LVwG-650615/2/MS/Bb

Linz, 20.05.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Dr. Monika Süß über die Beschwerde des D B, geb. 1987, vertreten durch Dr. H K vom 19. April 2016 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 21. März 2016, GZ VerkR21-71-2015, wegen Entziehung der Lenkberechtigung und weiterer führerscheinrechtlicher Anordnungen,

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding (im Folgenden: belangte Behörde) vom 21. März 2016, GZ VerkR21-71-2015, wurde D B (Beschwerdeführer – im Folgenden kurz: Bf) die Lenkberechtigung der Führerscheinklassen AM (Motorfahrräder und vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge), A (dreirädrige Kraftfahrzeuge), B, C1, C und F wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit in der Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen und ihm das Recht aberkannt, während der Entziehungsdauer von einem ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen. Weiters wurde der Bf aufgefordert, nach Eintritt der Rechtskraft unverzüglich seinen Führerschein bei der belangten Behörde oder der zuständigen Polizeiinspektion abzuliefern.

 

Ihren Bescheid begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgebenden Rechtsvorschriften und des relevanten Sachverhaltes ua. Folgendes aus (auszugsweise Wiedergabe):

 

„(...) Die von Ihnen gesetzten Handlungen zeigen, dass Sie nicht im Geringsten Interesse am Rechtsgut des „Lebens“, welches einer Person bzw. einem Individuum zusteht, zeigen und eben immer wieder Delikte gegen Leib und Leben, wie auch im gegenständlichen Fall das wiederholte Vergehen der Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB), setzen. Hervorzuheben ist hiebei Ihr äußerst aggressives und zum Teil brutales Verhalten, dass Sie bei den jeweiligen Taten an den Tag gelegt haben. Von Kraftfahrzeuglenkern ist allerdings wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktsituationen eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart zu verlangen. Unbeherrschte Aggressivität lässt befürchten, dass die betreffende Person entweder mit betont aggressiver Fahrweise oder aggressivem Verhalten nach einem allfälligen Verkehrsunfall auf vermeintliches oder tatsächliches Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer reagiert (siehe dazu VwGH vom 18.03.2003, 2002/11/0062; vom 27.05.1999, 98/11/0136 und 99/11/0198). Derartiges ist bei Ihnen auch zu erwarten, zumal Sie – wie auch vom Gericht festgestellt – ohne den Kontrahenten zu kennen und ohne vorausgehenden Wortwechsel, quasi „aus heiterem Himmel“ absichtlich geschlagen haben. Bemerkenswert ist, dass Sie knapp ein halbes Jahr nach der Verurteilung durch das Strafgericht (am 16.06.2014 wegen des Deliktes am 09.02.2014) und ca. ein Monat nach Aufhebung des Entzugsbescheides vom 04.09.2014 mit Erkenntnis des LVwG vom 10.11.2014 das nunmehrige Körperverletzungsdelikt gesetzt haben. Folglich ist auch daraus auf ein hohes Aggressionspotential Ihrerseits zu schließen. Ihre Charaktereigenschaft ist somit als niedrig angesiedelt anzusehen und Ihre persönliche Verlässlichkeit und somit Verkehrszuverlässigkeit nicht gegeben.

 

 

 

Die Behörde verkennt nicht, dass die gegenständlichen Verurteilungen allesamt nicht mit der Verkehrsteilnahme im Zusammenhang stehen. Allerdings zeugt eben auch Ihr Aggressionspotential – insbesondere das Setzen der Aggressionshandlung ohne erkennbaren Grund – davon, dass Sie in wiederum kurzer Zeit zu einer weiteren strafbaren Handlung der gleichen bei Konfliktsituationen tendieren werden. Insbesondere wurde die letzte Tathandlung in stark alkoholisiertem Zustand begangen, was die Unkontrolliertheit Ihrer Handlungen – im Falle einer Alkoholisierung – wohl noch steigert. Negativ ist auch Ihre Uneinsichtigkeit bei der letzten Tathandlung zu werten, was Ihre derzeit niedrig angesiedelte Charaktereigenschaft weiters zu dokumentieren scheint.


