LVwG-300872/10/BMa – 300873/2

Linz, 23.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde der C E und des P P, vertreten durch Rechtsanwälte x, vom 3. November 2015, gegen den Bescheid der Bezirkshaupt­mannschaft Wels-Land vom 12. Oktober 2015, SanRB96-555-2015, wegen Sicher­heitsleistung nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG)

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12. Oktober 2015, SanRB96-555-2015, wurde den Beschwerdeführern der Auftrag zum Erlag einer Sicher­heitsleistung in Höhe von 24.000 Euro erteilt. Wegen des begründeten Verdachts einer Übertretung durch die tschechische Firma K s.r.o. x, K, P, die als Subunternehmer des tschechischen Generalunternehmers, G C s.r.o, x, O, tätig wurde, bzw. durch den Generalunternehmer selbst, wurde gemäß § 7m Abs.3 iVm §§ 7d und 7i Abs. 4 AVRAG, sowie gem. § 7b Abs.3 iVm § 7b Abs.8 AVRAG vom Finanzamt Grieskirchen Wels, Finanzpolizei Team 46, ein Zahlungsstopp in Höhe von 24.000 Euro erlassen, weil durch den General­unternehmer bzw. den Subunternehmer in sechs Fällen keine Meldungen an die Zentrale Koordinationsstelle erfolgten und keine Unterlagen über die Anmeldung der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung sowie eine Abschrift dieser Meldung am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitgehalten wurden.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, weil es sich beim General­unternehmer und dem Subunternehmer um ausländische Arbeitgeber ohne Sitz im Bundesgebiet handle und diese Übertretungen mit einer Gesamtstrafe von bis zu 120.000 Euro geahndet werden könnten, sei anzunehmen, dass die Strafverfolgung bzw. der Strafvollzug allein aufgrund der Höhe der zu erwartenden Geldstrafe als gefährdet erscheine. Darüber hinaus habe keine vorläufige Sicherheitsleistung vor Ort eingehoben werden können.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und unter anderem die Aufhebung des Bescheides beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bf mit den angeführten Arbeitern in keinerlei Rechtbeziehung stehen würden. Mit der tschechischen Firma G C s.r.o. sei ein Generalunternehmerauftrag über die Errichtung eines Einfamilien­hauses zu einem vereinbarten Pauschalpreis abgeschlossen worden und es sei davon ausgegangen worden, dass dieses Unternehmen die beauftragten Arbeiten selbst durchführe und keine Subunternehmer beschäftige. Für allfällig festgestellte Verwaltungsübertretungen sei ausschließlich die tschechische Firma G C s.r.o. bzw. deren Subunternehmer verantwortlich. Bestritten werde auch die Höhe der verhängten Sicherheitsleistung, denn mit der G C s.r.o. sei ein Pauschalpreis in Höhe von 269.500 Euro vereinbart und davon bislang 180.000 Euro bezahlt worden, weshalb ein noch offener Werklohn in Höhe von 89.500 Euro bestehe, dieser jedoch aufgrund zahlreicher Mängel sowie der vertraglichen Vereinbarungen nicht fällig sei. Die Firma G C s.r.o. habe ihre Bautätigkeit eingestellt und es sei davon auszugehen, dass die bestehenden Mängel im Wege der Ersatzvornahme zu beheben sein werden und das Bauvorhaben durch andere Firmen fertigzustellen sei. Es sei somit davon auszugehen, dass die noch zu bezahlenden Drittleistungen den offenen Werklohn bei weitem übersteigen werden und im Ergebnis sogar ein Schaden entstehe, der von den Bf gegenüber der Firma G C s.r.o. geltend gemacht werde. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb die Behörde einen Betrag von 24.000 Euro als offenen Werklohn angenommen habe.

 

3. Mit Schreiben vom 19. November 2015 hat die belangte Behörde die Beschwerde dem Oö. Landesverwaltungsgericht unter Anschluss des bezughabenden Verfahrensaktes vorgelegt. Dieses ist zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen (§ 2 VwGVG).

