LVwG-600912/8/SE/CG
Linz, 03.06.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Sigrid Ellmer über die Beschwerde von Frau H H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W M, vom 22. Mai 2015, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 21. April 2015, GZ.: VerkR96-1374-2014, wegen Missachtung des Vorrangs sowie nicht sofortige Anhaltung aufgrund des daraus resultierenden Verkehrsunfalles am 24. März 2014,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 21. April 2015, GZ.: VerkR96-1374-2014, stattgegeben und dieser ersatzlos behoben sowie hinsichtlich Spruchpunkt 2. die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen hinsichtlich Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides.
Gemäß § 52 Abs.1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich Spruchpunkt 2. in der Höhe von 16,00 Euro zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig. Für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision hinsichtlich Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt (im Folgenden: belangte Behörde) warf Frau H H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W M (im Folgenden: Beschwerdeführerin) mit Straferkenntnis vom 21. April 2015, GZ: VerkR96-1374-2014, Verwaltungsübertretungen gemäß § 4 Abs. 1 lit.a StVO sowie § 19 Abs. 7 iVm § 19 Abs. 6 StVO 1960 vor und verhängte gemäß § 99 Abs. 2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 250 Euro (ersatzweise eine Freiheitsstrafe von 36 Stunden) sowie eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro gemäß § 99 Abs. 3 lit.a StVO 1960 (ersatzweise eine Freiheitsstrafe von 36 Stunden). Weiters wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von insgesamt 35 Euro auferlegt.
Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde (auszugsweise Wiedergabe):
„1) Sie sind als Lenkerin des angeführten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.
Tatort: Gemeinde Pregarten, Landesstraße 1472 bei km 0.050
Tatzeit: 24.03.2014, 18:35 Uhr
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 4 Abs.1 lit.a StVO
2) Sie haben als Wartepflichtige durch Einbiegen vom Parkplatz vor dem Haus 4230 Pregarten, Stadtplatz x, auf der L 1472 einem Fahrzeug (Moped), das sich im fließenden Verkehr befunden hat nicht den Vorrang gegeben und dieses dadurch zu unvermitteltem Bremsen genötigt, wobei der Lenker des Motorfahrrades zu Sturz kam.
Tatort: Gemeinde Pregarten, Landesstraße 1472 bei km 0.050
Tatzeit: 24.03.2014, 18:35 Uhr
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 19 Abs. 7 iVm § 19 Abs. 6 StVO 1960
Fahrzeug: Kennzeichen x, LKW, Mercedes-Benz 216 CDI, weiß“
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde unter anderem Folgendes aus:
Ich fuhr mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 bis 35 km/h lt. Tacho. In Höhe des Stadtamtes gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h. In diesem Bereich habe ich leicht gebremst und auf die Geschwindigkeit von 30 bis 35 km/h reduziert.
Ich kann mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass ich bereits in der Höhe der 30 km/h Begrenzung leicht gebremst habe, aber bremsbereit weitergefahren bin. In der Höhe des Stadtamtes habe ich auf den Tacho gesehen. Ich habe dann den Bus bemerkt, bin vorher schon bremsbereit weitergefahren und als ich bemerkte, dass der Bus herausfährt aus der Parklücke, ohne mich wahrzunehmen, habe ich die Vollbremsung gemacht. Zwischendurch habe ich nicht mehr auf den Tachometer gesehen.
Der Bus ist links aus dem Parkplatz herausgefahren und bei der Tragweiner Straße hat er wieder links abgebogen.