Das Wohlverhalten zwischen der jeweiligen Tat verstrichenen Zeit als auch der seit der letzten Tatbegehung (26.12.2014) verstrichenen Zeit kann nur bedingt positive Berücksichtigung finden, war doch bis 27.10.2015 noch das strafgerichtliche Verfahren anhängig und erst mit diesem Zeitpunkt beendet, weshalb dieser Zeit geringe Bedeutung zukommt (vgl. dazu VwGH vom 08.8.2002, 2002/11/0136; vom 27.05.1999, 99/11/0035).

 

Unter Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes, dessen Wertung, der daraus zu schließenden Sinnesart als auch unter Berücksichtigung der vom Gericht zuletzt verhängten unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten ist die im Spruch festgesetzte Entziehungsdauer unbedingt erforderlich. (...)“

 

 

Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 23. März 2016, richtet sich die vorliegende, durch die rechtsfreundliche Vertretung des Bf mit Schriftsatz vom 19. April 2016 rechtzeitig erhobene Beschwerde, in der die Aufhebung des Bescheides, in eventu die Zurückverweisung an die belangte Behörde zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung begehrt wird.

 

Im Beschwerdeschriftsatz wird ausgeführt, dass die belangte Behörde davon ausgehe, dass er durch die gesetzten strafbaren Handlungen kein Interesse am Rechtsgut des Lebens zeige und eine Sinnesart aufweise, die Gewalttätigkeiten zugänglich sei. Diese Annahme sei falsch.

 

Völlig unverständlich habe die Behörde hinsichtlich der aktenkundigen Vorverurteilungen keine relevanten zeitlichen Feststellungen getroffen. Der Großteil der Verurteilungen liege im Zeitraum 2008 bis 2012, eine weitere Verurteilung im Jahr 2014. Seitdem habe er sich wohlverhalten. Daraus sei eine Veränderung in seinem Wesen erkennbar. Die zeitlichen Abläufe bzw. die den Verurteilungen zugrundeliegenden Aktivitäten hätten sich drastisch reduziert und ließen einen ganz klaren Aufwärtstrend bzw. positive Tendenz bei ihm erkennen.

 

Eine Beurteilung eines vorliegenden Fehlverhaltens in der Vergangenheit habe sich nicht nur auf die Intensität der zur Last gelegten Tathandlungen bzw. auch auf die zeitlichen Abläufe zu reduzieren, sondern sei vielmehr auch eine vorhandene bzw. ersichtliche positive Prognose bei der rechtlichen Beurteilung in Ansatz zu bringen. Bei rechtsrichtiger Beurteilung hätte die belangte Behörde davon ausgehen müssen, dass ein Entzug der Lenkberechtigung nicht notwendig ist.

 

 

Die belangte Behörde hat die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Vorlageschreiben vom 20. April 2016 unter Anschluss des Verwaltungsstrafaktes mit der GZ VerkR21-71-2015 zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen.  

 

Mit der Aktenvorlage wurde die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung begründet (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.

 

 

II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, da schon aus der Aktenlage erkennbar ist, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Im Übrigen hat der rechtsfreundlich vertretene Bf (vgl. z. B. VwGH 28. April 2004, 2003/03/0017) auch keine Verhandlung beantragt.

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevantem Sachverhalt aus:

 

Der am 8. Dezember 1987 geborene Bf ist im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen AM, A, B, C1, C und F.

 

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Schärding vom 20. Juli 2015, GZ 1 U 41/15p, wurde er wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt. Grund für diese Verurteilung war, dass der Bf am 26. Dezember 2014 in Schärding eine männliche Person durch Versetzen eines Faustschlages gegen die linke Körperseite sowie Würgen vorsätzlich am Körper verletzte, wobei die Tat eine Kopfprellung zur Folge hatte. Im Hinblick auf die Strafbemessung wertete das Strafgericht als mildernd keinen Umstand, als erschwerend wurden hingegen fünf einschlägige Vorstrafen und das Setzen der Aggressionshandlung ohne erkennbaren Grund gewertet.