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Mit Schreiben vom 5. Jänner 2016 wurde dem Finanzamt Grieskirchen Wels, Finanzpolizei Team 46, als am Verfahren beteiligter Organpartei, Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zum Beschwerde­vorbringen abzugeben und darzulegen, welche Erhebungsergebnisse bei Antragstellung auf Erlag einer Sicherheitsleistung über die Höhe des noch zu leistenden Werklohns vorlagen und welche bestimmten Tatsachen darauf schließen lassen, dass die Strafverfolgung unmöglich oder wesentlich erschwert sei. 

Die dazu übermittelte Stellungnahme vom 15. Jänner 2016 führt aus, es habe im Zuge der Baustellenkontrolle und Verfügung eines Zahlungsstopps keine Feststellungen hinsichtlich eines ausstehenden Werklohns getroffen werden können, weil diesbezüglich keine Unterlagen auf der Baustelle aufgelegen seien. Nachweislich hätten aber schon am 3. Oktober 2015 bis zu neun Personen täglich jeweils 8 Stunden gearbeitet. Laut Werkvertrag vom 25. September 2015 würden monatliche Abrechnungen zum 30. Tag im Monat über die wirklich geleistete Arbeit erfolgen. Als Beginn für die Arbeiten sei der 2. Oktober 2015 und für die Beendigung spätestens der 30. Oktober 2015 festgelegt worden. Eine unmögliche oder wesentlich erschwerte Strafverfolgung ergebe sich aus dem fehlenden Abkommen mit Tschechien betreffend Strafverfolgung bzw. Einbringung. Nach Rücksprache mit dem zuständigen Sachbearbeiter bei der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land seien Eintreibungen bisher erfolglos geblieben. Dies sei auch ein Indiz für den begründeten Zweifel an der Einbringlichkeit. Auch aus der IWD-Abfrage hätten keine ausländischen Umsätze festgestellt werden können. Für die Arbeiten sei auch keine entsprechende Gewerbeberechtigung vorhanden gewesen. Die Firma K s.r.o. sei in Österreich steuerlich nicht erfasst. Die Firma G C s.r.o. als Generalunternehmer sei zwar steuerlich erfasst, aus den Informationen des Abgabenkontos habe aber keine wirtschaftliche Aktivität in Österreich festgestellt werden können.

 

5. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben ist (§ 44 Abs. 2 VwGVG).

 

6.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem entscheidungs­relevanten Sachverhalt aus:

 

Die Firma G C s.r.o wurde von den Rechtsmittelwerbern mit dem Bau eines Hauses zum Pauschalpreis von 269.500 Euro beauftragt. Anlässlich einer Kontrolle am 7. Oktober 2015 durch Organe der Finanzpolizei Team 46 für das Finanzamt Grieskirchen Wels wurden beim Bauvorhaben P P und C E, x, S, neun Personen bei Trockenarbeiten angetroffen. Anlässlich der Kontrolle konnte die erforderliche Meldung an die ZKO nur hinsichtlich dreier Personen (J, S und Z) vorgelegt werden. Hinsichtlich P, S, K, J, P und K wurden die Meldungen an die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeits­vertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen nicht erstattet. Hinsichtlich aller neun angetroffenen Arbeiter wurden die erforderlichen Lohnunterlagen nicht bereitgehalten.

Mit Schreiben vom 7. Oktober 2015 wurde von der Finanzpolizei Team 46 ein Zahlungsstopp in Höhe von 120.000 Euro hinsichtlich der dem Auftragnehmer zustehenden Forderungen aus dem Werklohn verfügt. Gleichzeitig wurde bei der belangten Behörde ein Antrag auf Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von 24.000 Euro durch die Auftraggeber eingebracht. Eine vorläufige Sicherheit gemäß § 7l AVRAG konnte nicht eingehoben werden. Das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafen hinsichtlich der dargestellten Delikte beträgt insgesamt 120.000 Euro. Feststellungen zur Höhe des aushaftenden Werklohns bei Antragstellung auf Erlag einer Sicherheitsleistung wurden vom Finanzamt Grieskirchen Wels, Finanzpolizei Team 46, als den Erlag einer Sicherheitsleistung beantragendes Organ nicht getätigt. Die Höhe des aushaftenden Werklohns bei Antragstellung auf Erlag einer Sicherheitsleistung kann nicht festgestellt werden.

