassungskontrolle sei dem Bf vorenthalten worden.
Er bestreite die ihm zur Last gelegten Taten weil eine taugliche Geschwindigkeitsmessung nicht vorliege. Weder der Nachweis einer ordnungsgemäßen Eichung, noch der Einhaltung der Bedienungsanleitung und der Verwendungsbestimmungen sei erbracht. Der Eichschein beziehe sich auf ein anderes Messgerät und sei er nicht unterzeichnet und damit ungültig.
Aus technischer Sicht sei eine Geschwindigkeitsmessung auf eine Entfernung von 463,1 m im schrägen Winkel nicht möglich. Die Zielerfassungskontrolle sei nicht den Vorschriften entsprechend durchgeführt worden.
Die Standortwahl des Polizeifahrzeuges sei für eine saubere und fehlerfreie Messung unzureichend. Die Messung vom Beifahrersitz und durch die Frontscheibe entspreche nicht den Herstellerbedienvorgaben und komme es zu groben Messpunktabweichungen weil aus dem abgestellten Pkw „in vermuteter Freihandbedienung“ gemessen worden sei. Eine Messung bei zeitweise zähflüssigem bzw. größerem Verkehrsaufkommen, gemessen vom Messstandort aus über 3 Fahrspuren und des vorhandenen Fahrbahngefälles sei daher nicht fehlerfrei erfolgt. Zur Messentfernung lag die Messung somit über der Toleranzgrenze. Es habe nachweislich ein erhöhtes Verkehrsaufkommen bestanden. Zur zweifelsfreien Messung liege kein Lichtbild bzw. Video-Nachweis vor. Nach dem Messprotokoll seien in nur 2 Minuten 7 Fahrzeuge gemessen worden, wofür pro Messung nur 17,14 Sekunden zur Verfügung gestanden seien. Allein aus dieser Mitteilung lasse sich klar nachvollziehbar erkennen, dass ein erhöhtes Verkehrsaufkommen Messzeitpunkt bestanden und eine ungehinderte Messung nicht erfolgen habe können. Die Messung sei nicht wie vom Hersteller vorgeschriebenen auf festem, nicht beweglichem Stand-Grund vorgenommen worden, sodass unter anderem Verwacklungen während der Messung nicht verhindert worden seien. Bis heute sei nicht bekannt gegeben wurden, wie genau die nach den Verwendungsbestimmungen des Herstellers vorgeschriebene Einmessung und Zielerfassungskontrolle durchgeführt worden sei, welcher Modus eingeschaltet worden sei. Die Aufklärung der Einmessung für die Herstellung der Einsatzbereitschaft fehle. Nachweise zum erhöhten Verkehrsaufkommen könnten den Salzburger Nachrichten entnommen werden. Dies bekräftige die Aussage des Bf, dass eine uneingeschränkte und nicht mit Behinderung erfolgte Geschwindigkeitsmessung der 3., innen-liegenden Fahrspur kaum Fehler frei möglich gewesen wäre, da die Sendungsverfolgung der Ultraschallmessung nur ohne Behinderung im gesamten Sendungsfeld erfolgen müsse, dies aber wegen des hohen Verkehrsaufkommens schwer möglich gewesen sei.
Zur Frage des erhöhten Verkehrsaufkommens beantragte der Bf die Einvernahme seiner Beifahrerin.
Nach allgemeinem, für das Verfahren irrelevantem, Protest über die Verfahrensführung und Wiederholung des bereits dargestellten Vorbringens, beantragte der Bf die Einholung eines Kfz-Sachverständigengutachtens.
Im Hinblick auf die vorgeworfene Übertretung gemäß § 7 Abs. 1 StVO brachte der Bf vor, dass bei dem erhöhten Verkehrsaufkommen auf dieser Autobahn-Teilstrecke nicht ohne zusätzliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und die Behinderung von vorgeschriebenen Sicherheitsabständen bei einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 130 km/h und der teilweisen Verwendung des Tempomats der mehrfache Spurwechsel ohne Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer nicht möglich gewesen wäre. Der Bf würde im Übrigen nicht bei Auffahren eines Polizeifahrzeuges durch grobe Falschhandlungen zusätzlich auf sich aufmerksam machen.