Nach dem Sturz bzw. als ich noch am Boden lag, habe ich den Bus noch gesehen. Das Fahrzeug war nach dem Zebrastreifen als ich dem Fahrzeug nachgeschrien habe. Ich bin ungefähr im rechten Drittel meiner Fahrbahnhälfte gefahren.“
Die Beschwerdeführerin gab an:
„Ich bin auf einen der beiden Parkplätze mit meinem Kleinbus direkt vor dem BIPA gestanden. Dort habe ich einen Einkauf erledigt. Ich habe in den Parkplatz von der Gutauer Straße Richtung Gutau eingeparkt. Nach dem Einkauf habe ich den Kleinbus rückwärts ausgeparkt, bin kurz Richtung Gutau gefahren und habe dann gewendet indem ich eine Kurve nach links machte und habe mich dann wieder in die Gutauer Straße jedoch jetzt Richtung Tragweiner Straße eingeordnet. Beim Herausfahren von der linken Seite habe ich niemanden bemerkt. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ein Auto neben mir am Parkplatz gestanden hat. Ich habe mehrmals auf den Verkehr geachtet, habe aber kein Fahrzeug erkannt oder bemerkt. Bis oberhalb des Stadtamts, das Haus das grün eingefärbt ist, habe ich nicht hinaufgesehen.“
Der technische Amtssachverständige erstattete folgendes Gutachten:
„Im Hinblick auf den gegenständlichen Unfallablauf werden 3 Varianten diskutiert. Zu der 1. Variante ist, bei der davon ausgegangen wird, dass der Mercedes Sprinter mit der Front zu der Fa. BIPA gestanden ist und im Retourgang herausgefahren ist und dann entgegen der Fahrtrichtung des ankommenden Mopedfahrers geblickt hat und die Lenkerin dann in einem Linksbogen die Gegenfahrbahn überquert und dann in einer Schrägstellung oder möglicherweise Parallelstellung zu ihrer jetzt geplanten Fahrtrichtung gestanden ist und dann weggefahren ist, Folgendes festzustellen:
Bei dieser Konstellation würde sich ein Reaktionsanlass für den ankommenden Mopedfahrer dann ergeben, wenn der im Rückwärtsgang ausfahrende Klein-LKW beginnt die Spur zu wechseln und aus seiner Sicht einen Linksbogen zu fahren. Solange dieser Klein-LKW auf seiner Spur steht, ist die Spur für den entgegenkommenden oder ankommenden Mopedfahrer völlig frei. Wenn man die Situation sich jetzt anschaut, dass der LKW-Fahrer den Linksabbiegebogen beginnt und das der Reaktionsanlass für den ankommenden Mopedfahrer wäre und man weiter davon ausgeht, dass der Klein-LKW seinen Bogen fertig fährt, um dann in entgegengesetzter Richtung wegzufahren, ist im Hinblick auf die Zeitwegsituation es nicht nachvollziehbar, dass dann sich die Situation ergibt, dass der Klein-LKW nachdem er seinen Linksbogen gefahren ist, wieder auf die Fahrbahn auffährt und das Moped, das bereits reagiert hat als der Klein-LKW mit dem Linksbogen beginnt, und in dieser Situation zu Sturz kommt und sich das Fahrzeug dann hinter dem Heck des ausfahrenden Klein-LKW befindet.
2. Variante: Diskutiert man die Variante 2, bei der man ausgeht, dass der Klein- LKW mit der Front zu der Fa. BIPA gestanden ist und er aus seiner Sicht im Rückwärtsgang in einem Linksbogen auf die Gegenfahrbahn, d.h. auf dem Fahrstreifen des ankommenden Mopedfahrers gefahren ist, so ist größenordnungsmäßig dafür eine Zeit von ca. 3 bis 4 Sekunden anzusetzen. Wenn man dann davon ausgeht, dass das Fahrzeug dann in die neue Fahrtrichtung gestanden ist, gekuppelt wird, der erste Gang eingelegt wird oder der zweite und weggefahren wird, so ergibt sich vom Wegfahren aus dem Parkplatz bis zum Fahren in die neue Fahrtrichtung ein Zeitfenster in der Größenordnung von 5 Sekunden. Auch in diesem Fall ist festzuhalten, dass, wenn die maximale Sichtweite rd. 140 m betragen hat, der ankommende Mopedfahrer vor dem Wegfahren, sofern keine Sichtabschattungen aus Sicht der Lenkerin des Klein-LKW vorgelegen ist, der Mopedfahrer erkennbar gewesen ist.
Diese Situation lässt sich in Einklang bringen mit der Schilderung der Zeugin, die auf Höhe des Gasthauses H gestanden ist, nämlich dass das Moped hinter dem LKW zu Sturz kam und der LKW nach vorne weggefahren ist. Diese Schilderung lässt sich im Hinblick auf die Größenordnung, dass man ca. 5 Sekunden braucht, um herauszufahren, den Gang einzulegen, nach vorne wegzufahren, in Einklang bringen. Dabei ist aber festzuhalten, dass der entscheidende Punkt aus technischer Sicht ist, welche Sicht sie vor dem Wegfahren gehabt hat. Wenn keine Sichtabschattung stattgefunden hat, dann war der Mopedfahrer eindeutig zu erkennen.