 

Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 27. Oktober 2015, GZ 22 BI 36/15f, wurde die vom Bf gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Schärding erhobene Berufung als unzulässig zurückgewiesen.

 

Das strafgerichtliche Urteil ist laut Verständigung des Bezirksgerichtes Schärding seit 27. Oktober 2015 rechtskräftig und ist der belangten Behörde am 31. Dezember 2015 zugegangen.

 

Laut Strafregisterauskunft weist der Bf bereits vier rechtskräftige einschlägige Vorverurteilungen nach § 83 Abs. 1 StGB aus den Jahren 2008, 2012 und 2014 sowie eine rechtkräftige Verurteilung nach § 88 Abs. 1 StGB aus 2007 auf. Wegen des im Jahr 2014 aktenkundigen Deliktes nach § 83 Abs. 1 StGB (begangen am 16. Februar 2014) wurde der Bf damals zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Diese Probezeit wurde aufgrund der aktuellen Verurteilung des Bf nach § 83 Abs. 1 StGB nunmehr auf fünf Jahre verlängert.

 

 

III. Gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen. (...)

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 FSG bildet die Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2  FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

 

 

Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat gemäß § 7 Abs. 3 Z 9 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.

 

§ 7 Abs. 4 erster Satz FSG zufolge sind für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Gemäß § 25 Abs. 3 erster Satz FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 29 Abs. 3 FSG ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern.

 

Nach § 30 Abs. 2 FSG hat die Behörde einem Besitzer einer ausländischen Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder eines ausländischen EWR-Führerscheines (§ 1 Abs. 4), der einen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat, die Lenkberechtigung unter Anwendung der §§ 24 bis 29 zu entziehen. Der eingezogene Führerschein ist der Ausstellungsbehörde zusammen mit einer Sachverhaltsdarstellung zu übermitteln. Nach Ablauf der Entziehungsdauer hat der Betroffene einen Antrag auf Ausstellung eines österreichischen Führerscheines gemäß § 15 Abs. 3 oder, falls die Entziehungsdauer länger als 18 Monate war, auf Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung zu stellen. Die Behörde hat auch die Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR- oder eines Nicht-EWR-Staates anzuordnen, wenn eine Person mit Wohnsitz in Österreich eine solche Lenkberechtigung zu einem Zeitpunkt erlangt hat, zu dem in Österreich bereits die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen war. In diesem Fall ist die Lenkberechtigung bis zu jenem Zeitpunkt zu entziehen, zu dem die bereits angeordnete Entziehungsdauer endet. Eine Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR-Staates oder eines Nicht-EWR-Staates ist auszusprechen, wenn eine Person eine Lenkberechtigung in diesem Staat zu einem Zeitpunkt erworben hat, zu dem die Person ihren Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich und nicht im Ausstellungsstaat des Führerscheines hatte.

 

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwögen:

 

Der Bf wurde mit Strafurteil des Bezirksgerichtes Schärding vom 20. Juli 2015, GZ 1U 41/15p, wegen des Vergehens der Körperverletzung rechtskräftig nach    § 83 Abs. 1 StGB verurteilt. Im Hinblick auf diese rechtskräftige Verurteilung besteht für die belangte Behörde wie auch für das Landesverwaltungsgericht Bindungswirkung, sodass von der tatsächlichen Begehung dieser strafbaren Handlung durch den Bf auszugehen ist, welche in Zusammenschau mit der einschlägigen Vorverurteilung des Bf nach § 83 Abs. 1 StGB vom Februar 2014 eine die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 9 FSG darstellt (wiederholte Begehung gemäß § 83 StGB).  Diese bestimmte Tatsache ist gemäß § 7 Abs. 4 FSG einer Wertung zu unterziehen, wofür insbesondere die Verwerflichkeit der strafbaren Handlungen, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten in dieser Zeit maßgebend sind.

 

Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben (sogenannte Gewaltdelikte) stellen einen besonders schweren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar und daher sind als verwerflich und überaus gefährlich anzusehen. Die Vielzahl an strafgerichtlichen Verurteilungen des Bf wegen Vergehen der Körperverletzung und sein im Gerichtsurteil dargestelltes Verhalten anlässlich des letzten aktenkundigen Vorfalles zeigen, dass der Bf eine überdurchschnittlich hohe Bereitschaft zur Gewaltanwendung aufweist. Sein Verhalten ist als besonders verwerflich zu beurteilen, da er in alkoholisiertem Zustand eine Person vorsätzlich ohne erkennbaren Grund durch einen Faustschlag und durch Würgen am Kopf verletzte. Von Kraftfahrzeuglenkern muss wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktfälle jedoch eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart verlangt werden (VwGH 26. Februar 2002, 2001/11/0379).

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit zufolge § 25 Abs. 3 FSG aber nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde aufgrund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides mit Recht annehmen durfte, es liege Verkehrsunzuverlässigkeit vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten (gerechnet ab dem Wirksamwerden der Entziehung) eintreten (z. B. VwGH 14. September 2004, 2004/11/0119, 23. April 2002, 2001/11/0149 uvm).

 

Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab Tathandlung bzw. ab Beendigung des strafbaren Verhaltens zu bemessen (VwGH 17. Oktober 2006, 2006/11/0120 27. März 2007, 2005/11/0115). Wird die Entziehung der Lenkberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit beginnend mit Rechtskraft des Entziehungsbescheides verfügt, muss die Verkehrsunzuverlässigkeit des Betreffenden noch zumindest für drei Monate ab Rechtskraft des Bescheides vorliegen, um rechtmäßig eine Entziehung aussprechen zu können.

 

Aufgrund der dargelegten Umstände und des Verhaltens des Bf kann davon ausgegangen werden, dass der Bf im Zeitpunkt der Begehung des strafbaren Verhaltens im Dezember 2014 und darüber hinaus jedenfalls verkehrsunzuverlässig war und eine Wertung des Vorfalles kurz nach der Tat durchaus eine Verkehrsunzuverlässigkeit des Bf ergeben und zur Entziehung der Lenkberechtigung geführt hätte.

 

Zum jetzigen Zeitpunkt ist aber zu berücksichtigen, dass die aktuelle strafbare Handlung mittlerweile mehr als 17 Monate zurückliegt und der Bf in diesem Zeitraum offenbar im Besitz einer Lenkberechtigung war und zumindest der Aktenlage nach nicht negativ in Erscheinung getreten ist und sich wohlverhalten hat.

 

Dem Bf wurde der die Entziehung bewirkende Bescheid am 23. März 2016 zugestellt. Da die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung beginnend mit der Rechtskraft des Bescheides festgesetzt wurde, hat die belangte Behörde unter Berücksichtigung des Ablaufs der vierwöchigen Beschwerdefrist (formelle Rechtskraft) und Einrechnung der dreimonatigen Entzugsdauer offenkundig die Auffassung vertreten, der Bf sei bis etwa Mitte Juli 2016 verkehrsunzuverlässig. Ausgehend vom Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung durch den Bf am 26. Dezember 2014 würde sich daher bei Bestätigung der verfügten dreimonatigen Entziehungsdauer durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine Verkehrsunzuverlässigkeit des Bf von rund 19 Monaten ergeben. Eine derart lange Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist jedoch selbst unter Berücksichtigung der Vorverurteilungen des Bf und seines überaus verwerflichen Verhaltens anlässlich des bislang letzten Vorfalles nicht vertretbar.

 

Ist seit der Begehung der eine bestimmte Tatsache darstellenden strafbaren Handlung so viel Zeit verstrichen, dass die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nicht mehr gerechtfertigt ist, darf die Lenkberechtigung nicht mehr entzogen werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Erlassung des Entziehungsbescheides zu einem früheren Zeitpunkt mangels Abschlusses eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens nicht möglich gewesen ist (VwGH 23. April 2002, 2001/11/0406).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mehrfach mit der Beurteilung der Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von Personen, die strafbare Handlungen gegen Leib und Leben begangen hatten, auseinandergesetzt und eine derart lange Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit wie im Beschwerdefall in vergleichbaren Fällen als zu lange erachtet.

 

Im Erkenntnis vom 30. Juni 1992, 91/11/0124, das eine Person betraf, die eine absichtliche schwere Körperverletzung (Schuss gegen die Schulterregion eines Dritten) begangen hatte und nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB bestraft worden war, hielt der Verwaltungsgerichtshof die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit für die Dauer von insgesamt 15 Monaten für verfehlt.

 

In der Entscheidung vom 28. Juni 2001, 2001/11/0114, die eine Person betraf, die einem Dritten durch mehrere Faustschläge gegen den Kopf und den Oberkörper eine schwere Verletzung zugefügt hatte und wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB, darüber hinaus aber des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z 1 StGB verurteilt worden war, befand der Verwaltungsgerichtshof die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit für eine Dauer von 18 Monaten für zu lange.

 

In einem weiteren Erkenntnis vom 23. April 2002, 2001/11/0346, das eine Person betraf, die als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB und darüber hinaus der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, der Nötigung nach § 105 Abs. 1 für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden war (der Betreffende hatte vier Mittäter dazu bestimmt, dass diese einem Dritten durch Schläge mit einer Metallrute und mit Holzknüppeln näher umschriebene schwere Verletzungen zugefügt hatten), erachtete der Verwaltungsgerichtshof die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit für mehr als 25 Monate als verfehlt und gab zu erkennen, dass die Behörde von einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von weniger als 18 Monaten hätte ausgehen müssen.

 

Schließlich hielt der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. November 2003, 2003/11/0240, das eine Person betraf, der neben dem Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 205 Abs. 1 und nach   § 206 Abs. 1 StGB überdies zwei Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB (eine davon eine an sich schwere Verletzung herbeiführend) zur Last fielen, die von der Behörde vertretene Annahme einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit für mehr als 16 Monate für verfehlt.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich verkennt nicht, dass der Bf im Zusammenhang mit Gewaltdelikten wiederholt einschlägig in Erscheinung getreten ist und eine zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart mit hohem Aggressionspotential aufweist, jedoch ist seit der Begehung der strafbaren Handlung inzwischen so viel Zeit verstrichen, dass vor dem Hintergrund der dargestellten einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Verkehrsunzuverlässigkeit des Bf nicht mehr angenommen werden kann.  Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Bf mittlerweile seine Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangt hat, sodass daher der Beschwerde stattzugeben und die angefochtene Entziehung der Lenkberechtigung aufzuheben war.

 

Gleiches gilt für den mit dem angefochtenen Bescheid überdies verfügten Ausspruch über die Aberkennung des Rechts, während der Entziehungsdauer von einem ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, weil eine solche Maßnahme ebenfalls die Verkehrsunzuverlässigkeit des Bf vorausgesetzt hätte. Der Vollständigkeithalber wird in diesem Zusammenhang angemerkt und die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass seit dem Inkrafttreten der 14. Novelle zum FSG, BGBl. I Nr. 61/2011 (Inkrafttretedatum: 19. Jänner 2013) dem Besitzer einer ausländischen Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder eines ausländischen EWR-Führerscheines (§ 1 Abs. 4), der einen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat, nunmehr gemäß § 30 Abs. 2 FSG die Lenkberechtigung unter Anwendung der §§ 24 bis 29 zu entziehen ist.

 

Aufgrund des konkreten Verfahrensergebnisses entfällt auch die Ablieferungspflicht des Führerscheines nach § 29 Abs. 3 FSG.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

Mag. Dr.  Monika  S ü ß