LVwG-410723/13/FP
Linz, 04.05.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr, Handel-Mazzetti-Promenade 14, 4400 Steyr, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 13. April 2015, GZ. Pol96-54-2014, mit welchem ein Verfahren gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 Glücksspielgesetz gegen M V, geb. x, x (mitbeteiligte Partei, mbP), vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F M, x, gemäß § 45 Abs 1 Zrn 1 und 2 VStG eingestellt wurde, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 3. Mai 2016,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Schreiben vom 6. Mai 2014 zeigte das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr (Bf) eine Übertretung nach dem § 52 Abs 1 Z 5 GSpG bei der belangten Behörde an.
Die Bf hatte am 23. April 2014 in einem in der Anzeige näher bezeichneten Lokal in P eine Kontrolle nach dem GSpG durchgeführt und von der mbP Auskünfte, das Ausfolgen von Spielgeld und das Inbetriebnehmen von im Lokal vorhandenen Gerätschaften verlangt. Diese verweigerte aufgrund einer telefonischen Anordnung ihres Vorgesetzten und einer schriftlichen Dienstanweisung jegliche Auskunft.
Die Bf begehrte von der belangten Behörde die Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren gegen die mbP und deren Bestrafung.
I.2. Die belangte Behörde stellte das Verfahren mit dem bekämpften Bescheid gem. § 45 Abs 1 Z 1 und Z 2 VStG ein und begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass Gegenstand der Amtshandlung der Finanzpolizei der bestehende Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen des GSpG ausschlaggebend gewesen sei. Schon bei Beginn der Befragung sei daher eine Verdachtslage vorgelegen und habe insofern keine Mitwirkungspflicht mehr bestanden.
I.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf rechtzeitig Beschwerde (Fax vom 4. Mai 2015) und führte aus, wie folgt:
„[...] Als Beschwerdegründe werden unrichtige Tatsachenfeststellung, unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung namhaft gemacht.
Von der Finanzpolizei FPT 43, als Organ der Abgabenbehörde des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr gern § 9 Abs 3 und 4 AVOG 2010 iVm § 10b AVOG 2010 - DV, somit als Amtspartei gem. § 50 Abs 5 GSpG wird gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 13.04.2015, ZI. Pol96-54-2014/KG, mit welchem von der Fortsetzung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht abgesehen und das Verfahren eingestellt wurde, fristgerecht nachfolgende
Beschwerde
erhoben:
Vorweg ist festzuhalten, dass die Beschuldigte weder Tatsachen, noch Argumente vorgebracht hat, welche die angelasteten Verletzungen der Mitwirkungspflicht zu widerlegen, geeignet sein könnten.
Bei einer durch die Finanzpolizei (FPT 43) am 23.4. 2014 im Lokal „W“ x, durchgeführten Kontrolle wurde vom anwesenden Mitarbeiter der Fa. C mbh, Herrn V M, seiner Verpflichtung im Sinne des § 50 Abs.4 GSpG nicht nachgekommen. Dieser verweigerte die Aussage und beantwortete keine der ihm niederschriftlich gestellten Fragen. Dies mit dem Verweis auf eine Dienstanweisung und die telefonische Anordnung von Herrn G H um 15:20 Uhr während der Kontrolle.
Mit Anzeige vom 29.4.2014 wurde deshalb eine Bestrafung der Beschuldigten wegen Verletzung der Duldungs- und Mitwirkungspflichten im Sinne des § 50 Abs.4 iVm § 52 Abs. 1 Z5 GSpG, nämlich wegen der Nichterteilung von umfassenden Auskünften an die BH Perg beantragt.
In seiner Rechtfertigung vom 29.07.2014 wurde von dem rechtsfreundlich vertretenen Beschuldigten nicht bestritten, dass keine Auskünfte erteilt wurden und dass dies durch die Dienstanweisung so vorgeschrieben worden sei.
Die BH Perg sah mit Bescheid vom 14.4.2015, GZ Pol95-53-2014/KG von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens ab und stellte das Verfahren ein.
Begründend führte die Behörde dazu aus:
Zur Abklärung dieser Auskunftsverpflichtung wurden zwischenzeitlich in vielen Erkenntnissen der Gerichte Grenzen der Duldungs- oder Mitwirkungspflicht des § 50 Abs. 4 aufgezeigt. So auch im Erkenntnis des Oö. Landesverwaltungsgericht vom 15.7.2014, LVwG-410076/2/HW/BZ/TK, welches der weiteren Beurteilung der ggstl. Angelegenheit zugrunde gelegt wird. Darin führt das Landesverwaltungsgericht auszugsweise an, dass § 50 Abs. 4 GSpG eine "umfassende" Mltwirkungs- und Duldungspflicht normiert, welche sich an verschiedene Adressaten richtet. Im Grunde soll diese Mltwirkungs- und Duldungspflicht die Effizienz der Kontrolle im Rahmen des GSpG steigern (vgl grundlegend EBRV 658 BlgNR 24. GP, 3) und zur Gewinnung der notwendigen Informationen zur Durchführung der Überwachungsaufgaben im Rahmen des GSpG führen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist (vgl dazu § 50 Abs. 4 1. Satz GSpG).
Schon im Wortlaut der Bestimmung des § 50 Abs. 4 GSpG ist eine erste Grenze der Duldungs-und Mitwirkungspflicht ersichtlich. Diese Pflichten erstrecken sich nur auf den Bereich der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG. Liegt hingegen der Verdacht - welcher im Kern des Begriffes notwendig ein begründeter dh. auf Tatsachen zurückzuführender ist - auf einen Verstoß gegen das GSpG vor, so endet die Duldungs- und Mitwirkungspflicht. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich nicht mehr um die Durchführung von Überwachungsaufgaben zum Zweck der Einhaltung des GSpG, sondern zum Zwecke der Tataufklärung und Ermittlung wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das GSpG.
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass für die Befragung durch die Finanzpolizei im gegenständlichen Fall der bestehende Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen des GSpG ausschlaggebend war. Es wird auch in der Niederschrift als Gegenstand der Amtshandlung ausdrücklich der "Verdacht der Übertretung nach dem GSpG" bezeichnet. Schon bei Beginn der Befragung lag eine Verdachtslage vor und endete bei verfassungskonformer Auslegung die Mitwirkungspflicht gern § 50 Abs 4 GSpG. Damit steht fest, dass für das Verlangen von Auskünften durch die Finanzpolizei im gegenständlichen Fall a priori der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmung des § 52 GSpG ausschlaggebend war.
Da aber - wie bereits oben ausgeführt - schon aufgrund des Wortlauts des § 50 Abs 4 1. Satz GSpG die Duldungs-und Mitwirkungspflicht schon bei Bestehen eines begründeten Verdachts auf einen Verstoß gegen das GSpG endet und ein solcher bereits im Zeitpunkt des Auskunftsverlangens vorgelegen ist ("Verdacht der Übertretung nach dem GSpG" bildete den Grund der Einvernahmen laut Niederschrift), war mangels Mitwirkungspflicht an der Strafverfolgung und Aufklärung von Delikten keine mit Strafe bedrohte Handlung möglich.
Zusammengefasst kann daher gesagt werden, dass die Mitwirkungspflicht bereits zu jenem Zeitpunkt endete, als die Finanzpolizei betriebsbereite Geräte im Lokal vorgefunden hat und Testspiele absolvierte, was gleich nach Beginn der Amtshandlung am 23.04.2014 um 14:55 Uhr der Fall war. Daher lag zum Zeitpunkt der Befragung bzw. der Niederschrift um 15:15 Uhr - nach verfassungskonformer Auslegung - bereits keine Mitwirkungspflicht und daher auch keine Verwaltungsübertretung mehr vor.
Mit dieser Ansicht verkennt die Behörde die Rechtslage:
§ 50 Abs. 4 GSpG normiert, dass die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt sind, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.
Zweifelsohne war Herr V M als Person anzusehen, die Glücksspieleinrichtungen bereithält.
Mit der Verweigerung der Aussage unter Verweis auf die Dienstanweisung und die telefonische Anordnung durch Herrn G H, lag sohin ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 50 Abs.4 GSpG vor.