Schlüssige Ausführungen der Polizeibeamten bestünden keineswegs.
Es folgten Ausführungen in Bezug auf ein dem Bf im Straferkenntnis nicht vorgeworfenes Delikt (Nichtanzeige eines Fahrstreifenwechsels; Verdeckung Rückblickspiegel etc.).
Der Bf beantragte die Einstellung des Verfahrens
I.3. Mit Schreiben vom 8. Februar 2016 legte die belangte Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vor, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen. Das Verwaltungsgericht entscheidet durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsstrafakt und öffentliche mündliche Verhandlung am 23. Mai 2016 in der der Bf sein Vorbringen ausführlich wiederholte, die einschreitenden Polizeibeamten und die Lebensgefährtin des Bf als Zeugen vernommen wurden und ein KFZ-Sachverständigengutachten erstattet wurde.
II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher S A C H V E R H A L T steht fest:
Der Bf lenkte am 25. Juli 2015 gegen 11:30 Uhr seinen PKW BMW mit dem Kennzeichen x auf der Autobahn A1, zunächst im Gemeindegebiet von Seewalchen am Attersee, später im Gemeindegebiet von Berg im Attergau.
Bei StrKm 236.712 führten die Polizeibeamten BI S und GI M Lasermessungen durch. Auch der Bf wurde gemessen. (übereinstimmend vorgebrachter Sachverhalt)
Die Messung wurde von GI M vom Beifahrersitz aus durchgeführt. Die Beamten führen an der ggst. Stelle des Öfteren Lasermessungen durch. Die Vorbereitung der Messung erfolgte dahingehend, dass zunächst das Gerät eingeschaltet wurde und der auf der Laserpistole in der unteren Tastenreihe in der Mitte befindliche Knopf, welcher ein „Hakerl“ aufweist, gedrückt wurde um Pixel- oder sonstige Fehler des Displays auszuschließen. Durch ein weiteres Drücken der Taste wurde die Zielerfassungsmessung (umgedrehtes L) eingeleitet. Für die Zielerfassungsmessung verwendete der Zeuge eine aus dem Leitpflock herausgezogene Schneestange. Am ggst. Laserstandort wird immer die gleiche Schneestange zur Zielerfassungsmessung verwendet. Auch die Nullmessung wurde an dieser Schneestange vorgenommen. Die von den Beamten durchgeführte Messung des Bf ergab eine Geschwindigkeit von 156 km/h. (Zeuge M, Anzeige)
Eine Schneestange eignet sich nicht für die Null-Messung, weil ein flächiges Ziel zu verwenden ist (zB. Überkopfwegweiser, Verkehrszeichen). Es kann nicht festgestellt werden, ob die Null-Messung ein korrektes Ergebnis erbracht hat. (ASV)
Welche Geschwindigkeit der Bf tatsächlich eingehalten hat, kann nicht festgestellt werden. (ASV)
Nach der Messung folgten die Beamten dem Bf. (Zeuge S, Vorbringen Bf)
Die Autobahn ist am Messort zweispurig und wird bei etwa StrKm. 237,7 dreispurig. Der Bf fuhr ab StrKm. 237,7 bis StrKm 240,5 (2,8 km) auf der mittleren Fahrspur. (Zeugen, Bf)
Bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h wird eine Strecke von 2,8 km in 77,54 Sekunden durchfahren.
Der Wechsel auf den ersten Fahrstreifen wäre mehrmals möglich gewesen. Das Polizeifahrzeug wechselte mehrmals auf den ersten Fahrstreifen. Der Bf war auf dem zweiten Fahrstreifen das erste Fahrzeug. (Anzeige, Zeuge S)
Auf dem ersten Fahrstreifen fuhren mehrere Fahrzeuge. (Anzeige)
Es kann nicht festgestellt werden, ob auf dem ersten und zweiten Fahrstreifen (aufgelockerte) Fahrzeugreihen vorhanden waren, wieviele Fahrzeuge auf dem ersten Fahrstreifen fuhren und welchen Sicherheitsabstand und welche Geschwindigkeit diese Fahrzeuge einhielten. Es kann auch nicht festgestellt werden, wieviele Fahrzeuge sich hinter dem Bf befanden.
