LVwG-300153/2/MK

Linz, 14.03.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Markus Kitzberger über den Antrag des Herrn X, vertreten durch X, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 VwGVG den

A.              B e s c h l u s s

gefasst:

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG mit der Feststellung zurückgewiesen, dass in Ermangelung einer wirksamen Zustellung keine Frist versäumt wurde.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, und

B. in der Folge über die Beschwerde des Herrn X, vertreten durch X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 04.03.2013, GZ: 0020501/2012, wegen einer Übertretung des ASVG

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG iVm § 45 Abs.1 Z4 VStG wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als hinsichtlich der vorgeworfenen Veraltungsübertretung von der Fortführung des Strafverfahrens abgesehen und eine Ermahnung erteilt wird.

II.       Der Beschwerdeführer hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

Zu A.: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

 

 

I.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 04.12.2012, GZ. 0052445/2011, wurde über Herrn X (in der Folge: Bf), eine Geldstrafe in der Höhe von 2.500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Beitrag zu den Verfahrenskosten in der Höhe von 250,- Euro vorgeschrieben.

 

Am 11.12.2012 erfolgte ein Zustellversuch an der oben angeführten Abgabestelle des Bf. Da dieser nicht angetroffen wurde, hinterließ der Zusteller im Briefkasten eine Verständigung von der Hinterlegung. Das Poststück wurde ab 12.12.2012 beim Postamt 4053 über einen Zeitraum von zwei Wochen zur Abholung bereitgehalten. Diese Frist verstrich fruchtlos.

Die Abgabestelle wurde vom Bf  nach eigenen Angaben bis unmittelbar vor diesem Zustellvorgang am Dienstag, dem 11.12.2012 –  genau bis zum Freitag, dem 07.12.2012 – als Wohnsitz regelmäßig benutzt. Zustellungen an den Bf konnten bis zu diesem Zeitpunkt offenkundig auch einwandfrei vorgenommen werden.

 

I.2. Mit Schriftsatz vom 09.01.2013 stellte der Bf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und brachte begründend vor, dass über das Vermögen der Baufirma des Bf, deren geschäftsführender Gesellschafter er gewesen sei, am 29.10.2012 das Insolvenzverfahren eingeleitet worden und der Betrieb per 06.12.2012 saisonal geschlossen worden sei. Aus diesem Grund sei er mit seiner Gattin und seinem neugeborenen Sohn bereits am 07.12.2012 in den Kosovo gefahren, um – insbesondere für seinen Sohn – Reisedokumente machen zu lassen. Die entsprechenden Passkopien würden dies belegen. Der Bf sei erst am 01.01.2013 wieder nach Österreich zurückgekehrt, was durch einen Einreisestempel in seinem Reisepass belegt werden könne. Darüber hinaus würden vom Bf und seiner Gattin eidesstattliche Erklärungen zum vorgebrachten Sachverhalt vorgelegt.

 

Die Zustellung durch Hinterlegung sei daher wegen Ortsabwesenheit unwirksam. Der Bf habe erst im Jänner das Straferkenntnis von der Post abgeholt. Erst zu diesem Zeitpunkt sei die Zustellung fristauslösend bewirkt worden, weshalb die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (unter gleichzeitiger, rechtzeitiger Einbringung eines begründeten Berufungsantrages) beantragt würde.

 

I.3 Der oben dargestellt Sachverhalt steht, was die wesentlichen Entscheidungskriterien betrifft, fest. Alleine der genaue Zeitpunkt der Ausreise ergibt sich „nur“ aus den Angaben des Bf, wenngleich auch in diesem Zusammenhang – insbesondere auf Grund der vorgelegten Unterlagen (Reisedokumenten bzw. der für deren Beantragung und Erstellung nötige Zeitaufwand) – davon auszugehen ist, dass die Ausreise tatsächlich vor dem 11.12.2012, also vor dem Zustellversuch, erfolgte.

 

 

II. Für die Beurteilung der hier relevanten Rechtsfragen sind insbesondere nachstehende Bestimmungen zu berücksichtigen:

 

II.1. In der Sache:

 

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

 

In § 17 Abs.3 ZustG wird bestimmt, dass das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten ist. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter iSd § 13 Abs.3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

 

II.2. Verfahren vor dem Verwaltungsgericht:

 

Gemäß § 24 Abs.4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I. 33/2013, kann das Verwaltungsgericht, sofern durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrages von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art.6 Abs.1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

 

Nach § 28 Abs.1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

 

III. Das Oö. Verwaltungsgericht hat erwogen:

 

III.1. Das Zustellorgan musste insbesondere deshalb keine Zweifel am regelmäßigen Aufenthalt des Empfängers an der Abgabestelle iSd § 17 Abs.1 Zustellgesetz (ZustG) haben, da sich der Bf bis wenige Tage vor Beginn seiner länger andauernden Abwesenheit auch tatsächlich regelmäßig an dieser Abgabestelle aufgehalten hat und diese (vorhersehbare bzw. beabsichtigte) länger andauernde Abwesenheit (trotz Kenntnis des gegen ihn anhängigen Verfahrens) nicht bekannt gegeben hat. Die Hinterlegung war daher grundsätzlich zulässig.