Herrn V wurden allgemeine Fragen gestellt (siehe Niederschrift), welche weder Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse betrafen, geschweige denn, konnte er sich mit der Beantwortung der Fragen selbst belasten. Da er nicht als Beschuldigte in einem nachfolgenden Strafverfahren gemäß § 52 Abs. 1 Z1 GSpG (als Veranstalter, Organisator, Unternehmerisch Zugänglich Macher bzw. unternehmerisch Beteiligter) anzusehen war, gab es für ihn keine Aussageverweigerungsgründe im Sinne des „Nemo tenetur"' Prinzips.
Dazu der VwGH (2013/17/0168 vom 22.10.2013):
Insoweit gleicht der vorliegende Beschwerdefall in allen entscheidungswesentlichen Umständen jenen, die den hg. Erkenntnissen vom 20. Juni 2012, Zl. 2012/17/0114, und vom 15. März 2013, Zl. 2012/17/0590, zugrunde lagen, weshalb gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die dortigen Entscheidungsgründe verwiesen wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesen Erkenntnissen mit eingehender Begründung ausgeführt, dass unter einer "Person, die Glücksspieleinrichtungen bereit hält", jemand zu verstehen ist, der de facto für die Bereithaltung einer "Einrichtung", mit der Glücksspiele von Dritten gespielt werden können, sorgt. Der Gesetzgeber habe in § 50 Abs. 4 GSpG eine Auskunftsverpflichtung jener Personen schaffen wollen, die zwar mit der Veranstaltung des Spiels nicht im rechtlich-organisatorischen Sinn zu tun haben, die aber durch ihr Verhalten die Durchführung des Spiels erst ermöglichen und in vielen Fällen bei Kontrollen die einzigen Personen sind, die den Kontrollorganen Auskünfte erteilen können. Im Falle der Aufstellung eines Glücksspielgerätes in einem Lokal treffe somit die Auskunftspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG nicht nur den Betreiber des Gerätes, der häufig auch nicht im Lokal anwesend sein wird, sondern den- oder diejenigen, die faktisch für die Verfügbarkelt des Gerätes sorgen.
Aus den hier dargelegten Gründen erweist sich auch der vorliegend angefochtene Bescheid als rechtmäßig. Die unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde lassen den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer als Angestellter des Lokalinhabers - im Sinne obigen Ausführungen - für die Verfügbarkeit der beiden Glücksspielgeräte gesorgt hat. Durch die Nichterteilung umfassender Auskünfte über die im Lokal aufgestellten Glücksspielgeräte hat der Beschwerdeführer die ihm obliegende Auskunftspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG verletzt. Soweit sich der Beschwerdeführer auf § 33 Abs. 2 VStG und das nach Art. 6 Abs. 1 EMRK verfassungsmäßig gewährleistete Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, beruft, ist darauf zu verweisen, dass er als Angestellter des Lokalinhabers gerade nicht vom Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG erfasst ist und daher - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch nicht als Beschuldigter anzusehen war.
Die Begründung der BH Perg - mit Bezug auf das Erkenntnis des LVwG OÖ - wonach sich die Duidungs- und Mitwirkungspflichten nur auf den Bereich der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG beziehen und bei einem Verdacht auf einen Verstoß gegen das GSpG die Duldungs- und Mitwirkungspflicht enden würden, kann weder aus dem Gesetzeswortlaut abgeleitet werden, noch wird dies durch die vorhandene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Thematik der Duldungs- und Mitwirkungspflichten bestätigt. Im § 50 Abs.4 GSpG bezieht sich der Teilsatz „soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist" lediglich auf das Betreten von Betriebsstätten, Betriebsräumen und anderen Räumlichkeiten (auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist). Ein Bezug zu den im nächsten Satz des § 50 Abs.4 GSpG beschriebenen Mitwirkungspflichten kann hier jedenfalls nicht gesehen werden, weshalb die Auskunftsverpflichtung gemäß § 50 Abs.4 GSpG der Person, die Glücksspieleinrichtungen bereithält, jedenfalls bestehen bleibt (und auch durch eine eventuelle Dienstanweisung nicht unwirksam gemacht werden kann).
