LVwG-650623/2/Bi

Linz, 31.05.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde der Frau H P, vertreten durch RAe Dr. P L, vom 19. April 2016 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 14. März 2016, VerkR21-151-2016/LL, wegen der Aufforderung, sich hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen amtsärztlich untersuchen zu lassen,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der in Beschwerde gezogene Bescheid aufgehoben.  

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) gemäß §§ 24 Abs.4 iVm 8 FSG aufgefordert, sich innerhalb von drei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 amtsärztlich untersuchen zu lassen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 23. März 2016.

2. Dagegen hat die Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer (nicht beantragten) öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 24 VwGVG.

3. Die Bf macht im Wesentlichen geltend, die Aufforderung sei ohne Wahrung des rechtlichen Gehörs mit ihrer Erstattung einer Diebstahlsanzeige begründet worden, wobei sich die Gegenstände dann wieder in ihrer Wohnung gefunden hätten und sie den Beamten gegenüber angegeben habe, sie sei in der Landesnervenklinik W-J in stationärer Behandlung gewesen. Die belangte Behörde habe nicht einmal das Bestehen von Bedenken festgehalten, sondern nur darauf hingewiesen, dass bei ihr nach ihrer Einschätzung eine psychische Erkrankung vorliege. Das könne aber nur die Meinung eines Sachbearbeiters oder eines Polizeibeamten darstellen, weil keine ärztlichen Atteste oder dgl vorlägen. Es gebe nur ihre Aussage bei der Polizei, die durch nichts dokumentiert und von niemandem überprüft worden sei. Der Bescheid hätte nicht erlassen werden dürfen, das Verfahren sei mangelhaft.

Es sei zwar grundsätzlich richtig, dass sie einen Aufenthalt im WJ-KH gehabt habe, der aber bereits längere Zeit zurückliege und keinen begründeten Verdacht nach § 24 Abs.4 FSG darstellen könne. Es gebe keinerlei fundierte Anhaltspunkte für begründete Bedenken, dass ihre gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr vorhanden sei. Beantragt wird die ersatzlose Behebung des Bescheides.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Laut Bericht des Meldungslegers R K, PI Leonding, erstattete die Bf am 24. Februar 2016, 11.30 Uhr, auf der do Dienststelle Anzeige ua wegen Diebstahls, den Herr A M (in Folge: A.M.) begangen haben solle, der ihre Zweitschlüssel gestohlen habe und sich dadurch jederzeit Zutritt in ihre Wohnung verschaffen könne. Um 14.20 Uhr habe die Bf telefonisch um Zurückziehung der Anzeige ersucht, die als gestohlen gemeldeten Wertsachen (Bargeld, Sparbuch, Bankomatkarte) habe sie in der in ihrer Wohnung befindlichen Gelddose gefunden.

In der do Dienststelle sei die Bf schon öfter durch ähnlich gelagerte Amtshandlungen aufgefallen, bei denen es fast ausschließlich um A.M. gegangen sei. Auch die Befragung von Mitarbeitern ihrer Hausbank habe ergeben, dass die Bf dort öfters geäußert habe, ihr sei etwas gestohlen worden. A.M. habe ausgesagt, er habe der Bf in der Vergangenheit öfters geholfen, als sie ihr Eigenheim in Linz veräußert habe und er habe ihr beim Einrichten ihrer Wohnung in Leonding geholfen und dort alle Fliesen gelegt. Er habe immer ein gutes Verhältnis zu ihr gehabt und sie unterstützt, besitze definitiv keinen Zweitschlüssel und habe ihr noch nie etwas gestohlen. Sie habe am 24. Februar 2016 nach 13.00 Uhr bei der Verkaufsstätte seines Arbeitgebers, der Fa. D, mit Nachdruck nach ihm gefragt und sei vom Firmeninhaber vom Geschäftslokal verwiesen worden. Daraufhin sei sie zu seiner Wohnadresse gefahren und habe mit seiner Ehefrau ein Gespräch geführt.