Die 3. Variante geht davon aus, dass sie mit dem Heck zur Fa. BIPA gestanden ist und der Klein-LKW in einem Linksbogen nach vorne in die beabsichtigte Fahrtrichtung weggefahren ist. In dieser Situation ist festzuhalten, dass die Sicht in Richtung des ankommenden Mopedfahrers als ideal einzustufen ist und die Sichtstrecke die einsehbar ist in der Größenordnung von zumindest 140 m gelegen hat. Das Ausfahren in einem Linksbogen ist zeitlich mit ca. 3 Sekunden anzusetzen. In diesen 3 Sekunden wäre, wenn man dem Mopedfahrer unterstellt, dass er statt der zulässigen 30 km/h ungefähr 50 km/h gefahren wäre, dann wäre er rd. 42 - 45 m weggewesen als der Klein LKW ausgefahren wäre. Diese Schilderung lässt sich je nach Reaktionsverzug auch in Einklang bringen mit den Aussagen des gestürzten Mopedfahrers.
Ergänzend zur Variante 1 ist festzuhalten, dass, wenn der Klein-LKW rückwärts rausfährt und dann beabsichtigt aus seiner Sicht in einen Linksbogen auf den angrenzenden asphaltierten Platz ohne Parkplatzmarkierung zu fahren und der Reaktionsanlass nicht dadurch bestanden hat, dass gleich nach dem rückwärts Ausfahren bei Beginn des Linksbogens der Mopedfahrer gebremst hat, sondern sie ihren Bogen fertigfährt, um dann in ihrer beabsichtigten Fahrtrichtung zu stehen, dann steht in dieser Situation der Klein-LKW entweder ziemlich parallel zur beabsichtigten Fahrtrichtung oder er steht möglicherweise sogar unter einem Winkel von 90°. In dieser Situation, wenn man davon ausgeht, dass man vor dem Wegfahren noch einmal nach links schaut, muss der Mopedfahrer im Hinblick auf die maximale Sichtweite von 140 m auf alle Fälle im Sichtbereich der Kraftfahrlenkerin gewesen sein. Da aufgrund der Unfallschilderung der Zeugen das Moped sich immer auch in der Sturzphase hinter dem LKW befunden hat, kann man auch ausschließen, dass selbst wenn der Klein-LKW parallel zur Fahrbahn gestanden wäre und die optische Erkennbarkeit des ankommenden Mopedfahrers durch einen Blick in den linken Außenspiegel gegeben ist, dass der Mopedfahrer sich dann auf keinen Fall im sogenannten toten Winkel befunden hat. Der Mopedfahrer muss sich auch zu diesem Zeitpunkt hinter dem Klein-LKW befunden haben und in diesem Bereich ist kein toter Winkel vorhanden.“
Die belangte Behörde führte aus, dass im Gutachten des Amtssachverständigen klar und deutlich herausgekommen sei, dass der Mopedfahrer in allen Varianten deutlich erkennbar war. Offensichtlich dürfte ein Aufmerksamkeitsfehler vorgelegen sein, weshalb eine Fahrlässigkeit als Schuldbegriff angenommen wurde. Außer Streit steht, dass die Beschuldigte nicht angehalten habe. Ein normgerechter Mensch hätte bei entsprechender Aufmerksamkeit den Mopedfahrer erkennen müssen und auch das Sturzgeschehen. Das Sturzgeschehen habe auf der Fahrbahn stattgefunden, da dort kein Parkplatz eingezeichnet sei.
Es wurde die vollinhaltliche Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.
Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin stellt außer Streit, dass ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen der Beschwerdeführerin, dem Mopedfahrer und dem Sturz bestehe. Das Unfallgeschehen selbst, wie es sich tatsächlich abgespielt hat, könne nicht festgestellt werden. Aufgrund des einen Aufmerksamkeitsfehlers könne aber der Beschwerdeführerin nicht auch noch vorgeworfen werden, dass sie das Unfallgeschehen hätte bemerken müssen. So wie der Amtssachverständige in seinem Gutachten anführt, müsse kein zwingender Grund vorgelegen sein, in den Rückspiegel zu schauen, wenn sich die Blickrichtung an die Fahrtrichtung, nämlich Richtung Kreuzung Tragweiner Straße, orientierte.
Es wurde die ersatzlose Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.
(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben
a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,
[….]
§ 19. Vorrang.
[….]
(6) Fahrzeuge im fließenden Verkehr haben den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen odgl. kommen.
[….]
(7) Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), darf zur Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.
[….]
§ 99. Strafbestimmungen.
[...]
(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,
a) der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs.1 und 2 zuwider handelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizeidienststelle verständigt,
[...]
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,
a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist;
[...]“
III.2. Der Zeuge fuhr auf der Gutauer Straße, L1472, Richtung Tragweiner Straße und die Beschwerdeführerin befand sich mit ihrem Kfz auf einem Parkplatz vor dem Haus Stadtplatz x, 4230 Pregarten.
Ein Parkplatz ist eine untergeordnete Verkehrsfläche, weshalb die Beschwerdeführerin keinen Vorrang hatte. Sie war Wartepflichtige und der Zeuge war Vorrangberechtigter.
Lt. festgestelltem Sachverhalt hat die Beschwerdeführerin durch ihr Ausparkmanöver den mit ordnungsgemäßer Geschwindigkeit fahrenden und vorrangberechtigten Zeugen zu einem unvermittelten Bremsen genötigt. Durch den Bremsvorgang kam es zu einem Sturz. Der Zeuge war bei allen geprüften Varianten des Ausparkmanövers der Beschwerdeführerin wahrnehmbar.
Die Veranlassung zu einer „mittleren Betriebsbremsung“ entspricht schon einer Nötigung zum unvermittelten Bremsen (vgl. OGH 24.03.1981, 2Ob36/81 ZVR 1981/274).
Der objektive Tatbestand des § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 ist somit erfüllt.
III.3. Der Zeuge kam aufgrund des Ausparkvorgangs der Beschwerdeführerin zu Sturz. Die Beschwerdeführerin war daher durch ihre Vorrangverletzung mit dem Sturz des Zeugen in ursächlichem Zusammenhang. Gemäß § 4 Abs. 1 lit.a StVO 1960 wäre sie verpflichtet gewesen, sofort anzuhalten. Die Beschwerdeführerin fuhr aber auf der L1472 weiter Richtung Kreuzung mit der Tragweiner Straße und bog links ab.
Somit ist der objektive Tatbestand des § 99 Abs. 2 lit.a StVO 1960 erfüllt.
III.4. Da § 99 Abs. 2 lit.a und Abs. 3 lit.a StVO 1960 nichts über die Verschuldensform sagt, genügt gemäß § 5 Abs. 1 letzter Satz Verwaltungsstrafgesetz – VStG fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit besteht in einem Mangel an Sorgfalt.
III.4.1. Hinsichtlich der Vorrangverletzung gemäß § 19 Abs. 7 StVO 1960 ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit den Zeugen rechtzeitig wahrnehmen hätte können (vgl. dazu OGH 10.09.1985, 2Ob42/85 ZVR 1986/12; ähnlich VwGH 16.10.2003, 2001/03/0242).
Es ist daher gemäß § 38 VwGVG iVm § 5 Abs. 1 VStG von fahrlässigem Verhalten auszugehen und somit auch die subjektive Tatseite zu bejahen. Einer geprüften Kraftfahrzuglenkerin wie der Beschwerdeführerin muss die sorgfältige Beachtung der Verkehrsvorschriften zugemutet werden.
Gemäß § 19 VStG iVm § 38 VwGVG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Nach der bezughabenden Strafbestimmung des § 99 Abs. 3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer unter anderem als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.
Strafmildernd ist die bisherige Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin zu werten, Straferschwerungsgründe wurden nicht festgestellt.
Von einem geringfügigen Verschulden kann nicht ausgegangen werden, weil weder hervorgekommen ist noch anzunehmen ist, dass die Vermeidung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hat oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes nur schwer hätte vermieden werden können.
