LVwG-650610/5/KOF/HK

Linz, 16.06.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Josef Kofler über die Beschwerde des Herrn P G, geb. 1989, vertreten durch Rechtsanwälte F gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 29. Februar 2016, GZ: VerkR21-16-2016 betreffend Entziehung der Lenkberechtigung ua, nach der am 14. Juni 2016 durchgeführten mündlichen Verhandlung einschließlich Verkündigung des Erkenntnisses,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          

Gemäß § 28 Abs.1 VwGVG wird der Beschwerde insofern stattgegeben als die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung sowie einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung auf 14 Monate

– vom 1. Jänner 2016 bis einschließlich 1. März 2017 –

herab- bzw. festgesetzt wird.

 

Im Übrigen wird der behördliche Bescheid bestätigt.

 

 

II.       

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG nicht zulässig.

 

 


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem/den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf) wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit gemäß näher bezeichneter Rechtsgrundlagen nach dem FSG

·                    die Lenkberechtigung für die Klassen AM, A, B und B+E sowie eine
allfällig bestehende ausländische EWR- oder Nicht-EWR-Lenkberechtigung für den Zeitraum von 16 Monaten

– vom 1. Jänner 2016 bis einschließlich 1. Mai 2017 – entzogen  sowie

·         verpflichtet, bis zum Ablauf der Entziehungsdauer

·         eine Nachschulung für alkoholauffällige Lenker zu absolvieren,

·         ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen beizubringen  und

·         eine verkehrspsychologische Stellungnahme vorzulegen.

 

Gemäß § 13 Abs.2 VwGVG wurde einer allfälligen Beschwerde

gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Bf innerhalb offener Frist

eine begründete Beschwerde erhoben.

 

Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter (Art. 135 Abs.1 1. Satz B-VG) erwogen.

 

Dem Bf wurde wegen der Begehung eines sog. „Alkoholdeliktes im Straßenverkehr“  (Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs1 lit.a StVO)

die Lenkberechtigung auf die Dauer von sechs Monaten

– vom 1. Dezember 2012 bis 1. Juni 2013 - entzogen;

siehe den behördlichen Bescheid Seite 5 sowie das Führerscheinregister.

 

Der Bf lenkte am 1. Jänner 2016 um ca. 02.00 Uhr einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW auf einer näher bezeichneten Straße mit öffentlichem Verkehr im Gemeindegebiet H.; dabei verschuldete der Bf zwei Verkehrsunfälle mit Sachschaden und beging Fahrerflucht.

Der Bf befand sich bei dieser Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, da die Messung der Atemluft mittels Alkomat – rückgerechnet auf
die Lenkzeit – einen Blutalkoholgehalt von zumindest 1,6 Promille ergeben hat.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit rechtskräftigem Straferkenntnis vom 29.02.2016, VerkR96-152-2016 über den Bf wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO;

4 Abs.5 iVm StVO (zweimal) und § 4 Abs.1 lit.a StVO

Geldstrafen – Ersatzfreiheitsstrafen – verhängt.

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist an diese rechtskräftige Entscheidung gebunden;  VwGH vom 06.07.2004, 2004/11/0046;

vom 21.08.2014, Ra 2014/11/0027; vom 29.01.2015, Ra 2015/03/0001;

vom 29.04.2015, Ra 2015/03/0015; vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0043;

vom 28.01.2016, Ra 2015/11/0101; vom 11.05.2016, Ra 2016/11/0062.

 

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen,

für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird.

Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrs-zuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs.3 leg.cit. angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von KFZ die Verkehrssicherheit insbesondere durch Trunkenheit gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 leg.cit. zu gelten, wenn jemand ein KFZ gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß (§ 5 iVm) § 99 Abs.1 StVO begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.3 leg.cit. beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind,  kein wie immer geartetes Beweisthema;

Erkenntnisse v. 30.05.2001, 2001/11/0081; vom 23.04.2002, 2000/11/0182;

vom 11.04.2002, 99/11/0328; vom 28.09.1993, 93/11/0142 mit Vorjudikatur;

vom 25.02.2003, 2003/11/0017; vom 04.10.2000, 2000/11/0176.

 

 

 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern;

VfGH v. 14.3.2003, G203/02; v. 11.10.2003, B 1031/02; v. 26.2.1999, B 544/97

VwGH vom 18.03.2003, 2002/11/0062; vom 22.11.2002, 2001/11/0108; vom 23.04.2002, 2000/11/0184; vom 22.02.2000, 99/11/0341 mit Vorjudikatur; vom 19.07.2002, 2000/11/0171; vom 06.04.2006, 2005/11/0214; vom 27.04.2015, Ra 2015/11/0011 unter Verweis auf VfGH vom 11.10.2003, B 1031/02.

 

Am 14. Juni 2016 wurde beim LVwG Oö. eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher der Rechtsvertreter des Bf teilgenommen und darauf hingewiesen hat, dass beim Bf im Zeitpunkt des Alkotests (01.01.2016, 09.15 Uhr) ein Atemluftalkoholgehalt von ...... 0,44 mg/l gemessen wurde.

Rückgerechnet auf die Lenkzeit (02:00 Uhr) ergebe sich somit

ein Atemluftalkoholgehalt von exakt 0,80 mg/l,

sodass der Bf den Grenzwert nach § 99 Abs.1 lit.a StVO gerade erreicht habe.

Aus diesem Grund sei die Mindestentziehungsdauer zu verhängen.

 

Der durchschnittliche stündliche Verbrennungswert des Alkohols im Blut beträgt 0,10 - 0,12 Promille;  VwGH vom 25.06.2010, 2009/02/0308;

vom 14.12.2007, 2007/02/0023; vom 04.06.2004, 2004/02/0170 uva.

Auf Grund des gesetzlichen Umrechnungsfaktors von 2:1 ergibt sich ein durchschnittlich stündlicher Verbrennungswert bzw. Abbauwert des Alkohols der Atemluft von 0,05 - 0,06 mg/l; VwGH vom 27.02.2004, 2004/02/0059 uva.

 

Lenkzeit: 02.00 Uhr;

Zeitpunkt des Alkotest: 09.15 Uhr;

Zeitraum zwischen dem Lenken und dem Alkotest somit 7,25 Stunden.

 

Ergebnis Alkotest:                                                                             0,44 mg/l

zuzüglich Abbauwert 0,05 mg/l x 7,25 =                                             0,36 mg/l

Alkoholisierungsgrad im Zeitpunkt des Lenkens                                   0,80 mg/l                     

bzw.                                                                                             1,6 Promille

 

Begeht der Lenker eines KFZ innerhalb von fünf Jahren zwei Delikte nach
§ 99 Abs.1 StVO, dann ist ihm gemäß § 26 Abs.2 Z2 FSG die Lenkberechtigung auf mindestens zwölf Monate zu entziehen.

 

Der Bf hat beim Alkoholdelikt vom 01.01.2016 auch noch zwei Verkehrsunfälle mit Sachschaden verschuldet und Fahrerflucht begangen;

diese sind bei der Festsetzung der Entziehungsdauer zu werten,

sodass mit der Mindestzeit von 12 Monaten nicht das Auslangen gefunden wird.

 

 

Da beim Bf – wie von dessen Rechtsvertreter bei der mVh zutreffend vorgebracht – im Zeitpunkt des Lenkens der Atemluftalkoholgehalt exakt den Grenzwert
von 0,8 mg/l betragen hat, ist es gerechtfertigt und vertretbar, die Dauer der Entziehung der österreichischen sowie einer allfälligen, von einem EWR-Staat
oder Nicht-EWR-Staat ausgestellten Lenkberechtigung

auf 14 Monate herab- bzw. festzusetzen.

 

Begeht der Lenker eines KFZ eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 StVO, dann ist dieser gemäß § 24 Abs.3 FSG zu verpflichten, vor Ablauf der Entziehungsdauer

-      eine Nachschulung für alkoholauffällige Lenker zu absolvieren

-      ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 beizubringen sowie

-      eine verkehrspsychologische Stellungnahme vorzulegen.

VwGH  vom 06.07.2004, 2004/11/0046;  vom 23.03.2004, 2004/11/0008;

v. 25.11.2003, 2003/11/0200; v. 13.08.2003, 2003/11/0145; v. 24.06.2003, 2003/11/0142; vom 13.08.2003, 2003/11/0134; v. 13.08.2003, 2003/11/0133; vom 23.05.2003, 2003/11/0130; vom 20.10.2001, 2000/11/0157

 

Die belangte Behörde hat dies dem Bf somit völlig zu Recht vorgeschrieben.

 

Die Behörde kann iSd § 13 Abs.2 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde immer dann ausschließen, wenn die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen wird; 

siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 2. Auflage,

E24 zu § 64 AVG (Seite 1222f) zitierten zahlreichen VwGH Entscheidungen;

VwGH vom 01.10.1996, 96/11/0195 sowie die Beschlüsse des VfGH vom 21.10.2005, B 1282/05  und  des VwGH vom 06.10.2005, AW 2005/11/0053.

 

 

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag
der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH).

Eine Beschwerde an den VfGH ist unmittelbar bei diesem einzubringen,

eine Revision an den VwGH beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.

Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim VwGH einzubringen.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

 

Mag. Josef Kofler