LVwG-750360/2/BP/SA
Linz, 10.06.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des Y K, geb. x, vertreten durch RA Dr. M A, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 27. April 2016, GZ: Pol18-22629, mit dem dem Beschwerdeführer die Aufenthaltsbewilligung für Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätiger mit sofortiger Wirkung entzogen wurde,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid der belangten Behörde bestätigt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Bescheid vom 27. April 2016, GZ: Pol18-22629, entzog die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis (im Folgenden: belangte Behörde) dem Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) mit sofortiger Wirkung die ihm am 22.10.2015 mit einer Geltungsdauer bis 22.10.2016 ausgestellte Aufenthaltsbewilligung für Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit, Nr. X, gemäß § 28 Abs. 5 iVm § 62 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF.
Begründend führt die belangte Behörde zunächst Folgendes aus:
Der Bf besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, ist türkischer Staatsangehöriger und somit Fremder gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 NAG.
Auf Antrag vom 13.10.2015 stellte die belangte Behörde dem Bf eine „Aufenthaltsbewilligung für Sonderfälle unselbständige Erwerbstätigkeit" als islamischer S für den T. Verein, Nr. X, gültig von 22.10.2015 bis 22.10.2016, aus.
Der Bf legte ein Schreiben des Gs der Republik Türkei in Salzburg vor, aus dem hervorgeht, dass er und seine Familienangehörigen über das T (Präsidium für religiöse Angelegenheiten des T) krankenversichert sind und der Bf sein Gehalt über das G erhält bzw. dem G unterstellt ist.
II.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Akt.
Gemäß § 24 Abs.4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, sofern durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrages von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art.6 Abs.1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war und in der Beschwerde ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen wurden, zu deren Lösung auch im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, konnte von der Durchführung der beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
III.
1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG erkennen ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
2.1. Gemäß § 28 Abs. 5 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF. - NAG sind Aufenthaltstitel zu entziehen, wenn die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles nicht mehr vorliegen. Von einer Entziehung kann abgesehen werden, wenn ein Fall des § 27 Abs. 1 bis 3 vorliegt (Niederlassungsrecht von Familienangehörigen) oder dem Fremden im Rahmen eines Zweckänderungsverfahrens (§ 26) ein anderer Aufenthaltstitel zu erteilen ist.
Gemäß dem dem 2. Teil des NAG zugehörigen § 62 kann Drittstaatsangehörigen eine Aufenthaltsbewilligung zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit bei einem bestimmten Arbeitgeber ausgestellt werden, wenn
1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
2. eine Tätigkeit, die vom sachlichen Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen ist (§ 1 Abs. 2 bis 4 AuslBG), ausüben und
3. die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei begründeten Zweifeln auf Anfrage der Behörde das Vorliegen einer Tätigkeit gemäß Z 2 festgestellt hat.
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 lit. d Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, in der derzeit geltenden Fassung, sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf Ausländer hinsichtlich ihrer s Tätigkeiten im Rahmen von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften nicht anzuwenden.
2.2. Im hier zu beurteilenden Fall entzog die belangte Behörde, gestützt auf § 28 Abs. 5 iVm. § 62 NAG, den Aufenthaltstitel des Bf und verneinte damit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 NAG.
Nach § 28 Abs. 5 erster Satz NAG hat die Behörde bei Wegfall der besonderen Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles ohne jegliches Ermessen vorzugehen. Der zweite Satz dieser Bestimmung ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig und wurde auch in der Beschwerde nicht releviert, weshalb eine diesbezügliche Erörterung unterbleiben kann.
Nachdem für die Erteilung des in § 62 NAG normierten Aufenthaltstitels 3 Kriterien kumulativ gefordert sind, ist schon bei Wegfall einer Voraussetzung der Aufenthaltstitel nicht mehr zu erteilen bzw. zu entziehen.
Im konkreten Fall verneinte die belangte Behörde die Ausübung einer Tätigkeit durch den Bf, die vom sachlichen Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungs-gesetzes ausgenommen ist (§ 1 Abs. 2 bis 4 AuslBG). Nun ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Z. 1 lit. d AuslBG, dass s Tätigkeiten von Ausländern im Rahmen von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen sind.
2.3. Der Bf fungiert, wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, als S für den T Verein.
Gemäß § 1 Islamgesetz 2015 sind islamische Religionsgesellschaften in Österreich anerkannte Religionsgesellschaften im Sinne des Artikels 15 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Auch der hier in Rede stehende T Verein wird wohl im Sinne dieser Bestimmung als islamische Religionsgesellschaft zu qualifizieren sein. Andernfalls würde im Übrigen die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 Z. 1 lit. d AuslBG a priori nicht in Betracht gekommen sein.