Dazu sprach sich auch der VwGH in seinem Erkenntnis vom 21.08.2014, Zl Ra 2014/17/0004 aus:
Die vom Revisionswerber diesbezüglich ins Treffen geführte Wendung 'soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist (wobei er die Erforderlichkeit verneint, weil die Kontrollorgane selbst einen Versuch hätten unternehmen können, die Betriebsbereitschaft herzustellen) bezieht sich nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift nämlich nur auf das Betretungsrecht der betreffenden Kontrollorgane, nicht aber auf die im Einzelnen normierten Duldungs- und Mitwirkungspflichten.
Es entspricht auch nicht der Tatsache, dass die Finanzpolizei betriebsbereite Geräte im Lokal vorgefunden und Testspiele absolviert hat, da gerade dieses aufgrund der Nichtmitwirkung nicht möglich war.
Indem die Behörde dies verkannte, belastet sie ihren Bescheid mit Rechtwidrigkeit.
Mit dem Beschuldigten wurde am Kontrolltag eine Niederschrift „mit einer gemäß § 50 Abs.4 GSpG zur Auskunft verpflichteten Person“ aufgenommen, Gegenstand der Amtshandlung war der „Verdacht der Übertretung des Glücksspielgesetzes". In der dort angeführten Rechtsbelehrung ist der Hinweis auf § 52 Abs. 1 Z5 GSpG (Hinweis auf die Folgen einer ungerechtfertigten Aussageverweigerung) angeführt.
Die in der Niederschrift gestellten (allgemeinen) Fragen beziehen sich auf die Glücksspielgeräte und damit in Zusammenhang stehende Punkte, jedoch nicht auf Verdachtsmomente den § 52 Abs. 1 Z5 GSpG betreffend.
Antrag:
Aufgrund der dargelegten Ausführungen wird beantragt der Beschwerde Folge zu geben, den bekämpften Bescheid zu beheben und - mittels Entscheidung in der Sache - eine Bestrafung auszusprechen. [...]“
I.4. Die belangte Behörde legte dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde samt Akt mit Schreiben vom 21. Mai 2015 zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit, eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen, Gebrauch zu machen.
II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den unter gleichzeitiger Vorlage der Beschwerde übermittelten Verfahrensakt, insbesondere die im Akt einliegende Dokumentation, in eine Stellungnahme des BMF vom September 2014 samt Glücksspielbericht 2010 – 2013, den Evaluierungsbericht des BMF zu den Auswirkungen des Glücksspielgesetzes 2010 – 2014 sowie die Studie „Glücksspielverhalten und Glücksspielprobleme in Österreich – Ergebnisse der Repräsentativerhebung 2015“ des ISD und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 3. Mai 2016.
II.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:
Die Bf hat am 24. April 2014 um 14:55 Uhr im Lokal „W“ in x, eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz durchgeführt. Das genannte Lokal wurde von der C mbH mit Sitz in x, betrieben.
Während der Kontrolle war im Lokal ein Angestellter, die mbP, anwesend.
Die mbP wurde von der Abgabenbehörde befragt und gab auf die Frage, wer Geschäftsführer des Betriebes sei, an, dass dies ein Hr H G sei. Um 15.20 Uhr rief dieser im Lokal an und wies die mbP an, keine Aussagen zu tätigen. Um 15:36 Uhr rief die mbP Hrn G an, welcher ihn anwies, drei im Lokal befindliche Geräte mit der Bezeichnung Kajot nicht in Betrieb zu nehmen und kein Geld für Einsätze zur Verfügung zu stellen. Die mbP wies zudem ein als Dienstanweisung bezeichnetes maschinengeschriebenes Formular vor, das zusammengefasst zum Inhalt hatte, dass nur der Geschäftsführer auskunftspflichtig sei und anderen im Lokal anwesende Personen keine Auskünfte erteilen dürften. Zudem beinhaltet die Dienstanweisung einen Hinweis auf § 49 Abs 1 lit b AVG, Ausführungen darüber, dass Informationen in Zusammenhang mit dem Betrieb von Eingabeterminals Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse seien und eine Klarstellung, dass ein Verstoß die Entlassung und die Geltendmachung allfällige Schadenersatzansprüche nach sich ziehen würde. Die Dienstanweisung stammt vom 6. Februar 2012 und ist von der mbP unterfertigt. Eine zweite Unterschrift ist unleserlich. Auslassungen im Formular, die sich auf die Bezeichnung des Unternehmens beziehen, sind handschriftlich mit „C“ ausgefüllt.
Im Lokal waren drei Geräte vorhanden, die den äußeren Anschein erweckten, Kajot-Eingabeterminals zu sein. Die Geräte waren von Beginn der Kontrolle an nicht in Betrieb, die Bildschirme waren schwarz. Die Organe der Finanzpolizei haben diese nicht selbst in Betrieb genommen. Es kann nicht festgestellt werden, ob auf den Geräten Software installiert war und ob mit den Geräten, wären sie in Betrieb gewesen, Glücksspiele gespielt hätten werden können. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob die Geräte überhaupt in Betrieb genommen werden hätten können.
Es kann sohin nicht festgestellt werden, ob es sich bei den ggst Geräten um Glücksspieleinrichtungen gehandelt hat.
II.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem durchgeführten Beweisverfahren. Die Feststellungen betreffend die durchgeführte Kontrolle sowie die dabei vorgefundenen Geräte, gründen vor allem auf der Anzeige der Finanzpolizei, der Fotodokumentation sowie auf den Aussagen des Zeugen in der mündlichen Verhandlung am 3. Mai 2016. Der Zeuge der Finanzpolizei war bei der verfahrensgegenständlichen Kontrolle anwesend und gab in der öffentlichen mündlichen Verhandlung an, dass die ggst. Geräte bereits bei Beginn der Kontrolle nicht in Betrieb waren. Er konnte keine Angaben zu den auf den Geräten allenfalls installierten Spielen machen und auch sonst keine Hinweise dahingehend liefern, ob es sich ggst. um Glücksspielgeräte handelte. Es blieb letztlich ausschließlich der äußere Anschein. Die von der Bf in der Verhandlung vorgezeigten und übermittelten Abrechnungen der P GmbH können in diesem Zusammenhang die Vermutung, dass es sich bei den Eingabeterminals um Glücksspieleinrichtungen handelte, nicht erhärten, zumal sie nur einen diesbezüglichen Verdacht nahelegen, jedoch keinerlei Bezug zu den ggst. Geräten herstellen. Sie enden im Übrigen mit der Abrechnungsperiode 31. März 2014, sodass auch in zeitlicher Hinsicht kein eindeutiger Konnex zu den ggst Geräten hergestellt werden kann. In diesem Zusammenhang gab auch der Vertreter der Bf in der Verhandlung an, dass nicht auf die ggst. Geräte geschlossen werden könne. Auch sonst sind im Verfahren keine Beweise hervorgekommen, dass es sich bei ggst. Geräten um Glücksspieleinrichtungen handelte. Es verbleibt sohin – für den Branchenkenner, dem die Optik von Eingabeterminals bekannt ist - ein vager Verdacht, jedoch kann nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass es sich bei den ggst. Geräten um Glücksspieleinrichtungen handelte.
III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
III.1. Gemäß § 50 Abs. 4 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung sind die Behörde nach § 50 Abs. 1 GSpG und die im § 50 Abs. 2 und 3 leg.cit. genannten Organe zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach § 50 Abs. 1 GSpG, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3 GSpG) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs. 3 GSpG. § 12a Abs. 4 und § 21 Abs. 10 vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs. 6 GSpG oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG verstößt.
III.2. § 50 Abs. 4 GSpG normiert eine "umfassende" Mitwirkungs- und Duldungspflicht, welche sich an Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, richtet. Diese Mitwirkungspflicht umfasst im Wesentlichen die Erteilung von Auskünften, die Ermöglichungen von umfassenden Überprüfungen und Testspielen unter Bereithaltung von Geld oder Spieleinsätzen, die Gewährung von Einblick in die geführten Aufzeichnungen und in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen.
