LVwG-650626/2/WP

Linz, 25.05.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Peterseil über die Beschwerde J M Rechtsanwälte GesbR, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 12. April 2016, GZ: VerkR20-3133-2002, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen AM und B

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung ersatzlos behoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Bisheriges Verwaltungsgeschehen:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung (in der Folge kurz: belangte Behörde) vom 12. April 2016 wurde dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) die am 28. Mai 2003 erteilte Lenkberechtigung für die Klassen AM und B für die Dauer von neun (9) Monaten, gerechnet ab 10. Februar 2016 bis einschließlich 10. November 2016 entzogen. Er wurde verpflichtet, den Führerschein unverzüglich bei der zuständigen Polizeiinspektion abzuliefern. Weiters wurde ihm das Recht aberkannt, von einer ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Zudem wurde einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges sowie der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen aus, der Sachverhalt ergebe sich schlüssig und widerspruchsfrei aus dem Urteil des Landesgerichts Linz vom 3. Dezember 2015. Demnach sei der Bf wegen verschiedener Verbrechen und Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von neun (9) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt worden. Diese Verurteilung stelle eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs 3 Z 11 FSG dar und sei daher die Verkehrs­zuverlässigkeit zu überprüfen gewesen. Im Hinblick auf die bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe wird von der belangten Behörde festgehalten, dass dies im gegebenen Zusammenhang keine Rolle spiele. Auch der Umstand, dass bei der Begehung der strafbaren Handlungen kein Kraftfahrzeug verwendet worden sei, spiele keine Rolle, da „das Inverkehrbringen von Suchtmitteln typischerweise durch die Verwendung von Kfz wesentlich erleichtert wird“. Zudem verweist die belangte Behörde auf die Rsp des Verwaltungsgerichtshofes (vom 20.9.2001, 2000/11/0235), wonach der Gerichtshof ausgesprochen habe, „dass die Verhängung einer bedingten Strafe bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit keine entscheidende Rolle spiele“. Weiteres verweist die belangte Behörde – wiederum unter Hinweis auf höchstgerichtliche Rsp –, dass „es bei der Wertung des strafbaren Verhaltens gemäß § 7 Abs. 4 FSG 1997 […] einen Unterschied macht, ob die Suchtgiftmenge für den Eigenverbrauch oder zum Zwecke der Weitergabe an Dritte diente. […] Die Art der (beabsichtigten) Verwendung des Suchtgifts hat daher wesentlichen Einfluss auf das Wertungskriterium der Verwerflichkeit“. Zugunsten des Bf wertet die belangte Behörde, dass es sich bei den vom Bf begangenen Suchtgiftdelikten ausschließlich um Cannabis handelte und der Bf Suchtgift verwendete, um seine Epilepsie-Anfallshäufung zu senken. Zudem sei der Bf verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Als verwerflich wertet die belangte Behörde demgegenüber, dass der Bf Suchtgift über einen längeren Zeitraum hinweg konsumiert habe und er vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge über einen längeren Zeitraum mittels drei Indoor-Aufzuchtanlagen erzeugt habe. Die besondere Verwerflichkeit liege aber in der Verwirklichung des Verbrechens des Suchtgifthandels.

 

Angesichts der dargelegten Wertungskriterien sowie unter Berücksichtigung der seit der letzten Tatbegehung verstrichenen Zeit (Mai 2015), kommt die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass eine Entziehungsdauer von neun Monaten erforderlich sei, damit die Verkehrszuverlässigkeit des Bf wiederhergestellt sei.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bf erachtet sich in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, dass ihm nicht entgegen der maßgeblichen Bestimmungen des Führerscheingesetzes die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B entzogen wird, verletzt. Er beantragt daher die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sowie die ersatzlose Aufhebung des in Beschwerde gezogenen Bescheides, in eventu die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass eine wesentlich geringere Entziehungsdauer festgesetzt werde.

 

Auf das Wesentliche zusammengefasst wendet sich der Bf gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Wertung der von ihr angenommenen bestimmten Tatsache.