 

Sie blieb aber unwirksam, weil der Empfänger während der gesamten Abholfrist (vorübergehend) ortsabwesend iSd § 17 Abs.3, letzter Satz, erster Halbsatz ZustG war und somit auch die Heilung innerhalb der Abholfrist iSd § 17 Abs.3, letzter Satz, zweiter Halbsatz leg.cit nicht eintreten konnte. Eine Zustellfiktion war daher ausgeschlossen bzw. wurde schlüssig widerlegt.

 

Das Straferkenntnis wurde – ein exakter Zeitpunkt ist nicht bekannt, aufgrund der vorliegenden chronologischen Konstellation aber auch entbehrlich – erst nach dem 01.01.2013 behoben und damit zugestellt. Durch die Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages samt Berufung am 09.01.2013 ist jedenfalls von einem fristgerechten Rechtsmittelantrag auszugehen.

 

III.2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da iSd der oben angeführten Verfahrensbestimmung keine weiteren entscheidungsrelevanten Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, sondern ausschließlich Rechtsfragen zu beantworten waren.

 

 

IV. Im Ergebnis hat der Bf eine Frist dadurch versäumt, dass er von einer Zustellung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangte. Im Grunde der Bestimmung des § 33 Abs.1 VwGVG war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher stattzugeben.

 

 

V. Unzulässig der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

Zu B.: Beschwerdevorbringen:

 

 

I.1. Mit Straferkenntnis vom 04.03.2013 wurde über Herrn X, (in der Folge: Bf) als handelsrechtlicher Geschäftsführer der X, wegen einer Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) in vier Fällen eine Geldstrafe in der Höhe von je 2.500 Euro (gesamt 10.000 Euro), für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von je 17 Stunden (gesamt 68 Stunden), verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 1.000 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

„I.     Tatbeschreibung:

 

Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma X, welche für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht keinen Bevollmächtigten bestellt hat und somit als nach § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher, folgende Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu verantworten:

 

Die oa. Firma hat als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG, ab 31.08.2011, 07:00 Uhr, Hrn. X, als pflichtversicherter Dienstnehmer, in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt Euro 1.600,00, ausgehend vom Firmensitz, auf der Baustelle „Musikheim" in X, als Eisenbieger beschäftigt.

 

Der in Rede stehende Beschäftige war der Firma organisatorisch sowie hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit maßgeblich unterworfen. Auch bestand eine persönliche Arbeitsverpflichtung und Weisungsgebundenheit.

 

Obwohl dieser Dienstnehmer nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen und daher in der Kranken- Unfall- und Pensionsversicherung vollversichert ist, wurde hierüber eine, zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete, Meldung, bei der OÖ. Gebietskrankenkasse, 4020 Linz, Gruberstraße 77, als zuständiger Sozialversicherungsträger, nicht rechtzeitig vor Aufnahme der Tätigkeit, erstattet. Die Anmeldung erfolgte lt. ELDA-Protokoll am 31.08.2011 um 11:12:32 Uhr.

 

Die gegenständliche Firma hat somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen.

 

II.       Verletzte Verwaltungsvorschriften in der jeweils gültigen Fassung:

§ 33/1 und 1a iVm § 111 ASVG.“

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der angezeigte Sachverhalt anlässlich einer Kontrolle am 11.10.2011 von einem Organ des Finanzamtes Salzburg-Land festgestellt worden sei.

 

In einer für den Bf abgegebenen rechtfertigenden Stellungnahme des Steuerberaters des Bf sei ausgeführt worden, dass auf Grund von kurzfristigem Termindruck im Zusammenhang mit der Fertigstellung einer Baustelle der für 01.09.2011 vereinbarte Arbeitsbeginn des zu versichernden Arbeitnehmers einvernehmlich auf 31.08.2011 vorverlegt worden sei. Der Bf bzw. die Sekretärin seiner Frau hätte diesen Umstand am späten Nachmittag des 30.08.2011 der Steuerberatungskanzlei mitgeteilt.