Vor diesem Hintergrund erachtet das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die von der belangten Behörde verhängte Strafe in Höhe von 80 Euro tat- und schuldangemessen und aus spezialpräventiver Sicht in der festgesetzten Höhe erforderlich, um die Beschwerdeführerin künftig von weiteren einschlägigen Tatbegehungen abzuhalten und entsprechend darauf hinzuweisen, dass die Beachtung der Vorrangregeln von wesentlicher Bedeutung ist. Auch aus dem Blickwinkel der Generalprävention steht dieser Strafzumessung nichts entgegen. Ferner kann im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen die verhängte Geldstrafe nicht als überhöht angesehen werden. Für eine Strafherabsetzung findet sich daher kein Ansatz. Die Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden wurde in angemessenem Verhältnis zur verhängten Geldstrafe festgesetzt.
Auch ein Absehen von der Bestrafung und Erteilung einer Ermahnung im Sinne des § 45 Abs.1 Z.4 VStG kommt nicht in Betracht, da die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden der Beschwerdeführerin – wie oben dargestellt – nicht als gering zu werten ist. Da der belangten Behörde hinsichtlich Spruchpunkt 2) keine Rechtswidrigkeit anzulasten war, war die Beschwerde diesbezüglich als unbegründet abzuweisen.
III.4.2. Hinsichtlich des Vorwurfs des nicht sofortigen Anhaltens aufgrund des aus der Vorrangverletzung resultierenden Verkehrsunfalls ist festzuhalten, dass es bei dem Sturz des Zeugen zu keiner Kollision mit dem Kraftfahrzeug der Beschwerdeführerin gekommen ist.
Ob die Beschwerdeführerin eine Notwendigkeit und somit auch eine Verpflichtung traf, nach Abschluss des Ausparkvorganges in den Rückspiegel zu schauen und somit auch das Unfallgeschehen wahrnehmen hätte können, hängt von der Art und Weise des Ausparkvorganges ab. Nachdem aber aufgrund der unterschiedlichen Aussagen und auch aufgrund der tatsächlich verschiedenen Möglichkeiten des Ausparkvorganges, die zwar objektiv gesehen alle geeignet sind in ursächlichem Zusammenhang mit dem Sturz des Zeugen zu stehen, nicht mehr konkret festgestellt werden kann, wie die Beschwerdeführerin tatsächlich ausgeparkt hat, kann auch nicht festgestellt werden, ob für die Beschwerdeführerin die Verpflichtung, in den Rückspiegel zu sehen, bestanden hat oder nicht. Eine Verpflichtung nach dem Ausfahren zusätzlich in den Rückspiegel zu schauen hätte jedenfalls für das rückwärtige Ausparken, bei dem die Beschwerdeführerin entgegen die Fahrtrichtung des ankommenden Zeugen geblickt hätte, bestanden. Hingegen bestünde diese Verpflichtung nicht für die Möglichkeit des vorwärts Ausparkens sowie sowie für die Möglichkeit des rückwärtigen Ausparkens mit einem Wendemanöver mittels Linksbogen und anschließendem vorwärts Einbiegemanöver in die Gutauer Straße.
Es kann daher das Verschulden der Beschwerdeführerin nicht als erwiesen festgestellt werden, weshalb das angefochtene Straferkenntnis im Spruchpunkt 1) aufzuheben war.
IV. Verfahrenskostenbeitrag:
Gemäß § 52 Abs.1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist gemäß Abs.2 leg.cit zufolge für das Beschwerdeverfahren mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen. Im vorliegenden Fall war daher hinsichtlich Spruchpunkt 2) ein Betrag in der Höhe 12 Euro vorzuschreiben.
Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist. Nachdem Spruchpunkt 1) des angefochtenen Straferkenntnisses aufgehoben wurde, waren diesbezüglich auch keine Verfahrenskosten vorzuschreiben.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise für eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Für die Beschwerdeführerin ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung hinsichtlich Spruchpunkt 2) des angefochtenen Straferkenntnisses gemäß § 25a Abs.4 VwGG ex lege ausgeschlossen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall hinsichtlich Spruchpunkt 2) gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
H i n w e i s
Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag.a Sigrid Ellmer