Der Bf verfügt über ein monatliches Einkommen von Euro 3000 brutto. (Bf)
III.3. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt und dem abgeführten Beweisverfahren, insbesondere den in Klammern angegebenen Beweismitteln.
Beide Polizeibeamten gaben in der Verhandlung an, sich nicht mehr an den konkreten Vorfall erinnern zu können. Der Zeuge S verwies diesbezüglich auf die Anzeige und gab in der Verhandlung wieder, was er sich seinerzeit notiert hatte.
Der Zeuge M gab in seiner Aussage an, dass der ggst. Ort oftmals für Messungen mit der Laserpistole herangezogen wird und für die Zielerfassungs- und Null-Messung der Laserpistole immer eine bestimmte Schneestange verwendet wird, die üblicherweise bereits aus dem Leitpflock herausgezogen ist (Leitpflock mit integrierter Schneestange). Mangels konkreter Erinnerung des Zeugen geht das Gericht davon aus, dass auch im vorliegenden Fall so vorgegangen wurde. An der Richtigkeit der Angaben der beiden Polizeibeamten hegt das Gericht keinerlei Zweifel. Die Beamten wirkten glaubwürdig und gaben unumwunden an, keine Erinnerung mehr an den konkreten Vorfall zu haben.
Gemäß den Ausführungen des technischen ASV eignet sich ein Pflock nicht für die Durchführung der Nullmessung. Demgemäß bestehen Zweifel an der Richtigkeit des Messergebnisses und kann die vom Bf eingehaltene Fahrgeschwindigkeit nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.
Im Hinblick auf den Verstoß gegen § 7 Abs 1 StVO ergeben sich aus der Anzeige folgende relevanten Sachverhaltselemente:
- der Bf war das erste Fahrzeug auf dem linken Fahrstreifen.
- es herrschte mittleres Verkehrsaufkommen vor.
- der Bf benützte über eine Strecke von 2,8 Kilometern den mittleren Fahrstreifen
- es war mehrmals ein Wechsel auf den rechten (ersten) Fahrstreifen möglich.
- am gesamten Kematinger Berg sind einzelne Fahrzeuge überholt worden.
Der Bf und die Zeugin L, die vor Gericht einen ehrlichen und glaubwürdigen Eindruck machte, gaben an, dass starkes Verkehrsaufkommen vorherrschte.
Ausreichend konkrete Feststellungen zum tatsächlichen Verkehrsaufkommen ließen dabei weder aus den Angaben des Meldungslegers, noch des Bf und der Zeugin ableiten. Die Attribute gering, mittel und stark hängen in hohem Maße von der subjektiven Empfindung der wahrnehmenden Person ab und lassen keine konkrete Feststellung zulassen. Insbesondere lässt sich daraus, dass mittleres Verkehrsaufkommen vorlag, nicht den vom Zeugen in der Verhandlung gezogenen Rückschluss zu, dass keine Kolonnenbildung vorlag, weil nach der Judikatur des VwGH Fahrzeugreihen nicht eng geschlossen sein müssen, sondern diese auch aufgelockert sein können (VwGH v. 13. April 1984, 83/02/0377), sodass durchaus auch bei geringem oder mittlerem Verkehrsaufkommen Fahrzeugreihen vorliegen können, die ggf. überholt werden dürfen oder neben denen gefahren werden darf.
Die erfolgreiche Anlastung eines Verstoßes nach § 7 Abs 1 StVO erfordert insofern auch die Beachtung des § 7 Abs 3 leg. cit. und der Frage, ob ein zulässiges Überholen vorlag und der Betroffene deshalb ggf. nicht verbunden war (Zumutbarkeit im Hinblick auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs iSd § 7 Abs 1 StVO) wieder auf den ersten Fahrstreifen zu wechseln, nachdem er einzelne Fahrzeuge überholt hat.