Dort sei diese Information von der Vertretung der zu diesem Zeitpunkt auf Urlaub befindlichen Sekretärin (die deren sachliche Dringlichkeit aber nicht wahrgenommen hätte) entgegengenommen worden. Da sich zudem der Personalverrechner in Krankenstand befunden hätte, sei an diesem Nachmittag kein Mitarbeiter der Kanzlei mehr anwesend gewesen, der die Anmeldung umgehend hätte vornehmen können. Die Information sei von der Vertretung der Sekretärin in Form einer Notiz an den Vertreter des Personalverrechners weitergeleitet worden.

Dabei sei leider nicht berücksichtigt worden, dass dieser am 31.08.2011 um 08.40 h einen Termin im Krankenhaus der Elisabethinen wahrzunehmen gehabt hätte. Die Anmeldung sei schließlich unmittelbar nach dessen Rückkehr in die Kanzlei erfolgt.

Die Übertretung des ASVG sei daher nicht im Verantwortungsbereich des Bf sondern vielmehr in einer Verkettung unglücklicher Umstände in seiner Steuerberatungskanzlei gelegen.

 

Der Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung sei daher in objektiver Hinsicht erfüllt.

 

In subjektiver Hinsicht sei auszuführen, dass – in Ermangelung einer speziellen Regelung im anzuwendenden Materiengesetz – im gegenständlichen Verfahren die Verschuldensvermutung des § 5 VStG anzuwenden ist, wonach bei der Begehung eines (wie hier vorliegenden) Ungehorsamsdeliktes Fahrlässigkeit anzunehmen sei, wenn es dem Täter nicht gelinge glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.

Die sei insbesondere deshalb nicht gelungen, weil eine Übertragung der Verpflichtungen nach dem ASVG (hier: Meldepflicht) iSd § 35 Abs.3 ASVG nicht vorliege und auch nicht vorgebracht worden sei. Die Mitarbeiter der Steuerberatungskanzlei seien dem Bf daher zuzurechnen, die Verantwortung bleibe bei ihm.

 

Die Verwaltungsübertretung sei daher auch hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbestandsmäßigkeit als erwiesen anzusehen, die verhängte Strafe unter Berücksichtigung der individuellen Strafzumessungsüberlegungen als tat- und schuldangemessen zu bezeichnen.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bf innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Berufung (nunmehr: Beschwerde) eingebracht und darin im Wesentlichen ausgeführt, wie folgt:

 

Infolge der Firmeninsolvenz sei das der Strafbemessung zugrunde gelegte Nettoeinkommen von 3.000 Euro viel zu hoch angesetzt. Dieses liege bei maximal 1.000 Euro, wobei Sorgepflichten für die Ehefrau und ein Kind sowie private Verbindlichkeiten zu berücksichtigen wären. Der Bf sei zudem unbescholten und – da der Sachverhalt an sich nicht bestritten würde – geständig, weshalb die verhängte Strafe zu reduzieren sei.

 

Wie bereits in der Rechtfertigung angegeben, liege die Ursache für die um lediglich ca. 4 ½ Stunden verspätete Anmeldung in einer Verkettung unglücklicher Umstände, die allerdings dem Bf nicht vorzuwerfen wären, sondern im Bereich der Steuerberatungskanzlei, und damit eines ausgewiesenen Professionisten, gelegen wären, auf den sich der Bf im Normalfall ausnahmslos verlassen könne. Die Dringlichkeit der zeitgerechten Meldung des Bf an die Steuerberatungskanzlei sei iSe „entschuldbaren Fehlleistung“ nicht erkannt worden. Diesbezüglich liege auch kein Auswahl- oder Überwachungsverschulden vor.

 

Darüber hinaus sei der betreffende Arbeitnehmer zur Gänze entlohnt und wären sämtliche Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden.

 

Der Unrechtsgehalt liege in der (kategorischen) Nichtanmeldung von Arbeitnehmern. Dies habe aber im gegenständlichen Fall nicht vorgelegen, weshalb diesbezüglich auch der Freibeweis gemäß § 5 VStG gelungen sei.

 

Es würde daher die Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Erteilung einer Ermahnung, in eventu die Herabsetzung der Verhängten Strafe auf ein tat- und schuldangemessenens Ausmaß sowie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

II. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Der oben ausgeführte Sachverhalt steht unbestritten fest.

 

 

III. Für die Beurteilung der hier relevanten Rechtsfragen sind insbesondere nachstehende Bestimmungen zu berücksichtigen:

 

III.1 In der Sache:

 

Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 111 Abs.1 handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach
§ 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.         Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.         Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.         Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.         gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Nach Abs.2 dieser Bestimmung ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

·                mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

·                bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.

Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

 

 

III.2. Verwaltungsstrafrecht:

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z4 VStG (als Nachfolgebestimmung des § 21 leg.cit.) hat die Behörde von der … Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn … 4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Ziffer 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

III.3. Verfahren vor dem Verwaltungsgericht:

 

Gemäß § 24 Abs.4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I. 33/2013, kann das Verwaltungsgericht, sofern durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrages von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art.6 Abs.1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

 

Nach § 28 Abs.1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

 

IV. Das Oö. Verwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1. Der im Strafantrag des Finanzamtes Salzburg-Land formulierte und dem angefochtenen Straferkenntnis zugrundeliegende objektive Tatvorwurf basiert auf den Feststellungen anlässlich einer Kontrolle der Finanzbehörde am 11.10.2011, beinahe sechs Wochen nach der Anmeldung des Beschäftigten. Durch diese Kontrolle wurde somit kein „aktueller“ Missstand aufgedeckt.

 

Zur objektiven Tatseite ist zudem festzuhalten, dass es auf der Grundlage des unmittelbaren Verhaltens des Bf, das hiebei insbesondere in der Veranlassung der Anmeldung am 30.08.2011 – also einen Tag vor dem beabsichtigten Arbeitsbeginn – zu sehen ist, zu keiner Übertretung der Anmeldebestimmungen des ASVG kommen muss und im Normalfall auch nicht kommt. Im Übrigen ist das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses unstrittig. Da also lediglich Rechtsfragen zu klären waren, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

 

Ebenso unbestritten ist es aber auch, dass die Steuerberatungskanzlei bzw. deren Mitarbeiter dem Bf iSv Erfüllungsgehilfen zuzurechnen sind und es durch deren Handlungsweise objektiv zu einer verspäteten und damit strafbaren Anmeldung gekommen ist.

 

IV.2. Zur subjektiven Tatseite ist aber – unabhängig von den nachfolgenden Ausführungen zu § 5 VStG – festzuhalten, dass aus dem Verhalten des Bf bzw. seiner Mitarbeiter eindeutig zu schließen ist, dass keine Verletzung der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen beabsichtigt  war oder von vorn herein in Kauf genommen werden sollte, sondern im Gegenteil deren Einhaltung angestrebt war. Die Steuerberatungskanzlei wurde nachweislich verständigt und um entsprechende Veranlassung ersucht. Dies erfolgte zwar am späteren Nachmittag des letzten Tages vor dem geplanten Beschäftigungsbeginn, auf Grund der Online-Anmeldemöglichkeit rund um die Uhr aber jedenfalls so rechtzeitig, dass an einer tatsächlichen Durchführung der Anmeldung nicht gezweifelt werden musste. Im Gegenteil durfte der Bf zu diesem Zeitpunkt sogar darauf vertrauen, da ihm die Erfüllung seines Anliegens von einer Ansprechpartnerin mit voraussetzbarer Fachkompetenz zugesagt wurde.

 

In diesem Zusammenhang kommt aber dem Umstand, dass sich der Bf zwar eines Professionisten bediente, diesen aber nicht zum verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 VStG bestellte, entscheidende Bedeutung zu. Dies deshalb, weil die oben bereits erwähnte Verschuldensvermutung des § 5 VStG nun zu Lasten des Bf zum Tragen kommt und dieser glaubhaft zu machen hat, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Mit anderen Worten hat er ein wirksames Kontrollsystem nachzuweisen.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes haftet der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche im Zusammenhang mit der Begehung eines Ungehorsamsdeliktes auch für das Handeln anderer (ihm zuzurechnender) Personen, wenn es ihm nicht gelingt glaubhaft zu machen, dass er im Betrieb ein wirksames Kontrollsystem eingerichtet hat, sodass er unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten konnte. Nur ein solches, durch den Beschuldigten eingerichtetes Kontrollsystem hat daher exkulpierende Wirkung. Ein solches liegt aber nur dann vor, wenn dadurch die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen im Betrieb jederzeit sichergestellt werden kann (vgl. VwGH 24.07.2012, 2009/03/0141 mwN).

 

Aus den Angaben des Bw selbst ist dazu jedoch zu entnehmen, dass nicht nur kein wirksames Kontrollsystem eingerichtet war, sondern überhaupt keines. Der Bf hat seiner Steuerberatungskanzlei (einfach) vertraut und angenommen, dass diese gesetzmäßig vorgehen werde. Eben dies ist aber nicht geschehen und dieser Umstand musste, da keine Kontrolle installiert war, für den Bf unbemerkt bleiben. Ohne dass es Aufgabe des erkennenden Verwaltungsgerichtes wäre, sich näher mit den Anforderungen eines derartigen Kontrollsystems auseinanderzusetzen, ist doch festzuhalten, dass es leicht möglich gewesen wäre, sich bezüglich der tatsächlich erfolgten Anmeldung vor Arbeitsantritt zu vergewissern. Dies hätte etwa durch die Anforderung eines Rückrufs nach Auftragserfüllung oder durch – jederzeit online mögliche – Einsichtnahme in die Anmeldedatei des Sozialversicherungsträgers (elektronische Datenauskunft) erfolgen können.

 

Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde ist somit der „Freibeweis“ im Hinblick auf das Verschulden nicht gelungen, also auch die subjektive Tatseite in Form von fahrlässiger Begehung erfüllt.

 

IV.3. Einer eingehenderen Betrachtung als im angefochtenen Straferkenntnis ist aber in jedem Fall die Verhängung einer Strafe an sich bzw. deren Bemessung zu unterziehen.

 

Das vorwerfbare Verhalten reduziert sich auf der Grundlage des zweifelsfrei festgestellten Sachverhalt auf das sich Nichtvergewissern der Durchführung der Anmeldung vor Arbeitsantritt am 31.08.2011 um 07.00 h. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass eine derart penible Kontrolle im Fall der Beiziehung qualifizierter Erfüllungsgehilfen in der Praxis wohl nicht als maßstabgebender Standard angenommen werden kann, ist dieses Versäumnis eher im Bereich der Verletzung einer (abstrakt aber bestehenden) Obliegenheit anzusiedeln, da ein, und sei es auch nur bedingter, Wille zur Verletzung oder Missachtung der Schutzinteressen des Sozialversicherungsrechts dokumentierter Weise nicht vorlag. Das im hier vorliegenden Fall beeinträchtigte Rechtsgut ist demnach nicht in der Umgehung oder Vermeidung der Anmeldung bzw. der Herstellung des sozialversicherungsrechtlichen Individualschutzes zu sehen, sondern in der Verletzung einer per se mit deutlich geringerem Unrechtsgehalt behafteten Kontrollaufgabe.

 

In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass die Anmeldung letztlich mit einer geringfügig über vier Stunden liegenden Verzögerung, aber dennoch mit Wirkung für den 31.08.2011 erfolgte und sämtliche entgelts- und Beitragspflichten für diesen Tag auch erfüllt wurden. Es ist daher auch die Intensität der Beeinträchtigung des verletzten Rechtsgutes als gering einzustufen.

 

In der Gesamtbetrachtung des inkriminierten Verhaltens ist auch zu registrieren, dass die (selbst-)belastenden Angaben, wie oben bereits erwähnt, signifikant später und den Tatsachen entsprechend gemacht wurden. Hinsichtlich der Anmeldung des angetroffenen Beschäftigten herrschte sowohl bei diesem als auch beim Bf keinerlei Unrechtsbewusstsein. Daraus ist zu schließen, dass von Anfang an nicht die geringste Absicht herrschte im Zusammenhang mit der Beschäftigung des aufgegriffenen Arbeitnehmers in irgendeiner Form von den gesetzlichen Vorgaben abzuweichen.

 

An dieser Einschätzung vermag schließlich auch der Aspekt einer drei Jahre zurückliegenden einschlägigen Vormerkung nicht zu ändern, zumal angenommen werden kann, dass es seit diesem Zeitpunkt zu einer Vielzahl von An- und Abmeldungen zur bzw. von der Sozialversicherung gekommen ist. Die offenkundig bestimmungskonform vorgenommen wurden.

 

Aufgrund des Insolvenzverfahrens bzw. deren rechtlichen Konsequenzen der den Bf ist nicht davon auszugehen, dass unmittelbar Wiederholungstaten drohen. Die vorhandene Vormerkung legt aber jedenfalls nahe, die hier begangene Verwaltungsübertretung zumindest zu registrieren. An der objektiv geringen Strafwürdigkeit des vorgeworfenen Verhaltens ändert dies aber nichts.

 

 

V.           Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Bf nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes die ihm zur Last gelegte Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in objektiver wie in subjektiver Hinsicht zwar begangen hat, dass unter Berücksichtigung der oben dargestellten Umstände des Einzelfalles aber aus spezial- wie generalpräventiven Überlegungen von der Verhängung einer Strafe abgesehen und mit der Erteilung einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden konnte.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidungen besteht jeweils innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Markus Kitzberger