 

Laut Verlautbarung des Bundeskanzleramts auf der Internetseite „bka-wiki-internationale Rechtshilfe“, welche umfassende Informationen zur internationalen Rechtshilfe in Verwaltungs(Straf)sachen zur Verfügung stellt, ist eine Straf­verfolgung und Strafvollstreckung hinsichtlich Tschechien nur insofern eingeschränkt, als diese ab einem Strafbetrag von 70 Euro, ausgenommen gegen juristische Personen, möglich ist.

 

6.2. Beweiswürdigend wird ausgeführt, dass sich der festgestellte Sachverhalt widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, den ergänzenden Erhebungen des LVwG und aus der Einschau in die Internetseite des Bundeskanzleramts „BKA-WIKI“ ergibt.

 

6.3. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

6.3.1. Gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG kann, wenn der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vorliegt und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeit­geberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Über­lasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, die Bezirksver­waltungsbehörde den/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Mit Erlassung dieses Bescheides fällt der Zahlungsstopp weg. Die Sicherheitsleistung darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe (§ 7m Abs. 6 leg.cit).

Beschwerden gegen Bescheide nach Abs. 3 haben keine aufschiebende Wirkung (Abs. 7).

 

6.3.2. Liegt zwar im vorliegenden Fall ein begründeter Verdacht einer Verwaltungsübertretung gemäß § 7b Abs. 8 Z 1 1. Fall AVRAG und nach § 7i Abs. 3 Z 1 AVRAG vor, so ist doch die kumulative weitere Voraussetzung erforderlich, dass aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Auftragnehmers oder Überlassers liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde. Als Sicherheit kann nur der noch aushaftende Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt dienen.

 

Diese Voraussetzung ist hingegen nicht gegeben. Im Grunde der Verlautbarung des Bundeskanzleramts auf der Internetseite „BKA-Wiki- Internationale Rechtshilfe“, welche umfassende Informationen zur internationalen Rechtshilfe in Verwaltungs(Straf)sachen zur Verfügung stellt, ist die Strafverfolgung und Strafvollstreckung hinsichtlich Tschechien nur insoweit eingeschränkt, als nur 70 Euro übersteigende Strafen vollstreckt werden und sich die Vollstreckung nicht gegen juristische Personen wenden darf.

 

Nach der hier allenfalls zur Anwendung kommenden Strafbestimmung des § 7 b Abs. 8 ist die Mindeststrafe 500 Euro und das Strafverfahren richtet sich nach den Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes. Danach ist für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch „juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften“ gemäß § 9 Abs. 1 VStG, sofern die Verwaltungs­vorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Damit aber kommt die im „BKA-WIKI – Internationale Rechtshilfe“ dargestellte Einschränkung des Vollzugs hinsichtlich Tschechien nicht zur Anwendung, würde bei Bestrafung doch zumindest eine 500 Euro betragende Strafe gegen den zur Vertretung nach außen Berufenen, also eine natürliche Person, verhängt werden. Die Angabe in der Stellungnahme vom 15. Jänner 2016, wonach nach Rücksprache mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land bisherige Eintreibungen erfolglos geblieben seien, wurde nicht anhand konkreter Beispiele belegt, sodass nicht nachvollziehbar ist, welcher Sachverhalt den in der Stellungnahme vom 15. Jänner 2016 angegebenen Fällen zugrunde gelegen war.

 

Überdies ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Ermittlung des ausstehenden Werklohns, sodass auch den Angaben in der Beschwerde, es würde kein Werklohn mehr aushaften, nicht entgegengetreten werden kann.

 

Mangels dieser Voraussetzungen durfte daher die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land keinen bescheidmäßigen Auftrag zum Erlag einer Sicherheit erteilen. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

7. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Gerda Bergmayr-Mann