 

3. Mit Schreiben vom 3. Mai 2016, beim Landesverwaltungsgericht Ober­österreich am darauffolgenden Tag eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung werde abgesehen.

 

 

II.            Beweiswürdigung und festgestellter Sachverhalt:

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze. Die – vom Bf beantragte – öffentliche mündliche Verhandlung konnte gem § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 


 

2. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

2.1. Dem Bf wurde von der belangten Behörde die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B erteilt und mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid bis zum Ablauf des 10. November 2016 entzogen.

 

2.2. Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 3. Dezember 2015, GZ: 24 Hv 39/15p-11, wurde der Bf rechtskräftig bestraft. Demnach hat er in Linz vorschriftswidrig Suchtgift

 

A. in einer die Grenzmenge (§ 28b) mehrfach übersteigenden Menge erzeugt, indem er im Zeitraum von Sommer 2013 bis 15.05.2015 mit drei Indoor-Aufzuchtsanlagen Cannabispflanzen anbaute, bis zur Erntereife aufzog und insgesamt circa 1.700 Gramm Cannabiskraut […] erntete […];

 

B. in einer die Grenzmenge übersteigende Menge anderen gewinnbringend überlassen, und zwar insgesamt 650 Gramm Cannabiskraut, herrührend aus den unter Punkt A. angeführten Erzeugungen, in mehreren Teilverkäufen zum Grammpreis von jeweils EUR 7,-- und zwar

 

1. im Zeitraum von Jänner 2015 bis Ende April insgesamt 350 Gramm Cannabiskraut an [JL] […];

 

C. im Zeitraum von etwa März 2015 bis 15.05.2015 in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge einerseits mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, nämlich 518,6 Gramm Cannabiskraut, verpackt in verschiedenen Behältnissen, andererseits, indem er 26 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer solchen Menge Suchtgift anbaute […];

 

D. erworben und besessen, indem er

 

1. im Zeitraum von 2010 bis 15.05.2015 regelmäßig unbekannte Mengen Cannabiskraut, teils herrührend aus den unter Punkt A. angeführten Erzeugungen, teils herrührend aus Ankäufen von unbekannten Suchtgifthändlern bis zum Eigenkonsum besaß, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging […];

 

2. 518,6 Gramm Cannabiskraut, herrührend aus den unter Punkt A. angeführten Erzeugungen und 438,1 Gramm Cannabiskraut, herrührend aus dem unter Punkt C. geschilderten Anbau bis zur polizeilichen Sicherstellung am 15.05.2015 besaß […]

 

 

Der Bf hat hierdurch

zu A. die Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 1. Fall SMG;

zu B. das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall SMG;

zu C. die Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 Satz 1 2. Fall und Satz 2 SMG

zu D. 1. die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs 2 SMG;

zu D.2. die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG

begangen.

 

Über den Bf wurde daher eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 (neun) Monaten verhängt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurde der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei (3) Jahren zur Gänze bedingt nachgesehen. Strafmildernd wurden das Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit, die Sicherstellung eines Teils des Suchtgifts und des Erlöses sowie der Umstand, dass der Bf unter Epilepsieanfällen leidet und letztlich das Suchtgift für sich verwendet hat, um die Anfallshäufigkeit zu senken, berücksichtigt. Mit Blick auf die Sonderumstände des Einzelfalles, das Leiden unter Epilepsieanfällen, wurde vom Landesgericht Linz die Strafe außerordentlich mild bemessen, zumal der Bf nunmehr auch Medikamente mit demselben Wirkstoff erhält. Erschwerend wurde das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen mit mehreren Vergehen gewertet.

 

2.3. Der Bf verwendete das Suchtgift dazu, um im Rahmen seiner Epilepsieerkrankung die Anfallshäufigkeit zu senken. Mittlerweile erhält der Bf zu diesem Zweck Medikamente, die denselben Wirkstoff enthalten.

 

2.4. Der Bf war vom Zeitpunkt der letztmaligen Tatbegehung (15. Mai 2015) bis zur Entziehung der Lenkberechtigung (10. Februar 2016) im Besitz einer aufrechten Lenkberechtigung. In dieser Zeit ist der Bf verwaltungsstrafrechtlich respektive verkehrsrechtlich nicht auffällig geworden.

 

2.5. Der Bf ist – abgesehen von der verfahrensgegenständlichen Verurteilung – weder strafrechtlich noch verwaltungsstrafrechtlich vorbestraft.

 

 

III.           Rechtslage:

 

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Führerscheingesetzes (FSG) lauten auszugsweise wie folgt:

 

Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

1. […],

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

3. […]

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. […]

11. eine strafbare Handlung gemäß § 28a oder § 31a Abs. 2 bis 4 Suchtmittelgesetz – SMG, BGBl. I Nr. 112/1997 in Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 begangen hat;

12. […]

 

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

 

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder […]

 

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

 

(2) […]

 

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. […]

 

Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des Strafgesetzbuches (StGB) lautet auszugsweise wie folgt:

 

Bedingte Strafnachsicht

§ 43. (1) Wird ein Rechtsbrecher zu einer zwei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt, so hat ihm das Gericht die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von mindestens einem und höchstens drei Jahren bedingt nachzusehen, wenn anzunehmen ist, daß die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Dabei sind insbesondere die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen.

 

(2) Wird die Nachsicht nicht widerrufen, so ist die Strafe endgültig nachzusehen. Fristen, deren Lauf beginnt, sobald die Strafe vollstreckt ist, sind in einem solchen Fall ab Rechtskraft des Urteils zu berechnen.

 

 

IV.          Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG) hat gem Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter im Rahmen des § 27 VwGVG über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

 

1. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landesgerichts Linz steht – auch für das Landesverwaltungsgericht – bindend fest, dass der Bf strafbare Handlungen gemäß den §§ 27, 28 und 28a SMG  begangen hat. Er hat damit eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs 3 Z 11 FSG verwirklicht, weshalb die belangte Behörde zu Recht seine Verkehrszuver­lässigkeit überprüft hat. Gemäß § 7 Abs 4 FSG ist diese bestimmte Tatsache einer Wertung zu unterziehen, wofür insbesondere die Verwerflichkeit der strafbaren Handlungen, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten in dieser Zeit maßgebend sind.

 

2. Dem Bf wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid die Lenkberechtigung bis zum Ablauf des 10. November 2016 entzogen. Die Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab dem Tag der Tat – im gegenständlichen Fall also ab dem 15. Mai 2015 – zu beurteilen; die belangte Behörde geht daher offensichtlich insgesamt von einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Bf von etwa 18 Monaten aus.

 

3. Für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs 1 Z 2 FSG genügt der stRsp des Verwaltungsgerichtshofes nach jedoch nicht schon das Vorliegen einer bestimmten Tatsache, sondern es muss auf Grund der gemäß § 7 Abs 4 FSG vorzunehmenden Wertung anzunehmen sein, der Betreffende werde sich wegen seiner Sinnesart weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden (VwGH 14.5.2009, 2009/11/0048 sowie VwSlg 15.059 A/1998).

 

4. Die belangte Behörde führt zu Recht die stRsp des Verwaltungsgerichtshofes an, wonach eine bedingte Strafnachsicht gem § 43 Abs 1 StGB zwar für sich allein nicht zwingend dazu führt, dass der Betreffende als verkehrszuverlässig anzusehen ist, weil sich die bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht gänzlich mit jenen decken, die für das Strafgericht für die bedingte Strafnachsicht von Bedeutung sind, dass aber nach der einschlägigen Bestimmungen des StGB die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen sind und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln kann, welche für die in § 7 Abs 4 FSG genannten Wertungskriterien von Bedeutung sind (vgl VwGH 21.8.2014, Ra 2014/11/0007; 25.11.2003, 2002/11/0124; 21.11.2006, 2005/11/0168; 23.11.2011, 2009/11/0263).