Schon dem Wortlaut dieser Bestimmung ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass die normierte Mitwirkungspflicht nur beim Bereithalten von Glücksspieleinrichtungen besteht, sodass die Mitwirkungspflicht nur dann besteht, wenn tatsächlich Glücksspieleinrichtungen bereitgehalten werden. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (E v. 20. Juni 2012, 2012/17/0114) ergibt sich, dass unter „Bereithalter von Glücksspieleinrichtungen jemand verstanden werden [kann], der de facto für die Bereithaltung einer "Einrichtung", mit der Glücksspiele von Dritten gespielt werden können, sorgt.“
Wie bereits in der Beweiswürdigung dargestellt, bedarf es also der positiven Feststellung, dass Glücksspieleinrichtungen vorhanden waren, auf die sich das Bereithalten bezieht. Eine Glücksspieleinrichtung ist eine Einrichtung, mit der Glücksspiele von Dritten gespielt werden können. Ein Verdacht, mag er auch noch so begründet sein, reicht nach dem zweifelsfrei formulierten Wortlaut des Gesetzes, anders als bei der bloßen Beschlagnahme, nicht aus, knüpft das Gesetz die Pflicht des Bereithalters doch an das Vorhandensein von Glücksspieleinrichtungen und sieht es nicht vor, dass im Falle des Verdachts, dass Glücksspieleinrichtungen bereitgehalten werden, die Bereithalter Mitwirkungspflichten haben.
Das Gesetz ist insofern auch konsequent, als der bloße Besitz von Gehäusen, die sich durch Installation von Glücksspielsoftware und damit zum Veranstalten von Glücksspielen eignen, nicht inkriminiert ist.
Wäre im Übrigen der Ansicht zu folgen, dass ein bloßer Verdacht ausreicht, würde der Kellner bzw. der Angestellte eines Glücksspielbetreibers oder –veranstalters ungleich leichter in die Gefahr einer Bestrafung kommen, als der Betreiber oder Veranstalter selbst, dessen Bestrafung jedenfalls immer die Feststellung, dass Glücksspielgeräte vorlagen, erfordert. Es würde dies zu einer aus verfassungsrechtlicher Sicht kaum vertretbaren Schieflage führen, zumal der „Bereithalter“ quasi immer bestraft werden könnte, wenn er keine Auskünfte erteilt (etwa auch, wenn gar keine Geräte vorhanden sind und lediglich Erkundigungen erfolgen sollen).
Auch der Verwaltungsgerichtshof scheint diese Ansicht zu teilen, wenn er etwa in seiner von der Bf zitierten Entscheidung vom 20. Juni 2012, 2012/17/0114, ausspricht: „Das GSpG definiert den Begriff des "Bereithaltens" einer Glücksspieleinrichtung bzw. der "Person, die Glücksspieleinrichtungen bereit hält", zwar nicht näher und auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Novelle des GSpG mit BGBl. I Nr. 54/2010, mit welcher § 50 Abs. 4 GSpG in das GSpG eingefügt wurde (658 Blg NR, 24. GP, 8), enthalten keine Ausführungen zu § 50 Abs. 4 GSpG. Unter einer "Person, die Glücksspieleinrichtungen bereit hält", kann jedoch schon nach dem Wortsinn und dem Gesetzeszweck jemand verstanden werden, der de facto für die Bereithaltung einer "Einrichtung", mit der Glücksspiele von Dritten gespielt werden können, sorgt.“
Es ist zu beachten, dass dem genannten Fall ganz offensichtlich die unbestrittene Feststellung der dort belangten Behörde (UVS) zugrunde lag, dass Glücksspielgeräte vorhanden waren. Diese Feststellung kann im vorliegenden Fall aus den oben dargestellten Gründen nicht getroffen werden, weil das Beweisverfahren lediglich ergeben hat, dass im Lokal funktionslose Gehäuse vorhanden waren.
Dies bedeutet im Ergebnis im Übrigen nicht, dass eine Bestrafung eines Mitwirkungspflichtigen im Falle inaktivierter Geräte niemals möglich wäre, es ist jedoch jedenfalls ein ausreichendes Ermittlungssubstrat zu schaffen, dass eine Feststellung, dass es sich tatsächlich um Glücksspielgeräte gehandelt hat, ermöglicht. Ein solches kann etwa durch die Einvernahme von Zeugen oder Auskunftspersonen (Spieler, Gäste, usw.), durch Inbetriebnahme der Geräte durch die Kontrollorgane selbst, etc. erfolgen.
Hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Geräte waren keine Feststellungen dazu, ob es sich um Glücksspielgeräte handelt, möglich. Auf den vorgefundenen Gerätschaften konnten weder Probespiele durchgeführt, noch Spielerbeobachtungen vorgenommen werden. Auch konnte die Finanzpolizei keine Personen ermitteln, welche als Zeugen zum Spielablauf befragt werden hätten können. Alleine aus dem Umstand dass die vorgefundenen Geräte, was ihr optisches Erscheinungsbild betrifft, Geräten gleichen, mit denen für den Wissenden bekanntermaßen Glücksspiele veranstaltet werden können, kann nicht mit der für eine Strafverfahren erforderlichen Sicherheit geschlossen werden, dass es sich auch bei den verfahrensgegenständlichen Geräten um Glücksspielgeräte gehandelt. Auch bei dem Umstand, dass die Geräte wieder an den Standplätzen, wo bei Vorkontrollen bereits Glücksspielgeräte vorgefunden wurden, platziert waren, handelt es sich um kein ausreichendes Beweisergebnis dafür, dass es sich um Glücksspielgeräte handelt und mit diesen Ausspielungen durchgeführt wurden. Das Gericht verhehlt nicht, dass die Vermutung, es habe sich um Glücksspieleinrichtungen gehandelt, nahe liegt. Diese reicht jedoch für die im verwaltungsstrafverfahren erforderliche Sicherheit nicht aus.
Dem Bf konnte daher nicht nachgewiesen werden, dass er Auskünfte zu Glücksspieleinrichtungen verweigert hat, bzw. bestand angesichts der nicht feststellbaren Eigenschaft der Geräte keine solche Verpflichtung.
Eine Bestrafung kann iSd § 45 Abs. 1 Z 1 VStG aber nur dann erfolgen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat erwiesen ist. Im Verwaltungsstrafverfahren gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“ (Fister in Lewisch/Fister/ Weilguni, VStG § 25 Rz 10).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, darf der Grundsatz „in dubio pro reo" nur angewendet werden, wenn nach Durchführung des Beweisverfahrens Zweifel an der Verwirklichung des Tatbildes durch den Beschuldigten bleiben (statt vieler: VwGH 15.11.2000, 2000/03/0237). Wie oben ausführlich dargestellt, war im vorliegenden Fall die Klärung der Frage, ob es sich bei den verfahrensgegenständlichen Geräten um Glücksspielgeräte handelt, nicht annähernd möglich. Weder aufgrund der im Verwaltungsakt einliegenden Beweismittel noch aufgrund der Aussage im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte die im bekämpften Straferkenntnis vorgeworfene Tat erwiesen werden.
Vorliegend ist kein ausreichendes Beweissubstrat vorhanden. Lediglich die Erfahrung der handelnden Personen, lässt die Vermutung zu, dass es sich bei den vorgefundenen Geräten um Glücksspielgeräte handelte. Diese Vermutung ist jedoch kein Nachweis.
Dem Gesetz zu unterstellen, ein Verdacht reiche hin, ist dabei unzulässig, zumal im Strafrecht ein generelles Analogieverbot, also das Verbot einer extensiven Auslegung einer Norm zulasten des Beschuldigten, herrscht. Es ergibt sich dies aus dem Grundsatz „Nullum crimen sine lege“ (Art. 7 EMRK). Das Ausfüllen einer Gesetzeslücke durch Analogie ist im Verwaltungsstrafrecht also unzulässig (vgl. VfGH v. 11. Oktober 1962 Slg. 4280 uva.). Auch der von der Bf dargestellten Judikatur des VwGH kann ein Hinreichen einer Verdachtslage nicht entnommen werden, zumal im genannten Fall die Feststellung, dass Glücksspieleinrichtungen vorlagen offenbar kein Thema mehr war.
IV. Im Ergebnis war der Beschwerde daher keine Folge zu geben, und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG, wenn auch aus anderen Gründen, zu bestätigen. Bei diesem Ergebnis musste auf das weitere Vorbringen der mbP nicht mehr eingegangen werden.
V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da, soweit ersichtlich, Judikatur des VwGH zur Frage fehlt, ob in Zusammenhang mit der Bestrafung Mitwirkungspflichtiger die positive Feststellung erforderlich ist, dass vorgefundene, nicht betriebsbereite Geräte, Glücksspieleinrichtungen iSd des GSpG sind.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
P o h l