Unter dieser Prämisse konnte sich also der Bf grundsätzlich auf die Ausnahmebestimmung des AuslBG stützen. Jedoch stellt sich nun die Frage, inwieweit es für einen legalen Aufenthalt des Bf, gestützt auf die Ausnahmebestimmung des AuslBG, von Relevanz ist, ob die Tätigkeit des islamischen S im Sinne des Islamgesetzes den österreichischen Normen entsprechend ausgeübt wird.
3.1. Gemäß § 6 Abs. 2 Islamgesetz 2015 hat die Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder durch die Religionsgesellschaft, die Kultusgemeinden bzw. ihre Mitglieder im Inland zu erfolgen.
3.2 Laut den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Bundesgesetz über die äußeren Rechtsverhältnisse islamischer Religionsgesellschaften, 446 der Beilagen XXV. GP, konkretisiert § 6 Abs. 2 leg. cit. "den Grundsatz der Selbsterhaltungsfähigkeit einer Religionsgesellschaft, wie in § 4 angeführt. Dieser Grundsatz ist dem österreichischen Religionsrecht schon seit 1874 innewohnend und zeigt sich unter anderem in der Regelung des § 5 AnerkennungsG oder § 2 OrthodoxenG. Der Begriff des Bestandes hat auch in das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit religiöser Bekenntnisgemeinschaften Eingang gefunden und soll zur Verbesserung der Rechtsklarheit durch diese Bestimmung ergänzt werden. Zuwendungen aus dem Ausland sind dabei nicht grundsätzlich unzulässig, solange es sich um keine laufenden Finanzierungen, unabhängig davon, ob Geld oder Sachleistungen (einschließlich lebender Subventionen) vorliegen, handelt. Eine einmalige Schenkung wäre mit diesem Wortlaut vereinbar. Wenn daraus ein laufender Ertrag, beispielweise zu einer Finanzierung von bestehenden Personalkosten, erzielt werden soll, so wäre eine Schaffung einer inländischen Stiftung, entweder nach dem Privatstiftungsrecht oder allenfalls einer religiösen Stiftung auf der Grundlage der Verfassung der Religionsgesellschaft nach § 6 iVm § 23 Abs. 4 möglich. Entscheidend für die Frage, ob es sich um eine zulässige inländische Finanzierung handelt, wären dann der Sitz der Stiftung und der Wohnsitz der Stiftungsorgane. Der Einsatz öffentlicher Bediensteter in Ausübung eines Dienstverhältnisses, unabhängig davon in wessen Diensten sie stehen, als Mitarbeiter, Geistliche, S, Funktionsträger uä. wäre jedenfalls unzulässig."
3.3. Es ist nun nach dem festgestellten Sachverhalt völlig unbestritten, dass der Bf in seiner Tätigkeit als S durch die türkische Regierung unmittelbar finanziert wird und auch von dieser Seite krankenversichert ist. Es handelt sich also genau um den in den Gesetzesmaterialien skizzierten Fall, dass vom Ausland eine Zuwendung erfolgt, die als kontinuierliche Finanzierung anzusehen ist. Gerade solches soll aber durch § 6 Abs. 2 Islamgesetz unterbunden werden. Die diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Beschwerdevorbringen scheinen dem erkennenden Richter des LVwG nicht ausreichend nachvollziehbar, um als begründete Bedenken im Sinne des Artikel 89 B-VG Berücksichtigung zu finden.
Es ist nun zu bejahen, dass sich § 6 Islamgesetz primär an Religionsgesellschaften wendet; allerdings ist auch festzuhalten, dass als Folge der rechtlich unzulässigen lebenden Subvention diese per se als nicht legal anzusehen ist. Als weitere Folge resultiert konsequenter Weise, dass sich der Bf, zumal anzunehmen ist, dass § 1 Abs. 2 Z. 1 lit. d AuslBG von legaler Ausübung der s Tätigkeit ausgeht, nicht auf diese Ausnahmebestimmung berufen kann. Somit ist aber auch eine Voraussetzung des § 62 NAG als nicht vorliegend zu betrachten.
3.4. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Entziehung des in Rede stehenden Aufenthaltstitels durch die belangte Behörde rechtsrichtig erfolgte.
Es war daher die Beschwerde abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.
IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da eine Rechtsfrage zu beurteilen war, der über den Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung zukommt und zu welcher – soweit ersichtlich – keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes existiert.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Bernhard Pree