Um derlei Feststellungen, insbesondere im Hinblick auf die Zumutbarkeit treffen zu können, kommt es nicht alleine darauf an, ob ein Wechsel auf den ersten Fahrstreifen möglich war, sondern sind Behörde und Verwaltungsgericht, gerade bei einer derart kurzen Strecke (78 Sekunden Durchfahrtszeit) verbunden, konkrete Feststellungen zu treffen, die es ermöglichen, etwa die Rechtsbegriffe „zumutbar“ und „Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs“ zu beurteilen. Es zeigt sich dies deutlich im vorliegenden Verfahren in welchem genau diese Frage Hauptthema ist. Der Bf meint, die Situation habe (noch) keinen Fahrstreifenwechsel nach rechts erfordert, die Behörde geht vom Gegenteil aus. Im Hinblick auf die Zumutbarkeit wird es dabei etwa darauf ankommen, wie die konkrete Verkehrssituation auf dem ersten Fahrstreifen aussah, etwa ob dort eine Fahrzeugreihe vorhanden war, wie viele Fahrzeuge vorhanden waren und mit welcher Geschwindigkeit sie sich fortbewegten. So kann ein Wechsel auf den ersten Fahrstreifen durchaus möglich sein, muss aber im Hinblick auf die Leichtigkeit und die Flüssigkeit des Verkehrs noch nicht zumutbar oder geboten sei, bspw. wenn sich auf dem ersten Fahrstreifen Fahrzeuge befinden, die sich mit geringer Geschwindigkeit (etwa LKW) fortbewegen. In einem solchen Fall wird das Sich-Einreihen zwischen langsam fahrende Fahrzeuge, etwa wenn man selbst mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit fährt, kaum zumutbar und sinnvoll (Gefährdung, Behinderung, Belästigung) sein. Auf die Frage, ob der Bf das erste Fahrzeug auf dem zweiten Fahrstreifen war, kann es nicht ankommen, zumal auch der Erste Teil einer Fahrzeugreihe ist.
Die Feststellung diesbezüglicher Umstände ist im Hinblick auf § 7 Abs 3 StVO bzw. die Frage des Überholens also von imminenter Bedeutung (siehe dazu die rechtliche Beurteilung).
Die oben dargestellten Beweisergebnisse reichen nicht aus, die notwendigen Feststellungen zu treffen. Die vorweggenommene rechtliche Beurteilung, es habe ein Überholen stattgefunden (Anzeige) bzw. habe kein Kolonnenverkehr vorgeherrscht, ersetzt nicht das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltssubstrates zumal die Subsumtion von Behörde oder Gericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung vorzunehmen ist. Allgemeine Aussagen über die Frage des Verkehrsaufkommen, also etwa ob leichtes, mittleres oder starkes vorlag, ja selbst der Umstand, dass nur vereinzelt Fahrzeuge (wo, mit welcher Geschwindigkeit, etc. ?) vorhanden waren, vermag angesichts der Allgemeinheit dieser Aussagen eine zulasten des Bf gehende Feststellung (Beweislast auf Seiten der Behörde bzw. des Gerichtes) nicht zu tragen.
Neben den in der Verhandlung aufgrund von persönlichen Aufzeichnungen bekräftigten Angaben der Anzeige liegen keine Beweisergebnisse vor. Die vorliegenden reichen nicht hin.
Der vom Zeugen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung gezogene Schluss, dass kein Kolonnenverkehr (sohin kein starkes Verkehrsaufkommen) vorherrschte, lässt sich nach Ansicht des Gerichtes aufgrund der vorliegenden Notiz „mittleres Verkehrsaufkommen“ in dieser Pauschalität nicht ziehen, zumal eine Fahrzeugreihe auch bei geringerem Verkehrsaufkommen vorliegen kann (Es ist dies nicht nur eine Frage der Menge/Anzahl von Fahrzeugen sondern auch eine der Frequenz an einer bestimmten Stelle). Die Frage, wie oft und in welchen zeitlichen Abständen ein Wechsel auf den rechten Fahrstreifen möglich war, ist offen. Aufgrund des mehrfachen Fahrstreifenwechsels durch die Polizei innerhalb einer Durchfahrtszeit von ca. 78 Sekunden (ASV, TB - Protokoll S. 5) erscheint jedenfalls offensichtlich, dass mehrere Fahrzeuge auf dem ersten Fahrstreifen vorhanden gewesen sein müssen. Eine Beurteilung, ob dem Bf diese zumutbar waren, oder der Bf § 7 Abs 3 leg. cit. in Anspruch nehmen durfte, lässt sich jedoch nicht gesichert treffen.
Aufgrund des eingeschränkt vorhandenen Tatsachensubstrates, das sich im Ergebnis in der Interpretation der verschiedenen Beteiligten zum allgemeinen Verkehrsaufkommen und zur Möglichkeit eines Fahrstreifenwechsels erschöpft, ist es dem Gericht ohne weitere Beweisquellen, die nach der Aktenlage nicht ersichtlich sind, nicht möglich, mit der im Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit die notwendigen Tatsachenfeststellungen einseitig zu Lasten des Bf zu treffen.
III. Rechtliche Beurteilung
III.1. Gemäß § 20 Abs. 2 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt.
Gemäß § 7 Abs 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.
Gemäß § 7 Abs 2 StVO darf der Lenker eines Kraftfahrzeuges auf Straßen mit wenigstens zwei Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung, wenn es die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, neben einem anderen Fahrzeug fahren. Er darf hiebei, außer auf Einbahnstraßen, die Fahrbahnmitte nicht überfahren. Die Lenker nebeneinander fahrender Fahrzeuge dürfen beim Wechsel des Fahrstreifens den übrigen Verkehr weder gefährden noch behindern.
Gemäß § 15 Abs 1 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges außer in den Fällen der Abs. 2 und 2a nur links überholen.
III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
III.2.1. Im Hinblick auf Spruchpunkt I. des bekämpften Straferkenntnisses hat sich ergeben, dass aufgrund einer Null-Messung, die an einem für diese ungeeigneten Medium vorgenommen wurde, eine Feststellung der maßgeblichen Fahrgeschwindigkeit des Bf nicht erfolgen kann, weshalb ein Nachweis, dass der Bf gegen § 20 Abs 2 StVO verstoßen hat, schon auf Sachverhaltsebene nicht geführt werden kann.
Das Verwaltungsstrafverfahren ist daher iSd Grundsatzes „in dubio pro reo“ gem. § 45 Abs 1 Z 1 VStG zur Einstellung zu bringen.
III.2.2. Im Hinblick auf Punkt II. des Strafverfahrens ist nachstehendes auszuführen:
§ 7 Abs 1 und 3 StVO stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Dies insofern, als Abs 1 leg. cit. dem Grunde nach gebietet, so weit rechts zu fahren, wie möglich, also auf Autobahnen, sofern dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist, den ersten Fahrstreifen zu benutzen. Schon Abs 1 schränkt die Pflicht daher ein und erfordert positive Feststellungen, dass ein Rechtsfahren nach den genannten Kriterien möglich und zumutbar war. Die Feststellung, dass ein Fahren auf dem ersten Fahrstreifen an sich möglich war, konnte im vorliegenden Fall aufgrund der unbedenklichen Angaben des Meldungslegers in der Anzeige getroffen werden.
Abs 3 leg. cit. sieht im Ergebnis eine Ausnahme von diesem Grundprinzip vor. Er erlaubt ein Nebeneinanderfahren, wenn die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs dies erfordert. Zudem ist eine Abklärung dahingehend zu treffen, ob nicht ein zulässiges Überholden stattfand.
Wenn der Bf vorbringt, dass er nach seiner Wahrnehmung nicht nach rechts fahren konnte bzw. es nichts gebracht hätte und er vorausschauend fuhr, macht er im Ergebnis geltend, dass ihm ein Wechseln auf den rechten Fahrstreifen nicht zumutbar war bzw. die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs ein Nebeneinanderfahren erforderte bzw. er überholt hat.
