LVwG-100048/4/VG
Linz, 10.06.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Verena Gubesch über die Beschwerde x, vertreten durch Dr. E K, Rechtsanwalt in x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 10.11.2015, BauR96-8-2014, betreffend Übertretung der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994),
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG hat der Beschwerdeführer weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung (in der Folge: belangte Behörde) vom 10.11.2015 wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) – nach erfolgter Aufforderung zur Rechtfertigung vom 4. Dezember 2014 – eine Geldstrafe in Höhe von 1.450 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Stunden) wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Oö. BauO 1994 verhängt. Dem Straferkenntnis liegt folgender spruchgemäßer Tatvorwurf zu Grunde [Anonymisierung durch das Landesverwaltungsgericht]:
„Sie haben als Bauführer zu verantworten, dass Sie zumindest am 04.02.2014 beim Objekt […] ein nach § 4 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1994 bewilligungspflichtigtes Bauvorhaben ohne rechtskräftige Bewilligung ausgeführt haben, in dem Sie innerhalb des bestehenden leerstehenden Dachraumes eine Wohneinheit, welche augenscheinlich für eine Beherbergung vorbereitet war, da mehrere Zimmer mit insgesamt 8 überzogenen Betten vorgefunden wurden, errichtet haben.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 57 Abs. 1 Z 2 i.V.m. § 24 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994), LGBl. Nr. 66/1994 idF. LGBl Nr. 34/2013“
2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde des (rechtsfreundlich vertretenen) Bf. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, es sei Aufgabe der belangten Behörde, im Rahmen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens entsprechende Beweise einzuholen und unter Zugrundelegung einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Dieser Aufgabe sei die belangte Behörde nicht hinreichend nachgekommen. Die belangte Behörde gehe ferner zu Unrecht davon aus, dass sich der von ihr festgestellte Sachverhalt widerspruchsfrei und schlüssig aus dem von ihr eingesehenen Bauakt ergebe. Im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen werde davon gesprochen, dass Wohneinheiten in einen bestehenden Dachraum eingebaut werden sollen, der aber leer stehe. Wie weit hier tatsächlich ein Baufortschritt im Vergleich zum Altbestand bereits gegeben gewesen sei, sei nicht festgestellt worden. Zwischen dem angeführten Leerstand und der behaupteten Errichtung bestehe schon per se ein Widerspruch, den die Behörde nicht aufgelöst habe. Betreffend Top 1 werde auf eine private Nutzung verwiesen, im Handumdrehen werde aber eine augenscheinliche Vorbereitung zur Beherbergung infolge vorgefundener Zimmer mit insgesamt 8 überzogenen Betten dargetan. Wie die angeführte private Nutzung mit einer Beherbergung in Einklang gebracht werden könne, lasse sich auch aus der Bescheidbegründung nicht entnehmen. Auch sei der Begriff „überzogene" Betten aufklärungsbedürftig. Darüber hinaus führe die belangte Behörde aus, dass augenscheinlich eine Vorbereitung für eine Beherbergung gegeben gewesen sei. Da aber die belangte Behörde selber keinen Lokalaugenschein vorgenommen habe, könne von einem Augenschein nicht gesprochen werden. Die belangte Behörde hätte selbst einen Ortsaugenschein vornehmen müssen, um sich ein klares Bild von der Sachlage zu verschaffen und insbesondere einen allenfalls gegebenen Baufortschritt entsprechend darlegen müssen.
Ein Lokalaugenschein aber auch die Einsichtnahme in den Akt der Baubehörde durch die belangte Behörde hätte zu dem Ergebnis geführt, dass hinsichtlich der die Ansuchen des Bf abweisenden Bescheide zu Bau040/004-2014 vom 29.7.2015 und vom 31.7.2015 zu Bau040/004-38-2014 je der Bürgermeisterin der Gemeinde K der Bf fristgerecht am 17.8.2015 das Rechtsmittel der Berufung erhoben habe, da sich insbesondere die geplanten und auch in diesem Verfahren gegenständlichen Baumaßnahmen jedenfalls als bewilligungsfähig dargestellt hätten. Dies bereits von Anbeginn an, sohin jedenfalls auch vor dem gegenständlichen Lokalaugenschein. Dementsprechend seien nunmehr im Rahmen des Berufungsverfahrens insbesondere auch mit den Organen der Gemeinde K Gespräche geführt und eine Regelung insbesondere auch betreffend die Baumaßnahmen im Dachgeschoß getroffen worden. Der Bf werde nun in diesem (eingeschränkten) Ausmaß eine Baubewilligung erhalten, wozu auf die angeführten Bauakte der Gemeinde K verwiesen werde. Aufgrund des Umstandes, dass die geplanten Baumaßnahmen im Dachgeschoß von Anbeginn an bewilligungsfähig gewesen seien, könne auch dem Bf gegenüber kein Vorwurf in subjektiver Hinsicht erhoben werden.
Weiters bringt der Bf vor, dass Gegenstand des Lokalaugenscheins am 4.2.2014 die bautechnische Vorprüfung einer Planskizze gewesen sei und ergebe sich diesbezüglich aus dem Aktenvermerk, dass im Rahmen des Einreichplanes bestimmte Punkte zu berücksichtigen, beziehungsweise einzuarbeiten seien. Es sei aber keinerlei Hinweis erfolgt, dass dieses Bauvorhaben nicht bewilligungsfähig sei, sondern sei diesbezüglich von Anfang an klar gewesen, dass bei Erfüllung bestimmter – insbesondere Formalvorschriften – ein bewilligungsfähiges Bauvorhaben vorliege. Der Bf habe von Anbeginn alles unternommen, um den diesbezüglichen behördlichen Aufträgen zu folgen und einen konsensmäßigen Zustand herzustellen, weswegen daher auch in dieser Hinsicht dem Beschwerdeführer kein subjektiver Vorwurf gemacht werden könne.
3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde übermittelten Verwaltungsstrafakt. Die beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen, da bereits nach der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
Zu I.:
Gegenständlich ist eine Verwaltungsübertretung gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 Oö. BauO 1994. Demnach begeht eine Verwaltungsübertretung, wer u.a. als Bauherr ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne rechtskräftige Bewilligung ausführt.
Vor dem Hintergrund dieser Bestimmung geht aber das Vorbringen des Bf, wonach sein Bauvorhaben bereits zum angelasteten Tatzeitpunkt ohnehin bewilligungsfähig gewesen sei, ins Leere. Dies deshalb, weil es nach der genannten Strafbestimmung überhaupt nicht darauf ankommt, ob für ein Bauvorhaben eine Bewilligung erwirkt werden kann, sondern vielmehr darauf, ob ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne rechtskräftige Baubewilligung ausgeführt wurde. § 39 Abs. 1 Oö. BauO 1994 legt fest, dass mit der Ausführung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens erst nach Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides begonnen werden darf. Die zitierte Strafnorm dient der Einhaltung der Bestimmung des § 39 Abs. 1 Oö. BauO 1994.
Dem Bf ist jedoch zuzustimmen, wenn er im Ergebnis die Ansicht vertritt, dass der Tatvorwurf zu unpräzise ist:
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung zu lauten hat, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.
Die Umschreibung der Tat hat bereits im Spruch und nicht etwa erst in der Begründung so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren (vgl. etwa VwGH 27.3.2015, Ra 2015/02/0025).
Diesen Anforderungen wird der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht gerecht. Zunächst wird nicht präzise angeführt auf welche konkrete gesetzliche Bestimmung sich der Tatvorwurf bezieht. Im Spruch selbst wird zunächst die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Oö. BauO 1994 genannt. Gemeint ist hier wohl die Bestimmung des § 24 Abs. 1 Oö. BauO 1994, die in weiterer Folge explizit als verletzte Rechtsvorschrift angeführt wird. In Zusammenschau mit der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass die belangte Behörde offenbar davon ausgeht, dass der Bf ein gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 Oö. BauO 1994 bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne rechtskräftige Baubewilligung ausgeführt hat. Diese Bestimmung normiert eine Bewilligungspflicht für den Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden. Der Spruch enthält jedoch keinerlei Angaben, welche konkreten und nach der angeführten Bestimmung bewilligungspflichtigen Baumaßnahmen vom Bf im angelasteten Tatzeitpunkt (4.2.2014) bereits ausgeführt waren. Der spruchgemäße Vorwurf, wonach im Tatzeitpunkt offenbar eine errichtete Wohneinheit bzw. Mobiliar (8 überzogene Betten) vorgefunden wurde, ist vor dem Hintergrund der Bestimmung des § 24 Abs. 1 Z 1 Oö. BauO 1994 und der Judikatur des VwGH zu § 44a VStG jedenfalls nicht ausreichend konkretisiert.
Eine Strafe darf zudem nur für jene Tat verhängt werden, auf die sich die – das Strafverfahren einleitende – erste Verfolgungshandlung (vgl. § 32) bezogen hat (siehe auch Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG, Rz 2 zu § 44a VStG [Stand 1.7.2013, rdb.at]).
Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der einjährigen Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist.
Gemäß § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von der Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung und dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Das Landesverwaltungsgericht geht im hier zu beurteilenden Einzelfall davon aus, dass auch mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 4. Dezember 2014 kein ausreichend konkretisierter Tatvorwurf erfolgt ist, da auch dort ohne nähere Präzisierung der bewilligungspflichtigen Baumaßnahmen iSd § 24 Abs. 1 Z 1 Oö. BauO 1994 ausgeführt wird, dass im Rahmen des Lokalaugenscheins festgestellt wurde, dass „zumindest die privat zu nutzende Wohneinheit (TOP 1) weitgehend bereits errichtet war bzw. die Baumaßnahmen noch im Gange waren. Die Nutzung dieser Wohneinheit war entsprechend dem Aktenvermerk augenscheinlich für eine Beherbergung vorbereitet, da mehrere Zimmer mit insgesamt 8 ‚überzogenen‘ Betten vorgefunden wurden.“ Festzuhalten ist weiters, dass die gesetzliche Verfolgungsverjährungsfrist von einem Jahr für den hier relevanten Tatzeitpunkt (4.2.2014) bereits abgelaufen ist. Im vorliegenden Fall kann daher auch dahingestellt bleiben, ob das Landesverwaltungsgericht die angelastete Tat iSd § 44a Z 1 VStG präzisieren könnte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu II.:
Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.
Zu III.:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Verena Gubesch