 

Die Prognose nach § 7 Abs 4 FSG, ob ausreichende Gründe für die Annahme bestehen, jemand werde sich wegen seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, ist zwar nicht identisch mit der des Strafgerichts, in beiden Fällen geht es aber um das Vorliegen oder Nichtvorliegen hinreichender Gründe für eine Annahme, die zu beurteilende Person werde sich (weiterer) schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen. Die vom Strafgericht angestellten Überlegungen werden aus diesen Erwägungen insbesondere dann von besonderer Bedeutung für die Vollziehung des FSG sein, wenn die gerichtliche Entscheidung über die bedingte Strafnachsicht im Zeitpunkt der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit noch nicht länger zurückliegt, weil dann die vom Strafgericht verwertbaren Umstände des Einzelfalles im Wesentlichen auch noch den nach dem FSG zu beurteilenden Fall kennzeichnen werden.

 

5. Zieht man im vorliegenden Fall erstens die Annahme des Strafgerichts (am 3. Dezember 2015, also knapp zwei Monate vor Erlassung des Mandats­bescheids) vor dem Hintergrund des § 43 Abs 1 StGB in Betracht, die bloße Androhung der Vollziehung der Freiheitsstrafe werde genügen, um den Bf von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Berücksichtigt man zweitens die hier vorliegende Besonderheit der Verwendung des Suchtmittels durch den Bf zur Linderung seiner Erkrankung (was sowohl bei der Strafbemessung durch das Strafgericht wie auch bei der Wertung durch die belangte Behörde berücksichtigt wurde) und die mittlerweile vorliegende Substitution des Suchtgifts durch Medikamente mit denselben Wirkstoffen. Und schenkt man zudem drittens dem Umstand Beachtung, dass der Bf ab der Begehung der Straftat bis zur Erlassung des Mandatsbescheids von der ihm bis dahin nicht entzogenen Lenkberechtigung Gebrauch machen konnte, so hätte es schon der Feststellung besonderer Umstände durch die belangte Behörde bedurft, um eine Verkehrsun­zuverlässigkeitsprognose zu rechtfertigen, wonach der Bf bei Zustellung des Erstbescheides (also rund neun Monate nach Tatende respektive rund zwei Monate nach Erlassung des Strafurteils) und danach noch für mindestens neun (nach dem Mandatsbescheid gar zwölf [!]) weitere Monate als verkehrsunzuverlässig anzusehen wäre.

 

Im Ergebnis wäre – nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes in einem ähnlich gelagerten Fall (VwGH 14.5.2009, 2009/11/0048 mwN) – dafür die begründete Prognose notwendig gewesen, der Bf werde sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbaren Handlungen schuldig machen (§ 7 Abs. 1 Z 2 FSG). Im Hinblick auf die gegenteilige Auffassung des Strafgerichtes hätte es dazu eben gerade der Feststellung besonderer Umstände bedurft. Solche lagen der Aktenlage nach aber nicht vor. Im Gegenteil, geht doch die belangte Behörde offenkundig selbst von einem Wohlverhalten des Bf, der auch nach Tatende bis 10. Februar 2016 im Besitz der Lenkberechtigung war, ohne dass gegen ihn in verkehrsrechtlicher Hinsicht etwas vorliegen würde, aus.

 

6. Vor dem Hintergrund der dargestellten einschlägigen Rsp des Verwaltungsgerichtshofes kann die Annahme der belangten Behörde, der Bf sei wegen der Delikte gem §§ 27, 28 und 28a SMG für etwa 18 Monate verkehrsunzuverlässig, nicht geteilt werden. Im Hinblick auf die Erwägungen des Strafgerichts und der besonderen Umstände des Einzelfalles ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Auffassung, dass zum derzeitigen Zeitpunkt nicht mehr von einer mindestens dreimonatigen Verkehrsunzu­verlässigkeit ausgegangen werden kann, weshalb der angefochtene Bescheid – wie vom Bf beantragt – ersatzlos zu beheben war.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 


 

V.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Beurteilung der Verkehrsunzuverlässigkeit erfolgte anhand der – in der Entscheidung zitierten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Wolfgang Peterseil