Um von einer Strafbarkeit wegen eines Verstoßes gegen § 7 Abs 1 StVO ausgehen zu können ist es also erforderlich, konkrete Feststellungen dazu treffen zu können, dass der Bf nicht erlaubtermaßen ein Überholmanöver durchgeführt hat bzw. es dem Bf gemäß § 7 Abs 3 leg. cit. nicht erlaubt war, den 2. Fahrstreifen zu benutzen, weil die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs dies erforderte, also im Ergebnis, ob Fahrzeugreihen in bestimmter Konfiguration vorhanden waren oder ob der Bf überholen durfte. Fahrzeugreihen liegen nach der Judikatur des VwGH schon dann vor, wenn mindestens drei Fahrzeuge auf einem Fahrstreifen hintereinander fahren. Dabei muss es sich nicht um eng geschlossene Fahrzeugreihen handeln, sondern können diese auch aufgelockert sein (VwGH v. 13. April 1984, 83/02/0377). Gerade auf Autobahnen liegt aufgrund der hohen Fahrgeschwindigkeiten und der dadurch erforderlichen Mindestabstände (ca. 70 m bei 130 km/h, 50 m Mindestabstand bei LKW) bei Vorhandensein mehrerer Fahrzeuge (mind. 3) auf einem Fahrstreifen oftmals eine aufgelockerte Fahrzeugreihe vor, die einen Wechsel auf den rechten Fahrstreifen dem Grunde nach möglich macht. Es bedeutet dies aber nicht, dass ein Nebeneinanderfahren nicht dennoch erlaubt ist. Ein Wechsel auf den rechten Fahrstreifen hat etwa zu unterbleiben, wenn andere Verkehrsteilnehmer durch Verkürzung ihres Sicherheitsabstandes durch das Einordnen behindert werden können (Notwendigkeit des Bremsens zur Vergrößerung des Sicherheitsabstandes). Insofern ist nicht ausgeschlossen, dass auch bei mittlerem Verkehrsaufkommen eine (aufgelockerte) Fahrzeugreihe vorhanden ist, die das Nebeneinanderfahren gem. Abs 3 leg. cit. oder ein Überholen der gesamten Reihe erlauben würde.
Die Bestimmungen des § 7 Abs 1 und 3 StVO und die Regeln zum Überholen bilden ein bewegliches System, das Bezug auf die konkreten Bedingungen nimmt, die es erfordern, dass der Lenker vor Ort die entsprechende Entscheidung trifft, ob er einen Fahrstreifenwechsel nach rechts vornehmen oder auf dem nicht ganz rechts liegenden Fahrstreifen verbleiben soll. Außerdem muss ausgeschlossen werden können, dass der Betroffene nicht einen erlaubten Überholvorgang durchgeführt hat.
(Nach einem Überholmanöver) einordnen hätte sich der Bf müssen, wenn ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar gewesen wäre und er nicht sich selbst oder andere gefährdet, behindert oder belästigt hätte (etc.) (§7 Abs 1 leg. cit).
Nur ein diesbezügliches entsprechend substantiiertes und detailliertes Sachverhaltssubstrat erlaubt dem Gericht eine fundierte Nachprüfung und Subsumtion unter die genannten Regeln. Insbesondere müssen Feststellungen zur Möglichkeit und Zumutbarkeit des Fahrstreifenwechsels, zum Verkehrsaufkommen auf allen vorhandenen Fahrspuren und zur Frage, ob der Betroffene ein oder mehrere Fahrzeuge überholt hat, getroffen werden. Diese Feststellung konnten im gegenständlichen Fall mangels konkreter Beweisergebnisse nicht getroffen werden. Die vorhandenen allgemein gehaltenen Informationen reichen nicht hin.
Im Ergebnis konnte das Gericht daher auch im Hinblick auf Punkt II. des bekämpften Straferkenntnisses nicht jene Feststellungen treffen, die für eine erfolgreiche Anlastung erforderlich sind, sodass dem Bf ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot auf Sachverhaltsebene nicht nachgewiesen werden kann und das Strafverfahren im Zweifel zugunsten des Bf einzustellen ist.
III.3. Bei diesem Ergebnis waren dem Bf keine Verfahrenskosten aufzuerlegen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde und der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
P o h l