Die Bf habe beim Gespräch auf der Dienststelle einen „eher leicht verwirrten Eindruck“ gemacht, als ob sie mit ihrer gegenwärtigen Lebenssituation völlig überfordert wäre. Auf die Nachfrage, ob sie in der Wohnung zuvor alles kontrolliert habe, sei sie zunehmend lauter, ungehaltener und verbal aggressiv geworden. Der Inhaber der Fa. D habe die Angaben von Herrn A.M. bestätigt und diesen als „ganz zuverlässigen“ Mitarbeiter bestätigt.

Mit der Bf wurde am 24. Februar 2016 (von 12.12 bis 12.55 Uhr) eine Niederschrift aufgenommen, in der sie die Beziehung mit A.M. sowie einen von ihr selbst abgebrochenen Selbstmordversuch am 16. Juli 2014 und einen darauf­folgenden Aufenthalt im WJ-KH schilderte. Als sie Ende Jänner aus dem Krankenhaus heimgekommen sei, habe sie das Fehlen ihres Wohnungs-Zweitschlüssels bemerkt und sie sei ganz sicher, dass ihn A.M. gestohlen habe. Am 23. Februar 2016 habe sie bei ihrer Bank vom dort in einem Schließfach verwahrten Sparbuch Geld behoben. Gegen 19.00 Uhr habe sie das Auto ausgeräumt und das in einem Sparkassensack verwahrte Sparbuch, die Bankomatkarte und das restliche Bargeld in die Wohnung mitgenommen. Um 20.00 Uhr sei sie ins Bett gegangen und am 24. Februar 2016 gegen 10.30 Uhr habe sie festgestellt, dass der Sparkassensack zerknüllt auf dem Sessel gelegen und der Inhalt weg gewesen sei. Sie sei sich sicher, dass A.M. mit dem Zweitschlüssel in der Wohnung gewesen sei und die Sachen gestohlen habe. Ihr Hund sei über Nacht in der Wohnung gewesen, habe aber nicht gebellt.

 

Daraufhin erging der in Beschwerde gezogene Bescheid. Begründet wurde die Aufforderung gemäß § 24 Abs.4 FSG damit, der Behörde sei ohne ärztliche Abklärung ihres Gesundheitszustandes eine Beurteilung ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen und ob sie frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs.1 Z1 FSG-GV nicht möglich; nach deren Einschätzung seien die angeführten Vorfälle auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen, die einen Einfluss auf die Verkehrssicherheit und damit auf ihre gesundheitliche Eignung haben könne.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. … Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl E 27.1.2015, 2012/11/0233) sind Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs.4 FSG begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Im Zusammenhang mit einem Suchtmittelkonsum des Inhabers einer Lenkberechtigung wäre ein Aufforderungsbescheid rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, dem Betreffenden fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit (oder wegen Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung) die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (vgl. aus vielen das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2011, Zl. 2011/11/0026, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Falle einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen (vgl. abermals das genannte Erkenntnis Zl. 2011/11/0026, und die dort zitierte Judikatur).

 

Auf den ggst Fall bezogen ist vonseiten des Landesverwaltungsgerichtes OÖ  kein Anhaltspunkt für begründete Bedenken zu finden, dass bei der Bf die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B nicht mehr gegeben sein könnte. Der Vorfall vom 24. Februar 2016 stand nicht im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges, weshalb weder Bedenken hinsichtlich der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit der Bf noch Anhaltspunkte bezüglich einer mangelnden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zu begründen sind.  

Die von der belangten Behörde im in Beschwerde gezogenen Bescheid in den Raum gestellte Vermutung, die geschilderten Vorfälle könnten auf eine aktuell bei der Bf bestehende psychische Erkrankung zurückzuführen sein, ist insofern zu nebulos, als die am 16. Juli 2014 bestehenden Umstände nicht geeignet sind, ohne jede medizinische Grundlage geäußerte Bedenken zum heutigen Gesundheitszustand der Bf zu begründen. Dass jemand selbst eigene Sachen verlegt und sie erst später wieder findet, begründet – selbst wenn er inzwischen ungerechtfertigt Strafanzeige erstattet hat – noch keine Bedenken im Hinblick auf eine mangelnde gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.

Damit war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger